Zeitungen haben jetzt ein eigenes Interesse am Ende der Schuldenbremse

So eine Staatspleite hat auch ihre guten Seiten: Die Ampel hat vorerst den Plan gestoppt, Zeitungen mit milliardenschweren Subventionen zu pampern. Es fehlt an Geld. Trotzdem können Zeitungen jetzt nicht mehr neutral über Bundespolitik berichten.

picture alliance/dpa | Carsten Koall
Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Staatsministerin für Kultur und Medien.

Freitags spät und samstags früh lohnt es sich am meisten, Nachrichten zu verfolgen. Dann, wenn das nur wenige tun. Die ganze Woche über tönt die Ampel, welch großartigen Projekte sie vorhat – und hecheln gleichzeitig die geneigten Journalisten in Lobreden auf diese Pläne hinterher. Freitags spät und samstags früh laufen die kleinlauten Meldungen über die nächste, einst lautstark angekündigte Idee, die von der Ampel im engsten Kreis der Angehörigen bestattet wird.

Zum Beispiel die „Zustellförderung für Zeitungen“. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel darauf geeinigt, notleidende Verleger finanziell unterstützen zu wollen. Damit deren Yachten nicht im Hafen verrotten, die Farmen in Kanada verwaisen und die Demokratie nicht stirbt. Denn darum gehe es eigentlich. Zumindest offiziell. Die Demokratie zu retten. Die hängt nämlich von auf toten Bäumen gedruckten Zeitungen ab. Und wenn der Bürger als Leser die Zeitung nicht mehr bezahlen will, dann nimmt die Ampel ihm auch diese Entscheidung ab und lässt ihn als Steuerzahler weiter für die Zeitung blechen, deren Abo er gerade gekündigt hat. Nach einem Papier des Wirtschaftsministeriums waren anfangs weit über 200 Millionen Euro als Förderung vorgesehen. Diese jährliche Summe sollte bereits in wenigen Jahren auf über 600 Millionen Euro pro Jahr steigen.

Doch die „Zustellförderung“ ist gestoppt. Vorerst. Die Nachrichtenagentur DPA zitiert am frühen Wochenende einen Sprecher von Medienministerin Claudia Roth (Grüne) entsprechend. Es fehle derzeit schlicht an Geld für das Projekt. Angesichts der Schuldenbremse sei es auch nicht absehbar, wann und ob dieses Geld jemals da sein werde.

Die Steuergeschenke für notleidende Verleger hatte schon die große Koalition unter Angela Merkel (CDU) auf ihrem Schirm. Doch ihr Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) scheiterte an einem Schlüssel, wie das damals noch vorhandene Geld verteilt werden sollte. CDU und SPD wollten schließlich auf keinen Fall ihre Geschenke in die Hände von Medien wie TE geben, die das am Ende noch nutzen würden, um kritisch über die Regierung zu berichten. Pfuibäh. Das Geld sollte ausschließlich Merkel geneigten Journalisten zukommen. Oder wie es in Neusprech heißt: „Qualitätsmedien.“ Doch Altmaier, sonst um keine Trickserei verlegen, fand partout keinen Weg, Qualität in seinem Sinne zu definieren und das Geld in seinem Sinne zu verteilen.

Zeitungen werben gerne und groß damit, „unabhängig“ zu sein. Wie weit das noch zutrifft, ist fraglich. Einst waren sie gut gemästete Goldesel mit zweistelligen Dividenden. Doch seit das Geschäft mit Werbung und Kleinanzeigen ins Internet abgewandert ist, zeichnen sich die Rippen dieser Esel ab. Die Ampel verbietet jetzt für immer mehr Produkte die Werbung und erhöht gleichzeitig die staatlichen Werbeetats. Sodass sich schon jetzt immer mehr Medien eine kritische Berichterstattung über die Ampel buchstäblich nicht mehr leisten können. Sie stehen so treu zur Regierung und deren Ideologie, dass sie so langweilig wie die Prawda und das Neue Deutschland zusammen geworden sind und folglich jedes Jahr zwischen fünf und zehn Prozent an Auflage verlieren. Was sie noch abhängiger von staatlichem Geld macht. Ein Teufelskreis.

