Gewissen Elementen eines oft als südländisch beschriebenen Temperaments erliegen auch die Franken, das musste mal gezeigt werden. Die Rolle der Polizei war bei diesem Sonntagskrimi wie so oft eher die derjenigen, die anschließend den Schlamassel aufräumen müssen.
Der Streifen beginnt, wie viele aus dem Genre „film noir“, mit einer Idylle. Die Schwestern Maria (Anne Haug) und Lisa Kranz (Mercedes Müller) betreiben in Nürnberg eine schicke kleine Dessous-Boutique, Freund Maik (Florian Karlheim) schaut vorbei, zärtliches junges Glück und eitel Freude herrschen. Doch damit ist es bald vorbei. Treu hatten die beiden Schwestern an die Unschuld ihres Bruders Lenny geglaubt, der seit zwei Jahren wegen Mordes an seiner Ex-Freundin im Gefängnis sitzt – nun hat er sich dort aus Verzweiflung das Leben genommen.
Dabei hatte ihn dort „der ganze Laden“ gerne, jeder, wirklich jeder, war überzeugt, dass er die flatterhafte Bettina Wölfel, die „nichts habe anbrennen lassen“, nie brutal mit einem „rostigen Eisenrohr“ hätte erschlagen können. Vom Polizeipräsidenten Kaiser (Stefan Merki), der den Fall damals verfolgt hatte, bis zum Gefängnisaufseher. Alle mochten Lenny. Trotzdem wurden seine Wiederaufnahmeanträge „abgeschmettert“. Nun aber rotiert das ganze Polizeipräsidium, werden Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) mit aufwendigen Nachermittlungen beauftragt, befragen alle Zeugen von damals noch einmal. Den beiden tieftrauernden Schwestern bedeutet das wenig. Sie haben nur Verachtung für die Justiz übrig, die nun, wo Lenny tot ist, plötzlich rotiert.
Und sie glauben zu wissen, wer Bettina wirklich auf dem Gewissen hat: Stephan Dellmann (Justus Johanssen), Sohn aus reichem Hause. Sie suchen ihn mitten in der Nacht in seiner schicken, riesigen Designer-Wohnung auf, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Der Versuch geht schief, Lisa schubst ihn ein wenig zu heftig und er stürzt vom Balkon in den Tod. Die Schwestern fliehen, werden aber von Stephans Bruder Ben (Ben Münchow), der zufällig hinzukommt, erkannt.
Niemand braucht hier ausländische Mafia-Banden
Der Selfmade-„Großindustrielle“ Karl Dellmann (Fritz Karl), der „überall investiert“, ist völlig geschockt vom Tode seines geliebten Sohns, mit dem er sich gerade noch „beim Italiener“ verabredet hatte. Dellmann vergisst im Schmerz sein „Imperium“, das er sich mühsam aufgebaut hat, sein soziales Engagement in seinen beiden Stiftungen (spendet die Hälfte seines Einkommens), bei der Tafel. Er sinnt nur noch auf Rache an den beiden Schwestern Kranz, die ja Ben quasi auf frischer Tat ertappt hatte.
Was er dabei verdrängt: Offenbar hat tatsächlich der liebe Stephan damals das Mädchen erschlagen und Papa hat ihn gedeckt, mit dem windigen Alibi eines serbischen Geschäftsfreundes, der auf dem Balkan Villa, Pool und Privatsee besitzt (Kriminalhauptkommissar Felix Voss fällt dazu die Bezeichnung „korruptes A…loch“ ein). Dellmann vergisst auch seine eigene Geschichte, als jugendlicher Totschläger, der wegen eines Messermordes (9-mal zugestochen) im Gefängnis saß und sich danach geläutert „bemüht habe, etwas zurückzugeben“, jetzt aber mit diesem „Scheißleben“ hadert.
Lauter sympathische Galgenvögel
Was macht ein „Pate“ wenn er jemanden aus dem Verkehr ziehen will? Er heuert einen Auftragskiller an. Dellmann hat Hans Drescher (Gerhard Liebmann) vor 12 Jahren aus dem totalen Elend gerettet, in das der nach einer Verurteilung wegen Mordes und anschließender Haft geraten war. Drescher rät seinem früheren Gönner zwar mehrfach von einem Rachefeldzug ab, lässt sich aber dann von der Schuld, in der er bei ihm zu stehen meint, überwältigen. Er nimmt den Auftrag an, die beiden Schwestern zu kidnappen und sie Karl Dellmann auszuliefern.
