Tagesschau und ZDF unterschlagen Windkraft-Kritik

Lobbyverbände der Windkraft-Branche kommen bei den Öffentlich-Rechtlichen breit zu Wort, aber der Anwohnerschutz spielt keine Rolle. Mehr Einseitigkeit geht kaum.

@ Bürgerinitiative "Keine neuen Windräder für Crussow"

Die für den heutigen Montag geplante Entscheidung des Bundeskabinetts für die gesetzliche Regelung eines Mindestabstands von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern wurde verschoben – auf Druck von zahlreichen Lobbyisten, die in der vergangenen Woche erheblichen Druck ausgeübt hatten. In einem gemeinsamen Schreiben an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) klagten der Energie- und Wasserwirtschaftsverband BDEW, der Industrieverband BDI, der Windkraft-Branchenverband BEW und der Gewerkschaftsdachverband DGB, der geplante Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrad und nächstem Wohngebäude sei viel zu hoch, er bedeute den „Todesstoß für die Windenergie“.

Sowohl Tagesschau als auch ZDF geben in ihren Beiträgen so gut wie ausschließlich die Position dieser Lobbyisten wieder. Es gibt zwar auch reichlich Organisationen, die den Minimalabstand von 1000 Metern dringend befürworten: hundert Bürgerinitiativen in Deutschland. In den Beiträgen der öffentlich-rechtlichen Sender werden sie gar nicht erwähnt.

Das ZDF hob die „Todesstoß“-Klage sogar in die Überschrift seines Beitrags. Dabei ist die Behauptung faktisch falsch: der Windkraft-Ausbau brach schon ab 2017 massiv ein. Da der Mindestabstand von 1000 Metern bis heute – siehe oben – gar nicht beschlossen ist, kommt er schlecht als Ursache in Frage.

„Gegenwind von allen Seiten“, behauptet die „Tagesschau“ in ihrer Überschrift, gebe es gegen Altmaiers Gesetzentwurf. Auf der Webseite der ARD-Nachrichtensendung heißt es:
„Zuerst die Umweltverbände, dann der Brandbrief der Wirtschaft, jetzt kommt auch noch vom Koalitionspartner massive Kritik: Wirtschaftsminister Peter Altmaier stößt bei seinem Gesetzentwurf über schärfere Regeln zum Abstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern auf immer mehr Widerstand. ‚Wir sind mit diesem Vorschlag nicht einverstanden’, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze. ‚Wir können das in dieser Form nicht machen.’“

Die SPD-Politikerin befürchtet, dass das Ziel nicht erreicht werden könnte, bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 65 Prozent Ökostrom zu schaffen. „Was das Wirtschaftsministerium vorgelegt hat, trägt da noch nicht ausreichend zu bei.“

Dann ist auch noch von einem „Proteststurm der Verbände“ die Rede:
„Bundesregierung und Koalitionsspitzen hatten sich eigentlich grundsätzlich darauf geeinigt, dass zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen künftig mindestens 1000 Meter Abstand sein sollen, um die Akzeptanz bei Anwohnern zu vergrößern. Die Vorlage sorgte für einen Proteststurm bei Umwelt- und Energieverbänden. Ihre Kritik: Somit werde ein weiterer Ausbau der Windkraft verhindert.“

Nun gibt es mit „Vernunftkraft“ – einer Dachorganisation von Bürgerinitiativen mit insgesamt gut 10 000 Mitgliedern – auch einen ziemlich starken Verband, der für einen Mindestabstand von 1000 Metern eintritt. Für Vernunftkraft stellen die 1000 Meter angesichts der Höhe moderner Windkraftanlagen von 240 Metern eine Minimallösung dar: „1000 Meter als Mindestabstand anzugeben ist wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, heißt es bei Vernunftkraft.

Verband beklagt „Zusammenbruch“ des Windkraft-Ausbaus
Doch deren Position wird – siehe oben – in den ARD und ZDF-Nachrichten nirgends zitiert. Und damit erfahren die Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen auch nichts über die Gründe, die Bürgerinitiativen gegen die zu große Nähe von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern anführen: Lärm, Infraschall, Schlagschatten. Damit bleibt eine Seite der Debatte faktisch komplett ausgeblendet. Die ARD lässt neben Altmaier selbst nur noch einen weiteren CDU-Politiker kurz zu Wort kommen, aber keine betroffenen Bürger. Das ZDF zitiert ebenfalls niemand von Vernunftkraft, dafür aber den Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der klagt, mit der geplanten Regelung würde „nahezu um jede Gießkanne“ eine Ein-Kilometer-Sperrzone für Windkraftanlagen errichtet – so, als ginge es gar nicht um Anwohner.

