Weidel versucht es mit Umarmung, Wagenknecht mit Abgrenzung

Was Konfrontation und Gegensatz versprach, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als erstaunlich ähnlich: Oft nahezu inhaltsgleiche Positionen, Abgrenzung oft lediglich strategisch: AfD und BSW als zwei Seiten einer Medaille: Auch das ist eine wichtige Erkenntnis aus dem TV-Duell Weidel gegen Wagenknecht, das so im ÖRR wohl kaum gelaufen wäre.

Screenprint: WELT TV
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Als die „beiden aktuell erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Politikerinnen Deutschlands“ stellte Welt-TV-Chef Jan Philipp Burgard die Kontrahentinnen an diesem Abend vor: Er hatte AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Kopf Sahra Wagenkncht zum Duell geladen. Nachdem der Springer-Sender bereits im April Björn Höcke und Mario Voigt aufeinandertreffen ließ, scheint sich ein Muster abzuzeichnen: Der Sender versucht, Zuschauer mit politischen Konfrontationen zu locken, die so im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wohl nie laufen würden. Man kann das nur begrüßen und darf gespannt sein, wer als nächstes miteinander diskutieren wird.

CDU und SPD buckeln vorm BSW
Wagenknecht pfeift, die CDU spurt
Was nun Weidel und Wagenknecht angeht, so wurde am Mittwoch von Beginn an deutlich, dass die Kontrahentinnen auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Strategien setzten: Die AfD-Chefin versuchte immer wieder, die BSW-Frau zu umarmen. Die habe „viele Jahre politische Erfahrung“, umschmeichelte sie sie etwa direkt am Anfang und sagte dann im weiteren Verlauf Dinge wie: „Da hat Frau Wagenknecht völlig recht“ oder: „Was Frau Wagenknecht völlig richtig angesprochen hat…“

Wagenknecht dagegen hatte sich offenbar fest vorgenommen, Unterschiede herauszustellen und sich merkbar abzugrenzen. Während Weidel noch auf Schmeichelkurs war, ging Wagenknecht direkt auf Konfrontationskurs, warf Weidel etwa vor, sie „ehrenrührig und ehrabschneidend“ angegangen zu haben, weil die AfD- der BSW-Frau außerhalb des Duells attestiert hatte, als Steigbügelhalterin für die CDU zu agieren. Inhaltlich stimmte Wagenknecht dann zwar immer wieder mit Weidel überein, vergaß aber nie, die Übereinstimmung mit abgrenzenden Worten zu umrahmen.

Dennoch: Es wurde mehr als deutlich, dass die beiden Frauen in vielerlei Hinsicht grundsätzlich auf einer Schiene unterwegs sind. Zu Beginn fragte der Moderator nach den drei wichtigsten Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik. Weidel hob auf die „desaströse Energiepolitik“ ab, benannte Probleme im Bildungssektor und die zu hohe Steuer- und Abgabenlast. Wagenknecht beklagte in derselben Reihenfolge Energie- und Bildungspolitik, stellte als dritten Punkt allerdings die „absolut marode Infrastruktur“ heraus.

Hier wurde der erste Unterschied deutlich: Zwar stimmte Weidel Wagenknecht im Bezug auf die marode Infrastruktur zu. Während Wagenknecht aber neue Schulden für Investitionen propagierte, beharrte Weidel auf der Schuldenbremse. Hier hatte die AfD-Chefin die BSW-Frau eigentlich an einem entscheidenden Punkt. Denn Wagenknecht argumentierte plötzlich wie eine Altpartei: „Ich will nicht Schulden machen, ich will Kredite nehmen“, sagte sie, und bewegte sich damit ganz auf rot-grünem Kurs, bei dem Schulden gerne mal zu „Sondervermögen“ verklärt werden. Leider verpasste es Weidel, diesen Elfmeter zu verwandeln.

