Maischberger: Sehnsuchtsland Deutschland – nach Rechts?

Die zunächst wenig versprechende Runde wurde zum interessanten Schlagabtausch, der Ex-Pegida-Mann zusammen mit dem Schauspieler bildete das Volk in der Runde. Die SPD-Frau wirkte ein bisschen verloren. Laschet steht unbeirrbar hinter Merkel. Ramsauer ringt sich erst zum Schluss durch: die europäische Lösung kommt nicht, dann ist ihm die unter Österreichs Führung lieber.

Ok, Sandra Maischberger again. Den Bittertalk mit dem pöbelnden Augstein und Stegner hatte sie mit der Folgesendung gut gemacht, in der eine Runde ernsthaft um Argumente rang, die doch so rar geworden sind in dieser emotional so hochmunitionierten Zeit.

Welche Zeit das ist? Sie kennen es selbst, man trifft nur noch Menschen aus zwei feindlichen Lagern. Die, die erschrocken mit dem Finger auf die wieder nächste Gruppe arabisch Aussehender zeigen. Und jene, die mit roten Wangen der Begeisterung wispernd erklären: „Wir schreiben Geschichte!“

Die Rollen

Da passt es dazu, wenn die Redaktion titelt: „Hass auf Flüchtlinge, Regierung zerstritten: Spaltet Merkel das Land?“ Beantworten soll die Frage Jan Josef Liefers, der an Hannes Jaenicke erinnert. Armin Laschet ist auch da. Seine Eintrittskarte zum Talk: fünf Jahre lang NRW-Integrationsminister unter Jürgen Rüttgers. Wird Laschet bei Maischberger den Ralf-Stegner-Pöbel-Part übernehmen? Wohl nicht, denn dafür fehlen die Gegner. Keine AfDler am Kartentisch und auch kein Schweizer Journalist, der stören könnte, wenn deutsche Geschichte geschrieben wird. Die GroKo in Person der bayrischen SPD-Facebook-Queen Natascha Kohnen. Sie bekam neulich hunderttausende Klicks für eine Landtagsrede gegen die Flüchtlingspolitik Seehofers. Das empfiehlt für einen Sessel bei Maischberger. Sie hat Landsmann Peter Ramsauer mitgebracht, den früheren Bundesverkehrsminister, dem wir die Fernbusse verdanken – der Fernbus, das Mobil der Fluchthilfe.

Das war es? Es fehlt noch eine Rolle, die des wahren Bösewichts. Hans-Hermann Tiedje, der war schon bei Springer, als andere Journalisten noch in der KPD-AO aktiv waren, auf Droge oder in der Sponti-Szene. Er könnte als einziger am Tisch die Füllfederhalter klauen, wenn’s darum geht, Geschichte zu schreiben. Tiedje hatte nämlich im November vergangenen Jahres in der Neuen Züricher erklärt: „Wenn Finanzminister Schäuble nicht mehr mitmacht, dann zerbricht das System Merkel.“ Wie bestellt verlangt Schäuble aus dem fernen Shanghai nicht weniger als eine „dramatische“ Reduzierung der Flüchtlingszahlen, „sonst schaffen wir das nicht“.

Die Groko zankt

Es beginnt kurios, als Ramsauer zunächst erklärt, dass man die Grenzen gar nicht mit Zäunen schließen könnte wegen der artenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die neuen Stacheldraht-Grenzen in Mazedonien sind für Peter Ramsauer berechtigte Notwehr. Er outet sich als Befürworter des Grenzkaskadenmodells, also der Zurückverschiebung der Einwanderer von Land zu Land immer weiter zu den HotSpots im Süden – allerdings dann bitte schön bei bestmöglicher Versorgung und Bleibeperspektive.

