Wieder keine Regierung in Thüringen zu erwarten

Die Thüringer haben es getan: Sie haben Björn Höcke ins öffentlich-rechtliche Fernsehen geholt. Natürlich nicht allein, sondern im Pulk mit den anderen Spitzenkandidaten der Parteien im Landtagswahlkampf.

picture alliance/dpa | Jacob Schröter
Die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Thüringen nehmen an der MDR-Sendung "Fakt ist!" teil, 15.05.2024

Das erste Problem der Sendung: Es sind zu viele. Björn Höcke (AfD), Bodo Ramelow (Linke), Mario Voigt (CDU), Thomas Kemmerich (FDP), Katja Wolf (BSW), Bernhard Stengele (Grüne), Georg Maier (SPD).

Die Grünen und die FDP müssen nicht fürchten, noch einmal in den Landtag einzuziehen, die SPD liegt bei sechs Prozent und muss beten, nicht rauszufliegen. Diese Gesprächsteilnehmer hätte man streichen können und die Runde wäre übersichtlicher gewesen – nur wären dann halt keine Grünen im Studio gewesen.

Die relevanten Parteien in Thüringen sind zurzeit die CDU mit 21 Prozent der Stimmen in den neuesten Wahlumfragen, die Linke mit 16 Prozent, die AfD mit 30 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 19 Prozent.

Schon in den ersten Minuten verkommt die Diskussion in Streit zwischen Voigt und Höcke, die nebeneinander platziert wurden. Daneben steht Ramelow und schweigt. Höcke wollte ein Eröffnungsstatement abgeben, statt die Frage der Moderatoren zu beantworten. „Das große Problem, das wurde hier doch auch offenkundig, ist, dass man die Fachkräftezuwanderung und die Asylzuwanderung zusammenmengt“, beschreibt Höcke das Problem der Sendung. Es soll über Migration diskutiert werden, aber alle Kritik an illegaler Migration und fehlenden Abschiebungen werden mit dem Rückgriff auf Fachkräftezuwanderung weggewischt.

Höcke will eine demographische Wende, die Thüringer sollen wieder mehr Kinder bekommen, damit der Fachkräftemangel gelindert wird. Katja Wolf vom BSW beschreibt das Problem gut: Viele Frauen haben Thüringen schon verlassen, das Land hat einen Männerüberschuss. Mal abgesehen davon, dass die Bürger offensichtlich keine Kinder mehr wollen: Sonst hätten sie sie schon. Daneben schlägt Wolf mit einer Spitze gegen Höcke, ob er denn Kinder haben wolle, wenn er eine demographische Wende wolle. Höcke ist vierfacher Vater.

Wenn Höcke redet, fällt ihm allzu oft Voigt ins Wort. Der Zuhörer versteht – nichts. Die Moderatoren des MDR rufen in Grundschulmanier dazu auf, dass man doch zu Ende reden lassen sollte. Vielleicht sollten sie auch Höcke und Voigt weg voneinander stellen. Für Höcke gibt es für jedes Problem im Land eine Erklärung, die „Mutter aller Krisen“, wie er es nennt: illegale Migration. Für viele Probleme ist das auch die Erklärung, aber über die illegale Migration zu schimpfen, ist keine Lösung, und es gibt viele Probleme – Energiekosten, Bürokratie usw. –, die weder von illegaler Migration verursacht noch durch die Bekämpfung derselben gelöst werden. Wenn Voigt ihn mehr ausreden lassen würde, würde das offensichtlicher werden.

Am Ende kommt der Hammer: Das BSW errichtet keine Brandmauer. Wolf hat „keine übergroße Angst davor, dass die AfD wahnsinnig viele gute Gesetzesvorschläge“ macht. Aber wenn es sie gibt, will sie „ohne Scheuklappen“ darüber entscheiden, ob man da mitstimmt. Das BSW wagt damit das, was die anderen Parteien niemals aussprechen würden. Sie würde vielleicht mit der AfD zusammenarbeiten – und wenn die CDU auch mit dem BSW zusammenarbeitet, ist das BSW dann die Brücke zwischen Voigt und Höcke?

Nein, denn Voigt lehnt auch das BSW ab. Und beendet die Diskussion mit einem direkten Angriff auf Höcke: „Sie haben sich disqualifiziert, das Land zu führen.“ Ramelow ist leise selbstkritisch: Er habe in der Minderheitsregierung mit Grünen und SPD Gutes geleistet, aber „er kann dem Land keine weitere Periode mit Minderheitsregierung empfehlen“.

