Alice Cooper ist überzeugter Christ und Familienvater. Aber das behält er für sich. Denn er lebt von dem Image des Bösen Jungen. Seit über 50 Jahren. An diesem Samstag wird der Glamrocker 75 Jahre alt.
Du bist die Hassfigur der Sittenwächter, Mütter warnen ihre Kinder vor dir und in manchen Staaten müssen die Jugendlichen volljährig sein, um in deine Konzerte zu dürfen. Dann gehst du hin und veröffentlichst deine neue Single: „No more Mr. Nice Guy“. In der erklärst du der Welt, du hättest genug davon, der nette Typ von nebenan zu sein. Das zeugt von Humor. Und von Selbstbewusstsein. Den hat Alice Cooper seit seines Lebens gehabt, das an diesem Tag 75 Jahre alt wird. Diese Eigenschaften haben den harten Rocker immer auch zu einem Sympathieträger gemacht. Einem, der über den täglichen Aufgeregtheiten eines stets nervösen Geschäfts steht. Seit über 50 Jahren.
Cooper wird als Vincent Damon Furnier in Detroit geboren. Rock City. Die Musikhauptstadt des Nordens. Das Gegenstück zu Nashville im Süden. Egal, was Cleaveland sagt. Schon als 16-Jähriger drängt Furnier ins Musikgeschäft, spielt erst Beatles-Songs, dann welche von den Rolling Stones. Dann nennt sich seine Band um in Alice Cooper. Erst jetzt sucht sie einen eigenen Stil, findet den gemeinsam mit dem Förderer Frank Zappa und wird so zu einem Wegbereiter für eine kurze Ära der Musik – der des Glamrocks.
Anfang der 70er Jahre drängt die Musik verstärkt ins Fernsehen. Das zwingt die Musiker zu visuelleren Auftritten. Für viele Bands der Hippie-Ära bedeutet das den Tod. Die Band „The Buggles drückte das in dem Song „Video killed the Radio Star“ aus. Vier Minuten vier Langhaarigen zuschauen, die ein Lied vortragen, ist halt einfach öde. Vierzehn Mal vier Langhaarigen in Folge zuschauen unerträglich. Auf der Bühne muss etwas passieren. Etwas, das zu sehen ist.
Der Glamrock bietet das: Bunte Kostüme, geschminkte Männer und wildes Gebaren begleiten die Musik fortan. Alice Cooper, die Band prägt diesen Stil mit. Doch auch der wird schnell öde: immer schrillere Klamotten zu weichgespülter Musik. Der Trend beherrscht zwar eine kurze Zeit lang die Charts. Alice Cooper haben 1972 und 1973 ihre größten Erfolge mit „School’s out“ und eben „No more Mr. Nice Guy“. Dann folgt aber ein Flop-Album und die Band löst sich auf. Furnier gewinnt 1974 vor Gericht und darf sich fortan als Solokünstler Alice Cooper nennen. Seine Bandkollegen versuchen ebenfalls eigene Projekte, aber keines von denen schafft es auch nur bis zur Plattenaufnahme. Der Glamrock ist mittlerweile tot.
Alice Cooper, der Sänger, überlebt ihn. Weil er mehr ist als Schockelemente, die sich schnell überleben. Auf der Bühne spektakuläre Lichtshows einsetzen? Das ist eine Zeit lang neu und aufregend. Doch dann schreien die Fans nach mehr. Also insznierst du Schauspiele mit viel Kunstblut. Kommt gut an. Reicht aber irgendwann auch nicht mehr. Du inszenierst deine Hinrichtung auf der Bühne – Hammer. Nur: Was soll danach noch kommen? Cooper reizt all diese Mittel aus. Aber er ist dabei immer mehr. Ein guter Musiker aus Detroit – und ein unglaublich charismatischer Mensch. Einer, der sich nicht nur bunt ausstaffiert, weil das gerade alle tun, sondern einer, der das Verrückte lebt. Ein „Verrückter Clown“.
In Deutschland verschwindet Cooper nach 1974 für etwa zehn Jahre von der Bildfläche. Hierzulande fährt ein Zug nach nirgendwo und ist jede neue Liebe ein neues Leben. Der Freak passt nicht in die deutsche Musiklandschaft. Wenn in den späten 70ern und frühen 80ern jemand lustig sein will, darf das nicht subtil sein. Dann muss er einen karierten Anzug tragen, eine Aktentasche mit einem Gummibroiler drin und eine Brille, die ihm Glubschaugen macht. Schließlich fasst er noch der Heidi von hinten an die Schulter, damit wirklich jeder versteht, dass das alles lustig sein soll.
