Der öffentlich-rechtliche Rundfunk offenbart seine ganze Selbstgerechtigkeit

In einem Talk bei Phoenix sind sich Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einig: Die "Tagesschau" liege "in der DNA" der Menschen. Das Fernsehen werde sich gegen das Internet durchsetzen; schließlich erfahre man dort, was die "Wahrheit" ist.

Screenprint: phoenix

Die Zukunft des Fernsehens spielt nicht im Fernsehen – in Zeiten von YouTube, Netflix und Co. scheint das Konsens zu sein. Darüber sprach man auch auf der „ConCon“ – der „Content Convention“, einer Medienkonferenz, die sich mit „neuem Content, neuen Kanälen und neuen Technologien“ beschäftigt. Bei der maßgeblich vom Land Rheinland-Pfalz mit SWR und ZDF organisierten Veranstaltung dreht sich alles um „Synthetic Media“, „Community Building“ und Content Commerce“. Bei so vielen Anglizismen muss die Konferenz ja extrem modern und auf der Höhe der Zeit liegen, oder? – Nun, nicht zwingend. Denn trotz den vielen geschäftig-bunten Buzzwords scheinen einige die Zeichen der Zeit nicht erkennen zu wollen.

Dem Vergessen entrissen
SWR-Intendant Kai Gniffke: "missionarischer Eifer" statt "nicht missionieren"
Auf einem von Phoenix-Programmgeschäftsführerin Michaela Kolster moderierten Panel sitzen SWR-Intendant Kai Gniffke, ZDF-Intendant Thomas Bellut, die ÖRR-finanzierte YouTuberin Eva Schulz und die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab. Sie diskutieren mit Götz Trillhaas, dem Managementdirektor des Social-Media-Konzerns „Snap“, und mit Sabine Frank, bei YouTube Deutschland zuständig für „Government affairs“.

„Streaming kills TV?“ lautet der Diskussionstitel. Mit der übermäßigen Verwendung von englischen Schlagwörtern soll aber wohl vor allem die eigene Ideen- und Konzeptlosigkeit übertüncht werden. Denn in allerbester ÖRR-Tradition sind sich die Teilnehmer sehr schnell einig: Streaming doesn’t kill TV. Im Gegenteil: Das lineare Fernsehen sei aktueller denn je, das versichern sich zumindest die Fernsehjournalisten gegenseitig.

So stellt zum Beispiel Phoenix-Chefin Kolster direkt zu Beginn fest, dass „die Menschen“ eigentlich nach wie vor das lineare Fernsehen haben wollen – sie wollten gerne diktiert bekommen, was läuft. Die schwierige Aufgabe, auf Netflix die Serie oder den Film selbst auszuwählen, möchten ÖRR-Journalisten den Menschen eben nicht zutrauen. Das Bild in den Köpfen ist deutlich: Der Zuschauer als dumm-dumpfer, passiver Konsument, der von ARD und ZDF an die Hand genommen und geführt werden muss. So erklärt SWR-Intendant Kai Gniffke, die Tagesschau sei „in der DNA“ der Menschen angelegt. „Dann will man sich einmal noch abgleichen – was ist jetzt wirklich wichtig, was muss ich wissen?“, fabuliert er über die angeblichen Bedürfnisse der Fernsehzuschauer. Die ARD sei der „Sortierer“, der den Menschen das zu Wissende einordnet. Es existiert wohl noch kein moderner, englischer Ausdruck für „betreutes Denken“ – sonst hätte Gniffke ihn verwendet.

Das Panel verkommt schnell zu einem Kreis der Selbstbeweihräucherung des Öffentlich-Rechtlichen mit teils massiver Dissonanz. Kai Gniffke redet stolz von den hohen journalistischen „Standards, nach denen wir arbeiten“. Dazu gehöre auch, den Menschen die Wahrheit zu sagen – zum Beispiel die „Wahrheit“, dass es keine langfristigen Covid-Impfschäden gäbe. Die Selbstversicherung der eigenen Relevanz geht ungebremst weiter. Gniffke und Co. fabulieren von der gesellschaftlichen Wichtigkeit von ÖRR-Liveübertragungen – ein Diskutant attestiert solchen etwas „Gemeinschaftsstiftendes“. Es ist absurd: Die aktuell größten Spalter der Gesellschaft inszenieren sich als Mittel gegen Spaltung – als wäre die live gesendete Leichtathletik-WM das, was die Nation zusammenhält.