Kohnen ist das zu doppelzüngig. ‚Notwehr‘ sei eine Enthemmung der politischen Sprache, empört sie sich, das führe zu einer Enthemmung in der Bevölkerung. Echte Empörung klingt anders. Ist es wohl auch nicht, immerhin sind beider Parteien Mitbetreiber der GroKo. Und die SPD will wieder werden, was die CSU noch ist: Eine echte Volkspartei im zweitstelligen Bereich.

Laschet plädiert für die gesamteuropäische Lösung, ganz die Kanzlerin. An der Deutschen Grenze alleine ginge die Sicherung eben nicht. „Wir werden keinen Zaun um Berchtesgaden ziehen können.“ Das ist der Wahlkreis von Ramsauer, und Laschet ein braver Parteisoldat. Es sind die bekannten Chiffren mit angezogener Handbremse, und so rollt die Show müde dahin.

Auftritt des Bösewichts

Aber jetzt kommt Tiedje, der Muntermacher und Bösewicht. Er watscht erst einmal frontal gegen Natascha und ihre Enthemmungs-Rhethorik. „Wir brauchen hier keine Sprachpolizei, Frau Kohnen. Ich nenne es „Katastrophe“, ich nenne es „Flut“. Das müssen Sie schon 60 Minuten aushalten. Ich brauche hier von Ihnen keine Sprachbereinigung.“ Brutal legt er nach, bezogen auf Clausnitz: „Kinder weinen immer. Sogar, wenn sie geboren werden. Die Frage ist, wer das alles ausgelöst hat. Das war Frau Merkel. Diese Einladungskultur wird an ihr hängen bleiben. Sie hätte mit den europäischen Staatspräsidenten reden können, mit den Ministerpräsidenten, und alles wäre nicht passiert. Wenn ich einlade, kann ich hinterher nicht zu den anderen sagen, Ihr sollt sie jetzt nehmen. Die Spanier kontrollieren ganz Westafrika und lassen im Jahr gerade mal 200 Leute rein. Warum sollen die jetzt über die deutsche Linie welche reinholen?“

Hat er recht? Egal. Einen besseren Anfang hätte sich Sandra Maischberger kaum wünschen können. Frage nur, wie man das jetzt noch steigern soll.

Laschet steig ein: „Sie bilden Legenden Herr Tiedje!“ Die Flüchtlingszahlen seien doch vorher schon kontinuierlich angestiegen. Den syrischen Bürgerkrieg hätte es doch weiter gegeben. Es sei schlicht Unsinn, wenn Tiedje sage, Merkel hätte die Syrer geholt. Hätte er mal besser so stehen gelassen, aber leider unterbricht ihn keiner und Laschet begeht den Fehler, einen Bezug herzustellen zwischen der Presseschelte für Merkels Kommentar zu dem kleinen Flüchtlingsmädchen und der Öffnung der Grenzen. Das konterkariert natürlich die Unschuld der Kanzlerin an der Einwanderungskrise.

Für das Volk spricht Jan-Josef Liefers

Jan Josef-Liefers meint, er säße hier als Bürger zwischen den ganzen Fachleuten in der Runde. Es ist eine neue Rolle, der jetzt regelmäßig eingeladenen Künstler: Anfangs waren sie an Flüchtlingsbegeisterung gar nicht zu übertreffen. Aber die Künstler-Näschen haben begriffen: Wer sich jetzt zu weit nach Merkel lehnt, verliert Publikum. Zuschauerzahlen sind allemal wichtiger als politische Korrektheit. Liefers findet, Merkel hat das Richtige getan. Nur zu spät. Und sie hätte mit dem Volk reden müssen. Liefers war 2013 in Aleppo. Er erinnert an die Geschichten seiner Großmutter im zerbombten Dresden, die ihm in Aleppo wieder hoch kamen. „Warum gelingt es uns nicht, Schutzzonen in Syrien einzurichten?“, fragt er in die Runde. „Dann wären die Menschen eventuell da geblieben. Wer noch laufen kann, macht sich auf den Weg. Die Leute wollen nicht nach Russland. Die wollen nach Deutschland. Weil Deutschland so toll ist. Weil man seine Meinung sagen kann. Weil einem hier nicht der Arm abgehackt wird. Ein Sehnsuchtsland.“ Man müsste einen Künstler-Indikator in Zahlen fassen – sie spüren, dass die Begeisterung längst umgeschlagen hat.

