Das Triell: Laschet verpasste seine Chance und Scholz verträgt keinen Angriff

Baerbock jubelte: „Na endlich haben wir Sie so weit, dass Sie Ihre eigenen Aussagen aus dem Bundestag korrigieren!“ Scholz lächelte leise in sich hinein.

Screenprint: ARD/Das Triell

Jeder der drei Kontrahenten des Triell genannten gestrigen ersten Showdowns zur Bundestagswahl (Teil 2 folgt am kommenden Sonntag) hoffte darauf, mit einer guten Figur Punkte gutzumachen. Wobei gleichzeitig jeder wusste, dass an der Ausgangslage auch dieses Duell nicht mehr allzu viel zu ändern vermag. Dass die Grüne Annalena Baerbock auch nur noch eine Minimal-Chance auf den ersehnten Stuhl im Kanzleramt haben könnte, kann sie selbst nicht ernsthaft gedacht haben. Die Grünen, noch vor kurzer Zeit als die Gewinner der Bundestagswahlen in die Lüfte gehoben, sind ins Mittelfeld und damit in die Realität zurückgeholt worden. Baerbock selbst hat daran den größten Anteil. Nicht aus schweren menschlichen Defiziten, nicht aus mangelnden Sympathien – viele haben nichts gegen „Klimaschutz” –, sondern viel einfacher, der dem Menschen eigene Instinkt signalisiert, Baerbock als Kanzlerin, das geht einfach nicht. Da sie das längst weiß, kämpfte sie gestern Abend mehr für ihre Partei als für sich selbst. Eigentlich hätte sie an der Debatte gar nicht mehr teilnehmen müssen.

Denn wirklich um die Wurst ging es gestern für Armin Laschet. Auch er hat sich in den vergangenen Wochen schlimme Pannen geleistet. Auch er vermittelte immer wieder den Eindruck mangelnder Souveranität und einer gewissen lavierenden Flatterhaftigkeit. Momentan auf der Siegerstrecke konnte sich nach Demoskopie und Medientenor SPD-Spitzenkandidat und Finanzminister Olaf Scholz fühlen und so gab er sich auch von Beginn an. In fünf Kapitel hatten die Moderatoren den Schlagabtausch eingeteilt. Und so entwickelte sich das Geschehen auch wie im Boxring von Runde zu Runde.

Runde 1: Wie halten es die Kandidaten mit Links- und Rechtsextremisten? Wieder wollte Laschet von Scholz klipp und klar und vor allem eindeutig wissen, wie er es mit der Links-Partei als eventuellen Regierungspartner halte. Scholz konterte mit der Aufzählung seiner bekannten Vorbehalte gegen die Linke. In Kernfragen wie Nato, Transatlantische Bindungen und Bundeswehreinsätze gebe es keine Verhandlungsbasis. Gleichzeitig wich er dem Kern der Frage durch ein geschicktes Scheinargument aus. Wie absurd diese Debatte mittlerweile geworden sei, könne man an der Frage des CSU-Chefs Söder an Christian Lindner (FDP) erkennen, ob er sich eine Koalition mit SPD oder Grünen ernsthaft vorstellen könne. Geschickt verglich Scholz hier Äpfel mit Birnen. Vorsätzliche Irreführung nennen so etwas die Juristen. Bekanntlich werden CDU und FDP nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Ganz im Gegensatz zu Teilen von Links-Partei und AfD. Und jetzt zeigt sich die bekannte ARD-Dramaturgie. Noch bevor Laschet antworten konnte, konfrontierte Illner Laschet mit der Personalie Maaßen. Dieser habe mehrfach geäußert, er sei nicht vor vielen Jahren in die CDU eingetreten, um zu erleben, dass eines Tages 1,5 Millionen Araber unkontrolliert ins Land strömen könnten. Laschet erkannte die Falle nicht und tappte hinein. Er distanzierte sich von Maaßen und drohte diesem, als CDU-Mitglied habe er sich an die Vorgaben der Partei, und wenn er Kanzler sei, an seine zu halten. Sonst gebe es ein Problem. Sofort stießen Baerbock und das Moderatorenteam nach. Wie komme die CDU dazu, die Linke mit der AfD gleichzusetzen, denn diese sei doch eindeutig verfassungsfeindlich, die Linke gehöre hingegen zu den demokratischen Kräften. Aus Gründen, die Laschet wohl nur selber kennt, stimmte er dieser Unterscheidung zu und machte damit die jüngste Kampagne der Union selbst zur Makulatur. Baerbock jubelte: „Na endlich haben wir Sie so weit, dass Sie Ihre eigenen Aussagen aus dem Bundestag korrigieren!“ Scholz lächelte leise in sich hinein. Konnte er auch – Knockout für Laschet in Runde Eins. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, mit nur einer Aussage der Links-Partei-Vorsitzenden Janine Wissler: „Mein Ziel ist es unverändert, den Laden (gem. Bundesrepublik) aus den Angeln zu heben“, um die Verfassungsfeindlichkeit der Linken zu belegen und damit die trickreiche Argumentation zurückzuweisen.

