Ohne eine Tagesschau-Redakteurin wüssten wir nicht, dass Israel beinahe das Holocaust-Gedenken vermasselt hätte. Was würde eigentlich aus der Welt, wenn das deutsche Schulmeisterfernsehen irgendwann nicht mehr sendet?
Es gibt Kommentare, die wie eine Erfindung klingen. Sicherlich, ein wohlmeinender deutscher Journalist ist per Definition ein Bescheidwissenschaftler mit der Lizenz, allen auf dem Erdenrund – die Bundeskanzlerin einmal ausgenommen – Fehler, Irrtümer und Dummheiten vorzuhalten. Insbesondere die Redakteure und Redakteurinnen aus dem ARD-Kommentarpool bilden eine Art Weltmoralhauptamt, für das thematische Grenzen nicht existieren. Aber der Tagesschau-Kommentar, in dem Sabine Müller vom ARD-Hauptstadtstudio die Israelis für deren egoistische und schlecht organisierte Holocaust-Gedenkfeier in Yad Vashem zur Rechenschaft zog, stellt doch etwas ganz Besonderes dar. Und zwar ein bisher nicht geschriebenes, aber jetzt eben doch existierendes und in der ARD-Mediathek abrufbares Unruhmesblatt in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
— felix dachsel (@xileffff) January 23, 2020
Die Gedenkfeier, so Müller, sei in ihrer Würde eigentlich nur durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor den Juden gerettet worden:
„An Bundespräsident Steinmeier lag es nicht: Der Gedenktag in Yad Vashem wurde von den egoistischen Auftritten Israels und Russlands überschattet.“
„Juden überschatten Holocaust-Gedenktag“ wäre eigentlich auch eine Überschrift im Sinne von Frau Müllers Text gewesen, vor allem eine, die den Gehalt ihres Textes kongenial zusammengefasst hätte. Aber weiter in Müllers Anklageschrift:
„Unwürdig war dagegen, wie Israel und Russland diesen Gedenktag teilweise kaperten. Wie sie vor der offiziellen Veranstaltung sozusagen ihre eigene politische und erinnerungspolitische Privatparty feierten – mit …dem demonstrativ überlangen bilateralen Gesprächen zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Präsident Wladimir Putin.
Wie sie die Einweihung eines Denkmals zur Erinnerung an die Belagerung Leningrads gnadenlos überzogen, wie sie 90-jährige, 100-jährige Holocaust-Überlebende eine Dreiviertelstunde lang in Yad Vashem warten ließen wie bestellt und nicht abgeholt – und dazu noch mehr als 40 Staats- und Regierungschefs.“
Israel kapert das Gedenken an die Shoa, es kapert überhaupt Yad Vashem, feiert dort eine Privatparty und dann kommt noch Russland mit seinem Mahnmal für die etwa eine Million Toten, die bei der Belagerung von Leningrad starben. Gut, die Blockade endete am 27. Januar 1944, genau ein Jahr vor der Befreiung von Auschwitz, es gibt also einen doppelten Gedenktag – aber die Leningrad-Sache ist ja nun wirklich, wie Müller feststellt, eine Angelegenheit, die nur Russen betrifft und höchstens in deren erinnerungspolitischen Privatpartys ihren Platz hat.
Bei dem „überlangen bilateralen Gespräch“ zwischen Netanjahu und Putin – und nur deutsche ARD-Mitarbeiter wissen, was angemessen und was überlang ist – bei dem Gespräch also ging es übrigens um die vorzeitige Freilassung der israelischen Yogalehrerein Naama Issachar, die als Transitreisende wegen eines Bagatellbesitzes von Haschisch in Russland zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt worden war.
Auf den Umstand, dass die Gedenkfeier 40 Minuten später begann als geplant, stützt Müller ihren Kommentar faktisch. Aber eigentlich geht es ihr um etwas Grundsätzliches, nämlich um die Feststellung, dass Israel als jüdischer Staat nicht einfach das Holocaust-Gedenken für sich in Anspruch nehmen kann. So etwas gilt nämlich als „nationales Eigeninteresse“. Und das geht im 21. Jahrhundert natürlich nicht. Ein bisschen Nachsicht – wegen des besonderen Tags wahrscheinlich wollte sie nicht so sein – übt Frau Müller dann doch:
„Aber es sind Zweifel angebracht, wie viel internationale Einheit wirklich da ist und wie sehr letztlich nicht doch nationale Eigeninteressen dominieren. Dass Putin und Netanyahu immerhin ihre Auftritte bei der Gedenkveranstaltung in Yad Vashem eklatfrei hinter sich brachten, ändert nichts an diesen Zweifeln.“
„ARD meldet: israelisches Holocaustgedenken endlich eklatfrei“ – auch das wäre eine angemessene Zeile für das ARD-Stück gewesen.
