Bei Illner nichts Neues: Altes Thema, alter Gast, alte Sprachbilder, alte Muster

Während Kiesewetter und Cohn-Bendit sich für den Einsatz der Taurus in der Ukraine einsetzen und schon planen, worauf man sie richten sollte – überzeugt davon, dass dies die Wunderwaffe ist, die den Krieg entscheiden wird –, betont ausgerechnet der Experte Masala, dass die Taurus nicht kriegsentscheidend ist.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Der Titel der neusten Illner-Sendung lautet: „Deutschland ausspioniert – Vertrauen verspielt?“. Ob sich das reimen sollte? Ein solcher unreiner Reim fand sich zu Beginn der Sendung nochmal, als es hieß: „Deutschland blamiert, Putin jubiliert“. Die Ankündigung der Sendung liest sich derweil wie ein Haiku: „Olaf Scholz scheint blamiert, die westlichen Alliierten desavouiert und die Ukraine massiv verunsichert. Putins Lauschangriff gegen die Bundeswehr destabilisiert auf mehreren Ebenen.“ Ob die Gästeliste – bestehend aus Kevin Kühnert, Roderich Kiesewetter, Daniel Cohn-Bendit, Carlo Masala und Sarah Pagung – ebenfalls ein Gedicht ist, können Sie gern für sich entscheiden.

Mir war schon klar, als einen Tag nach der letzten Illner-Sendung am 1. März die Taurus-Leaks veröffentlicht wurden, dass dies das Thema der nächsten Sendung sein würde. Zwar ist sie nun eine Woche später, in der nun wirklich bereits alles dazu gesagt wurde, also etwas sehr „late to the trend“, wie man in meiner Generation sagen würde. Doch das ist für Maybrit Illner noch absolut „on theme“. Ich verspreche, das war’s jetzt mit dem Englisch. Wir melden uns jetzt also eine Woche später mit einem für die Branche uralten Thema zurück, mit Carlo Masala wird der Zuschauerschaft sogar ein Teil der Gäste der letzten Woche wieder vorgesetzt. Hat Illner keine Lust mehr? Ist das der Grund, weshalb sie dieses unpassend jugendliche Puffärmeloberteil in pastellgelb angezogen hat: um von ihrer Lustlosigkeit abzulenken?

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Nachdem die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung das erste Wort bekommt – was wohl ausgleichen soll, dass sie über die Sendung hinweg vielleicht insgesamt vier Minuten Redezeit hat –, ist jedenfalls direkt der aufgewärmte Masala mit seiner Einschätzung zu den Taurus-Leaks dran. Er bestreitet zunächst, dass Deutschland das einzige Land ist, das abgehört wird. Die Russen hätten einfach Glück gehabt, dass sich diese Aufnahme so einfach mit dem eingewählten Telefon erklären lässt, da sie die Aufnahme so veröffentlichen konnten, ohne dass man erahnen kann, wie tief sie sich bei uns schon eingeschleust haben. In den Aufnahmen selbst hätte es im Grunde nichts Neues gegeben, so brisant seien sie nicht. Masala nahm sie aber direkt zum Anlass, um die Lieferung der Taurus zu unterstützen: „Man kann die Taurus auch einsetzen, ohne das deutsche Soldaten involviert sind, und das geht aus den Leaks hervor, und da sollte man glaub’ ich der Expertise der Luftwaffe, die über dieses Wirksystem verfügt, vertrauen.“

Daniel Cohn-Bendit soll angeblich Grünen-Politiker sein – das kann allerdings nicht stimmen, ich habe ihn zu 100 Prozent als den Synchronsprecher von Bugs Bunny identifiziert. Allerdings legt ein Artikel von Correctiv aus dem Jahre 2019 nahe, dass es sich bei ihm tatsächlich um einen Grünen-Politiker handelt. Man räumte darin ein, das Zitat von ihm, das zu der Zeit auf Facebook rumgeisterte, in dem er es als „wahnsinnig erotisches Spiel“ bezeichnete, wenn ein fünfjähriges Mädchen sich auszieht, sei tatsächlich echt und wirklich von ihm. Solche Typen muss man natürlich wieder heraus kramen und ins Fernsehen setzen, auch wenn Cohn-Bendit seit mindestens einem Jahrzehnt – er war bis 2014 EU-Abgeordneter – keine Relevanz mehr hat.

