Wie die ARD hilft, der AfD und der Wagenknecht-Partei die Wähler zuzutreiben

Die ARD betreibt Wahlkampfhilfe für das BSW - allerdings völlig unbeabsichtigt. Auch Sahra Wagenknecht profitiert vom AfD-Effekt. Denn je mehr man sie zu dämonisieren versucht, umso mehr Sympathien schlagen ihr entgegen.

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Caren Miosga, 21:45 Uhr Sonntagabend, zu Gast ist Sahra Wagenknecht. Man kann sich nur noch wundern, mit welchen journalistischen Mitteln die Menschen im Osten zur Wagenknecht-Partei getrieben werden.

Persönliche Angriffe statt Sachebene
In der ersten halben Stunde der Sendung gibt es ein regelrechtes Verhör. Es geht um einzelne Wortfindungen. Ein Vorwurf: Wagenknecht nutze Bezeichnungen, die Höcke ebenso verwendet. Aha. Die Moderatorin ging darauf ein, dass sich die Parteichefin gern für die „kleinen Leute“ einsetzt und mit diesen vor Ort sprechen würde. Zum Beispiel an den Tafeln.

Allerdings würden sich dafür keine Belege finden lassen. Wagenknecht widersprach der Darstellung, sie sei nie an der Basis gewesen. Sie erklärte, dass die ARD-Redaktion nur die Funktionäre in NRW befragt habe, die der SPD nahestehen, und daher die gewünschte Antwort erhielt. In den Datenbanken habe die ARD nichts Belastendes gefunden. Wagenknecht betonte, dass sie stattdessen selbst mit Menschen vor Ort, an Tafeln etc. gesprochen habe. Daraufhin kam der Themenwechsel.

Moderatorin Miosga verteidigte in der Diskussion die Ampel, den Kanzler und vor allem die Grünen gegen die Oppositionspolitikerin Wagenknecht. Ist das die elementare Aufgabe einer Journalistin in der ARD? In den ersten 30 Minuten ging es vor allem darum, Frau Wagenknecht als unglaubwürdig und nicht gesellschaftsfähig darzustellen. Es gab viele persönliche Zuschreibungen und Angriffe, anstatt die eigentlichen politischen Inhalte zu diskutieren.

Einseitige Besetzung des Podiums
Später verstärkten sich die Angriffe, als drei Gäste aus Westdeutschland gegen die Vertreterin aus Ostdeutschland am Tisch saßen. Frau Wagenknecht kam kaum zu Wort und hatte keine Chance, ihre Positionen ausführlich darzulegen. Das erzeugt Solidarität bei vielen Zuschauern. Das Gegenteil von dem, was man offensichtlich bezweckt. Nun wird sogar ein anderer Gast zum Moderator. Er stellt S. W. vorwurfsvolle Fragen. Damit zeigt er, er steht in der Diskussion „über sie“. Eine gegen alle, alle auf eine.

Fehlende regionale Perspektive
Auffällig war, dass bei der Diskussion über zukünftige Koalitionen in Sachsen und Thüringen kein Einheimischer aus diesen ostdeutschen Bundesländern vertreten war. Nach den nächsten Wahlen in Hamburg, wird bei Miosga kein Sachse und Anhaltiner, gemeinsam mit einem Thüringer und Alibi-Hamburger das dortige Ergebnis diskutieren. Mit Sicherheit.

Fazit: Kontraproduktive Berichterstattung
Insgesamt entstand der Eindruck, dass die Sendung darauf abzielte, Frau Wagenknecht und ihre Partei zu framen. Diese Taktik ist in Bezug auf andere Parteien und Personen gut bekannt und leicht durchschaubar. Stattdessen könnte eine sachlichere und ausgewogenere Berichterstattung dazu beitragen, das Vertrauen der Wähler im Osten zurückzugewinnen. Es störte offenbar, dass sie im Gegensatz zur politischen Konkurrenz Charisma besitzt und dadurch, obwohl eine Edelsozialistin kommunistischer Herkunft, erfolgreich ist. Andere Personen und Parteien verschwinden dagegen gerade in der Versenkung. Sie besitzt das Vermögen, Menschen zu erreichen und deren Zustimmung zu akquirieren. Der Ausweg für die Etablierten wäre, die eigene Politik dahingehend zu ändern, dass sie vom Wähler wieder angenommen wird. Und die ganzen Politikberufsfunktionäre, die aufgrund der richtigen Ideologie aber ohne fachliches Leistungsvermögen und Eignung nach oben gelangt sind, zu ersetzen. Stattdessen Persönlichkeiten mit Können, Erfahrung, Bildung, Intelligenz und guter Rhetorik einzusetzen. Nennt sich übrigens Charisma. Kennen Sie welche aus den etablierten Parteien…? Bin gespannt. Dann braucht man auf Wagenknecht nicht mehr zu schauen. Der Erfolg kommt dann von ganz allein. Kein Krawalljournalismus notwendig.

