Saskia Esken bei Lanz nach Wahlabsturz: Müssen an unserer Politik nichts verändern

Lanz lacht ungläubig: „Ihr Kanzler sagt: ‚Wir schieben im großen Stil ab‘ und Sie sitzen dann hier und sagen: ‚Wir sind nicht zuständig‘?“ Schuld sind laut Esken wieder die anderen, in dem Fall die Bundesländer, der Kanzler kann – einmal mehr – für nichts: „Was der Kanzler tun konnte, hat er getan.“ Die Ampel hat sich aufgegeben.

Screenprint: ZDF/Markus Lanz

Man sieht Markus Lanz nicht oft sprachlos. Dieses Mal ist er es. Jedenfalls sagt er das, nachdem er am Donnerstag eine gute halbe Stunde zugehört hat, was SPD-Chefin Saskia Esken da gerade in seiner Talkrunde fabrizierte. Es geht um das katastrophale Abschneiden der Sozialdemokraten bei der EU-Wahl, um mögliche politische Kurskorrekturen, die anstehen könnten.

Doch von Esken kommt nichts als Selbstgerechtigkeit. Für den Absturz der SPD macht sie wahlweise Corona, Krieg, hohe Mieten oder die Inflation verantwortlich: Den Menschen stehe „das Wasser bis zum Hals“, analysierte sie messerscharf – so als wären sämtliche Probleme ganz plötzlich in einem großen Unwetter vom Himmel gefallen, mit dem die SPD rein gar nichts zu tun habe.

Esken zählt „alle unsere guten Konzepte“ auf: Mindestlohnerhöhung, Wohngeldausweitung, Kindergelderhöhung. Die hätten die Menschen nicht spüren können „wegen dieser hohen Inflation“. Eine bestechende Logik. Schon da bleibt Lanz nur noch der etwas hilflose Kommentar: „Das ist interessant, was hier gerade passiert.“ In der Tat: Hier stellt sich eine Parteichefin intellektuell selbst bloß.

Da verteidigt selbst Lanz die AfD

Dass die Wähler in Scharen zur AfD laufen? Will Esken nicht in den Kopf. Die sei doch eine „Reiche-Eliten-Partei“. Lanz’ Einwand, dass die AfD eher die neue „Partei der kleinen Leute“ sei, wischt Esken vom Tisch: „Nein, das ist sie nicht, weil sie ihnen nämlich nichts zu bieten hat.“ Darauf Lanz: „Aber offensichtlich sehen die das anders.“ Die SPD-Chefin hält die Wähler deswegen scheinbar für blöd: „Uns gelingt es offenbar nicht so gut, den Menschen deutlich zu machen, dass wir an ihrer Seite stehen.“

Esken wirft der AfD noch vor, „eine rechtsradikale Partei“ zu sein und die „Deportation von Migrantinnen und Migranten“ zu wollen. Das ist selbst Lanz zu blöd: „Die ganze Partei ist einfach rechtsextrem, pauschal?“, sagt er vorwurfsvoll und ergänzt: „Niemand hat dort in Potsdam das Wort ‚Deportation‘ benutzt.“

Thema Migration: Kanzler Olaf Scholz hatte im Spiegel-Interview im Oktober gefordert, endlich „im großen Stil“ abzuschieben. „Wie viele Abschiebungen mehr hat es seitdem gegeben?“, will Lanz wissen. Die Frage findet Esken „unterkomplex“. „Was ist daran unterkomplex?“, fragt Lanz zurück. „Sie wissen doch, dass wir nicht zuständig sind“, entgegnet Esken.

Schuld sind immer die anderen

Lanz lacht ungläubig: „Ihr Kanzler sagt: ‚Wir schieben im großen Stil ab‘ und Sie sitzen dann hier und sagen: ‚Wir sind nicht zuständig‘?“ Schuld sind laut Esken wieder die anderen, in dem Fall die Bundesländer, der Kanzler kann – einmal mehr – für nichts: „Was der Kanzler tun konnte, hat er getan.“ Außerdem „schiebe“ Putin Asylbewerber nach Deutschland.