Cohn-Bendit ist ganz Feuer und Flamme für die Lieferung der Taurus, das ist in der Sendung allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Er ist stattdessen dafür zuständig, die Lyrik wieder in die Sendung zu bringen, indem er so ausgelutschte Sätze sagt wie: „Die Ukrainer sind teilweise ausgeblutet. Viele können nicht mehr.“ Oh, wenn ich doch einen Cent bekommen würde für jedes Mal, dass jemand bei Illner haargenau diese Sätze sagt. Dann könnte ich mir vielleicht gerade mal ein Gummibärchen am Kiosk kaufen, aber es ist doch seltsam, dass sich die Crème de la Crème der Politikelite, die Illner wöchentlich zusammentrommelt, nicht mal ein neues Sprachbild ausdenken kann.

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Derweil fallen auch Kühnert und Kiesewetter in alte Muster. Sie geraten in einem Duell aneinander, das sich durch die Sendung zieht. Kevin Kühnert hat als SPD-Generalsekretär im Grunde nur eine Aufgabe: Olaf Scholz in Talkshows zu verteidigen. Das tat er in der vergangenen Sendung ausgesprochen vehement. Die SPD stehe hinter dem, was der Bundeskanzler gesagt hat, auch wenn es zu einer Abstimmung über die Lieferung der Taurus kommt. Obwohl Deutschland und insbesondere Olaf Scholz wegen des Abhör-Skandals belächelt und misstraut wird, ist Kevin sicher, „dass Deutschland weiterhin als verlässlicher, als seriöser Partner dasteht“.

Roderich Kiesewetter (CDU) schüttelt bei diesen Äußerungen wiederholt energisch den Kopf. Er hält an seiner „whatever it takes“-Strategie in der militärischen Unterstützung der Ukraine fest. Wenn Russland uns ohnehin schon als Feind sieht, „sind wir doch lieber ein starker Feind als ein schwacher Feind“. In die Haare kommen Kiesewetter und Kühnert sich, als die Debatte beginnt, ob Deutschland denn genug tue. Kühnert betont wiederholt, dass Deutschland weltweit der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine sei. Er stört sich massiv daran, dass Länder wie Frankreich oder Großbritannien andauernd so tun, als würde Deutschland gar nichts tun, nur weil es zögert.

Kiesewetter kann mit dieser Zahl gar nichts anfangen. Sie käme überhaupt nur durch den finanziellen Aufwand für die Aufnahme und Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge zustande. Militärische Unterstützung mache von der deutschen Aufwendung „lediglich sieben Milliarden Euro“ aus. Würde man dies auf das Bruttoinlandsprodukt hochrechnen, würde Deutschland im Vergleich nur noch auf dem 15-ten Platz stehen. Das weckt in Kühnert den Sozialdemokraten: Ob Kiesewetter nicht auch im Bürgerdialog die Sorgen und Ängste der Wähler mitbekommen würde, fragt er ihn. „Wie klingt denn eine Bemerkung wie ‚lediglich sieben Milliarden Euro‘ für diejenigen, die von den Sparbeschlüssen der Bundesregierung Ende des vergangenen Jahres betroffen gewesen sind?“

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Kiesewetter will von diesen besorgten Bürgern noch nie etwas gehört haben. „Zwei Drittel der Bevölkerung sind für mehr Unterstützung der Ukraine“, erklärt der Obmann dem Generalsekretär. „Die Mehrheit ist gegen die Taurus, wollen wir uns jetzt mit Umfragen unterhalten?“, kontert Kühnert wiederum. Später wird er sich aufregen, dass nun so herablassend darüber gesprochen wird, dass Olaf Scholz sich als Friedenskanzler darstellen wollen könnte. „Ich hoffe doch, dass jeder politisch Verantwortliche sein Tun und Handeln und seine Entscheidungen darauf ausrichtet, möglichst viel dazu beizutragen, dass gerechter Frieden, und das kann immer nur Frieden in Freiheit bedeuten, dass der in Zukunft möglich wird.“

