Während sich Parteien zu professionellen Medienunternehmen entwickeln, die ihre "Narrative" auf Plattformen für Zielgruppen ausspielen, werden Medienunternehmen politische Kampfgruppen, die die Richtung der Politik bestimmen wollen und können.
„Auf paradoxe Weise hat Trumps Medienhass so den schleichenden Bedeutungsverlust der Medien gestoppt. Politik und Medien scheinen sogar ihre Rollen zu tauschen: Während sich die Parteien immer stärker zu hochprofessionellen Medienunternehmen entwickeln, die ihre „Erzählungen“ (Narrative) möglichst geschickt auf allen Plattformen für ihre jeweiligen Zielgruppen ausspielen wollen (ganz unabhängig von der später tatsächlich praktizierten Politik), werden die Medienunternehmen – wie in ihrer heroischen Frühzeit – zu politisch-idealistischen Kampfgruppen, die die Richtung der Politik bestimmen wollen und können.“
Mit dieser Betrachtung schlägt Wolfgang Michal ein neues – altes – Kapitel der Rolle von Medien und Journalisten und darüberhinaus des Verhältnisses von Politik und Medien auf, über das er schon mal schrieb: „Der Beginn des modernen Journalismus war also in seinem Wesenskern parteiisch und aktivistisch, während er sich nach außen mit dem Glorienschein von Unabhängigkeit, Distanziertheit und neutraler Beobachtung des Zeitgeschehens umgab. Diese Verklärung wird bis heute, vor allem in Deutschland, von Journalisten als Wahrheit rezipiert.“
Diesen älteren Beitrag beendete er mit der berühmten Tischrede des Aktivisten und JournalistenJohn Swinton im Jahre 1880:
„So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“
Bei diesem – historisch erneuten – Rollentausch von Journalismus und Politik könne es nicht wundern, sagt Michal, „dass Donald Trumps ‚Chefideologe‘ Steve Bannon die US-Leitmedien als politische ‚Opposition‘ identifiziert hat. Die Medien, nicht die Demokratische Partei, seien die eigentliche ‚Oppositionspartei‘. Sie verkörpern, laut Bannon, das liberale, globalistische, elitäre, säkularisierte und anti-nationale Weltbürgertum, das dem ‚hart arbeitenden‘ Mittelstand, der tief in der christlichen Kultur der amerikanischen Provinz verwurzelt ist, schadet. Diese ‚Partei‘ (die Hillary-Obama-Jubelpartei) will Bannon mit allen Mitteln bekämpfen.“
Dabei habe alles eigentlich ganz harmlos angefangen: „Das Internet war noch klein und verspielt und wirkte irgendwie ungefährlich. Zum Spaß kabbelten sich ein paar Journalisten mit ‚Bloggern‘, die frech behaupteten, sie seien so wichtig wie Journalisten.“ Dann aber hätten Blogger, Google und Facebook begonnen, „immer unverfrorener an der Monopolstellung der Medien“ zu rütteln, „Blogger, Twitterer und Chatter, die frei Schnauze reden konnten, konkurrierten mit herkömmlichen Meinungsmachern, Enthüllungsplattformen konkurrierten mit traditionellen Reportern, YouTube-Stars konkurrierten mit der gewohnten Fernsehunterhaltung.“
Ja, möchte ich da anschließen, und dieser Wettbewerb hat gerade erst begonnen. Die alten Medien sollten nicht voreilig von der Aktivierung durch Trump und Co. auf ein Ende ihrer eigenen Krise schließen. Die Medien-Anteile sortieren sich gnadenlos neu, die Rolle der alten Medien (offline wie online) werden im neuen Medienmix keine dominante mehr sein.
Anders als jenseits des Atlantiks macht dieser Rollentausch die Medien in der gegenwärtigen politischen Landschaft Westeuropas nicht zur Oppositionspartei, sondern zur Regierungspartei. Opposition können sie erst werden, wenn jene regieren, die sie mit aller Gewalt davon fernhalten wollen – von AfD bis Front National.
Hier noch mal das eingangs Zitierte von Wolfgang Michal:
„Auf paradoxe Weise hat Trumps Medienhass so den schleichenden Bedeutungsverlust der Medien gestoppt. Politik und Medien scheinen sogar ihre Rollen zu tauschen: Während sich die Parteien immer stärker zu hochprofessionellen Medienunternehmen entwickeln, die ihre „Erzählungen“ (Narrative) möglichst geschickt auf allen Plattformen für ihre jeweiligen Zielgruppen ausspielen wollen (ganz unabhängig von der später tatsächlich praktizierten Politik), werden die Medienunternehmen – wie in ihrer heroischen Frühzeit – zu politisch-idealistischen Kampfgruppen, die die Richtung der Politik bestimmen wollen und können.“
Michal schließt dem diesen Satz an: „Das ist nicht die schlechteste Entwicklung (aber man sollte sie weiter kritisch beobachten).“
Ich halte den Rollentausch für eine schlechte Entwicklung, weil die „Vierte Gewalt“ ihre neue – alte – Rolle als Partei keiner Kontrolle unterwerfen wollen wird: weder alte noch die neue Medien.