Im Fall des Raketenfeuers aus dem Gaza-Streifen auf Israel und dem israelischen Gegenschlag zeigte die ARD vor kurzem deutlich mehr Willen, beide Seiten darzustellen: Bei der Tagesschau kam ein Sprecher der islamistischen Terrororganisation „Islamischer Dschihad“ zu Wort, die innerhalb kurzer Zeit über 200 Raketen auf zivile Ziele abgefeuert hatte. Er durfte sein Statement in das Mikro sprechen, als wäre er ein Verbands- oder Parteifunktionär.

Die Mitarbeiter der Nachrichtensendung waren offenbar der Meinung, dass ihr Israel-Bericht sonst zu einseitig gewesen wäre.

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Kommentare ( 150 )

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Manfred Koch
5 Jahre her

Der Windkraft-Lobbyist Anton Hofreiter meinte vor 2 Tagen im Frühinterview des DLF auch, dass die Bereitschaft der Menschen, mehr WKAs in ihrer Nähe zu dulden, steige, je mehr sie mit diesen in ihrer Nähe schon Bekanntschaft gemacht hätten. Das ist Logik à la Hofreiter!!!

Steffen Jonda
5 Jahre her

Ich bin ja der Meinung man sollte 200m-Windkraftanlagen direkt in die Vorgärten grüner Parteigänger bauen… oder besser noch deren (Einfamilien)Häuser abreißen und sie selbst in 30-40qm-2-Zimmer-Wohnclos in Problemvierteln einquartieren, ihre Kinder auf die „Problemschulen“ zwingen. Dieser Realitätsschock könnte dabei helfen diesen Menschen eine Dosis FAKTEN zu vermitteln. Die bayrische Lösung (je 10 Meter Höhe 100 Meter Abstand) ist ideal, auch wenn dadurch die Wind-Energie-Lobby (schönes Wort) dort nix mehr aufzubauen hat. Man könnte ja weitere 2000-3000 Windrotoren in der Nord- und Ostsee aufbauen, den Geisterstrom zu Wasserstoff-Anlagen führen und dort Wasserstoff fertigen, welcher dann als „normaler Brennstoff“ genutzt wird. Warum… Mehr

hubert paluch
5 Jahre her

Wie aus empirischen Studien zur Gesinnung von Journalisten wohlbekannt, schlägt deren Herz mehrheitlich links-grün. Und die öffentlich-rechtlichen Sender dürften von dieser Spezies völlig überbevölkert sein. Kann man es diesen beseelten Aktivisten verdenken, wenn sie ihren Arbeitsplatz zum Propaganda-Funk umgestalten?

Farbauti
5 Jahre her

Der Aufenthalt von Lobbyisten in Berlin sollte verboten werden.
Verbote sind doch grün, habe ich doch richtig verstanden oder?

Kalle Wirsch
5 Jahre her

Der Zwangsbezahler muss die Moeglichkeit haben, bei der Zusammensetzung des Rundfunkrates mitzuentscheiden. Denn wer zwangsbezahlt, sollte auch bestimmen, welches Lied gespielt wird. So naemlich funktioniert Demokratie. Aber von Demokratie wollen die Entscheidungstrager beim Staatsfunk als auch in Berlin schon lange nichts mehr wissen.

bfwied
5 Jahre her

Physik spielt bei der Regierung und den Politikern keine Rolle, der Mensch auch nicht! Die Medien sind Regierungsmedien, gleichgeschaltet. Wie schon geschrieben: Es wird weder unterschieden zw. Nennleistung und tatsächlich erbrachter Leistung noch wird dargestellt, dass bei nur um 15 % geringerem Wind (gegenüber dem Referengebiet) man eine um 60 % höhere Nennleistung benötigt, d. h., dass man entsprechend höhere und mehr Windräder benötigt. Dass man nie mehr als 49/50 % des Stroms im Schnitt ersetzen kann, weil der Platz gar nicht vorhanden ist, für Strom, der niemals auch nur annähernd durchgängig vorhanden sein kann, der nur in Spitzen überreichlich… Mehr