Runde 2: Jetzt ging es um die Amtsführung des Finanzministers und insbesondere seine Kritik an den Durchsuchungen seines Ministeriums durch die Polizei am vergangenen Freitag im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Verschleierung von Geldwäsche. Wortreich, aber deutlich angefasst, redete Scholz das Ganze zur Bagatelle herunter. So wie er kurze Zeit später versuchte, sich Fragen nach seiner Verwicklung in die Cum Ex-Geschäfte (millionenfacher Steuerbetrug) einer Hamburger Privatbank durch deren Begünstigung, sowie seiner Rolle im Wire-Card-Skandal zu entziehen. Hier macht Baerbock ihren Punkt, nach der überfälligen Freigabe von Protokollen des Finanzausschusses hartnäckig zu fragen. Scholz antwortete nicht. Zu Cum-Ex und Wire-Card habe er im übrigen, wohlgemerkt im nachhinein, alle notwendigen Maßnahmen ergriffen. Laschet erinnerte an die Aufsichtspflicht und stellte klar, dass es nicht darum ginge, was er nach Bekanntwerden der Skandale getan habe, sondern um sein Verhalten während der Vorgänge. Runde Zwei: Volltreffer für Laschet.

Runde 3: Jetzt kam der Komplex Corona und Impfen an die Reihe. Alle waren sich einig, daß die Impfquote auf jeden Fall erhöht werden müsse. Auffällig dabei war, dass der Umgang mit „Impfverweigern“ ausgespart wurde. Offensichtlich war man sich nicht sicher, wie die Ankündigung etwaiger Ausgrenzungsmaßnahmen auf die Zuschauer wirken könnte. Da war man in den letzten Tagen schon einmal forscher. Während Laschet sich zurückhielt, verteidigte Scholz die Entscheidung, Arbeitnehmer in den Betrieben nicht generell zu Tests verpflichten zu wollen. Baerbock widersprach heftig: „Was man den Kindern zumutet, muss man auch Erwachsenen zumuten können“. Illner wollte von Scholz wissen, was er von der Aufhebung aller Corona-Maßnahmen in Dänemark halte. Scholz verwies auf die wesentlich höhere Impfquote in diesem Land und bekräftigte zugleich den „alles in allem moderaten Kurs der Bundesrepublik“. Schnell waren sich alle drei einig, daß aus den vielen Pannen bei der Corona-Bekämpfung Schlüsse gezogen werden müssen. Deutschland müsse autark bei der Produktion medizinischer Güter wie Masken, etc. werden. Generell komme es für die Zukunft darauf an, in allen Fragen des Katastrophenschutzes die Vorkehrungen massiv zu verbessern. Verwundern konnte der allgemeine Konsens bei diesen Fragen nicht wie auch, daß keinerlei Kritik an der Corona-Politik aufkam – immerhin waren alle Anwesenden mehr oder weniger in die Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene eingebunden gewesen. Runde Drei – unentschieden.

Runde 4: „Klimakrise”. Einigkeit, dass große Umbrüche und Anstrengungen bevorstünden. Aber über das Wie bekam man sich in die Haare. Am deutlichsten spiegelte folgender Schlagabtausch die Unterschiede wider. Laschet setzte besonders auf die Kreativität der Wirtschaft bei der Klimaverbesserung und der notwendigen Transformation unserer Industrie, gleichzeitig sprach er sich gegen jede Form von Gängelei und Verboten aus. Viel wichtiger sei für ihn der Bürokratieabbau und die Beschleunigung aller Genehmigungs-Verfahren. Baerbock kommentierte dies schnippisch: „Verbote sind die besten Beschleuniger.“ Jeder Kommentar erübrigt sich. Die eingeworfene Frage von Illner, woher denn das ganze nötige Geld kommen solle, verhallte ungehört und führte dennoch zum nächsten Schlagwechsel der Runde. Thema Steuern. Es folgen die bekannten Positionen. Laschet (CDU) gegen Steuererhöhungen, Scholz (SPD) und Baerbock (Grüne) für Steuererhöhungen für „Besserverdienende“. Dann aber kam der listige Scholz zu seinem schon bekannten Upper-Cut. Wieder wies er darauf hin, dass der Stromverbrauch in den nächsten Jahren massiv ansteigen werde. Wenn es nicht gelänge, die Stromerzeugung von regenerativer Energie bei gleichzeitigem Ausstieg aus Kohle und Atomkraft massiv zu steigern und die dafür nötige Infrastruktur zu schaffen, werde man die Herausforderungen nicht bestehen können. Verschmitzt fügte er hinzu, die CDU habe bislang alle entsprechenden Beschlüsse verhindert. Laschet gab den Schwarzen Peter zurück, indem er die SPD ihrerseits der Verweigerung bezichtigte. Erneut fiel auf, mit welcher Chuzpe Scholz den Eindruck vermittelt, als sei er gerade erst Bürger der Bundesrepublik geworden und habe mit all dem bisherigen nichts zu tun. Wären die Wahlbürger so gedächtnisschwach, wie der SPD-Kandidat offensichtlich glaubt, ginge diese Runde an Scholz. Während sich Laschet mit Sachargumenten abstrampelte, Baerbock die unausweichliche Klimakatastrophe beschwor, verfuhr Scholz nach der Devise Frechheit siegt. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht die schlechteste Strategie ist.

