Mit seinem hanebüchenen Statement gibt der RIAS-Kammerchor ungewollt und tragikomisch links-intellektueller „Israelkritik“ einen neuen Spin: Er kritisiert nicht Israel, sondern cancelt einfach gleich dessen Gott. Absurder geht es kaum. Bemerkenswert: die Träger des Chors.
Die Rettung Israels aus der Knechtschaft der Ägypter – eine Geschichte von Befreiung, so episch und so wirkmächtig, dass sie zu allen Zeiten Künstler inspiriert hat; unter anderem auch Georg Friedrich Händel, der mit Israel in Egypt ein großes Oratorium mit gewohnt wuchtigen Chören und festlicher Klangfülle geschaffen hat. Ein perfektes Stück für ein Neujahrsprogramm, sollte man meinen, doch der RIAS-Kammerchor ist umgeschwenkt: Das Werk wird durch einen Psalm ersetzt. Man will das Neue Jahr angesichts der Kriege und des Unfriedens lieber mit einer Friedensbitte einläuten; und was wäre dafür geeigneter als ein Psalm über Jerusalem, die heilige Stadt dreier Weltreligionen?
Das klingt legitim, doch die Erläuterung, die Chordirektor Bernhard Heß und Chefdirigent Justin Doyle vorlegen, lässt tief blicken: „Im Oratorium Israel in Egypt gibt es eine einseitige und alles erobernde Macht, die vor allem durch den Chor repräsentiert wird. Diese Darstellung, auch wenn sie dem Alten Testament entstammt, halten wir angesichts der aktuellen Situation nicht für angemessen (…).“
Nennen wir das Kind beim Namen: Wer hier vorwurfsvoll als „einseitige und alles erobernde Macht“ betitelt wird, ist niemand anderes als der Gott des Judentums. Die Täter-Opfer-Umkehr macht also selbst vorm Allmächtigen nicht halt. Nicht die Ägypter, die das Volk Israel versklaven, handeln unangemessen, sondern Gott, der sein Volk gewaltsam befreit – übrigens nachdem er es mehrmals gewaltlos versucht hatte. Mit diesem hanebüchenen Statement gibt der Kammerchor ungewollt und tragikomisch links-intellektueller „Israelkritik“ einen neuen Spin: Er kritisiert nicht Israel, sondern cancelt einfach gleich dessen Gott. Absurder geht es kaum.
Zudem wird hier eine frappierende Entfremdung der Künstler von der Kunst, die sie pflegen, deutlich: Der Gott, den sie mit einem Psalm um Frieden bitten wollen, ist schließlich derselbe wie im Anstoß erregenden Oratorium. Wie soll er der Bitte entsprechen, ohne einzugreifen? Im Programm verbleiben darf der Lobgesang der Maria, in dem diese die „machtvollen Taten“ Gottes bejubelt: Offensichtlich versteht man beim RIAS-Kammerchor den inneren Zusammenhang des jüdisch-christlichen Weltbildes nicht. Man verdächtigt Religion, eigentlicher Urheber von Gewalt zu sein, und stört sich dementsprechend am kämpferischen göttlichen Bekenntnis zum Volk Israel.
Eine sehr oberflächliche Lesart – ein Kunstwerk hat niemals nur eine Ebene: Jedes Volk, jeder Mensch kann sich in diesem Oratorium erblicken; Trauer, Verzweiflung, Gefahr, Errettung, all diese Grunderfahrungen müssen nicht mit jüdischem oder christlichem Blick gelesen werden. Zudem zeigt uns die gegenwärtige Situation, dass es im Angesicht des Bösen die Bereitschaft braucht, sich klar zu bekennen.
Das jedoch ist dem faulen, kraftlosen Pseudopazifismus zuwider. Man bleibt diffus bei Floskeln, die „Respekt, Toleranz und gegenseitige[r] Achtung“ beschwören, und setzt Zeichen, indem man das „unangemessene“ Gottesbild aus dem Programm wirft. So kann man der unangenehmen Realität ausweichen, auf die Händel und die Bibel nun einmal hinweisen: dass das Böse real ist. Dass der Wunsch nach Gewaltlosigkeit nicht zu Gleichgültigkeit gegenüber Opfern und Tatenlosigkeit gegenüber Gewalttätern führen darf; dass also zur moralischen Rechtschaffenheit gehört, „einseitig“ zu sein, das heißt Position zu beziehen gegen jene, die Gewalt und Hass verbreiten.