In den USA und Großbritannien bleibt Cooper im Geschäft. Obwohl er ernsthafte Drogenprobleme bekommt. Doch selbst das steigert seinen Kultstatus. Das Spiel mit den Images als Satanisten, als Süchtigen, als Sexsymbol – all das gibt der Kunstfigur Cooper Tiefe und Reiz. Das gilt für die Fans, die ihn lieben, aber erst recht für die große Zahl derer, die ihn hassen. Auch der Brechreiz ist ein Reiz.
Cooper wird zum Kult. Der Strapse tragende Frank’n’Furter aus der Rocky Horror Picture Show ist an ihn angelehnt. Nur wenige Sänger treten in so vielen Spielfilmen wie Cooper auf, um dort sich selbst zu spielen: in Wayne’s World, in Roadie, in Dark Shadows, in Bigfoot, die Legende lebt, in Die Wilden Siebziger oder in Monk. 2014 erscheint ein Dokumentarfilm über ihn, „Super Duper Alice Cooper – Welcome to his Nightmare“. Willkommen in seinem Alptraum. Später sogar ein Comic.
In Deutschland taucht Alice Cooper 1989 wieder auf dem Schirm auf. Dann allerdings richtig. Mit der Single „Poison“ und dem Album „Trash“ stürmt er die Charts. Er klingt jetzt massentauglicher. Ein wenig wie Bon Jovi, die damals mit Hits wie „Livin‘ on a Prayer“ oder „Bad Medicine“ erfolgreich sind. Was kein Zufall ist. Denn Cooper lässt sich nun von Desmond Child produzieren, der zuvor mit Bon Jovi zusammengearbeitet hat. Hier schließt sich ein Kreis. Denn Child war es auch, der Kiss groß rausbrachte. Die Band, die mit geschminkten Gesichtern und Schockauftritten erfolgreich war – wie Cooper es ihnen ein halbes Jahrzehnt vorher vorgemacht hat.
Alice Cooper wäre aber nicht Alice Cooper, wenn er dabei bliebe. Wenn er nach „Poison“ zuverlässig wie ein Beamter Chartserfolg an Chartserfolg reihen wollte. Fünf Jahre später erscheint „The Last Temptation“. Ein Konzeptalbum. Düsterer, ernster und tiefer als „Trash“. Zwischendrin räumt Cooper so ziemlich jede Ehrung ab, die das Showgeschäft zu bieten hat: Vom Stern auf dem „Walk of Fame“ in Hollywood bis zur Aufnahme in die „Rock and Roll Hall of Fame“ in Cleveland – als Detroiter.
Von Vincent Damon Furnier ließe sich noch eine ganz andere Geschichte erzählen: Der Mann, der seit 30 Jahren verheiratet ist. Mit der gleichen Frau. Drei Kinder hat. Ein guter Golfspieler ist. Ein bekennender Christ. Und der spendet. An die christliche Stiftung „Solid Rock Foundation“. Doch das wäre schlecht fürs schlechte Image. Das des „Verrückten Clowns“. Das gehört zur Show. Und um die geht es schließlich. Das hat Alice Cooper Zeit seines Lebens verstanden, was nun schon 75 Jahre andauert und ihn in diesem Mai und nach der Sommerpause auf Tour durch die USA führt.
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Meine Güte, was werden da für Erinnerungen wach! )))) Es war die Zeit, als ich als – sagen wir – Viereinhalbkäsehoch meine erste Land-WG an den Wochenenden kennenlernte: in einer alten, stillgelegten Ziegelei vor den Toren einer sich modern gebenden Stadt, deren recht übersichtlichen intellektuellen und moralischen Horizont schon Heinrich Heine so trefflich in seiner „Harzreise“ ironisierte. Gegessen wurde, was gerade da war und Andere mitbrachten – Spezialitäten aus der Konservendose, Bier, whatever -, ab der Mittagszeit war die Hukah praktisch immer in Betrieb, und meine erste Lehrstunde im Bereich Multitasking bestand darin, gleichzeitig zu trinken, zu rauchen und die… Mehr
Der gute alte Alice Cooper. Unkraut vergeht nicht. Es ging ja mal das Gerücht um, er würde sich am Tag 80 Zigaretten und zwei Flaschen Whisky durchziehen. Gehört definitiv in die selbe Kategorie wie auch Ozzy Osbourne, der ähnlich kontrovers über die Bühnen fegte und auch noch aktiv ist. Dass es unter Rockern und Metallern mit ihren diabolischen Shows viele bekennende Christen gibt, verwundert nicht. Das allgemeine Bild vom Satan und der Hölle in der westlichen Welt, entstammt ja letztlich der Bibel und hier besonders der Offenbarung. Das ist also nicht zu trennen. Der Kunstinteressent kann das sicherlich bestätigen: Die… Mehr
Zitat: „Alice Cooper haben 1972 und 1973 ihre größten Erfolge“ > Oh man, wie die Zeit doch vergeht. Die 1960/70er mit der Mucke von Alice Cooper(der Schrecken aller Schwiegermütter? ), T.Rex, Deep Purple, The Sweet, The Who, Suzi Quatro u.a.m. – nicht zu vergessen im Fernsehen die Musik-Sendungen wie der Beat-Clup oder Disco mit Ilja Richter. Das war der Sound aus meiner Jugendzeit den ich mir auch heute noch hin und wieder anhören kann. Schade das dieser Sound – aber auch speziell die Zeit von 1960 bis 1980, vorbei ist und (Sark/Iro on) mit den 1990ern „das beste Deutschland aller… Mehr
Der Auftritt bei den Muppets war auch nicht schlecht.