fatherted
5 Jahre her

Immerhin….im heutigen MoMa….wurde ein Tüv Experte zu E-Autos interviewt….seiner Aussage nach verbraucht die Herstellung der Batterie bei E-Autos soviel C02 wie die Herstellung eines Diesel/Benziners plus 40 tkm. Fahrt. Sprich….wenn das E-Auto 0 km gefahren ist, hat es schon so viel C02 auf dem Buckel wie ein Verbrenner der schon 40tkm unterwegs ist. (Ab dann würde die Karre sich aber….bei Erneuerbarem Strom….ökologisch…rentieren). Der ZDF Kollege Lesch behauptet in einem seiner youtube Videos allerdings die Schallgrenze liege bei 80tkm. …..ist aber auch nicht im ZDF ausgestrahlt worden. Fragt sich nur…..was passiert nach 80 tkm. wenn dann die Batterie im Dauerlade/EntladeZyklus ausgetauscht… Mehr

Ronaldo
5 Jahre her
Antworten an  fatherted

Na ja. Genau genommen hat er heute morgen gesagt, ab 40.000 km würde die CO2-Bilanz besser als bei einem Verbrenner, wenn der Strom von erneuerbaren Energien, also CO2-neutral, stammt. Wenn nicht (und das ist ja die Realität) dann natürlich später. Das hat dann die Moderatorin dann gleich politisch korrekt so zusammengefasst: „Ab 40.000 km lohnt es sich also.“

Helmut in Aporie
5 Jahre her
Antworten an  Ronaldo

Oder nie, wenn es polnischer Kohlestrom ist!!

bfwied
5 Jahre her
Antworten an  fatherted

Es wird sich nie lohnen, weil die Akkus schnell ihre Kapazität verlieren und ausgetauscht werden müssen, was sehr teuer ist und v. a. wieder neue Rohstoffe und die Produktion erfordert. Die CO2-Rechnung wird also wieder ein großes Stück zurückkatapultiert. Und wenn der Punkt des Gleichstands erreicht ist, dürften die meisten Autos schrottreif sein. Das wird in die Rechnung nirgendwo einbezogen, und das ist mal wieder das Versagen der Medien. Die E-Mobilität mit Lithium-Ionen-Akkus ist ein Holzweg, den die Firmen begehen, weil er gefördert wird und die dt. Regierung es so will und so viele ebenfalls, dafür sogar, unbeleckt von Wissen… Mehr

SeiDuSelbst
5 Jahre her

Das öffentlich-rechtliche Meinungsmonopol ist schlicht nicht mehr tragbar. Unterschreibt bei http://www.rundfunk-frei. de

Juergen Schmidt
5 Jahre her

War der Fachbegriff dafür nicht „de-platforming“ oder so? Unliebsame Positionen garnicht erwähnen, unterschlagen, und Personen oder Gruppen, die verhasst sind, nicht zu Wort kommen lassen und ignorieren?
So funktioniert ja auch die Unterdrückung der bürgerlichen Opposition durch die Medien: Niemals sachliche Berichte über politische Inhalte. Solche Informationen dürfen auf keinen Fall zum Bürger gelangen. Nur Skandalisierung über Nebenschauplätze, sobald sich die Gelegenheit bietet.
Es ist halt leider eine bösartige Bande von Lügnern und Fälschern …

Peter Schulze
5 Jahre her

Hab’s gerade mal durchgerechnet. Am 24.Jan 2017 hatten wir eine Kalte-Dunkelflaute in D. 75 GW wurden abgerufen. Solar/Wind stellten läppische 3 GW. Um dies 10 Tage lang abzudecken bräuchten wir 1835 Pumpspeicherkraftwerke wie das in Goldisthal/ Thüringen. Und das ist das Größte. Wo sollen die in D gebaut werden? Die Geomorphologie gibt das nicht her. Jede neu zugebaute WKA, jedes Solarpanel vergrößert die Lücke.

Helmut in Aporie
5 Jahre her
Antworten an  Peter Schulze

Und selbst die würden nicht reichen! Mag eine Flaute vielleicht nicht länger als 10 Tage dauern, was aber, wenn bald danach die nächste Flaute kommt und dazwischen die Speicher noch nicht gefüllt werden konnten?