Das Motto der Sendung
Sahra Wagenknecht vor den Landtagswahlen in Brandenburg noch mehr Menschen zutreiben. Oder?


Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf“ und Mitautor sowie Herausgeber von „Die hysterische Republik“.

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Kommentare ( 82 )

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82 Comments
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mediainfo
6 Tage her

Gerade habe ich einige Minuten der Sendung in der Mediathek angeschaut. Was ich in den ersten zehn Minuten auffällig fand: Stille wie in einer Kirche im Publikum! Da hat sich keine Hand zum Applaus gerührt. Wo doch die Leute sonst so applausfreudig sind, wenn Grüne ihre Visionen vortragen.

Bekommen die Anweisungen vor der Sendung? Sind das nur ausgewählte Kader? Oder haben viele Menschen die Angst, mit (Zustimmung zur) Regierungskritik aufzufallen, schon derart verinnerlicht?

Last edited 6 Tage her by mediainfo
jwe
3 Tage her
Antworten an  mediainfo

Sie sind ja lustig! Das Publikum ist handverlesen und wird vor der Sendung eingewiesen, wann zu klatschen ist. Wer unpassend klatscht, wird ausgewechselt.

mediainfo
3 Tage her
Antworten an  jwe

Was mir wiederholt aufgefallen ist: Sobald jemand für „unerwünschte“ Standpunkte Beifall spendet, fährt häufig blitzschnell eine Kamera ins Publikum und versucht diese Person in Großaufnahme einzufangen. Achten Sie mal drauf beim nächsten Mal, es ist fast amüsant.

P.S.: Vorausgesetzt wir erleben das noch mal, dass jemand „abweichend“ applaudiert.

Last edited 3 Tage her by mediainfo
Ralf Poehling
6 Tage her

Ob das wirklich so unbeabsichtigt ist, glaube ich nicht.
Momentan betreiben ALLE aktive Wahlkampfhilfe für AfD und BSW.
Neben den Öffentlich-Rechtlichen sogar die Altparteien inklusive der Grünen.
Alle haben begriffen was hier läuft.
Nur die CDU nicht. Und das sagt alles… ;-D

mediainfo
6 Tage her

„Eine gegen alle, alle auf eine.“

So ist es doch immer, in der beliebten 5-gegen-1-Konfiguration (vier Gäste plus Moderatorin gegen eine/n Abweichler/in). Man will um jeden Preis sicherstellen, dass die unerwünschte Meinung als randständig und in der Minderheit befindlich erscheint. Das klappt aber nur noch bei wenigen Zuschauern.

Frau Wagenknecht kann geschickt argumentieren und ihren Standpunkt behaupten, aber dass sie mit diesen Fähigkeiten in der Politlandschaft ein solcher Solitär ist, zeigt meiner Ansicht nach auch, wie viele mittelmäßige Personen die Politik anzieht.

Boris G
6 Tage her

Eigentlich war Wagenknecht als extrem Linke das Darling der linken Journaille.
Dass Sahra die „kleinen Leute“ unter den Alteingesessenen vor der Masseneinwanderung von Armutsprekariat aus der Dritten Welt schützen will – upps!
Gerade schwenkt die Journaille aber von „no nations – no borders“ auf den Scholz-Kurs „Grenzen dicht“ um.
Meine Vermutung: Sahra wird im Handumdrehen wieder der Liebling aller Talk-shows, zumal wenn sie Koalitionen eingeht, die die AfD draußen halten.

Riffelblech
6 Tage her

Alleine das Bild der Sendung spricht Bände .
Wagenknecht lächelnd und gespannt wartend zu welcher Dusseligkeit sich Miosga wieder hinreißen lässt .
Und Miosga sitzt verspannt und gequält vor ihr ,sicher nicht den geplanten Zusammenbruch der Wagenknecht einleiten zu können .
Alleine dieses Bild zeigt das ganze Unvermögen des ÖR Rotfunks .