Runde 5: In dieser letzten Runde wurden die unterschiedlichsten Themenschwerpunkte in die Arena geworfen. Stichwort Renten. Scholz versprach, dass das bisherige System entgegen allen Unkenrufen sicher sei, und auch die Jugend von heute sich keine Sorgen um ihre Rente machen müsse. Laschet nannte dieses Versprechen schlicht unseriös. Gesundheitssystem: Scholz und Baerbock plädierten für eine Bürgerversicherung für alle und die Abschaffung der privaten Krankenkassen. Laschet widersprach und verwies auf die erheblichen Defizite staatlicher Gesundheitssysteme, zum Beispiel in Großbritannien – und dann war die Zeit auch schon um.

Zum Abschluss bekam jeder noch die Gelegenheit zu einem Schlußwort. Bei Laschet stieß neben bekanntem eine Argumentation hervor, die man sich schon vorher von ihm erhofft hätte. Er beschwor eine Gesellschaft, in der alle Bürger mit ihrer Selbstständigkeit und Kreativität in die Entwicklungen eingebunden werden. Vor allem werde man mit ihm als Kanzler den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu denken, zu fühlen und zu reden haben. Schließlich warb er um Vertrauen in seine Person. Baerbock variierte die „Klimakrise” in all ihren Facetten und betonte, dass es bald zu spät sei. Scholz hob noch einmal die Wahlkampfversprechen seiner Partei hervor und bezog sich dabei besonders auf die Erhöhung der Mindestlöhne. Den Begriff Vertrauen bemühte er nicht. Stattdessen setzte er wie gehabt auf seine betont ruhige und gelassene Art, mit der er den Menschen Sicherheit vermitteln will.

Noch ein Wort zu den Moderatoren. Maybrit Illner agierte mit Abstand professioneller als ihr Partner Oliver Köhr. Dieser disqualifizierte sich bereits mit seiner durchschaubaren ersten Frage an Armin Laschet, ob er auch als Juniorpartner unter einem SPD-Kanzler in die Regierung eintreten würde. Für Köhr waren die Wahlen offensichtlich schon gelaufen. Man merkte die Absicht und war verstimmt.

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Kommentare ( 48 )

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Dr. Hansuli Huber
3 Jahre her

Als Schweizer staunt man Bauklötze über gewisse Aussagen der Kandidaten, die völlig unwidersprochen blieben: -Die von den Unwettern in Westdeutschland betroffenen Bürger+Steuerzahler kriegen Geld für den Wiederaufbau erst nach monatelangen Durchlaufen der bürokratischen Warteschleifen, während dem Kriegsgegner Taliban nach der Niederlage des Westens sofort unbürokratisch Millionen zugehalten werden, die wohl kaum den Notleidenden sondern dem Machtausbau der Gotteskrieger zugute kommen werden. -Mit gewissen im Bundestag vertretenen Parteien wird ausdrücklich nicht geredet, weil sie offenbar derart degoutant sind, während man mit den Taliban unbedingt das Gespräch suchen will. -Die ewige Floskel von Deutschlands besonderer Verantwortung wegen der Naziherrschaft wird gegenüber dem… Mehr