Weiter zur Außenpolitik: Große Übereinstimmung bestand in der Ukraine-Frage. Wagenknecht spulte ihr Programm ab: Es gebe eine Vorgeschichte, der Krieg sei unter anderem ausgebrochen, weil die Russen kein US-Militär an ihrer Grenze haben wollten. Weidel stimmte Wagenknecht zu: Die Geschichte sitze immer mit am Tisch. Wagenknecht warf der AfD allerdings vor, die Aufrüstung der Bundeswehr nicht nur mitzutragen, sondern auch noch zu sagen, „wir bräuchten noch mehr“. Weidel beantwortete das mit einem kühlen „richtig“.

Leere Betroffenheitsrhetorik
Steinmeier zum 7. Oktober: Keine Selbsterkenntnis, dafür unterschwellige Kritik an Israel
Lange verharrte der Moderator beim Thema Israel: Auch hier kaute Wagenknecht routiniert ihr Programm durch, verlor im Prinzip kein Wort über die massakrierten Israelis, sondern erging sich in langen, ressentimentgeladenen Anklagen der israelischen Politik, die „Terror mit Terror ausrotten“ wolle. Angenehm anders zunächst Weidel: Sie sprach von „schockierenden Bildern“ am 7. Oktober: „Israel kämpft gerade um seine Existenz“, die Bundesregierung hingegen fördere UN-Hilfswerke, die Palästinenser gegen Juden aufhetzten. Die AfD-Chefin auf klar pro-israelischem Kurs?

Leider nicht. Nicht nur überließ es Weidel dem Moderator, Wagenknechts radikal israelfeindliche Argumentation konkret zu konfrontieren. Sie geriet auch selbst schnell ins Schlingern, schwurbelte plötzlich von einer „Zwei-Staaten-Lösung“, von drohender „Eskalation“ und davon, dass „am Ende eines jeden Konfliktes immer ein Frieden steht“. Die Frage, ob sie Wagenknechts Forderung nach einem Waffenembargo mittrage, beantwortet sie zunächst nur mit dem Hinweis, jedes Land habe das Recht auf Selbstverteidigung. Kurz darauf stellt sie klar: „Keine deutschen Waffen nach Israel.“

Letzte Revolte Europa
Immer mehr EU-Länder beginnen sich gegen die Migration abzuschotten
Dann noch das Thema Migration: Hier wurde Wagenknechts Absicht, den Abend vor allem zur Abgrenzung gegenüber der AfD zu nutzen, am deutlichsten. Einmal mehr folgte der Zustimmung zu AfD-Positionen ein „Aber“. Konkret: Wagenknecht beklagte eine „völlig ungeregelte Migration“; ausreisepflichtige Menschen müssten das Land verlassen, die Migrationszahlen „dringend“ reduziert werde. „Aber die Art und Weise, wie bei ihnen darüber diskutiert wird, da wird mir übel“, schleuderte Wagenknecht Weidel entgegen. Mehrfach warf sie der AfD das Schüren von Vorurteilen vor, bekannte, dass sie Aussagen von Höcke „so gruselig“ finde.

Auf den Thüringer AfD-Chef hatte sich Wagenknecht besonders vorbereitet: Ganze Passagen aus dessen viel zitierten Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ hatte sie ausgedruckt, um sie nun vorzutragen. Obwohl ähnliches zu erwarten gewesen war, hatte Weidel darauf keine schlagfertige Antwort parat. Es wirkte eher hilflos, als sie im Gegenzug an Wagenknechts Vergangenheit in der Kommunistischen Plattform und ihr früheres Schwärmen für Venezuela und Kuba erinnerte. Wagenknecht distanzierte sich einfach von ihren – so sie selbst – „ziemlich abenteuerlichen“ Positionen aus der Vergangenheit. Und die AfD-Chefin setzte dem nichts Substantielles mehr entgegen.

