Tatort zu Verschwörungstheorien: Was erlauben Thiel und Boerne?

Nicht Wenige sind der Meinung, dass man in Kriegszeiten keine albernen Witze machen und schon gar nicht ausstrahlen sollte. Daher gehen viele Pressestimmen und Kritiker mit dem aktuellen Tatort aus Münster hart ins Gericht.

Screenprint: ARD/Tatort

Das Presseecho zum aktuellen Tatort aus Münster geht dieses Mal hart ins Gericht mit dem Krimi am Sonntag; man empört sich über diesen „Klamauk“ (Spiegel), in dem es „von Minute zu Minute absurder wird“ (FAZ). Web-de fragt: „was soll dieser Blödsinn eigentlich?“, und laut n-tv sei dieser „Tatort“ „ein einziger Wegzapp-Moment“. Für die Wormser Zeitung drehen hier „alle durch, scheinbar auch die Macher“. Dabei ist es wohl eher so, wie es die Verfasserin des Drehbuchs, Astrid Ströher, andeutet: „wir leben ja auch in verrückten Zeiten“, weshalb sie das Drehbuch munter „heitere Haken schlagen lässt“ (RND) und das 20-jährige Jubiläum des Münsteraner Ermittlerteams nutzt, um „den Wahnsinn, der fast fieberhaft um sich greift, beinahe unwahnsinnig nüchtern“ darzustellen (Die Welt).

„Propheteus“ widmet sich wirren Verschwörungstheoretikern und ist dabei mal auf ganz andere Art witzig.“, meint die Schweriner Volkszeitung. Zwar beginnt dieser Tatort so wie die vorherige Episode „Des Teufels langer Atem“, nämlich mit einem verkaterten Erwachen, diesmal von Prof. Karl Friedrich Boerne, auf einer Bowling-Bahn, im Hawaii-Hemd und mit einem dicken blauen Auge, aber auf die gewohnten kriminalistischen Bahnen findet der Streifen nie wirklich zurück. Dort hatte man den Münsteraner Kriminalisten früher fast jede Extravaganz verziehen: Boernes groben Umgang mit seiner Assistentin, Vater Thiels ständige Drogengeschichten und die handfeste Art seines Sohns – aber beim Thema „Verschwörungstheorie“ scheint der Geduldsfaden mancher Kommentatoren gerissen zu sein. Mehrfach gibt es Seitenhiebe, darauf, dass man mit Hauptdarsteller Jan Josef Liefers in dieser Beziehung noch vor kurzem ein Hühnchen zu rupfen hatte: wegen dessen Engagement bei der gegen die Corona-Beschränkungen gerichteten Kampagne „allesdichtmachen“.

Ein Blick auf das, was dem Erwachen auf der Bowlingbahn folgt, bzw. vorangegangen ist (der Film springt zwischen den Zeitenebenen) kann erklären, warum der Tatort so viele empfindliche Stellen getroffen hat.
Im Münsteraner Polizeihauptquartier nimmt ein wirrer Metzger (Matthias Komm), ausgerüstet mit einer Sprengstoffweste, Geiseln (zunächst Staatsanwältin Klemm und Kommissar Thiel) und überträgt seinen Anschlag gleichzeitig live ins Internet. Die damit beim Zuschauer geweckten Assoziationen zu vergangenen tatsächlichen Attentaten kann auch der nun unvermeidlich folgende Auftritt des Verfassungsschutzamtes in Gestalt der seltsamen Zwillinge „Muster und Mann“ (Melanie und Daniela Reichert) nicht überdecken.

Ein vorangegangener Mord am kaufsüchtigen IT-Programmierer Rosponi gerät in den Fokus der Terror-Ermittlungen, denn der war ein Kegel-Kumpel des Metzgers, und wie sich nach und nach herausstellt, steckt deren gesamter biederer Reihenhaus-Bowling-Klub unter einer Decke aus wilden Theorien über die bevorstehende Invasion von Ausserirdischen. Obwohl das Wort „Pandemie“ mit keinem Wort erwähnt wird, schwingt das Thema einer „Welt-Verschwörung“ aber ständig mit, sei es beim gefälschten Video der Kanzlerin im trauten Gespräch mit „Echsenmenschen“, ein Foto der Clintons im Bombenkeller des Metzgers oder einem angeblichen Regierungsvertreter, der laut der Chatgruppe der Verschwörungstheoretiker ständig Informationen zu den dunklen Hintergründen liefert.

Regisseur Sven Halfar hätten in seinem ersten Tatort (ARD) „die existenziellen Fragen des Drehbuches angesprochen … es werde eine komplexe Geschichte erzählt, in der auch absonderliche Themen vorkommen, die nicht unbedingt alltäglich sind, aber humorvoll…“, man „wisse lange Zeit nicht, welche Mächte hier im Spiel sind, aber ahne nichts Gutes…“. Er sei bestrebt gewesen „in der Inszenierung die Balance zu halten. Die Figuren in ihrem Dilemma ernst zu nehmen. Die Dialoge und Situationen hätten oft dazu verleitet, über die Stränge zu schlagen. Für ihn liege in der Ernsthaftigkeit die Komik.“

Das mit dem über die Stränge zu schlagen, ist, das muss man zugeben, voll geglückt. Ein ausserirdischer Polizei-Wunderhund mit dem treffenden Bizarro-Namen „Banane“, der Terroristen zur Strecke und gestohlene Fahrräder (Thiels) zurückbringen kann; Ausserirdische, die ihren Planeten mit einem selbstfabrizierten Virus unbewohnbar gemacht haben. Und all das, wie die Lösung am Ende des Films lautet, nur auf den aus dem Ruder gelaufenen dummen Scherz einer Bowling-Partnerin zurückzuführen, die den Alien-Fimmel des Metzgers (las Mamas Däniken-Bücher) mit einem haarsträubenden Märchen habe necken wollen.