Das Ironische daran ist doch, dass Olaf Scholz nun in dem Bett liegen muss, das er sich selbst gemacht hat. Wie war das noch mit den „gefallenen Engeln aus der Hölle“? Bevor Olaf Scholz selbst zum Putinversteher betitelt wurde, weil er mit der Taurus so zögert, war er derjenige, der dies – in biblischem Ausmaß, muss man sagen – anderen an den Kopf warf, die die Flagge schwangen, derer er sich nun für den nächsten Wahlkampf bedient. Ironisch ist auch, dass während Kiesewetter und Cohn-Bendit sich so euphorisch für den Einsatz der Taurus in der Ukraine einsetzen und schon planen, worauf man sie richten sollte – überzeugt davon, dass dies die Wunderwaffe ist, die den Krieg entscheiden wird –, ausgerechnet Masala, der Experte betont, dass die Taurus eben nicht kriegsentscheidend ist.

Er hat schon mehrmals in den verschiedenen Talkshow-Auftritten betont, dass das große Problem der Ukraine die mangelnde Munition ist. Nichtsdestotrotz besteht auch er auf die Lieferung der Taurus an die Ukraine. Sein Argument: Die anderen Länder sehen sonst, dass Deutschland zögert und tun es ihm gleich. Deutschland dürfte damit das einzige Land sein, dem es gelingt, einerseits peinlicher Nachzügler und großer Vorreiter zu sein. Aber wem sollen all die kleinen Feinheiten schon auffallen? Es haben doch eh alle schon seit der Tagesschau abgeschaltet.

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Kommentare ( 54 )

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54 Comments
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Nibelung
8 Monate her

Bei solchen Qualitätssendungen kommt der alte Nietzsche wieder gedanklich zum Vorschein mit seinem phiosophischen Pamplet, also sprach Zarathustra mit seinen Vorstellungen zur Wandlung des Menschen um daraus einen guten Sozialisten, als eigene Zugabe ihrer Version hinzuzufügen. Es würde nun zuweit führen, alles im Einzelnen aufzuführen, aber dennoch war es schon damals der Versuch eines Philosophen über diese Parabel die unglückseligen Zustände des menschlichen Daseins und seinen Tücken hin zum guten Menschen zu führen, was manche in ihren Sendungen sehr wörtlich nehmen und mit ihrer Einseitigkeit ähnliches erreichen wollen, aber nur im dümmlichen linken Sinne, was aber beide Philosophen so nicht… Mehr

Lafevre
8 Monate her

Wer an die Möglichkeit eines ukrainischen Sieges selbst mit deutscher Unterstützung glaubt, dem seien die Gefechtsberichte der Heeresgruppe Süd als Lektüre emphohlen. Streiche Schlachtflieger und setzt Drohnen, dann ist die Sache approximativ vergleichbar.

Deutscher
8 Monate her
Antworten an  Lafevre

Oder die „Wunderwaffen“ V1 und V2…
Will nicht sagen, dass die technisch und taktisch völlig gaga waren. Aber den Krieg gewinnt nun mal, wer den längeren Atem hat

Carl22
8 Monate her

Gebt Cohn-Bendit, bei dem ich in Frankfurt a.M. noch Bücher kaufte, ein tüchtiges G3-Gewehr und entlaßt ihn an die Front, zb Lastotschkino NW von Donezk, mit einer Überlebenszeit von 2-3 Tagen (auf ukrainischer Seite). Und wie geehrt war ich damals, ca. 1975, wenn Daniel himself im Buchladen war!! Shame on me.

Logiker
8 Monate her

Gibt es außer Deutschland eigentlich noch ein Land, wo die oder der Außenministernde ständig etwas anderes sagt als der Regierungschef – völlig unbeeindruckt vom Dienstverhältnis und der Richtlinienkompetenz ?

Das lässt für mich nur den Schluß zu, dass besagte Dame Dienerin anderer Herren ist.