Scherer
3 Jahre her

Jetzt hatte Laschet mehrmals die Chance den ständig grinsenden Mann ohne Gedächtnis in die Schranken zu weisen. So langsam werden CUM EX, Warburg Bank, Wire Card, verzockter G20 Gipfel und Geldwäsche ohne Kontrolle ein Wahlkampfthema. Diese Tatsachen, und dass die Linke vom VS beobachtet wird und Scholz eine Zusammenarbeit mit den SED Nachfolgern nicht ausschliesst, sind doch genug Themen, um unentschlossene Wähler auf seine Seite und die CDU zu ziehen. Er wirkt nie überzeugend und wenn er laut wird, muss man lachen. Er will ja, aber er kann es nicht. Was macht er, er reibt sich in unsinnigen Dialogen über… Mehr

Kontra
3 Jahre her

Als Laschet wieder mal den Kampf gegen rechts ausrief, also gegen einen immer noch großen Teil der CDU Stammwählerschaft, war für ihn die Wahl endgültig verloren. Warum jemanden wählen, der einen bekämpft?

Amerikaner
3 Jahre her

Ich habe in verschiedenen deutschen Großunternehmen reihenweise Abteilungsleiter gesehen, die offensichtlich mehr auf dem Kasten haben als diese Berufslavierer. Mehr haben wir nicht mehr?

Was ist das
3 Jahre her

Der CDUler hält wie die Grüne die SE..Linke für demokratisch, aber die AfD für verfassungsfeindlich, der SPDler will die Lufthoheit über den Kinderbetten und ist in merkwürdige Finanzgeschäfte verwickelt, die Grüne ist eine kompetenzbefreite Angeberin und redet woken Unsinn und alle drei wollen noch mehr bildungsferne Migranten nach Deutschland holen, noch mehr von unserem Geld in der „EU“ verschleudern und nach Abschalten der zuverlässigen Kraftwerke in einem wind- und sonnenarmen mittelgroßen Industrieland ihren Buddys noch mehr Gel.. „das Klima retten“. Diese Leute sind alle drei mitsamt ihren Parteien vollkommen unwählbar. Und falls jetzt jemand denkt, dann vielleicht doch nochmal die… Mehr

chez Fonfon
3 Jahre her

Keiner traut sich, die Wahrheit zu sagen: die Energiewende ist unbezahlbar, der Strombedarf für E-Autos wird nie erzeugt werden können, die Einwanderung kostet Milliarden ohne jeglichen Erfolg, die Generation unter 40 wird nie Vermögen aufbauen können, weil der Staat in seiner Not und Gier alles verschlingen wird. Die Baerbock will genau diese Zustände, um die Gesellschaft komplett umzubauen, Linke und SPD auch: Vom Industrieland zu Venezuela. Laschet will das ehrlicherweise nicht. Aber er ist komplett gefangen im Gestrüpp der political correctness und darf sich nicht in AfD-Sprech verwickeln, sonst ist er tot, sagen seine Berater Deshalb eiert er herum, bietet… Mehr

Odysseus JMB
3 Jahre her

Durchgehend für den Kanzleraspiranten Scholz scheint zu sein, dass er mit ungünstigen Analysen, betreffs seiner Unfähigkeit im realen Leben persönliche Verantwortung zu vermuten, verbunden mit einem seiner jeweiligen Leaderships, ein ungebrochen, sich selbst verleugnendes, dubioses Verhältnis in seinen öffentlichen Stellungnahmen aufrechterhält. Das zieht sich spätestens seit dem Anschlag vom 11.9.2001 in NY durch, als er Innensenator im Bundesland Hamburg war. Der Anschlag (die Terroristen um Atta waren alle amtsbekannt) legte bereits damals ein Komplettversagen der Behörden und Geheimdienste in HH und D nahe, das überwiegend in die politische Zuständigkeit von Scholz fiel. Der Olaf, allerdings, konnte keinerlei Unvermögen erkennen und… Mehr

Katharsis
3 Jahre her

Woher haben Sie diese angebliche Erkenntnis? Lesen Sie meine Wahlentscheidung aus der Glaskugel oder wie muss ich mir das vorstellen? Im übrigen – wer genau liest, nimmt auch mehr wahr – ich habe geschrieben: …ich werde dieses Mal die CDU wählen, allein aus wahlstrategischen Gründen, um eine Regierungsverantwortung der Konstellation Rot- Rot- Grün zu verhindern!

Denke
3 Jahre her

Sehr geehrter Herr Tichy, Ihre Bewertung und Begründungen teile ich vollumfänglich. Zusätzlich schlimm finde ich jedoch noch, dass zu solchen Sendungen nie Journalisten geladen werden, die die „richtigen“ Fragen stellen würden.

Ben Goldstein
3 Jahre her

Wer in so einer Runde mit Frau Illner nicht sagt, dass deren ehemalige Partei SED genauso wenig demokratisch ist wie die Moderatorin selbst, ist zu dumm fürs Kanzleramt.