Es mag paradox wirken und es zeigt, dass sich Medien gar nicht erst auf staatliche Leistungen einlassen sollten: Damit, dass Roth den Verlegern vorläufig ein Aus der möglichen Zahlungen verkündet hat, macht sie diese zu abhängigen Playern im politischen Spiel: Einigen sich CDU und Ampel darauf, die „Schuldenbremse“ auszuhebeln und damit einen Dammbruch in den Staatsfinanzen zu ermöglichen, könnte auch das gewünschte Geld in die Taschen der Verleger fließen. Wie viele Chancen hat ein Journalist in einem solchen Haus noch, kritisch über das Ende der „Schuldenbremse“ zu berichten? Wie glaubwürdig bleibt eine Zeitung, wenn sie ihren Lesern vorgaukelt, das Aus der „Schuldenbremse“ sei die Rettung für das Land – wenn es in erster Linie die Rettung für die marode Zeitung ist?

Medien können nicht neutral über ein Thema berichten, in dem sie selber Partei sind. Selbst wenn sie es versuchen. So kommentierte die Frankfurter Rundschau zum Ende von Rot-Grün und zum Beginn der Merkel-Ära kritisch die Leiharbeit, wie sie in den Hartz-Gesetzen verändert wurde. Gleichzeitig veranlasste die FR die Gründung der Leiharbeit Agentur „Pressedienst Frankfurt“ (PDF). Diese stellte alle jüngeren Journalisten ein, die vor einer möglichen Festanstellung bei der FR standen. Eine ganze Journalisten-Generation degradierte die FR zu Leiharbeitern und Redakteuren zweiter Klasse. Bei anderen Medien hätte die Rundschau durchaus über einen solchen Vorgang berichtet. Doch aus der eigenen Zeitung erfuhr der FR-Leser nichts davon. Klar. Denn Medien können nicht neutral über ein Thema berichten, in dem sie selber Partei sind. Indem die Verlegerverbände die „Zustellförderung“ gefordert haben, haben sie ihre Medien in Sachen „Schuldenbremse“ zur Partei gemacht. Das sollte jeder Leser wissen, wenn seine Zeitung einen großzügigeren Umgang des Staats mit neuen Schulden fordert.

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Kommentare ( 29 )

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29 Comments
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Stefan Z
1 Monat her

Die ehemals vierte Gewalt im Land, hat sich größtenteils selber verraten und verkauft. Das kann weg und muss auch nicht mit Steuergeldern gepampert werden. Es zahlt doch auch niemand für einen Tischler, der zu blöd ist einen Tisch zusammen zu bauen. Alle Medien, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, können weder unabhängig noch neutral sein. Es sind nichts anderes als staatliche Propaganda-Organisationen. Überall wo die Politik mitmischt, ist eben auch die Gefahr des Missbrauchs gegeben. Wo würden SPD und Grüne, wohl ohne die massive Unterstützung des ÖRF und der „Qualitätsmedien“ stehen? Daher haben wir letztendlich eine Regierung, die nur noch… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Vielleicht führt das Aus für die Alimentierung linker Schmierblätter ja auch zu einer Qualitätsverbesserung, indem sich die Redaktionen wieder auf ihr früheres Kerngeschäft besinnen: machtkritische Berichterstattung über das, was ist. Die Frage wird am Ende sein, ob die vielen enttäuschten Leser zurückkommen werden, wenn sie bemerken, dass in den unentgeltlich zugängigen Online-Ausgaben zur Abwechslung mal Regierungskritik anklingt. Aber wer so belogen und betrogen wurde, die viele Stammleser einst großer und qualitativ guter Zeitungen, der wird wohl misstrauisch sein und mit einer gewissen Genugtuung die weitere Talfahrt regierungshöriger Schundblätter beobachten. Die große Mehrheit deutscher Presseerzeugnisse hat den eigenen Niedergang selbst verschuldet.… Mehr

Orlando M.
1 Monat her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Sozialisten ohne Propaganda sind wie ein Fisch ohne Wasser, hoffnungslos verloren. Ergo wird die Horrorampel gewiss einen Weg finden diese Medien zu pampern, sonst wäre die Propaganda allzu offensichtlich. Der nicht linientreue Rest wird wie Compact einfach nach und nach gekeult bzw. gezielt in Angst und Schrecken versetzt.

zaungast
1 Monat her

Ein sehr informativer Artikel – aber warum müssen Sie ihn mit einem so schrecklichen Foto verunzieren?

Stefan Z
1 Monat her
Antworten an  zaungast

Das war sicher ein Versehen. Das scheint mir eine Szene aus Hexen hexen oder Harry Potter zu sein. Hat auf jeden Fall wohl nichts mit dem Artikel zu tun. Vielleicht kann Herr Thurnes die Sache mal aufklären.