Wäre sie besser vorbereitet gewesen, hätte sie abseits von Wagenknechts vergangenen Äußerungen inhaltliche Kontinuitäten in ihrem sozialistischen Weltbild aufdecken können. Oder aber die radikale Israelfeindschaft in den Reihen des BSW anprangern. Gerade bei letzterem bietet die Wagenknecht-Truppe eine breite Angriffsfläche. Allerdings wäre es wohl auch in Teilen der AfD-Mitgliedschaft nicht gut angekommen, wenn Weidel ausgerechnet diesen Punkt ausgenutzt hätte, um Wagenknecht anzugreifen.

TV-Duell
Auffällig übrigens: Zwar spielte Wagenknecht die Höcke-Karte, sie war aber stark darum bemüht, keine Brandmauer-Rhetorik aufkommen zu lassen. Bereits zu Beginn hatte sie erklärt, man müsse „mit der AfD fair umgehen“. Gegen Ende sagte sie dann, sie schließe eine Koalition mit Leuten „im Neonazi-Sumpf“ aus. Also nicht mit der AfD als solcher?

Mit Weidel zum Beispiel würde Wagenknecht wohl durchaus kooperieren können. Auf die Frage des Moderators, wo sie die AfD-Chefin auf einer Skala von 1 bis 10 einsortieren würde (1 = ein bisschen rechts; 10 = sehr rechts), antwortet die BSW-Frau mit einer annehmbaren 6. Auch von Weidel gab’s am Ende noch einmal Blumen für Wagenknecht: „Ich glaube, sie hat ein sehr ausgewogenes Profil“, sagte sie, wenngleich Unschärfen blieben. Just als Weidel letztere noch einmal aufzudecken versuchte, indem sie Wagenknecht wegen deren Vorstellungen zur Erbschaftssteuer eine mittelstandsfeindliche Politik attestierte, war das Duell leider vorbei.

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Kommentare ( 67 )

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Logiker
9 Minuten her

Solange Frieden und bilateraler fairer Handel zwischen souveränen Partnern anderswo als geschäftsschädigend betrachtet wird, wird es keine Ruhe geben.

Jeder sollte vor seiner Haustüre kehren, schon gar nicht auf anderen Kontinenten den Besen schwingen.

Last edited 8 Minuten her by Logiker
Anja W.
19 Minuten her

Geht doch! Ein politischer Schlagabtausch von zwei hochintelligenten Politikerinnen. Es war ein Vergnügen, ihnen zuzuschauen und zuzuhören, wenngleich viele Argumente bereits bekannt waren. Großes Lob an die Welt. So sieht Journalismus aus: nicht ständig unterbrechen und nicht ausreden lassen, nicht beschimpfen, sondern zuhören und argumentieren. Das war ein Hochgenuss abseits der meinungsbetreuten Talkshows mit Klatschhasen im ÖR. Ich denke im Vergleich nur an letzen Montagabend.

Logiker
19 Minuten her

Europa hatte nach dem Krieg 50 Jahre lang das (auch praktizierte) Credo „nie wieder Krieg“ und fand damit trotz aller Gegensätze breiten Konsens auf dem Kontinent, aber offensichtlich nicht jenseits des Atlantik. Bis man Ende der 90er erstmals mit dem NATO-Einsatz auf dem Balkan dagegen verstieß und sich in der Folge auch in weitere nichteuropäische Konflikte militärisch einspannen ließ. Derzeit findet in Europa wieder ein Krieg statt – allerdings ein Stellvertreterkrieg, wie es auch Stoltenberg feststellte – den die Europäer der NATO befeuern. Die Ukraine, auch nicht Russland sind weder Mitglied der NATO noch der EU. Eigentlich ein klarer Fall… Mehr

Last edited 14 Minuten her by Logiker
Dr_Dolittle
23 Minuten her

Das Existenzrecht Israels ist ja eine interessante Frage. Aber was ist denn mit dem Existenzrecht Deutschlands?????