Eindrucksvoll der Typ, nun auch im Club der wirklich alten Rocker:
Still going strong. Allein wie die nach all den Schnaps- und Drogen-Eskapaden mit 75 und mehr noch auf der Bühne aktiv sind, ist beachtlich.
Diese Kunstfigur wurde von Francis Vincent Zappa nach dem Motto konzipiert: „ugly is good“ – doch nur als Gegenbild zum unerträglichen Spießertum der 50/60/70ger. Es nannte sich „reach a higher level of consciousness“. Frei nach Schillers Motto von der „Schaubühne als moralische Anstalt“. Das praktizierten Zappa, Beefheart und ein paar andere. Nur leider hat´s nicht funktioniert. Ich bin daher der Meinung, das gehört in so einen Geburtstagspost. Was ist stattdessen passiert? Nicht die beabsichtigte Bewusstseinserweiterung hat stattgefunden, sondern der schlechte Stil wurde einfach adaptiert und in tausend Teile zersplittert als Brut des Üblen in die Welt verschickt, als würde Mad… Mehr
Das waren noch Zeiten. Alice Cooper, Gary Glitter, Sweet, Slade, T-Rex, ELO und wie die Glamrocker alle hießen. Mittwoch Abend Diskothek im WDR mit Mal Sondock, später, Samstags, Radiothek mit Roger Handt oder die Schlagerrally mit Wolfgang Neumann. Da wurde dann auch mal zur Not mit Mikrofon auf Fe2O3-Cassette aufgenommen, Chromdioxid kam erst später, weil man noch nicht wusste wie man den Phillips-Cassettenrecorder an das alte Röhrenradio anschließen soll. Ein Fest des Rauschens, der Hintergrundgeräusche und eines ewig dazwischenquatschenden Mal Sondocks oder dem „mach’ die Musik leiser!“ Auf der anderen Seite gab‘s dann noch die „richtige Musik“, die heilige Dreifaltigkeit… Mehr
Ich hatte für diese Art von Musik immer was übrig. So richtig schön überzogen und irgendwie überkandidelt-dekadent. Mag ich 🙂
Ich hatte ihn in meinem Jugendzimmer. In Lebensgrüße, als BRAVO-Starschnitt. Meine Mutter hatte an sich nichts dagegen, machte sich aber Sorgen, daß er mir in der Nacht erscheinen könnte, als Albtraum. Ist aber nix passiert, bis auf die Rock-Infektion. Die bin ich bis heute nicht losgeworden. Hoffentlich gibt’s dagegen nie eine Impfung.
„Der Glamrock ist mittlerweile tot.“
So? Sagen Sie das mal den Herren Simmons und Stanley.
Sind Kiss nicht schon seit Jahren auf unendlicher Abschiedstournee? Leider jedenfalls nicht hier in Norddeutschland, die waren nämlich mein „Anfixer“ in Sachen Popularmusik, aber seinerzeit, als die in Hamburg mal auftraten (mit Iron Maiden) befand Muttern, ich sei für Konzertbesuch noch zu klein 😉 Aber davon ab: Dieser schönen, guten Zeit der Rockmusik mit den bombastischen Shows setzte nichts mehr zu als diese kurzzeitige Mode „Unpluged“. Das war wirklich zum Erbrechen, keine Lightshow mehr auf dann minimalistischer Bühne, keine bis an Grenze der Erträglichkeit verzerrte Gitarren, stattdessen Akustikklampfe, als säße man mit evangelischer Studentengruppe um vegetarisches Lagerfeuer, klimaneutral nicht wirklich… Mehr
„…als die in Hamburg mal auftraten (mit Iron Maiden) befand Muttern, ich sei für Konzertbesuch noch zu klein…“
Da ist Ihnen was entgangen. Ich sah die Show damals in Düsseldorf. Iron Maiden als Anheizer – das musss man sich heute mal vorstellen.