Im rbb-Kandidatencheck liefern sich die Spitzenkandidaten der Landtagswahlen in Brandenburg einen Wettbewerb der Konturlosigkeit: wenig Spannung, vorhersehbare Positionen rund um Klima, Bildung, Migration. Wirklich überzeugen kann keiner der politischen Akteure.
Fünf Tage vor der Landtagswahl in Brandenburg hat der rbb die Spitzenkandidaten der Parteien am Dienstag zum großen „Kandidatencheck“ geladen. Genauer gesagt: alle, die eine einigermaßen realistische Chance haben, ins Parlament einzuziehen, oder bereits darin vertreten sind, also SPD, AfD, Union, BSW, Grüne, Linke und die Brandenburger Besonderheit BVB/Freie Wähler (Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung). Drei dieser Parteien, nämlich Grüne, Linke und BVB, liegen in der aktuellsten Umfrage unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP hat man gleich gar nicht dazugebeten, schließlich haben die Liberalen nicht den Hauch einer Chance, ins Potsdamer Stadtschloss einzuziehen.
„Gefühlt war es noch nie so spannend“, sagt die Moderatorin zu Beginn – und hat damit nicht Unrecht: Erstmals seit der Wiedervereinigung könnten die Sozialdemokraten nicht auf Platz eins ins Ziel einlaufen, stattdessen die AfD. Mit dem BSW ist zudem eine neue aufstrebende Kraft im Rennen.
Doch von dieser Spannung spürt man wenig an diesem Abend. Was damit zusammenhängt, dass die Spitzenkandidaten allesamt eine blasse Figur abgeben. Ministerpräsident Woidke hat im Wahlkampf seinen Rückzug aus der Staatskanzlei angekündigt, sollten die Sozialdemokraten nur auf Platz zwei landen. Nun wirkt es so, als habe er sich damit bereits abgefunden.
Woidke zeigt sich zwar stellenweise als pragmatischer Landesvater: So verteidigt er die Tesla-Fabrik in Grünheide und kritisiert grüne Gedankenspiele für einen vorgezogenen Kohleausstieg, der die Lausitz betreffen würde: „Wir brauchen 2038 mit Sicherheit für die Beschäftigten“, so Woidke. Ansonsten strahlt er wenig Leidenschaft für die Brandenburger Zukunft aus. Als der Moderator fragt, ob das Bürgergeld wieder abgeschafft werden soll, und alle Kandidaten um ein Handzeichen bittet, schaut Woidke erst verunsichert, wie sich die Mitbewerber entscheiden, hebt kurz den Daumen, um ihn dann doch zu senken.
In seinem Schlusswort fällt dem 62-Jährigen schließlich nicht mehr ein, als an die Wähler zu appellieren, diese mögen doch verhindern, dass „die Brandenburger Fahne große braune Flecken bekommt“. Das wirkt hilflos und unsouverän, ebenso wie sein vorhergehender Angriff auf AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt. Gefragt, was er an diesem schätze, antwortet Woidke: „Nix.“
Berndt weiß das zu kontern: Er schätze an Woidke, dass dieser sage, Brandenburg brauche Größe, „wo doch jeder weiß, dass die Knochengröße nicht die Größe ist, die Brandenburg braucht“. Eine Anspielung auf ein Wahlkampfplakat Woidkes, auf dem er mit seiner eigenen Körpergröße von 1,96 Meter kokettiert. Berndts persönliche Attacke scheint zu sitzen. Woidke wirkt pikiert.
Der AfD-Spitzenkandidat gibt eine harte Figur ab: Damit hat er auf der einen Seite deutlich mehr Kontur als Woidke, läuft jedoch Gefahr, auf Wähler unsympathisch zu wirken. Allerdings ist Berndt in dieser Sendung ohnehin in einer schwierigen Position: Der rbb-Moderator, das wird schnell deutlich, hat seine Probleme mit ihm. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den beiden. Gleich zu Beginn etwa hält er dem AfD-Mann mit Blick auf die Hochwasser in Brandenburg vor, das dies doch mit dem Klimawandel zusammenhinge.
Berndt findet diese Art der manipulativen Fragestellung zurecht unangemessen. Ihm gelingt es an dieser Stelle, die AfD als sachbezogene Partei darzustellen: Er redet über den Biber, der die Deiche aushöhle. Bei den Deichen habe Brandenburg „ordentlich aufzuholen“. Seine Mitkandidaten bestätigen das später: Auch Union und BVB gehen auf das Biberproblem ein.