Seehofers Rehabilitierung

Tiedje erinnert an die Syrer-Sefies der Bundeskanzlerin. Deren Wirkung hätte sie bereits mit Poldi nach der WM als höchst wirkungsvoll erkannt. Hat Merkel die Augen verschlossen, fragt Maischberger also Laschet? Laschet kritisiert, dass man damals dachte, man könne alles national lösen, ohne eine europäische Lösung vorzubereiten. Maischberger spielt nochmal die polternde Facebook-Bestseller-Rede der SPD Frau ein. Da tobt sie gegen Seehofer – in Deutschland reicht das für eine Minute Berühmtheit. Seehofers Aussagen ab September werden eingeblendet, die damals empörten – aber heute eine andere Wirkung entfalten: Wenigstens einer, der das Drama rechtzeitig erkannte. Diese Passage ist eine der lichtvollsten bei Maischberger: Im Rückblick offenbart sich das Versagen der Politik. Laschet sagt, das sei trotzdem falsch, was Seehofer sagt.

Der ausgetretene Pegida-Mitbegründer

Der Blick geht nach rechts. Tatjana Festerling von Pegida wird eingespielt. „Ich schäme mich nicht für die Clausnitzer. Ich bewundere den Mut (die Wut) der Bürger“. Nun tritt Pegida-Mitbegründer René Jahn auf, der erklärt, dass er seinerzeit wegen Bachmann Pegida verlassen hätte. Er ginge trotzdem Montags wieder mit: „Seit Frau Merkel ‚Alle sind willkommen‘ gesagt hat.“ Der Oberkirchenrat der evangelischen Landeskirche hätte ihn gebeten, hinzugehen und einen Dialog zu organisieren. „Dreiviertel der Leute bei Pegida sind Leute wie Sie und ich“.

Trotz Festerling gäbe es im Moment keine andere Möglichkeit sich zu artikulieren. „Die Leute fühlen sich im Osten von der Politik übergangen. Die haben sich sagen lassen müssen in der DDR, dass es so und so gemacht werden muss und fertig. Das wollen die Menschen nicht mehr.“ Und er legt weiter nach und es klingt immer weniger nach Ex-, sondern nach Immer-Noch-Pegida: „Minister Maas fordert mehr Mittel gegen Rechts. Aber was ist mit mehr Mittel gegen linke Gewalt?“ Bekommt der Ex-Pegida jetzt den ganzen Sturm der medialen und politischen Entrüstung übergekübelt? Es passiert nichts, wo noch vor Wochen ein großes Geschrei angefangen hätte. Auch das ist ein Signal. Auch Ramsauer findet Jahn „erhellend und interessant“.

Nur für Armin Laschet sind die Grenzen noch klar gezogen: „Wenn in Köln Pegida marschiert, macht der Dom das Licht aus und dann ist Feierabend.“ Oder ist Pegida weiter eingedrungen, sogar bis in den tiefen Westen?

Fürchtete man anfangs noch, man hätte besser über den Rückruf der Mars-Riegel gesprochen, hat Maischberger diese Mal viel richtig gemacht. Die zunächst nicht sehr viel versprechende Runde wurde zum interessanten Schlagabtausch, der Ex-Pegida-Mann war das scharfe Gewürz zum Schluss, zusammen mit dem Schauspieler bildete er das Volk in der Runde. Die SPD-Frau wirkte ein bisschen verloren. Aber schaut man sich die SPD an, war die Rolle von Frau Kohnen durchaus stimmig. Laschet steht unbeirrbar hinter Merkel. Ramsauer ringt sich erst zum Schluss durch: die europäische Lösung kommt nicht, dann ist ihm die unter Österreichs Führung lieber.

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