Logiker
4 Minuten her
Antworten an  Dr_Dolittle

Sie meinen das „anstelle-von-Land“ auf Basis eines „anstelle eines Friedensvertrages“ geschlossenen Abkommens ?

Deutscher
25 Minuten her

Warum soll es „Strategie“ oder „Schmeichelei“ sein, wenn Weidel Wagenknecht in den Punkten bestätigt, die sie gleich sieht? Soll sie etwa das Gegenteil sagen?

Ali Mente
26 Minuten her

Weidel war die deutlich fairere Teilnehmerin in dem Duell, sie hatte ja auch vorher und zu Beginn gesagt, sie möchte miteinander reden und Lösungen finden statt sich anzufeinden, dieser Linie ist sie treu geblieben. Das Theater um Höcke war gekünstelt, man hatte das Gefühl, Wagenknecht wollte unbedingt einen Punkt haben an dem sie sich abgrenzt, nachdem schon recht viele Übereinstimmungen erkennbar waren, vielleicht zu viele für Wagenknechts mühselige Koalitionsverhandlungen mit den ganzen linken Parteien von SPD, Grünen bis zur CDU? Wäre Weidel mehr auf Krawall gebürstet gewesen, hätte sie an der Stelle das Gespräch mal auf Oscar Lafontaine lenken können,… Mehr

Horst Johnson
26 Minuten her

Weidel machte ihre Punkte bei Wirtschaft und Migration.
Sie ließ jedoch die Mistkübel Angriffe gegen Höcke unbeantwortet. Das wirkte leider hilflos für eine Bundesvorsitzende. Sollte doch bekannt sein das Linke mit allem Dreck werfen und ihr Antifa Programm abspulen.
So blieben die Vorwürfe unbeantwortet.

Waehler 21
30 Minuten her

Dass, was ich interessant fand, waren die Reaktionen auf dieses Streitgespräch. Diese Kommentatoren haben lediglich darauf gewartet, ein angreifbares Wort zu hören. Keiner von diesen Kommentatoren hat ein politisches Ziel dieser beiden Parteien angegriffen, sondern lediglich versucht, die Glaubwürdigkeit der Personen zu beschädigen.

Manfred_Hbg
37 Minuten her

Zitat(e) 1: „Wagenknecht dagegen hatte sich offenbar fest vorgenommen, Unterschiede herauszustellen und sich merkbar abzugrenzen. (……………………..) Inhaltlich stimmte Wagenknecht dann zwar immer wieder mit Weidel überein, vergaß aber nie, die Übereinstimmung mit abgrenzenden Worten zu umrahmen.“ > Dieses „sich merkbar abzugrenzen“, zeigt doch auch hier qieder nur, dass das Höcke-Geschwätze/-Bashing doch nur vorgeschoben ist und das wenn es Höcke nicht geben würde, dass es bezüglich der Zusammenarbeit mit der AfD nix, gar nix ändern würde und die Ablehnung bestehen bliebe – egal ob nun das BSW oder die CDU betreffend. – – – – – – Zitat 2: „Große Übereinstimmung… Mehr

Franz O
42 Minuten her

Es ist wieder die defensive Schwäche, welcher der AfD inne liegt, dass sie sich anbieten muss. Wagenknecht führt die Merkelpartei erwartungsgemäß als williges Schoßhündchen, während die AfD um Partner werben will. Genau wie bei Höcke gegen Merkelklatscher bietet die AfD sich an, während das Gegenüber sich abarbeiten kann. Niemand wird mich überzeugen können, Weidel weiß nicht um das Äquivalenzverhältnis von staatlicher Schuld und Kreditaufnahme. Diese Zurückhaltung ist gewollt. Hier war das wenigstens etwas weniger qualvoll anzuschauen als beim Thüringen-Vorgänger Höcke beim im Merkelpartei-Schleim rudern zuzuschauen. Man muss da aus der Deckung rauskommen und offensiv agieren, sonst wird das nüscht.