An anderer Stelle wirkt Berndt indes weniger souverän: Als ihm der Moderator, wiederum provokant, als erstes eine Frage zum Thema Rechtsextremismus an Brandenburger Schulen zuleitet, geht er auf die tatsächlich vorhandenen Fälle gar nicht ein, sondern spricht von „migrantischer Gewalt gegen einheimische Schüler“. Natürlich kann Berndt das Feld der Migrationspolitik am besten bespielen: „Wir haben seit 2015 Zuwanderung von mehr als zehn Millionen Menschen“, hält er fest: „und noch nie war das Fachkräfteproblem so groß wie jetzt. Da stimmt doch was nicht.“
Völlig konturlos wirkt derweil CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann, wenngleich er durch einzelne Angriffe auf Grüne und BSW an Statur zu gewinnen versucht. Redmann dürfte vielen Brandenburgern wohl überhaupt nur deswegen bekannt sein, weil er vor einigen Monaten alkoholisiert mit einem E-Scooter durch die Gegend düste und seinen Führerschein verlor.
Es ist nicht so, dass Redmann nichts Richtiges sagen würde an diesem Abend. Er macht gegen „Wildwuchs“ beim Ausbau von Windkraftanlagen mobil, argumentiert für die stärkere Vermittlung von Grundkompetenzen in der Schule, bringt Kritik an der Energiewende und der überfordernden Migration vor: „Es kann nicht sein, dass auf einen, der in Deutschland abgeschoben wird, 21 neue nach Deutschland kommen.“
Doch Redmann spricht sein größtes Problem selbst an: Die Union ist dafür mitverantwortlich. Er meint wohl vor allem die Ära Merkel, doch der Moderator erinnert ihn daran, dass die Partei in Brandenburg das Innenministerium stellt. Hier kann Redmann nur auf den Bund verweisen, der Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan verhindere. Es sind solche Momente, von denen die AfD am meisten profitieren dürfte, weil deutlich wird: Die anderen Parteien hängen alle mit drin; sie alle sind für das Desaster mitverantwortlich.
Fast alle: Dem BSW kann man allein deshalb nichts vorwerfen, weil es frisch gegründet wurde, in Brandenburg sogar erst im Mai. Am Spitzenkandidaten Robert Crumbach dürfte es derweil kaum liegen, dass die Partei ein gutes Ergebnis einfahren wird. Der Arbeitsrichter, der 40 Jahre lang SPD-Mitglied war, präsentiert sich auch an diesem Abend ziemlich schwach: Er schaut immer wieder auf seinen Zettel, trägt dessen Stichpunkte vor.
Zu Beginn betont er, das BSW leugne nicht „den Klimaschutz“. „Sie meinen den Klimawandel?“, fragt die Moderatorin. „Genau“, antwortet Crumbach. Inhaltlich bewegt er sich auf der bekannten BSW-Linie: Dass alle Menschen, die hierher kommen, das Arbeitskräfteproblem lösen würden, sei „schlicht falsch“, meint er in der Migrationsfrage. Zur Bildungspolitik sagt auch er, ganz konservativ, es müsse wieder ordentlich Lesen, Rechnen und Schreiben gelernt werden.
Als unverbrauchte, bürgernahe Alternative versucht sich Péter Vida ins Spiel zu bringen. Den Bau von Windkraftanlagen in Wäldern lehnt er ab, spricht von einer „rücksichtslosen“ grünen Politik gegenüber der Braunkohleregion in der Lausitz und will Noten wieder früher vergeben. Am Ende muss Vida hoffen, damit als Alternative für alle Bürger wahrgenommen zu werden, denen die CDU zu abgehalftert und die AfD zu radikal ist.
Die Spitzenkandidaten von Linken und Grünen beweisen indes einmal mehr, warum sie zu Recht um den Einzug in den Landtag bangen müssen. Dem linken Frontmann Sebastian Walter, der sich gerne als Robin Hood inszeniert, fällt nicht viel mehr ein, als alte sozialistische Parolen wiederzukäuen („Bauernland in Bauernhand“) und billige Angriffe auf Elon Musk zu fahren. Das Migrationsdesaster redet er weg: „Meine Realität ist eine andere“, sagt er unter Verweis auf die syrische Kinderärztin seines Sohnes.
Grünen-Kandidat Benjamin Raschke wiederum wirft den anderen Parteien einen „Wettbewerb der Schäbigkeit“ vor. Sie würden ihre Positionen „immer weiter nach rechts“ verschieben. Ansonsten verweist er an diesem Abend gerne auf den Klimawandel. In seinem Schlussstatement steht er dann ähnlich blank da wie Woidke: „Wenn Sie verhindern wollen, dass dieses Land immer weiter nach rechts kippt, dann geben Sie uns ihre Stimme!“
Die Wahlwette Brandenburg läuft bis Sonntag, 22. September. Werte Leser, bitte machen Sie mit >>>
Ihre Wetten nehmen wir gerne entgegen. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.
Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (22.09.2024) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Dienstag, den 24.09.2024, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Auf die Gewinner wartet:
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Wen interessiert der Spitzenkandidat?
Man hat die Wahl pro oder contra „Weiter so!“
Ich finde Herrn Berndt überhaupt nicht blass, im Gegenteil. Er hat wenigstens Ahnung, von was er spricht. Rechtsextremismus spielt in Brandenburg und erst recht in der brandenburgischen AFD nach meiner Meinung im Gegensatz zu einem Bundesland wie Sachsen keine Rolle. Er macht das solide, aber er hat eben nicht nur den politischen Gegner, sondern auch die Mainstreammedien gegen sich. Dafür hat er die Realität hinter sich und das haben die anderen nicht.
Merkwürdig, auf mich hat der AfD-Mann kompetent und hinreichend seriös gewirkt. Sympathisch muss kein Politiker sein, um der Richtige zu sein.
Wenn das BSW als ersten Satz sagt, es leugne nicht den menschengemachten Klimawandel, da weiß man doch gleich, wo die enorme Finanzkraft herkommt, die den Aufbau der Parteistrukturen in so wenigen Monaten ermöglichte. Klima-Jünger können dann auch gleich das Original, Bündnis CDU/Die Grünen, wählen.
und wenn es in Syrien keine Kinderärzte mehr gibt, dann kommen die Kinder samt Familie eben zu uns….
Läuft doch in Brandenburg. Die 600 Petersdorfer Bewohner bekommen schnell noch 500 A Sager geschenkt .. in Steinhöfel werden 500 ha mit China Panelen auf Stelzen das Land andres versiegeln als die extra vielen Windjammer der Woitke Jahre …
Allein, daß jemand mit den Worten „meine Realität ist eine andere“ nicht sofort vom Moderator verbal gemartert wird, ist schon ein Unding und zeigt das nicht mehr zu unterbietende Niveau des rbb.
Vielleicht sollte Herr Sebastian Walter mal die syrische Kinderärztin seiner Tochter fragen, was die so von ihren weniger qualifizierten Landsleuten hält. Dann bekäme „seine Realität“ vermutlich etwas mehr Nähe zur realen Realität…
eine Frage zum Thema Rechtsextremismus an Brandenburger Schulen zuleitet Was sollen das für Fälle sein?! Ich habe noch von keinen solchen Fällen gehört! Kommen diese Gerüchte vom öffentlich rechtlichen Propagandafunk? Oder sind es evt. Mohamed und Ali die bei „J.. ins G..“ rufen erwischt wurden? Wer in diesem Land von rechtsradikalen in Schulen spricht hat die Kontrolle über sein Leben verloren! Es gibt KEINE rechtsradikale Szene! Und selbst die Handvoll Rechtsradikalen die es gibt werden zu 50% vom Staat bezahlt als so genannte V-Leute! Wieso soll er also auf diesen Schwachsin reagieren?! Man hätte ihn mal zum Linksextremismus befragen sollen… Mehr
Der „Schülersprecher“, der die Frage in die Diskussion einbringen durfte, gehört zur Grünen Jugend!
Die Altparteien – Systemparteien, die Parteienmafia. Ich mag sie nicht, die angetretenen farblosen „Kandidaten“ ich mag keinen davon. Sie alle arbeiten nach meiner Meinung für das System und für ihre eigenen Posten. Allein die AFD ist für die eigenen Bürger und das eigene Land angetreten. Deshalb wird die AFD von dem System behindert- weil, nur für das eigene Land arbeiten, das mögen die vom aktuellen System überhaupt nicht. Die Parteienmafia verteilt unser Geld lieber in der ganzen Welt, Klimarettung in Afrika, Radwege in Peru und vor kurzem noch 100 Millionen für eine U-Bahn in Indien – für die Atommacht Indien,… Mehr
Die deutsche politische Elite hängt im europäischen Vergleich arg hinterher, wenn es um die zwingende Anpassung an historische Entwicklungen geht: Obwohl im Schulalltag grandios gescheitert, verteidigen sie weiter ihr egalitär-behavioristisches Weltbild, wollen mittels Totalinklusion weiter alle Kinder in ein Zimmer sperren. Obwohl für alle Welt offensichtlich die Amerikaner die Russen arrogant behandelt haben und lange, lange vor Putins Angriff an der russisch-ukrainischen Grenze eingebunkerte CIA-Kommandostände errichteten, Millionen in PR-Maßnahmen zur Schürung von Russophobie investierten, pochen die Altparteien-Granden auf einen Siegfrieden über Putin, den es so nicht geben kann. Obwohl alle wissen, dass Chinas gigantische CO2-Ausdünstungen durch noch so brutales Abwürgen… Mehr