Die Quoten von Pro Sieben sind jüngst in den Keller gefallen. Der Versuch, zum woken Wohlfühlsender zu werden, ist gescheitert. Nun muss der Sender ausgerechnet auf Heidi Klum und ihr Germany’s Next Topmodel hoffen.
Die gefälligste Bühne aller Zeiten hat die heutige Außenministerin Annalena Baerbock bei Pro Sieben gefunden. Als der Sender sie im Wahlkampf 2021 interviewt, steht der Verdacht im Raum, die Redaktion sympathisiere mit der Kandidatin der Grünen. Doch dann schaffen die Moderatoren Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke diesen Verdacht aus der Welt – und machen aus ihm Gewissheit: Als Baerbock fertig ist, spenden sie ihr Applaus. Mischke und Bauerfeind sind an der Stelle keine Journalisten mehr, sondern Groupies mit eigener Sendung und Sendebewusstsein.
In der Anekdote steckt das komplette Dilemma Pro Siebens: Der Sender startete 2021 eine Qualitätsoffensive, wollte politischer und seriöser wirken. Zu diesem Zweck wechselten öffentlich-rechtliche Journalisten nach München. Wie in ihren Heimatsendern fanden sie dort eine grüne Schlagseite vor. Pro Sieben richtet nicht nur die „Green Week“ aus und applaudiert Baerbock – der Privatsender passt sich generell an einen Werbemarkt an, in dem Diversität als Verkaufsargument gesehen wird: Sender und Werbemarkt Hand in Hand in Sachen Weltverbesserung – wie schön. Blöd nur, dass einer dabei nicht mitspielt. Der Zuschauer.
Die erfolgreichste Sendung Pro Siebens bei den Menschen unter 50 Jahren war im Januar das Football-Spiel der Philadelphia Eagles gegen die San Francisco 49ers. Der harte Männersport rettete den woken Sender nicht nur quotentechnisch. Um Geld zu sparen, setzte Pro Sieben zum Herbstbeginn sonntags die teuren Hollywood-Filme ab. Eigene Produktionen wie „Local Hero“ oder „Fahri sucht das Glück“ sollten den Sendeplatz billiger und erfolgreicher füllen – und fuhren mit 1,5 beziehungsweise 3 Prozent unterirdische Quoten ein. Als Ersatz zeigte Pro Sieben danach sonntags die Spiele der NFL und erreichte damit ordentliche Ergebnisse.
Nur: In der Nacht zum Montag endet die Saison der NFL mit dem Super Bowl. Wenn die harten Männer im September zurückkehren, ist das auf RTL zu sehen. Pro Sieben hat die Rechte verloren. Eine der letzten Erfolgsgeschichten der Münchener geht damit jäh zu Ende. Viel bleibt nicht. So wird ausgerechnet die 18. Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ zum Hoffnungsträger von Pro Sieben. Jene Castingshow, in der Heidi Klum als verbales Peitschengirl Mädchen danach aussiebt, wer die schönste und die gefügigste ist.
In den ersten 16 Staffeln von „Germany’s Next Topmodel“ spielten auch innere Werte eine große Rolle: So wenig Essen wie möglich sollte sich in den Mägen der kommenden Titelgirls finden. Doch mit der 17. Staffel fand letztes Jahr ein Relaunch statt – ganz im Sinne der woke-diversen Vorstellungen der Senderführung. Klum sollte jetzt auch faltigere oder üppigere Models inszenieren. Sie tat, wie geheißen und das sogar erfolgreich. Relativ.
Prozentual legte Klum zu, holte bei den jüngeren Zuschauern Quoten von bis zu 20 Prozent und verbesserte den Senderschnitt damit deutlich. Nur: Die totalen Zahlen hinter diesen Quoten schwächeln. Die Gesamtzahl der Zuschauer ging auf rund 2 Millionen Zuschauer zurück. Das lag zwar auch an den längeren Sendungen und der Tatsache, das grundsätzlich weniger Menschen zuschauen, wenn der Abend später wird. Es entspricht aber auch dem Trend, dass die Menschen sich vom alten, linearen Fernsehen immer stärker verabschieden.
Allerdings gehört „Germany’s Next Topmodel“ auch im Internet zu den letzten Erfolgsformaten Pro Siebens. Einzelne Sendungen der 17. Staffel schafften mehr als 600.000 Zugriffe. Doch sind diese Zahlen wenig aussagekräftig. In der Statistik zählt jeder Nutzer. Egal, ob er aus Versehen für Sekunden reingeklickt oder sich die Sendung tatsächlich angeschaut hat – geschweige denn die Werbeangebote wahrgenommen hat. Die Sender tun insgesamt wenig, um die Online-Zahlen transparenter zu machen, was darauf schließen lässt, dass die Realität lange nicht so blühend ist, wie die Sender es in ihren Pressemitteilungen gerne verkaufen.