Last edited 8 Monate her by Logiker
Siggi
8 Monate her

Ein sehr teures Theaterstück; ohne jeden Wert.

Spyderco
8 Monate her

,,Entscheidend in einem Krieg ist nicht die technologische Überlegenheit einzelner Waffensysteme sondern die schiere Masse an Waffen, Munition und Soldaten.“

Wer sich auch nur oberflächlich mit russischer Militärdoktrin beschäftigt hat,weiß ,daß dies von Kutusow über Shukow bis Gerassimov,schon immer Usus war.

Analeur
8 Monate her

Politik ist die Show der Lügen und Halbwahrheiten. Illner wird mit GEZ Geldern großzügig dafür bezahlt diesen lügenden Politikern eine Bühne zu bieten. Die Opposition wird selten eingeladen, außer der LinksCDU, die nur eine Scheinkritik an der Regierung macht und morgen schon mit dieser gerne zusammenarbeiten würde. Die aktuelle Regierung fährt Deutschland vor die Wand, die Leitmedien üben keinerlei ernsthafte Kritik an dieser. Die Regierung sorgt weiter dafür das die Industrie wegen der schlechten Bedingungen in Deutschland lieber im Ausland ein Werk aufmacht. Die Medien zeigen nie auf den Schuldigen, denn das ist unsere Ampel Regierung. Jeder kann das Versagen… Mehr

Kristallo
8 Monate her

Das mus man sich mal vorstellen: Da reden vier Bundeswehr-Generäle darüber, nicht ob, sondern wie man am besten eine russische Brücke im Ausland mit deutschen Raketen zerstören könnte, – und es hat keine Konsequenzen!. Auf der anderen Seite führt der weitgehend erfundene und erlogene Bericht über ein angebliches Geheimtreffen („Wannseekonferenz 2 mit Deportationnsplänen“) dazu, dass Leute wochenlang zu Hunderttausenden auf der Straße gegen Rechts protestieren und ein Verbot derAfD fordern!

Logiker
8 Monate her
Antworten an  Kristallo

Diese Demos sind genau so inszeniert und instrumentalisiert wie besagter „Recherchebericht“.

Solange es den ÖRR in seiner jetzigen Form und die weitestgehend in SPD-Kontrolle und -besitz befindliche Presse gibt, wird sich in diesem Lande NICHTS ändern.

Farbauti
8 Monate her
Antworten an  Kristallo

Nie wieder Krieg von deutschem Boden aus, ist halt von gestern. Die Deutschen haben umgelernt und sich daran gewöhnt in Doppelstandards zu denken bzw. Nichtdenken als alternativlos anzusehen.

Michael Palusch
8 Monate her
Antworten an  Kristallo

Aber nur, weil „Le Pen und Co.“ auch nur die „Informationen“ hatten, mit denen auch der deutsche Medienkonsument über Wochen zum Narren gehalten wurde.
Und an dem Treffen war nichts dubios. Das war nämlich so „geheim“, dass sogar ein Correctivmann gleichzeitig in diesem Hotel problemlos ein Zimmer buchen konnte.

Last edited 8 Monate her by Michael Palusch
littlepaullittle
8 Monate her

Oder wie Biden es gestern formulierte:
„my message to president Putin…. : We will not walk away.“
Dann kam mir Afghanistan in den Sinn. Und wie sie gerannt sind.

bkkopp
8 Monate her

“ On topic “ wäre vielleicht üblicher als “ on theme“. Das Persiflieren von Offiziers-Denglisch kann im Zweifel David Boos besser. Kiesewetter hat absolut recht, dass die militärische Unterstützung aus D, im Verhältnis zu Größe und Wirtschaftskraft des Landes, nur Platz 15 ist. Die kleinen Baltenrepubliken, u.v.a. tun mehr. Dort werden wahrscheinlich auch nicht, wie bei uns. Einzelartikel, von Helmen bis Taurus, monatelang durch den Kakao gezogen, bis die Leute es nicht mehr hören können. Ablehnende Umfragen zu diesem oder jenem kommen immer nur wegen des Dauerstreits über alles zustande. Wie man gestern auch bei der Biden-Rede hören konnte, legen… Mehr