Die geschasste RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat der Zeit ein Interview gegeben. Journalistisch ist es von geringem Wert. Aber es zeigt auf, wie jemand denkt, der in der ARD Karriere gemacht hat.
Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Wetten: Ob einer etwas tut oder wann einer etwas tut. „Patricia Schlesinger zieht in den Vorwürfen gegen sich den Frauen-Joker“, war so eine Wann-Wette. Gewonnen hat, wer auf 7. September gesetzt hat. Einen Bonus gibt es für den, der zusätzlich noch „in einem Interview für die Zeit“ vorausgesagt hat.
Frau muss allerdings das ganze Interview durcharbeiten, bevor die Stelle kommt. Nicht mal die Zeit will die Skandale rund um den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und seine gefeuerte Intendantin auf diesen Aspekt reduzieren. Also spricht die ihn selber an: Ob sie denn auf der Straße angesprochen werde, wollen Cathrin Gilbert und Hanns-Bruno Kammertöns wissen. „Es gibt einige, vor allem Frauen, die sagen: ,Halten Sie das bitte durch.‘“ Nun sei sie ja keine Jeanne d’Arc, wenden die Journalisten ein. Worauf Schlesinger patzig wird: „Hat das jemand behauptet?“ Sie sieht sich vielleicht als Jeanne d’Arc, will das auch andeuten und auch, dass es endlich alle anderen so sehen. Aber behauptet hat sie es nicht. Die arme Frau wird immer missverstanden.
— Niklas Korber (@NiklasKorber) September 7, 2022
Ohnehin ist das der Leitfaden des Interviews: Patricia Schlesinger – die große Missverstandene. Die nicht sagen will, dass sie ständig verfolgt wird, sondern die will, dass die Menschen das auch ohne diesen ausdrücklichen Hinweis wissen: „Ich habe schon gemerkt, dass manche Vorhaben in der Belegschaft nicht gut ankommen“; „Es fühlte sich an wie das Nachladen eines Gewehrs, das auf mich gerichtet war“; „Dennoch sitzen diese falschen Vorstellungen nun in den Köpfen fest“, oder „Menschen haben offenbar gezielt über Wochen und Monate Sachen gesammelt, die sie gegen mich verwenden wollten.“ Ja, kann da nicht endlich mal einer sagen, dass das an Jeanne d’Arc doch recht nah rankommt! Oder an all die andern, die eigentlich nichts gemacht haben.
Die Interview-Führung der Zeit ist unterhaltsam. Sie lassen Schlesinger immer wieder über ganze Passagen das Opfer spielen, um sie dann an die eigentlichen Vorwürfe zu erinnern: Aufträge für ihren Mann, Boni-Zahlungen, Einsparungen am Programm, Mauscheleien, Verschwendungssucht oder Vorteilnahme. Journalistisch hat der Beitrag wenig wert. Dafür wird das Zeit-Duo nicht konkret genug. Würde man von dem Skandal nur aus dem Interview wissen, könnte man die Entlassung als Folge einer Medienkampagne verstehen. Dass die Staatsanwaltschaft ermittelt und es eine Hausdurchsuchung beim RBB gegeben hat, ist so ein Detail, dass den Fragestellern keine Erwähnung wert ist. Das steht nur in einem der Infokästen, von denen Leseauswertungen ergeben, dass sie kaum einer wahrnimmt.
Aber immerhin lassen die beiden Journalisten ein Porträt über Schlesinger zu. Eines, das ein ganzes Semester Psychologie-Studium erspart. Wer Schlesinger über Schlesinger hat reden hören, weiß, was kognitive Dissonanz ist. Selbst wenn er den Begriff zuvor nie gehört hat. Oder frau. Zwischen den ganzen Andeutungen, eigentlich eine Verfolgte zu sein, zwingt das Duo sie immer wieder zu Bekenntnissen. Im Schlesinger-Stil: „Darüber mache ich mir heute Gedanken, die ich mir hätte früher machen müssen“; „So einiges würde ich heute anders machen“, oder „Darum habe ich mich zu wenig gekümmert, ich hätte da nachfragen müssen.“
Was sie konkret meint? Für eine Journalistin hat Patricia Schlesinger mit konkret erstaunlich wenig am Hut. So behauptet die geschasste Intendantin über den RBB im Interview: „In der ARD aber ist der Sender erfolgreicher denn je.“ Eine spannende Aussage. Vorher sagt Schlesinger im Interview, sie habe am Abendprogramm eingespart. Dort läuft die lokale Berichterstattung – die eigentliche Existenzberechtigung eines Dritten Programms. Die Zeit-Redaktion erinnert sie daran, dass der RBB die schlechtesten Quoten in der ARD einfährt. Und dann ist da ja auch noch der Skandal, den der RBB ausgelöst hat und der nun auf den gesamten Senderverbund ausschlägt. Wo genau sieht Schlesinger da Gründe, warum der RBB „erfolgreicher denn je“ sein sollte?
Ginge es um die Selbstwahrnehmung der geschassten Intendantin. Oder gar um die Selbstverliebtheit. Ja. Dann wäre das mit dem „erfolgreicher denn je“ schnell geklärt. Aber es ist noch perfider. Es wirft ein Licht auf die Grundhaltung, aus der heraus Schlesinger den RBB–ARD-Skandal verursacht hat und von der sie bis heute nicht begriffen hat, was diese Grundhaltung ist, geschweige denn, wie sie sich auswirkt: Sie sieht den RBB deshalb „erfolgreicher denn je“, weil der Sender den stellvertretenden Chefredakteur des Hauptstadtstudios stellt, das Mittagsmagazin jetzt in Berlin sitzt oder der RBB jetzt ein Studio in Warschau hat.