Gravierende Folgen der medialen Einseitigkeit
Journalismus 2021: arrogant, moralisch und schamlos
Doch nicht nur die öffentlich-rechtlichen Journalisten fallen mit ihrem paternalistischen Selbstverständnis auf. Ihre belächelnde Arroganz gegenüber dem Konsumenten teilen sie mit Sabine Frank, die für YouTube mit dem deutschen Staat in Kontakt steht. Dass man den Konsumenten schulen und steuern muss, ist auch die Auffassung der Big-Tech-Vertreterin – sie erwähnt, wie YouTube „Hassrede“ auf der eigenen Plattform Einhalt gebietet. In diesem Geiste besteht eine innige Beziehung zum deutschen ÖRR. Sabine Frank spricht von einer guten Partnerschaft mit den öffentlich-rechtlichen Medien: „Es ist uns wichtig, dass diese Sender hier auf YouTube sind und erfolgreich sind.“ Und: „Wir arbeiten eng mit der ARD zusammen, um diese Partnerschaften weiter voranzubringen“, berichtet sie stolz.

Man kennt sich, man schätzt sich – und kurze Wege zwischen privaten amerikanischen und öffentlich-rechtlichen deutschen Meinungspolizeidirektionen gibt es wohl auch. Neue Medien kommen im besten Fall nicht in den Genuss einer solchen Premium-Behandlung, werden im schlimmsten (und oftmals realen) Fall im Gegenteil eher in der Reichweite eingeschränkt („Shadowban“), zensiert und gegängelt. Selbst auf YouTube, einem „neuen Medium“, wiederholt man die Denkfehler der alten – und meint, den Zuschauer betreuen und erziehen zu müssen.

Die einhellige Diskussion fragt, ob Streaming das Fernsehen töten würde – nein, so ist man sich einig. In Wahrheit zeigt sich das erzieherisch Herablassende – und der Glaube, man wisse besser als der Zuschauer, was dieser sehen will und soll. Doch diese Einsicht erfolgt erwartungsgemäß nicht.

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Kommentare ( 33 )

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DiasporaDeutscher
3 Jahre her

Unser Waschsalon macht um 10 Uhr abends zu. Wie glücklich können wir uns da schätzen, dass wir uns in der ARD rund um die Uhr das Gehirn waschen lassen können, im ZDF sogar das Zweitauge ?

Last edited 3 Jahre her by DiasporaDeutscher
country boy
3 Jahre her
Antworten an  DiasporaDeutscher

Eines ist klar: die stromlinienförmigen Journalisten von ARD und ZDF wären in jeder Diktatur problemlos einsetzbar. Besonders lächerlich wird es, wenn diese Vertreter der Einheitsmeinung anfangen, von Demokratie und Pressefreiheit zu fabulieren. Wenn z.B. seit 2015 kein einziger der vielen Journalisten beim ÖRR sich gegen die Migration ausspricht, wenn selbst keine einzige externe Stimme gegen Migration mehr zugelassen wird, wo ist dann die für eine Demokratie charakteristische Pluralität der Meinungen geblieben?

Teiresias
3 Jahre her

Der ÖRR macht ein Programm auf dem Niveau des grönländischen Fußballs.

Wobei der grönländische Fußball keine 8 Millarden Euronen zur Verfügung hat.

Welche Ausrede hat der ÖRR?

Daß der reichste Rundfunk der Welt das schlechteste Programm macht, sagt alles aus, was man über Planwirtschaft wissen muss!

Heiner Mueller
3 Jahre her

„…Tagesschau sei „in der DNA“ der Menschen angelegt.“ Meine DNA ist seit Mai 2020 defekt. Sie informiert sich nur in den freien Medien. Und ich bin völlig gesund. Es geht doch nicht über defekte DNAs.

country boy
3 Jahre her

Wenn man die Sendung sieht, glaubt man, dass Bellut und Gniffke in einem Paralleluniversum leben. Was die beiden äußern, hat mit der Realität nicht einmal am Rande noch etwas zu tun.

