Twitter sperrt Journalisten: EU sieht Pressefreiheit in Gefahr

Es gibt einen neuen Aufschrei auf dem sozialen Medium Twitter. Dieses Mal, so heißt es, vergreift sich der neue Eigentümer Elon Musk an der Pressefreiheit. Sogar die EU droht ihm nun. Geht es um Pressefreiheit oder sein Recht auf persönliche Sicherheit? Am Mittwoch hatte ein Stalker ein Auto attackiert, in dem sein zweijähriger Sohn saß.

Auf der Kurznachrichtenplattform Twitter wurde eine große Zahl von Accounts von – meist linken – Journalisten gesperrt. Ihre Inhalte sind damit nicht mehr abrufbar. Der Vorwurf: Doxxing. Das ist laut Twitter-Regeln verboten. Doxxing beschreibt das Zusammentragen und Veröffentlichen privater Informationen im Internet. Oft werden dabei Adresse, Telefonnummer oder Klarnamen der Opfer veröffentlicht.

Schon seit Längerem gibt es Kontroversen um Accounts wie „@elonjet“. Dieser Account teilt automatisch die öffentlich zugänglichen Standort- und Reisedaten des Privatjets von Elon Musk. Ähnliche Accounts veröffentlichten die gleichen Daten für die Flugzeuge und Standorte anderer Milliardäre und prominenter Personen. Nach aktualisierten Twitter-Regeln dürfen diese Daten als sicherheitsrelevante Standortdaten nicht auf der Plattform veröffentlicht werden.

Elon Musk hatte schon früher versucht, den Account „elonjet“ zu schließen. So bot er dem Betreiber, ein Student und erklärter Musk-Fan, 5.000 Dollar für die Schließung des Accounts an. Ein Gegenangebot über 50.000 Dollar schlug er aus. Musk erklärte damals, dass er es rückblickend als Verfechter der absoluten Redefreiheit für falsch halte, das Konto zu schließen. Nach seiner Übernahme der Plattform soll er versichert haben, dass der Account bestehen bleibt.

Elon Musk klärt auf
Twitter unterdrückte Beiträge unliebsamer Nutzer
Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Musk ein Video, das einen Stalker zeigen soll, der mithilfe solcher Standortveröffentlichungen am Vorabend Musks Fahrzeug ausfindig machte. Das Video war betitelt mit der Frage „Kennt jemand diesen Mann oder Auto?“. Der Stalker hatte Musks Fahrzeug blockiert und war auf die Motorhaube geklettert. In dem Auto befand sich auch Musks zweijähriger Sohn „X Æ A-XII“. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Videos hatte Musk bekannt gegeben, dass solche Standortveröffentlichungen in Zukunft „nur mit etwas Verzögerung“ erlaubt sein sollen:

Infolgedessen wurden viele Konten bekannter Journalisten gesperrt. Viele hatten vorher negativ über Musk berichtet. Sie sollen Standortinformationen über Musk oder Links zu externen Seiten, die solche Informationen enthalten, geteilt haben. In einer Art Telefonkonferenz via Twitter, in der 40 Journalisten eingeladen waren, sagte Musk: „Für euch gelten dieselben Regeln wie für jeden andern auch.“

Journalisten hatten über den Account „elonjet“ geschrieben und dazu auf den Account verlinkt. Das, so Musk, konstituiere schon Doxxing. Nach einigen Statements verließ Musk das Gespräch, ohne auf weitere Gegenfragen – auch ob seine Suspendierungen nicht zu weit gehen – zu antworten.

Einige der suspendierten Journalisten sagen hingegen, sie hätten keine solchen Informationen geteilt. Gegenüber dem BBC sagte einer der Betroffenen, Matt Binder, er habe sehr kritisch über Musk berichtet, aber: „Ich habe nie einen Hyperlink zum Jet-Tracker getweetet.“ Er vermutet, die Suspendierungen seien ein Angriff auf kritische Journalisten. Auch die EU droht Musk nun. Vĕra Jourová, eine der vielen EU-Vizepräsidentinnen tweetete: „Die Nachrichten über die willkürlichen Sperrungen von Journalisten auf Twitter ist beunruhigend. Des Gesetz über digitale Dienste der EU verlangt Pressefreiheit und Grundrechte zu respektieren. Dessen sollte sich auch Elon Musk bewusst sein. Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen.“

— Věra Jourová (@VeraJourova) December 16, 2022

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann kommentierte das Geschehen ironischerweise über Twitter:

Schon bei der Übernahme der Plattform durch Musk hatte sich die EU zu Wort gemeldet und angekündigt, die Situation genau zu beobachten. Seit der Übernahme hatten Journalisten aus dem konservativen und liberalen Lager Zugang zu Twitter-Interna erhalten und waren zum Schluss gekommen: Sperren konservativer oder republikanischer Personen und Politiker, wie Donald Trump, waren in der Vergangenheit politisch motiviert. Twitter hatte Nachrichten, die Präsident Joe Biden unangenehm sein könnten, unterdrückt.

Eine Sperre für Bruch der Doxxing-Regeln gilt für sieben Tage. Musk stellte aber eine frühere Freischaltung der Journalisten in Aussicht.

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