Wie gut die regionale Berichterstattung ist? Ob sich das Programm überhaupt jemand anschauen will? Das sind in der Welt der Patricia Schlesinger keine Kriterien für Erfolg. Wichtig ist, wie viel man rausholt. Oder frau. Das ist die Denke, mit der man dann am Ende im fetten Dienst-Audi oder im Massagesessel sitzt und nicht damit rechnet, dass einem das einer vorhält. Erst wenn doch, fällt einem ein, dass man hätte nachdenken oder nachfragen müssen. Oder frau. Letztlich ist Schlesingers Moral die eines Diebes, der am meisten an seiner Tat bereut, dass er erwischt wurde: „Ich bedauere zutiefst, dass vor allem das gesamte öffentlich-rechtliche System nun unter Beschuss gerät.“
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
An die Moderation:
Selbstredend kann ich nachvollziehen, daß Sie meinen Kommentar nicht freischalten wollten, aber dennoch: Es ist doch völlig offensichtlich, daß sich die „Dame“ da in Pin-Up-Manier hat ablichten lassen, und natürlich haben auch reifere Frauen ihr begeistertes Publikum.
Schlesinger wird das wissen, und ganz sicher wird das mit den Fotojournalisten so abgesprochen worden sein, denn sie dürfte weder doof noch unbedarft sein in ihrem Fachbereich.
Wer nicht komplett… gut, das lasse ich jetzt mal weg, aber natürlich war die Inszenierung der Bilder so gewollt, und genau das gilt es anzusprechen.
Was mag das Photographenteam dafür abkassiert haben?
Mir fehlen die Worte über diesen manifestierten, gleichberechtigten Frauen-Power. Kann nur sagen, sie haben von den Männern gelernt – und – sie machen es noch radikaler und gieriger. Das zeigt sich momentan westweit! Teilweise von einer gehörigen Portion Dummheit begleitet! Und das ist nur die Spitze des Eisberges.
Kein Unrechtsbewußtsein, keine Schuldeinsicht, kein Anstand, keine Würde. Wenn solche Charakterpygmäen über ihre Dummheit und Gier gestolpert sind, suchen sie die Schuld nur bei anderen Leuten. Hoffentlich hat sie für das Interview noch genügend Geld rausgeschlagen.
Sorry, ich kann es nicht mehr hören. Dieses grotten-schlechte Personal von Habeck über Esken, Kühnert bis Schlesinger. Schäbige, dumme, ungebildete Leute, die man jeden Tag in den Medien ertragen muß. Wir beschäftigen uns mit einer raffgierigen, unwichtigen Fernsehen-Tante vom RBB, einem Sender, den niemand auf der Welt kennt. Wir ertragen seit Wochen immer neue Berichte über ein Fernsehsystem, das längst ausgedient hat, das es so nur noch in Deutschland gibt. Statt es ganz schnell abzuschaffen, werden wir noch Jahrelang von dieser Propagandamaschine genervt werden. Verfolge gerade, wie viele andere bestimmt auch, die Ereignisse um den Tod der Queen. Bei Gott,… Mehr
„Ich bedauere zutiefst, dass vor allem das gesamte öffentlich-rechtliche System nun unter Beschuss gerät.“
Nun? Es ist schon lange unter Beschuss und es gibt allen Grund dazu – mit oder ohne Schlesingerin!
Jetzt ist Frau Schlesinger noch die gejagte und missverstandene Person. Wie verkommen sind die Ansichten in den oeffentlich rechtlichen Medien. Ich bin sprachlos.
Sich bei Lumpereien erwischen lasen und dann auch noch laut über die Ungerechtigkeiten der (Männer-)Welt zu jammern – das passt zu dieser Blase, in welcher die ZEIT das scheinintellektuelle Dekor setzt.
Frau Schlesinger ist gegenüber stilvollen, klugen Frauen wie Queen Elizabeth II. wie die heutige ZEIT zur ZEIT der 70er. Dazwischen liegen Welten.
In Deutschland wird die Demokratie vermutlich erst wieder eine Chance haben, wenn sich große Volksteile nicht länger bereit zeigen, den Zwangsbeitrag der milliardenschweren ÖR – der sowohl zu poltischen als auch privaten Zwecken schwer missbraucht wird – zu entrichten. Bis dahin leben wir weiter in einer Mediakleptokratie, die machen und tun kann, was sie will, solange sie sich nur brav als Artillerie der Regierenden gebärt.
Alle sog Dritten würden heute als Landesbüro der ARD völlig ausreichen. Die föderale, historische Struktur, dass Landesanstalten einen „bundesweiten“ Klub gründen, der sich ARD nennt, mag nett sein, hat aber in der (Medien)Wirtschaft keinerlei „Existenzberechtigung“ oder Denkmalschutz. Im Gegensatz zum Staat geht es dort nicht um Organisation politischer Teilhabe, sprich von Demokratie, sondern um Business, im Wettbewerb mit Privaten. Information und Unterhaltung sind „die Produkte“, die geliefert und bezahlt werden – nicht mehr, nicht weniger. Dass es in der technischen Steinzeit einfach keine Sender gab, die bundesweit ausstrahlen konnten, ist nett, aber lange alter Kaffee. Heute kann jeder Youtuber die… Mehr
Mit „Parvenü“ hatte man früher eine treffende Charakterisierung solcher Emporkömmlinge ohne eigene Verdienste