Da Sabine Müller sich mit praktisch allem kritisch beschäftigt, nur mit der Rede Steinmeiers nicht, hier noch eine Anmerkung: Wie der Historiker Michael Wolffsohn schrieb, hätte der Bundespräsident bei der Gelegenheit darauf aufmerksam machen können, dass sich die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus heute nicht mehr auf die Einwohner mit deutschen Vorfahren beschränkt: „Rund ein Viertel der Deutschen hat Migrationshintergrund. Viele sind Muslime. Die bisherige Gedenkkultur Deutschlands richtet sich nur an die Nachfahren der Deutschen, die das NS-Regime miterlebt, getragen und ertragen haben.“ Tatsächlich, so Wolffsohn, habe es auch in der arabischen Welt Sympathie und Unterstützung für den Judenmord gegeben. Und es gibt sie bis heute; die öffentliche Verbrennung von Flaggen mit Davidstern in Berlin und die „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“-Rufe auf dem Kurfürstendamm kamen bekanntlich nicht von Deutschen, deren Vorfahren schon länger hier leben.
Stattdessen lieferte der Bundespräsident in Israel die vertrauten Satzschablonen zum Thema.
„Es sind zudem die immergleichen Worte, also deren Inflationierung“, so Wolffsohn. „Damit werden sie wertlos. Kein Wunder, dass kaum noch jemand zuhört.“
Aber darin, dass kaum noch jemand zuhört, besteht ja der Zweck von offiziellen deutschen Rhetorikunternehmen zu diesem Thema.
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„das deutsche Schulmeisterfernsehen“ Es ist leider nicht nur das Fernsehen, sondern nach wie vor bis heute zieht es sich durch die deutsche Geschichte und Gesellschaft, „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, sowohl im Umgang untereinander, als auch im Umgang mit anderen. Der Deutsche ist nach wie vor, Allwissend unbelehrbar, bis auf leider wenige als Ausnahme, die jedoch weder das gesellschaftlich Bild noch die veröffentlichte Meinung prägen. Wenn ich in Frankreich bin, erlebe ich so einen Umgang nicht. Da Grüßen mich Menschen die mich nicht kennen auf der Straße mit „bon jour“. In Deutschland wirkt dann so ein „Guten Tag“… Mehr
„Ich und du, Müllers Kuh“ – muss ich weiterschreiben? Außerdem fällt mit Müllers Wanderlied ein: „Die Reden selbst, wie schwer sie sind, die Absicht merkt doch jedes Kind“. Und das Lied vom Café Größenwahn …
»Weltmoralhauptamt« – gut gebrüllt Löwe!
Die Zeiten ändern sich, aber der Nationalcharakter bleibt.
Die Arroganz (mal zynisch, mal »moralisch« – immer andere verachtend), das weltweite Sendungsbewusstsein des Deutschen (früher das »Wesen«, heute das Klima betreffend) – wie gehabt. Sogar in der Rückschau auf seine Verbrechen muss der Deutsche der Größte sein und mit verhohlenem Stolz seiner Schande Denkmäler setzen.
Der Deutsche hat seine Mission in der Welt…
„Die Zeiten ändern sich, aber der Nationalcharakter bleibt.“ Wo lernt man so einen Sermon? Jedenfalls diejenigen die schon mal ein Geschichtsbuch in der Hand hatten, wissen dass dem nicht so ist. „Nation“ ist ein vom Menschen geprägter Beschreibungsbegriff, je nachdem wo man die kulturellen, sprachlichen und geschichtlichen Grenzen zieht. Typisches Beispiel, Deutsche und Österreicher, aber auch Russen und Weißrussen. Manche Sizilianer betrachten sich nicht als Italiener, aber auch in Deutschland sagen manche „mia an mia“. Noch im 15. Jhd. hieß die Südhälfte Frankreichs „Gallien“ und die Deutschen wussten noch 200 Jahre lang nicht ob sie eine Nation sind. Auch war… Mehr
Sie zählen Trivialitäten auf. Was in aphoristischer Kürze (und damit notwendig verkürzt) gesagt war, ist dass wir Deutsche noch immer dieselben sind. Statt sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren (d.i. der Staatsanwalt konkretes Material zu liefern), posaunt Haldewang – ganz linientreuer Untertan – obrigkeitsgefällig bis -unterwürfig hinaus, wen er (als »Rechten«, versteht sich) ins Visier nimmt. Ein Unikum unter den Geheimdiensten ‚demokratischer‘ Staaten. Statt belastbare Fakten vorzulegen und Hans-Georg Maaßen anhand dieser zu widerlegen, startet Natascha Kohnen eine infame Diffamierungskampagne, die ihn am Ende ohne Beweise zu Fall bringt. Und sagen Sie selbst: was unterscheidet die geifernde Rhetorik eines Johannes… Mehr
Sie zählen Trivialitäten auf. Was in aphoristischer Kürze (und damit notwendig verkürzt) gesagt war, ist dass wir Deutsche noch immer dieselben sind. Statt sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren (d.i. der Staatsanwalt konkretes Material zu liefern), posaunt Haldewang – ganz linientreuer Untertan – obrigkeitsgefällig bis -unterwürfig hinaus, wen er (als »Rechten«, versteht sich) ins Visier nimmt. Ein Unikum unter den Geheimdiensten ‚demokratischer‘ Staaten. Statt belastbare Fakten vorzulegen und Hans-Georg Maaßen anhand dieser zu widerlegen, startet Natascha Kohnen eine infame Diffamierungskampagne, die ihn am Ende ohne Beweise zu Fall bringt. Und sagen Sie selbst: was unterscheidet die geifernde Rhetorik eines Johannes… Mehr
Der Holocaust gehört den anständigen Deutschen wie Maas und Steinmeier. Er darf nur dazu genutzt werden um den millionenfachen Zuzug von Antisemiten nach Deutschland zu legitimieren. Das Unrecht das man den Juden antat darf sich nicht dadurch wiederholen dass man ihre Feinde diskriminiert. Willkommen in Republik der Irren.