Diese Lücke zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung kennt auch die Klum-Show. Obwohl die sich mittlerweile zu Fett und Falten bekennt, bleibt die Sendung doch ein Schmuddelkind. Skandalgeschichten begleiten den Staffelstart, der an diesem Donnerstag erfolgt. Wobei diese mitunter rührend absurd sind. Manche „Topmodels“ werfen Klum vor, die Moderatorin würde sich an der Show bereichern, aber die Kandidatinnen damit nicht gut verdienen. Also ist gar nicht automatisch reich, wer Vierte in einer Castingshow wird? Shocking!
Andere werfen der Show vor, sie würde Mobbing fördern. Auch das bedeutet einen atemberaubenden Erkenntnisgewinn: Zwängt man mehrere junge Frauen, die darum konkurrieren, die Schönste zu sein, auf engem Raum zusammen, dann entwickeln die gar keine Strategien, wie sich Krieg und Hunger auf der Welt bekämpfen lassen, sondern streiten miteinander? Und im Reality-TV geben sich Menschen gar nicht ungezwungen, während zufällig eine bis ein Dutzend Kameras dazu läuft? Das Land verliert die letzten Wahrheiten, auf die sich seine Menschen verlassen konnten.
Nun sind solche Meldungen vor einer Premiere grundsätzlich nicht zu ernst zu nehmen. Oft streuen sie die Sender selbst, um so gratis etwas Werbung für den Start einer Show zu machen. Doch mit der grundsätzlichen Imagekampagne Pro Siebens beißt es sich, wenn das eigene Zugpferd mit Mobbing, Ausbeutung und Inszenierung verbunden wird. Der Sender braucht dringend gute Klum-Quoten, um bei den Jungen nicht dauerhaft hinter ARD und ZDF zurückzufallen. Aber die Sendung verdirbt das Image, das Pro Sieben gerne hätte. Ein Dilemma.
Ein Dilemma aber, das zu lösen wäre. Pro Sieben feiert seine letzten Erfolge mit wenig tiefgründigem Spaß wie in „Duell um die Welt“, „Wer stiehlt mir die Show?“, „The Masked Singer“, „TV Total“ oder eben „Germany’s Next Topmodel“. Selbst wenn sich Charlie Sheen im Mittagsprogramm in der hundertsten Wiederholung mit Kokain und Prostituierten tröstet, ist das erfolgreicher, als wenn sich am Abend Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel in Journalismus üben. Vielleicht wäre das der Moment, in dem die Macher von Pro Sieben einsehen, dass in Deutschland der Bedarf an Sendern überschaubar gering ist, die ARD und ZDF links überholen wollen – aber dafür umso größer der Bedarf nach unbeschwerter und neutraler Unterhaltung.
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Ja, ProSieben… Ein Sender, mit dem ich groß geworden bin und mit dem ich – wie mit allen anderen Sendern übrigens auch – miterlebt habe, wie sie abdriften und Fernsehen für Charaktere machen, wie ich keiner bin! Final ist das der Grund, warum ich das lineare Fernsehen komplett abgeschafft habe. Mit Frau und Kindern schauen wir, wenn wir Zeit und Lust haben auf Disney+, Netflix, Amazon Prime oder Paramount+ was das private und schon gar nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht bringt. ProSieben war für mich früher ein Sender, der mit den Simpsons und Futurama, Two and a half man aber… Mehr
länger als 20 Minute kann man sich solche Sender doch gar nicht mehr ansehen….nach spätestens 10 Minute kommt der erste Werbeblock….den halte ich 10 Minuten aus…dann schalte ich ab.
Man hört ja leider nix mehr von der Übernahme durch Berlusconi, denn dann würden wohl einige der Woken Akteure dort den Hut nehmen müssen. Bis auf die paar pubertierenden Teenies und eiskalt planende Karrieristinnen schaut sich doch niemand mehr diesen Käse an. Die intelligenten unter den Teilnehmerinnen werden sich wohl die alten Staffeln ganz genau anschauen um herauszufinden wer mit welcher Strategie anschliessend Medien-Karriere gemacht hat, denn als Model verdienen sie dank der Knebelverträge des Klum-Clans sowieso kein Geld. Das Zauberwort heisst heute Instagram, da verdient man richtiges Geld, wobei auch interessant wäre, wie hoch der Anteil derer ist, die… Mehr
Wie kann es eigentlich sein, dass diese Show überhaupt existieren darf? Was ist mit der sonst ständig erzwungenen Diversität? Ich sehe dort ausschließlich Frauen!