Maria und Lisa haben Freund Maik inzwischen alles gestanden, und der reagiert nun, wie er meint, mit „purer Vernunft“ und nimmt die beiden unter seine starken Fittiche. Er sei als Chef „zweier Sicherheitsdienste“ und „21 Mann“ sowie eines Fitnessklubs, und Inhaber eines Waffenscheines geradezu prädestiniert für diese Aufgabe und stellt gleich den bewaffneten Bodyguard „Charly“ (Alexander Schmitt) zu deren Schutz ab. Auftragskiller Drescher beobachtet die Entwicklungen sorgsam und warnt seinen Auftraggeber vor der Eskalation (da gebe es „zu viele Leute“).
Es fällt nicht etwa der Polizei zu, die ebenso Wind von den Vorgängen hat (Ringelhahn und Voss machen eine halbherzige Gefährderansprache), den Paten wieder zur Vernunft zu bringen, sondern seiner Frau Katja (Ursina Lardi). Auf ihr Drängen hin ruft er Drescher an und sagt die Aktion ab. Doch er hat seine beiden Söhne Tim (Julius Gruner) und Ben nicht in die Rechnung einbezogen, die sich bewaffnet ihrerseits zu den Schwestern Kranz aufmachen, deren Bruder „durch sie, wegen ihnen“ nicht mehr am Leben sei. Die Mädchen sollen „zu dem stehen, was sie getan haben“, und, wenn es schon die Polizei nicht macht, dann eben durch sie abgeführt werden.
Der Tatort strebt seinem „Wyatt Earp am OK-Corral“-Moment im Zentrum Nürnbergs entgegen
Beim Versuch, Maria und Lisa mit vorgehaltener Waffe abzuführen, erschießen sich Tim, Ben, Maik und Charly in wildem Geballer gegenseitig. Drescher, der von Dellmann eigentlich dahin beordert worden war, um dessen Söhne aufzuhalten, eskaliert das Blutbad noch. Völlig von der Rolle nimmt der die beiden Kranz nun doch gefangen und kidnappt in einer Tiefgarage noch einen Buben als Geisel.
In der Weite der Fränkischen Landschaft nimmt der nun vollends umnachtete Dellmann die Nachricht vom Tod seiner übrigen Sprösslinge entgegen und versucht wütend, nun doch noch die beiden Mädels zu erschießen. Nun endlich darf die Polizei ihren Job machen und die Situation halbwegs in den Griff bekommen. Durch die sanfte Ansprache von Hauptkommissarin Ringelhahn, nicht durch die Drohung des nervösen Voss’ (Daumen wackelt an der Waffe) abzudrücken, gibt Dellmann schließlich auf. Katja Dellmann bricht zusammen, Ringelhahn verabschiedet sich nach dieser Aufregung endgültig aus dem Nürnberger Kommissariat.
Team Franken überfordert?
Wer in Ulm und um Ulm herum bisher der Meinung war, dass sich solcherlei gewalttätige Auswüchse im öffentlichen Raum woanders zutragen (zuletzt Anschlagsserie im Raum Köln), wurde durch diesen Kriminalfilm (Buch Max Färberböck und Stefan Betz. Regie Max Färberböck und Danny Rosness) eines Besseren belehrt. Und gewissen Elementen eines oft als südländisch beschriebenen Temperaments erliegen auch die Franken, das musste mal gezeigt werden.
Die Rolle der Polizei war bei diesem Sonntagskrimi wie so oft eher die derjenigen, die anschließend den Schlamassel aufräumen müssen. Warum Kriminalhauptkommissarin Ringelhahn sich entschieden hat, den Tatort zu verlassen, lässt folgender Diskurs ahnen: „Wir kriegen es nicht in den Griff, wir tun, was wir können, aber wir scheitern immer wieder.“ Ähnlich die Einschätzung von Kollege Voss:
„… von der Ampel hier bis zur nächsten bringen sie sich um die Ecke, erpressen, foltern und erschlagen sie sich. Und zwar weltweit. Wofür, liebe Paula, soll das gut sein?“ Antwort:
„Das kann ich dir sagen: Der liebe Gott hat den ganzen Dreck erfunden, damit wir das, was schön ist, mehr schätzen.“
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Was brauchen wir im Fernsehen den „Tatort“, wenn inzwischen ganz Deutschland zum realen Tatort geworden ist.
Was für ein wirr zusammengestöpselter Nonsens. Typisch ARD.
Wer es in Deutschland geschafft hat, einen Waffenschein zu erwerben, der bringt keine Leute mehr um. Von daher war der Film unterste Schublade und sollte vom eigentlichen Problem ablenken.