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De facto ist, wenn denn Medien die Politik vor sich „hertreiben“, dann in ihrem eigenen Sinne als mitverdienende politische Kraft und als lobbyistischer Machtfaktor. De facto ist, dass nur die „getrieben“ werden, die getrieben werden sollen. De facto gehören den Parteien ihre Medienbeteiligungen per Gesetz abgenommen. Die SPD ist doch immer gegen Lobbyismus, hier kann sie anfangen. Wir sollten mal beständig alle Medienbeteiligungen der Parteien sichtbar ins Netz stellen, damit die Leser sich diesbezüglich einen Reim auf manchen Artikel machen können. De facto braucht die SPD -wie für ihre SZ- nur die richtig sozialisierten Leute anstellen lassen, Herr MarHel, die… Mehr
Völlig richtig, es ist eine bedenkliche Entwicklung. Allerdings wird sie vom Markt mehr und mehr beendet werden. Beispiel „Spiegel“: Damals eher der linken oppositionellen Studentenbewegung nahestehend als dem damaligen rechten CDU/Industrie-Establishment, hat sich seine linke, später linksgrüne Linie durch hohe Verkaufszahlen – der politisch wache Teil einer Bevölkerung ist immer eher oppositionell-kritisch gegenüber den Mächtigen – über Jahrzehnte immer mehr verfestigt. Nun ist aber im Laufe der Zeit das heutige Establishment inzwischen selber linksgrün geworden; der „Spiegel“ findet sich somit faktisch auf Seiten der Herrschenden wieder, hält sich aber groteskerweise subjektiv immer noch für das aufklärerisch/oppositionelle Organ früherer Jahre. Diese… Mehr
Gehöre zur Erzherzog Johann Fraktion, stünde also im kuk Wien auf der Watschlist …
War scherzhaft gemeint, wie Sie hoffentlich bemerkt haben. Hat aber einen realen Hintergrund: Es ist kein Geheimnis, dass nicht nur hierzulande Journalisten der „Qualitätsmedien“ Kontakte zu Geheimdiensten pflegen und damit selbst Partei werden.
„Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler werden kann, wer mindestens 18 Jahre alt ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Ein Mandat im Bundestag ist dagegen nicht nötig. “ https://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BKin/DE/Kanzleramt/WahlDerBundeskanzlerin/wahl_der_bundeskanzlerin_node.html
Der Vertrauensverlust von Medien und des Journalismus an sich, hat sich in den letzten zwei Jahren weiter vertieft. Das dünkt dieselben jedoch kaum, wie ein sich selbst nährender Organismus genügt man sich selbst. Der Leser, nurmehr ein lästiges Etwas, den es zu schulmeistern, zu manipulieren und bei pädagogischer Resistenz auch zu strafen gilt. Die Mainstream Medien haben den „Point of no return“ ihrer Verstrickung mit den Mächtigen längst überschritten und den Verlust ihrer Unabhängigkeit selbst verschuldet. Der Preis für diesen Pakt ist hoch, Ethos, Glaubwürdigkeit, freie Berichterstattung sind dahin und am Ende werden Freiheit und Demokratie irreparablen Schaden nehmen. „Ich… Mehr
Wir brauchen keine Presse mehr. Jedenfalss keine wie jetzt.
Wir brauchen aufrechte, unabhängige, unerschrockene Journalisten.
Ist der moderne westliche Journalismus nicht in seinem Grundsätzen schon Aktivismus? Das gehört doch zum Berufsbild: man will „engagiert“ sein, die „Bösen“ entlarven, das Volk „aufklären“. Für mich deshalb schon per se ablehnenswert. Ich will nicht von irgendwelchen anmaßenden Schreiberlingen „aufgeklärt“ werden, die das Wissen wer gut und böse wäre für sich gepachtet haben. Wann immer es um Themen ging, von denen ich selber betroffen war: fast immer entlarven sich die Schreiberlinge als maximal halbwissend aber höchst anmaßend.Ich hoffe, dass die Brutalisierung der Konflikte wie zwischen Trump und CNN auch zum Untergang dieses Journalismus führt. Eine Standesgruppe, die sich ernsthaft… Mehr
Wie wahr, wie wahr! Tatsächlich beginnt die Presse ab Mitte des 19.Jahrdts. mit der Rotationsdruckmaschine und der so entstehenden „penny-press“ unmittelbar als politisches Instrument die Massen zu politisieren, und zwar gleichermaßen in den USA wie in Europa. Der aktive Beitrag der Presse zur Entstehung des Ersten Weltkrieges wird endlich auch etwas stärker in den Blick genommen (vgl. Clarck – Die Schlafwandler) und dass die Presse nach dem 2. WK überaus parteiisch war, kann man nicht nur am Beispiel der Springer-Presse nachvollziehen, sondern auch an Spiegel & Co., die als Teil des von den USA finanzierten „re-education process“ eine wichtige, die… Mehr
Bei dieser Diskussion darf das Medienimperium der SPD samt Missmanagement nicht unerwähnt bleiben, nur wegen der Chancengleichheit und so…..
Ein bestimmter Teil der Medien macht mit der Politik längst gemeinsame Sache. Anrüchig wird es dann; wenn Politik in freundschaftlicher Verbindung zu Medienhäusern und deren Inhabern steht. Und dann auch noch diese widerliche Arroganz, das eigene Geschreibsel für unumstößlich zu halten und politisch Andersdenkende als Populisten zu bezeichnen.