Lanz bleibt dran, will wissen, warum nichts passiere. Esken schleudert ihm entgegen: Wenn er wolle, dass ein Wort aus der Regierungserklärung am nächsten Tag wirksam werde, „dann verstehen Sie die Zusammenhänge der politischen Abläufe in Deutschland nicht“. Lanz schüttelt ungläubig den Kopf: „Dann bin ich zu dumm. Aber mit mir sind es offenbar viele andere auch.“

Ein ehrlicher Moment

Dem Moderator zur Hilfe kommt in dieser Sendung Michael Bröcker von Table.Media. Auch er fordert verzweifelt „eine Spur Selbstkritik“ von der SPD-Chefin ein. Vergeblich. Auch er darf sich von Esken anhören, „unterkomplex“ zu argumentieren. „Wo korrigieren Sie sich?“, fragt Bröker. Die SPD-Chefin: „Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, in der Politik ’ne Korrektur vorzunehmen.“

Lanz hakt darauf noch einmal konkret nach: „Sie haben gesagt: ‚Wir haben da nichts zu korrigieren.‘“ Darauf Esken: „Ja.“ Das einzige, was sie später konzediert, ist, dass „handwerklich Vieles schief gelaufen“ sei. Am Personal aber müsse sich nichts ändern. Dass der vormalige SPD-Chef Sigmar Gabriel jüngst ihre Parteiführung infrage stellte, kanzelt Esken schnell ab: „Das ist für mich keine relevante Stimme.“

Eine relevante Stimme scheinen aber auch die Bürger für die SPD-Vorsitzende nicht zu sein. Denn als Lanz einbringt, dass laut einer Umfrage nur noch 23 Prozent dem Kanzler vertrauten, hält Esken bloß fest: „Ich vertraue diesem Kanzler.“ Na dann sollte er natürlich weiter machen! Einen bemerkenswerten Moment gibt es dann noch zum Schluss der Sendung. Als es um die Stimmung unter Jugendlichen geht, erklärt Esken, man habe das Wahlalter „vielleicht auch“ deswegen auf 16 abgesenkt, weil man gehofft habe, „dass die uns wählen“. Es ist der ehrlichste Moment der SPD-Chefin in dieser Sendung.

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Kommentare ( 131 )

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pcn
6 Monate her

Wenn Menschen mit ihrer Weisheit am Ende sind, weil sie mit ihren intellektuellen Fähigkeiten an einem toten Punkt angekommen sind, dann weiß man spätestens: Sie, hier im Fall Esken, „hat sich redlich bemüht“, aber für den Job als Politikerin völlig fehl am Platz.
So sieht es auch mit dieser ganzen Ampel aus.

Renegade1
6 Monate her

Die meisten Leser hier sollten sich keine Hoffnungen machen, dass diese Frau in der Versenkung verschwindet.
Da der westliche Teil Deutschlands noch immer einheitlich schwarz wählt, wird die SPD auch mit nur 5 % in eine Koalition zusammen aus CDU und Grünen kommen. Solange Merz die Brandmauer aufrecht hält, wird sich nichts ändern.
Vielleicht ist Merz ja ein verkappter SPDler oder Grüner, eine andere Erklärung habe ich nicht.

Brotfresser
6 Monate her
Antworten an  Renegade1

Merz ist ein verkappter Rocker – ein BlackRocker!
Mit welcher Partei zusammen er Larry Finks Interessen vertritt, ist im piepschnurzegal!

Riffelblech
6 Monate her

Esken ist es zu verdanken das die ganze Dümmlichkeit ,Arroganz und Besserwisserei einer einst stolzen Partei mal zusammenfassend dargestellt werden konnte .

Mindreloaded
6 Monate her

UND diese Frau, stellvertretend für viele politische Günstlinge, wird vom Steuerzahler für den Rest ihres Lebens durchalimentiert, weit über den Durchschnitt von Menschen die ein Leben lang gearbeitet haben.
Ich kotzen im Strahl! Das ist keine Selbstversorgung sondern Plünderung von Staatsvermögen. Abgesehen davon sind die Linken doch immer für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung!