Rolfo
6 Tage her

Habe die Sendung gesehen und die Verhörmethode.Sahra Wagenknecht benutzt das Wort „Vasall“ in Verbindung mit dem Kanzler (hat auch Macron schon in Beziehung EU-USA benutzt) – es ist diese durchschaubare Art von Journalismus, die versucht jemandem ein Wort als infiziert, somit verboten, auszulegen und den Wortbenutzer als ebenso ansteckend wie all die anderen Unbotmäßigen darzustellen. Die Rechten.
Links darf natürlich alle als Nazi framen, ohne die Geschichte zu verharmlosen.

Last edited 6 Tage her by Rolfo
Ernst K.
6 Tage her

„Das Motto der Sendung
Sahra Wagenknecht vor den Landtagswahlen in Brandenburg noch mehr Menschen zutreiben. Oder?“

Die Wortwahl „Wähler zutreiben“ suggeriert, daß die davon profitierenden Parteien es nicht wert sind.
Beim BSW stimme ich da mit dem Autor überein, da es sich, quasi als deren U-Boot, zum Steigbügelhalter der Altparteien hergibt.
Die AfD, langjährig einzige wirkliche Opposition, hat diese Abwertung nicht verdient.

chez Fonfon
6 Tage her

Ich bin zufällig auf diese Sendung gestoßen und habe sie mir mit wachsender Faszination angeschaut. Mir ging es nicht um politische Inhalte oder gar Erkenntnisgewinn, das kann man bei diesen Formaten ohnehin vergessen, aber ich fand es unfassbar, mit welcher destruktiven verbalen Gewalt die – immer etwas derangiert wirkende – Frau Miosga sich als Inquisitorin versuchte und Frau Wagenknecht ein typisches ARD-Provinz-Tribunal bereiten wollte. Wagenknecht, von deren Partei ich nichts halte, ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Mir fehlte allerdings die Frage: „Was wollen Sie hier eigentlich von mir? Was soll ihr mieser Stil, Frau Miosga?“ Talkgäste noch vor über… Mehr

mediainfo
6 Tage her
Antworten an  chez Fonfon

„Was wollen Sie hier eigentlich von mir? Was soll ihr mieser Stil, Frau Miosga?“ Ich habe mir diese Frage auch schon gestellt, warum sie unfaire Techniken nicht vor aller Augen bloßstellt. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass sie das mit Bedacht nicht macht. Eine solche Eskalation, den Fokus auf das Verhalten Miosgas zu richten, und von der sachlichen Ebene wegzugehen, würde Wagenknecht und ihren Zielen letztendlich nicht helfen. Es ist besser, Miosga machen zu lassen in ihrer Selbstdemontage, und das Urteil den Zuschauern zu überlassen. P.S.: Wenn Wagenknecht in ihrer Erwiderung auch auf die persönliche Ebene gehen würde, würde… Mehr

Last edited 6 Tage her by mediainfo
Kassandra
6 Tage her
Antworten an  mediainfo

Von der Metaebene aus zu betrachten und zu reklamieren ist aber immer möglich.
Außer: man will es so.

Ombudsmann Wohlgemut
6 Tage her

Sozialismus ist grundsätzlich scheiße und verlief bisher immer gleich.
Man hat halt die Wahl zwischen dem dummen Linksrotgrün-Sozialismus und Sozialismus mit Realitätsbezug (abseits der Wirtschaft) sowie Pseudokonservatismus, der oft kaum noch von Sozialismus zu unterscheiden ist (außer bei den Worten), und radikalem (nicht extrem) Konservatismus, der uns von all dem Unsinn befreien will.

Last edited 6 Tage her by Ombudsmann Wohlgemut
Schlagsahne
6 Tage her

Da mühen wir uns jahrelang darum, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Dann schafft es mal eine Frau an die Spitze einer Partei und dann kommt ausgerechnet der ÖRR und versucht auf frauenfeindliche und unsolidarische Weise diese Frau abzuschiessen.
Da bin ich als emanzipierter Mann doch sehr verwirrt und verwundert.
Hauptkritikpunkt: das Konterfei von Frau Wagenknecht auf Tassen und T-Shirts. Was kann Frau Wagenknecht dafür, dass Frau Esken oder Frau Lang nicht auch längst auf diese Idee gekommen sind???
Im Ernst: eine unterirdische Sendung mit einer unterirdischen Moderatorin!!!