Danke. Endlich einmal klare Worte gegen den Irrsinn der Vernunft. Denken darf sich nicht mehr wiederholen, das wehnigstens haben wir auss der Geschischte gelerrnt. Danck auch an Krrätschman.
Habe eine Woche voller Termine und Gesprächen vor mir. Was mir noch fehlt ist eine Meinung zu verschiedenen Politikthemen, um auch argumentativ im Felde unterstützend tätig sein zu können. @ARD: ab wann kommt der wöchentliche Framing-Newsletter? Damit wüßte ich wie ich was und wen einzuordnen habe. Danke schon einmal für den Hinweis, daß Omas Nazis sind und Israel die Shoa gekapert hat. Das hatte ich anders und offensichtlich falsch in Erinnerung. Wo kann man falsche Gedanken melden? Und ist nächste Woche 2+2 gleich 4 oder 5? Danke!!!
Unsere Journalisten nehmen es sich heraus, sogar Israel vorzuschreiben, wie es des Holocaust gedenken soll. Nur wenn es darum geht, die eigene Regierung zu kritisieren, bekommen sie eine Art Maulsperre.
Maulsperre? Das wäre fast zu wünschen – dann käme eine Zeit lang nichts von ihren Absonderungen!
Ich würde deren Kritiklosigkeit eher als Beißhemmung bezeichnen – und das geht schon die ganzen Merkel-Jahre so!
Antisemitismus ist keine allemannische Spezialität sondern ein weltweit verbreitetes Phänomen, so alt wie das Judentum selber. Die Deutschen sind nur das auserwählte Volk, das darauf besteht, bis in alle Ewigkeit dafür zu bezahlen, buchstäblich. Der gleiche Nationalismus, jetzt nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Verherrlichung von Nazi-Symbolen, Nazi-Aufmärsche, Nazi-Siegesfeiern, Hitler-Ansprachen – wer an sowas seinen Spaß hat kann sich tagtäglich auf Öffentlich Rechtswidrigen Sendern wie PHOENIX oder ZDF-History daran sattsehen. Die haben ein Monopol auf diese Form der „negativen Verklärung“ des Dritten Reiches und sorgen dafür, daß die Erinnerung daran, wie groß Deutschland mal war, nie, niemals verloren geht. Nicht in tausend… Mehr
AM DEUTSCHEN WESEN WIRD DIE WELT GENESEN Das eigentlich erschreckende und unfassbare an der ganzen Angelegenheit ist für mich, dass das deutsche Schulmeisterfernsehen neben dem „deutschen Michel“ offenbar auch von der Mehrzahl der in Deutschland lebenden Juden, den jüdischen Verbänden und sogar vom israelischen Botschafter akzeptiert oder zumindest toleriert wird. Ich bin nach 1945 geboren. Aber ich kann mir mittlerweile vorstellen, wie und mit welchen teuflischen Mitteln Hitler an die Macht gekommen ist. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind unverkennbar. Und jetzt laufen die Juden wiederum gutgläubig, aber blind und unterwürfig, den Aussagen von Merkel, Steinmeier und Maas hinterher und… Mehr
Das Oberlehrergetue der ARD wird sie nicht vor der stärker werdenden Gebührendebatte retten. Im Gegenteil.
Jedesmal, wenn die Koryphäen des Staatsfernsehens solch geistigen Durchfall absondern, ist man geneigt zu glauben, es könne nicht noch schlimmer kommen. Aber weit gefehlt. Stattdessen: „Yes, we can!“ Ja, sie können sich zu immer unerträglicheren Auswüchsen von Arroganz, Ignoranz und Respektlosigkeit aufschwingen, vom dreisten Verschweigen der wirklich wichtigen Zusammenhänge und Vorgänge ganz zu schweigen. Damit sind sie zwar nicht in guter, aber in zahlreicher Gesellschaft, nämlich in Gesellschaft der Journaille der Mainstream-Printmedien und ebenso in Gesellschaft der meisten Altparteien-Politiker.