Staatsanwältin Klemms Schlusswort: „Sie gucken zu viel fern“ und Boerne auf Thiels Frage, ob er an intelligentes Leben im All glaube: „er wäre schon zufrieden, wenn es das auf der Erde gäbe“.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 15 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

15 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Julian Schneider
2 Jahre her

Ich fand die Folge genial. Und nein: Diesmal war es nicht Erziehungsfernsehen und es ging gerade nicht um Haltung. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, hat gemerkt, dass man mit dieser Folge „allesdichtmachen aufgearbeitet hat. Man muss heutzutage wie zu DDR-Zeiten subtil arbeiten und das hat man hier getan. Alleine wie der Spiegel in seiner Rezension zugebissen hat, zeigt, dass es gesessen hat. Wenn es Haltungsfernsehen gewesen wäre, wären explizit die Querdenker genannt worden.

Last edited 2 Jahre her by Julian Schneider
Willi4
2 Jahre her

Habe zuerst gedacht, aus Versehen in eine Persiflage von „men in black“ gezappt zu haben. Das kommt davon, wenn man den ÖR die Milliarden hinterherschmeißt ohne auf die Verwendung zu schauen. Hauptsache die Haltung stimmt , und der Erziehungsauftrag zum Ökosozialismus wird erfüllt.

Lotus
2 Jahre her

Ich mag den Münsteraner Tatort. Eigentlich. Die genannte Folge habe ich mir nach Lektüre der Vorankündigung in der TV-Zeitschrift erspart. Dem ÖRR scheint Political Correctness und Volkserziehung mittlerweile viel wichtiger als eine eine halbwegs erträgliche Qualität. Die Vermittlung der „richtigen“ Haltung ist bis in die letzten Winkel der Programmgestaltung eingesickert, einschließlich Kinderprogramm…

Andreas aus E.
2 Jahre her

Man sollte mal einen Tatort machen, besser wohl noch eine Romantrilogie schreiben, über Programmverantwortliche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deren Leiden als Kinder, den Horror der Schulzeit, den Verirrungen im Studenten- (pardon: Studierenden-) leben, gar noch den Entsetzlichkeiten der Dienstpflichtzeit. Und dann deren Schockmoment zu ganz großem Fernsehkino machen, nämlich den Augenblick, in dem die erkennen, daß es sich mit 200.000+ Euro GEZgehalt einigermaßen gut leben läßt, selbst in der afdbedrohten Nazirepublik. Das dann so richtig schön frauentagsmäßig aufbereitet, wie die Kommissarin, letzte Woche erst aus Sahelzone zugewandert und schon von ihrer putintreuen Frau verlassen, im Alleingang diese ganzen alten weißen Chauvis… Mehr

brandenburger-1
2 Jahre her

Das war ein versuchter und misslungener Erziehungsfilm.Es wurde auf die sogenannten Verschwörungsdemos abgezielt.
Für wie dumm muss den das Volk halten.Es ist schade das die Münsterkrimis darsteller für so einen Unfug hergeben.

ersieesmussweg
2 Jahre her

Es ist natürlich Unsinn. War J.J. Liefers bei „allesdichtmachen“, oder wie die Serie hieß, nicht Kritiker der Corona-Maßnahmen?

akimo
2 Jahre her

Weil der Tatort die ideologische Spielwiese für Woke ist, habe ich vor 25 Jahren das letzte Mal diesen Gottesdienst der Linken mir angeschaut. Damals hieß noch die Devise: sonntags abends TatortSchelte für Rechte eingebläut bekommen und montags morgens Spiegel durchlesen und Auswendiglernen.

Last edited 2 Jahre her by akimo
luxlimbus
2 Jahre her

Wir warten alle auf einen existenzialistischen Tatort. „Ernst“ aber auch „unterhaltsam“ und „aufschlussreich“ sollte er sein. – Fürchte aber er kann (wenn überhaupt) maximal immer nur mit zwei der genannten Eigenschaften glänzen.

Gabriele Kremmel
2 Jahre her

Glaube kaum, dass die beabsichtigte Botschaft verstanden wurde. Sogar als bekennender Fan des Münsteraner Tatorts war mir persönlich diese Folge zu viel und es wurde so dick aufgetragen, dass alles potentiell Witzige davon zugekleistert wurde. Die Grenze zwischen Humor und Klamauk fand auch ich weit überschritten, ich fand die Story und ihre alberne Umsetzung tödlich langweilig bis nervtötend. Das war kein Krimi sondern eine schlechte Persiflage auf sich selbst. Mir schwante früh, dass mit der Folge eine Botschaft transportiert werden sollte. Nur welche? Mag sein, dass seitens der Macher eine erzieherische Absicht dahinter stand, den unbedarften Fernsehzuschauern die Begrifflichkeit Verschwörungstheorie/-theoretiker… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Gabriele Kremmel
Hendo Renka
2 Jahre her

Ich war immer ein Fan der Münster Tatortkrimis. Aber diesmal…….. einfach nur Schrott. Machen die jetzt auch den letzten normalen und amüsanten Krimi kaputt. Alles irre!