Ob eine Regierungsbildung möglich ist, ist aber keineswegs sicher. AfD und BSW halten in den Umfragen zusammen 49 Prozent der Stimmen. In Sitze umgerechnet werden die beiden vermutlich sogar eine Mehrheit haben. Wenn die CDU mit beiden nicht koalieren will: Mit wem will sie dann eine Mehrheit finden? Oder aber BSW und AfD pfeifen auf die Union – und machen einfach selber eine Regierung.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 19 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

19 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Helmut Berschin
2 Monate her

Beim Foto der sieben Thüringer Spitzenkandidaten (6 Herren + 1 Frau) fällt optisch auf, dass in puncto Kleidung und Haltung zwei Herren gut zueinander passen: Beide tragen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte, haben elegantes Schuhwerk und stehen straff. Es sind Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD). Helmut Berschin

giesemann
2 Monate her

Und die anderen ließen sich das gefallen? Ist das gut oder schlecht?

EinBuerger
2 Monate her

Die werden in jedem Bundesland irgendeine Regierung unter Ausschluss der AfD bilden.
Die ostdeutschen Länder sind im Vergleich zur Gesamt-BRD zu schwachen. Deren Landesverbände müssen tun, was ihnen die Parteizentrale in Berlin sagt.
Und im Westen kann ich mir nicht vorstellen, dass die AfD in Flächenländern jemals über 20 Prozent kommt.
Also wird man weiter wursteln.

RMPetersen
2 Monate her

Wenn Höcke redet, fällt ihm allzu oft Voigt ins Wort. Der Zuhörer versteht – nichts.“
Wer seine Wahlentscheidung durch Sendungen des Öff.-Rechtlichen Rundfunks beeinflussen lässt, wählt ohnehin nicht AfD.

Bernhardino
2 Monate her

„Für Höcke gibt es für jedes Problem im Land eine Erklärung, die „Mutter aller Krisen“, wie er es nennt: illegale Migration. Für viele Probleme ist das auch die Erklärung, aber über die illegale Migration zu schimpfen, ist keine Lösung, und es gibt viele Probleme – Energiekosten, Bürokratie usw. –, die weder von illegaler Migration verursacht noch durch die Bekämpfung derselben gelöst werden.“ Was haben den die anderen Teilnehmer zu Energiekosten usw. gesagt? Obwohl, die sind ja verantwortlich nicht nur für Energiekosten, sondern für ALLE Probleme dieser BRD. Denn das sind Vertreter der Regierungsparteien, im Bund als auch der Länder. Da… Mehr

Deutscher
2 Monate her

„Für viele Probleme ist das auch die Erklärung, aber über die illegale Migration zu schimpfen, ist keine Lösung, und es gibt viele Probleme – Energiekosten, Bürokratie usw. –, die weder von illegaler Migration verursacht noch durch die Bekämpfung derselben gelöst werden. Wenn Voigt ihn mehr ausreden lassen würde, würde das offensichtlicher werden.“

Illegale Migration kostet uns unnötig Geld, mit dem viele andere Probleme angegangen werden könnten, die ohne die Migrationskosten vielleicht auch gar nicht erst entstanden wären.

Monostatos
2 Monate her

Wer‘s glaubt, wird selig… Nachdem Ramelow ohne jegliche Legitimierung durch die Wähler 4 Jahre trotz entsprechender Zusagen regieren durfte, werden weder Herr Voigt noch Frau Wolf sich an ihre jetzigen Erklärungen gebunden fühlen und selbstverständlich miteinander koalieren. Und die Zusammensetzung dieser Runde ist natürlich grotesk. Entweder geht es nach den Umfragen, dann haben weder die FDP noch die Grünen dort etwas verloren. Oder es gwht nach der Zusammensetzung des Landtags. Dann gehört das BSW nicht zu der Runde. Aber Fairness und Ausgewogenheit ist im ÖRR schon seit einer Ewigkeit ausgeschlossen.

Michaelis
2 Monate her

Und ansonsten könnte sich der Herr Höcke ein Vorbild an Herbert Kickl von der österreichischen FPÖ nehmen – der hatte in einem grandiosen „Sommerinterview“ bei OE24.TV eben nicht NUR die Migrationspolitik thematisiert. Wie gesagt: äußerst sehenswert, SO bringt man eine Partei voran.

Kraichgau
2 Monate her

ich kann dem Authoren,Herr Tichy,ein Interview mit Herrn Höcke von letzter Woche empfehlen auf der „Landeswelle Thüringen“,einem privaten Radio/News Sender, die Ihn im Rahmen ihrer Landesparteivorsitzenden Interviews eingeladen und eine Stunde interviewt haben.
Es ging keineswegs nur um illegale Migration.
Aber wenn bei der MDR das Thema eben migration war,muss er dazu Stellung nehmen

BK
2 Monate her

Man sieht es an Bayern und sah es an Thüringen, dass Landespolitiker nicht über den langen Schatten der Bundesregierung springen können. Bis hinunter in die kleinste Gemeinde wird durchregiert und die Migranten werden schneller verteilt, als man sie abschieben kann. Von daher heben die beiden Neuen nichts zu verlieren, wenn sie sich auf eine gemeinsame Regierung verständigen. Das hat was mit dem demokratischen Grundverständnis zu tun, dass es für die Altparteien keinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten gibt.