giesemann
6 Monate her

Man sieht’s mit Kermani’schem ungläubigem Staunen: Der volle Satz der sozialdemokratischen Sprechblasen, volle Breitseite. Knackpunkt, auch von Lanz und anderen natürlich ignoriert: Es gibt keine Klimaproblematik, dafür aber ein Demografieproblem zur Befeuerung der Emigration aus den islamischen Gefilden hin zu uns. Sehr gut dargestellt von Daniele Dell’Agli – Über den Zusammenhang von Religion, Demografie und Migration – Essay – Perlentaucher. Willkürlich heraus gegriffenes Zitat: Nun wird seit Anfang der neunziger Jahre erbittert über Ursachen und Notwendigkeit von Migration und die Möglichkeiten ihrer Eindämmung beziehungsweise Lenkung gestritten. Es gibt ein Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit, gewiss; was es nicht gibt, ist ein Recht auf Einwanderung, jedenfalls nicht ohne… Mehr

Kalmus
6 Monate her

Nach Monaten habe ich mich wieder mal bei Lanz eingeklinkt, und vorher bei Illner. Dort habe ich die Gewissheit erlangt, dass eine Strack-Zimmermann Deutschland in einen großen Krieg führt. Bei Lanz sind die schlimmsten Befürchtungen zur Unfähigkeit der Selbstreflexion der aktuellen Politikerkaste übertroffen worden. Man saß da mit offenem Mund, im Angesicht dieser Esken, die an keiner Stelle auch nur den Hauch eines Selbstzweifels zeigte….. Man muß diesen Leuten den Stuhl unterm Hintern wegziehen, von selbst gehen die niemals.

Falk
6 Monate her

Braucht es noch mehr Beweise? Wie deutlich muss die Politik noch werden? Baerbock hat es doch schon so direkt wie es nur geht gesagt: „…egal was die Wähler denken…“ Sollen sich Esken, Habeck, Scholz & Co erst zur „Primetime“ for Kameras stellen und es genauso tun: „Uns ist egal was die Wähler wollen…. “ Die Altparteien, die Ampel befinden die Politik die sie machen als „richtig“ & „gut“. TROTZ aller Folgen!! – Das muss doch bedeuten, dass diese Politik ein Ziel hat… Und „wir“ auf dem „richtigen“ Weg zu diesem Zeil sind!! Wenn dem nicht so wäre würden sie doch… Mehr

Kassandra
6 Monate her
Antworten an  Falk

Seehofer wars, bereits 2011: „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden“: https://www.youtube.com/watch?v=3agvOrINrmU
Und hier vordem: https://www.youtube.com/watch?v=duNEPYRjnbA
Was die Frage nach Sinn bzw. Unsinn des gesamten Kabinetts wie des Staatsapparates aufwerfen würde, bliebe man da am Ball.
Man bedenke auch, dass einer wie Schwab vom wef sich traut öffentlich zu sagen: „we penetrate the cabinetts“ https://www.youtube.com/watch?v=SjxJ1wPnkk4&ab_channel=Nieuwsitems

Falk
6 Monate her
Antworten an  Kassandra

Danke dafür!

Und wieder: Dann und wann legen „sie“ die Karten offen auf den Tisch!

Man bekommt sie lediglich nicht zu sehen! Weil die Medien ja so unglaublich „frei“ und „allumfassend“ informieren!

Michael Palusch
6 Monate her

Als der Lanz die Esken wegen des Begriffs ‚Deportation‘ in die Mangel nimmt, merkt man Eskens Reaktion, diesen „“Du willst mich doch jetzt veräppeln!“-Blick, dem ungläubigen, verlegenen Lächeln und dem sich daran anschließenden Gestammel, deutlich an, die hat von Lanz tatsächlich das erste Mal davon gehört, dass von Deportation in Potsdam niemals die Rede war.
Die lebt komplett in ihrer eigenen Welt, in einer Welt des Postfaktischen, einer Welt, die mit der Realität nicht das Geringste zu tun hat.

Angela Honecker
6 Monate her

Bei dieser Person und vielen anderen fällt mir mittlerweile nur noch Loriots „Ödipussi“ ein. Fragt die Mutter ihre Tochter(Evelyn Hamann): Ist das einer von deinen Bekloppten? — Anders kann man das doch gar nicht mehr aushalten.

Ohanse
6 Monate her

Frau Esken hat Recht. Die SPD soll bloß nichts ändern und bitte so weiter machen, wie bisher. Vielleicht noch ne Schippe mehr vom selben. 😉