Es ist eine Illusion, dass Frieden irgendwann vom Himmel fällt, ohne dass sich jemand – ob Mensch oder Gott – dafür die Hände schmutzig machen müsste. Wer aber darauf hinweist, gilt in einem Milieu, das nicht nach Frieden, sondern lediglich nach dem Wohlgefühl eigener Friedfertigkeit strebt, als Unruhestifter. Und Unruhestifter werden in dieser gutbürgerlichen Scheinwelt nicht geduldet – gleich, ob es sich um Moses oder Händel handelt, oder um den lieben Gott höchstpersönlich.
Es ist aber auch nicht allein Sache des Chordirektors. Träger des Chores sind Deutschlandradio, die Bundesrepublik Deutschland, das Land Berlin und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Es ist ein weiterer Fall nach der antisemitischen Präsentation auf der Documenta, dass die Kulturbeauftragte des Bundes, Claudia Roth, offensichtlich nicht ihrer Aufsichtspflicht nachkommt.
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Einfach schrecklich, wie die woken links-grünen antisemitischen Spinner jetzt auch klassische Komponisten für ihre widerlichen Ziele missbrauchen. Das erinnert doch stark an den Missbrauch von Kunst und Kultur während des NS-Regimes und während des DDR-Stalinismus.
Auf yt lassen sich Aufnahmen des Oratoriums finden – u.a. die aus der Elbphilharmonie unter Hengelbrock: https://www.youtube.com/watch?v=U32v8nMLpiQ
Libretto hier: http://opera.stanford.edu/iu/libretti/israel.htm
Das Exodus-Motiv spielte in der Abschaffung der Sklaverei und der Emanzipation der Afroamerikaner eine ganz wesentliche Rolle, siehe (als Beispiel von vielen) den 1872 entsandenen Song „When Israel was in Egypt’s Land“, oder Martin Luther Kings Anklänge an die Exodusgeschichte in seiner Mountaintop-Rede.
Dies mal als Hinweis an hier mitlesende ÖRR-Vertreter.
Pazifismus ist immer zahnlos. Die Redaktion hat aber diesmal Recht, obwohl aus anderen Gründen als gegeben. Eine Kunstwerk ist mehrere Dinge – unter anderem: eine Erinnerung an die vage her gelaufene Geschichte und ein ästhetisches (manchmal in sehr unangenehme Art) Erlebnis. Wenn man unbedingt will, kann man auch sie als eine politische Stellungnahme verstehen, das sollte aber nicht dazu führen, dass man etwas cancelt, besonders wenn das die Musik ist und zwar sehr schöne.
RIAS Berlin stand einmal für eine „Freie Stimme der Freien Welt“ und war DAS Hassobjekt der Ostzone. Heute steht er für den Sieg der ostzonalen Dummheit.
Sie hätten vielleicht pro domo, werte Frau Diouff, auf die sehr hörenswerten Konzerte Ihres Haussenders verweisen können. Händel war auch schon dabei und besonders Bach kommt immer wieder gut. Sowas wie die Reihe „In Concert“ stünde ja dem „Bildungsauftrag“ des ÖRR gut zu Gesicht, aber das passt wohl nicht in deren wokes Selbstverständnis.
.“…dass die Kulturbeauftragte des Bundes, Claudia Roth, offensichtlich nicht ihrer Aufsichtspflicht nachkommt.“
Ich vermute sie würde Zuschüsse stoppen/kürzen, wenn der Chor sich anders verhielte.
Denk ich an Deutschland in der Nacht…..
na dann werden demnächst auch Gospel-Chöre vom ÖR „korrigiert“ werden müssen….Go down Moses wird dann wohl „gecancelt“ ….tja….eine Zwickmühle….da ja viele POC (allerdings nur aus den USA) das Lied sehr oft singen….man wird einfach umtexten müssen…..“Go down Gaza“….kommt doch woke….oder?
Das „unangemessene“ Gottesbild wird aus dem Programm geworfen, während das „angemessene“ im LKW über den Weihnachtsmarkt ,die Promenade des Anglais fährt oder „hunderten von Götzendienern“ im Bataclan Gewaltlosigkeit demonstriert.
Gut, dass der RIAS-Kammerchor nicht unverzichtbar ist.
Das erinnert mich an einen Ausspruch von Hugo Wolf: “ Geistige Trägheit ist der Feind aller Kunst“. Ich würde es variieren in „geistige Dummheit.“ Das gab es aber auch schon in der DDR, wo der Text der Chorfantasie op. 80 von Beethoven neu gefasst wurde, Es war kein geringerer als Kurt Masur der sich der gewollten Neufassung des Textes der .9 Sinfonie von Beethoven (Schillers Ode an die Freude) wiedersetz hat. Masur hat übrigens bei der Wende nicht unwesentliche Rolle in Leipzig gespielt….