Benedictuszweifel
1 Monat her

Tja, die Mehrheit der Wähler wählt Parteien, die die Schuldenbremse sofort abschaffen wollen: D. h.: nachdem das Erbe der Vorfahren verfrühstückt ist, kommen halt jetzt die (vermuteten) zukünftigen Leistungen der Nachkommen dran…

Last edited 1 Monat her by Benedictuszweifel
Benedictuszweifel
1 Monat her

Berufsethos? Ich frage mich, was jemand selbst von sich hält, dem die eigene Funktion als Speichellecker genügt? Kann das sinnstiftend sei? Auch, zumindest bei der ARD gibt es Mitarbeiter, die brennen auf Investigation, die sind richtig gut. Die wollen ein eigenes Leben. Im oft gräßlich überkitschten Film „Out if afrika“ gibt es, jedenfalls nach meiner Meinung, auch ein paar wirklich kluge Sätze. Einer davon: Ich möchte nicht letztlich feststellen müssen, am Ende des Lebens eines anderen angekommen zu sein.

Last edited 1 Monat her by Benedictuszweifel
Benedictuszweifel
1 Monat her

Immerhin: als achgut vor einigen Tagen ihren Lesern, viele waren schon, wie ich z.b. „paten“, klar erklärten, dass sie nicht wüssten, wie es finanziell für achgut weiter gehen soll, gab es in ein paar Tagen so viele Spenden und neue Patenschaft, dass es wohl weiter gehen kann. Ich habe natürlich auch ein TE Abo, obwohl ich vor ein paar Monaten in die Arbeitslosigkeit gemobbt wurde. Zunächst ist eine Frage der Fairness: wie käme ich darauf, mir unabhängige, gute Informationen schenken lassen zu wollen? Für meine frühere Arbeit zu 100% im Sinne der Sinne der Beitragszahler der Krankenkassen wurde ich auch… Mehr

euroduck
1 Monat her

Eine Tageszeitung habe ich schon ewig nicht mehr in der Hand gehabt. Wir bekommen hier das Wochenblatt was zwar aus viel Werbung besteht und dazu noch Beilagen von eine Dutzend Firmen hat aber der redaktionelle Teil hat es teilweise richtig in sich. Da wird auch noch die letzte Verfehlung des grünen Stadtrates breit ausgewalzt und auch kritische Berichte und Kommentare kommen nicht zu kurz. Ich habe den Chef der Zeitung mal angesprochen wie er es denn schaft solche Berichte ohne Mecker von der Politik abzudrucken. Die Antwort war ziemlich einfach: „Ich habe so viele Anzeigen- und Beilagenkunden das es mir… Mehr

Paprikakartoffel
1 Monat her
Antworten an  euroduck

Damit haben Sie Glück!

Wolfram_von_Wolkenkuckucksheim
1 Monat her

Sehr schön. Ja, es ist eine heilsame Wirkung. Ich war früher gerne Zeitungsleser, wenn ich mal Zeit hatte, auf einer Bahnreise beispielsweise. Aber eine Zeitung habe ich mir seit gefühlt 10 Jahren nicht mehr gekauft. Vor zwei Jahren stellte mein Stammbäcker den Verkauf von Zeitung ein. Am Ende waren es nur Bild und Weser-Kurier und nun ist es gar nichts mehr: Es lohnte sich für die nicht, weil keiner mehr den Quatsch kaufte. So eine Staatspleite kann in der Tat sehr heilsam sein, denn dann sieht man, wer wirklich wichtig ist in diesem Land. Als Spitzensteuerzahler in der Privatwirtschaft mit… Mehr

Prodigy
1 Monat her

Die Frankfurter Rundschau deren greise Leserschaft aus Altachtundsechzigern besteht ist schon vor Jahren vom Ippenverlag übernommen worden und hat im eigentlichen Sinne keine eigene Redaktion mehr weil alles zentral aus München (Ippen Digital Gmbh und Co. KG) gesteuert wird. Das was noch in Frankfurt in der Hedderichstrasse übriggeblieben ist in der Verwaltung sind Antifanten ersten Ranges. So einer wie Dirk Ippen hatte vor ein paar Jahren mal hier auf TE eine Bühne geboten bekommen ich war da sehr enttäuscht.

Peter Gramm
1 Monat her

unser Finanzminister hat ja auch ein start up in den Sand gesetzt. Die auf dem Foto abgebildete Dame war bei Ton Steine Scherben auch nicht sehr erfolgreich. Warum ausgerechnet immer wieder diese „Leistungsträger in höchste Staatsämter geraten um dort ihre Weisheiten verbreiten zu können ist schwer erklärlich. Es geht immer wieder um unsere hart erarbeiteten Steuergelder.