Ein erfolgreicher Sender ließe sich sehr einfach mit folgenden Merkmalen gestalten: Nachrichten statt Propaganda; Journalismus statt Haltung; Filme und Serien ohne Quoten-POC; Talkshows mit der richtigen Gäste-Balance; Beendigung des Gender-Gestammels und zu guter Letzt Auftrittsverbot für: Jauch, Kerner, Gottschalk, Kebekus, Joko und Klaas; Reschke, Restle…………
Gerade ProSieben war ein Sender, der in der Vergangenheit sehr von der Kreativität in Hollywood oder sonstwo in der Welt profitiert hat und damit seine deutschen Konkurrenten mit deren lahmen Eigenproduktionen qualitativ oft locker ausgestochen hat. Aber so viele brauchbare Konzepte und Neuproduktionen gibt es einfach nicht mehr. Dagegen wird die Nachfrage durch all die vielen Sender und neuen Streaming Plattformen ja immer höher. Alle verlieren an Niveau. Ich selbst habe Netflix abbestellt und wünschte mir, ich hätte eine DVD Sammlung mit guten alten Filmen und Serien.
Sicherlich macht jeder mehrmals am Tage den Fernseher an, zappt durch und macht wieder aus, weil da nichts ist. 600.000 Zufallszuschauer sind auch gar keine Hausnummer gegenüber irgendwelchen Instagramern oder TikTokern, die Millionen von Followern haben. Früher oder später wird man ganze TV-Sender abschalten, weil es einfach niemanden interessiert. Und Propaganda machen die Staatsfunker schon genug. Dazu braucht es nun wirklich keine Privatsender mehr.
Was will man von Leuten wie Opdenhövel und Konsorten verlangen. Die machen alles, auch für den woken Zeitgeist. Neuerdings wird ja von Moderatoren viel von Haltung gesprochen (auch bei RTL), damit meinen sie natürlich die grünlinke. Dass der Zuschauer sich abwendet hat nicht nur mit dem Angebot von Streamingplattformen zu tun, sondern mit der permanten politischen Erziehung seitens der Sender. Die größten Witzfiguren bei Pro7, Joko und Klaas, sind eine Mischung vom Wetterbericht in der ARD und einer Doku von Lesch im ZDF. Schlimm finde ich allerdings, dass ehemalige Moderatoren der ProSiebenSat1 Media jetzt das Vorabendprogramm von Servus TV moderieren,… Mehr
Ich hatte diesen Umbruch bei ServusTV erwartet, als ich vom Tode Dietrich Mateschitz´ erfahren habe. Die konservativen Altvorderen sterben, wenn dann kein ebenso konservativer Nachfolger da ist, geht über kurz oder lang alles den linksgrünen Bach hinunter (frei nach dem Motto: Go woke, get broke.) Ähnliches habe ich bei der Zeitschrift „Loyal“ des Reservistenverbandes der Bundeswehr erlebt, früher eine sehr interessante Zeitschrift – Dank des konservativen Chefredakteurs – rund um Militärpolitik, -geschichte, -technik und eben alles zur Reserve der BW. Nach dessen Ruhestand hat der Nachfolger das Blatt regelrecht auf woke gedreht (inkl. der gerade angesagten Kriegstreiberei) mit den üblichen… Mehr
Tja, das lineare Fernsehen ist halt die Dampflok unter den Eisenbahnen: museumsreif. Sie gestehen es sich nur noch nicht ein. Egal, irgendwann drehen die Aktionäre den Hahn zu, wenn kein Geld mehr verdient wird.
Prima, die bekommen ihr „Fett“ ab. Müssten sich doch auch ARD und ZDF dem Markt stellen, ihnen würde es doch auch nicht viel anders gehen. Der Jounralismus als Realisierung der Idee der objektivitätsorientierten Information, als vierte Kraft in der Demokratie, hat sich weder in der Hand des Staates noch in der Hand der Konzerne halten können. Daraus müssen die Konsequenzen gezogen werden, denn sonst ist es auch mit den Idealen der Aufklärung (eigenständiges Denken und Selbstbestimmung) und einer demokratischen Staatsform und einer demokratischen Gesellschaft sehr schnell ganz vorbei.