MarkusF
3 Jahre her

Der Kern der Problems ist das der ÖR viel zu viel Geld hat.
Im Fernseh Breitbandkabel belegen ÖR Sender breits fast die gesamte Kapazität des Kabels und lassen kaum mehr Raum für konkurrierende Privatsender.
Jetzt will sich der reiche ÖR auch noch im Internet breit machen und korrumpiert die privatwirtschaftlichen Videoplattformen. Nicht durch ein attraktives Programm sondern indem man der Konkurrenz die Plattform und den Zugang zum Kunden entzieht will man sich durchsetzen.

country boy
3 Jahre her

Gerade meldet das ZDF in den heute-Nachrichten, der ZDF-Chef Bellut habe einen Preis aus den USA erhalten: den International Emmy. Das öffnet dem Fernsehzuschauer die Augen dafür, was so ein Preis tatsächlich wert ist. Diese Emmys sind wohl alle für die Tonne.

Der-Michel
3 Jahre her

Ich habe heute Nachmittag die Landtagsdebatte des bayerischen Parlaments geschaut. Das war mehr oder weniger reiner Zufall. Da Bayern nicht mein Bundesland ist, ist das Interesse normalerweise nicht vorhanden. Aber es gab da sehr gute Debattenbeiträge, vor allem von der AfD. Ich wollte dann im Anschluß meinem guten Freund, einem Bayer, mittels e-mail und Link des BR die Sendung zugänglich machern. Ich habe mir daher beim BR die Mediathek angeschaut und nach der Sendung gesucht. Da findet man viel Mist aber leider nicht das wirklich Wichtige. Parlamentsdebatten findet man in der Mediathek nicht. Was, wenn nicht solche Sendungen gehören in… Mehr

country boy
3 Jahre her
Antworten an  Der-Michel

Wenn es nach unseren Eliten geht, soll ja gerade nicht die Macht in den Parlamenten, sondern in den Rundfunkräten liegen. Denn diese Gremien können völlig unabhängig von der Bevölkerung agieren. Die letzte Wahl hat gezeigt, dass ich, wenn ich den ÖRR in der Hand habe, fast jedes Ergebnis herbeiführen kann. Da wird dann halt drei Monate vor der Wahl nur noch über die angeblich kurz bevorstehende Klimaapokalypse berichtet. Migration und Kriminalität finden medial nicht mehr statt. Dann kommt schon irgendwie das passende Wahlergebnis heraus.

GWR
3 Jahre her

Bei ARD und ZDF erfährt man also die Wahrheit. Oder vielleicht nicht doch nur das was diese Herrschaften für die Wahrheit halten.
Siehe aktuell die Schlagzeile:
Israel: Palästinenser erschossen
Dass genau dieser vorher einen Israeli erschossen und drei weitere Menschen verletzt hat, bevor er in Notwehr/Nothilfe von der Polizei erschossen wurde, wird schamhaft im Text versteckt.
Verstehen sie das unter Wahrheit.
Und das ist ja beileibe kein Einzelfall.
Unsere ÖR sind verlogen bis ins Mark.

Engel
3 Jahre her

Ich schaue seit über zehn Jahren kein TV mehr. Kann mir kein Leben mit TV mehr vorstellen. Radio höre ich seit 2015 nicht mehr. Kann mir nicht vorstellen, das nochmal einzuschalten, solange es sich in DE befindet…

Grumpler
3 Jahre her

„Die „Tagesschau“ liege „in der DNA“ der Menschen.“ Nur in der DNA (oder S) von Menschen, die das „Neuland“ noch nicht entdeckt haben! Vierzig Jahre nach Einzug der ersten Home- und Personel-Computer, gut dreißig Jahre nach Einführung des WWW und fast zwanzig Jahre nach Aufkommen des „Web 2.0“ würde ich sagen, daß das eine immer weiter schrumpfende Bevölkerungsgruppe ist. Berufseinsteiger des Jahres 1980, die demnächst in einen (wie auch immer zukünftig zu finanzierenden) Ruhestand gehen werden, haben den Aufstieg des Computers und des Internets im öffentlichen Bereich miterlebt und wollen die Vorzüge nicht mehr missen. Die Tagesschau dagegen ist nur… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Grumpler