Tichys Einblick
Lauterbach windet sich

Maischberger und die Aufarbeitung der Corona-Zeit – Teil 2 von vielen Sendungen

Sandra Maischberger will mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Corona-Pandemie aufarbeiten. Dabei fallen die Worte „Impfnebenwirkungen“ und „Übersterblichkeit“ kein einziges Mal. Mehr muss man über diesen Abend nicht wissen. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Maischberger

Die Aufarbeitung geht weiter. Aber nicht mit Amelie Fried. Und auch nicht mit Kristina Dunz. Die beiden Journalistinnen geben zu, dass sie auch jetzt noch in brenzligen Situationen Maske tragen. Und brenzlig ist alles mit vielen Menschen. Dunz fühlt sich sogar „halbnackt“ ohne Maske. Gott bewahre.

Sendung vom 9. Februar 2023
Markus Lanz und die Aufarbeitung der Corona-Zeit – Teil 1 von vielen Sendungen
Nur Jan Philipp Burgard, der dritte in der Journalistenrunde, nimmt es gelassen. Ein Jahr, nachdem die gesamte westliche Welt die Pandemie ad acta gelegt hat, sieht er Deutschland bereit, endlich auch wieder zur Normalität zurückzukehren. Auch Besucher von Kliniken und Arztpraxen sollten keine Masken mehr tragen, findet der Welt-TV-Chefredakteur. Und Sandra Maischberger fragt ganz unironisch: „Weil sie glauben, die Pandemie ist vorbei?“. Wäre das hier ein Moderatoren-Casting, wäre sie gerade durchgefallen. Als ob es nach all den Fakten, die mittlerweile auf dem Tisch liegen, noch irgendetwas mit „Glauben“ zu tun haben könnte. Aber Maischberger meint die Frage tatsächlich ernst. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für eine Aufarbeitung der Corona-Fehler. Was die Moderatorin wenige Minuten später live unter Beweis stellen wird.

Doch zunächst wird sie noch einmal rechts überholt von Kristina Dunz: „Was mich stört“, sagt die Mitarbeiterin des mit der SPD wirtschaftlich verflochtenen Pressedienstes RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland), sei „dieses Betonen, was wir alles an Fehlern gemacht haben. Ich finde, dass wir ein Riesen-Engagement in diesem Land hatten. Diese unglaubliche Kraftanstrengung würde ich viel mehr loben.“ Da spricht der perfekte Untertan. „Also lieber nicht über Fehler reden?“, fragt sogar die seidenweiche Maischberger einigermaßen erstaunt. Doch, sagt Dunz: aber eben auch mehr loben.

Burgard setzt zu einer Generalabrechnung an: „Ich persönlich würde die Fehler noch etwas mehr betonen und auch aufarbeiten, um daraus zu lernen. Es wird immer so lapidar gesagt ‚Es wurden Fehler gemacht‘, aber wenn man dann konkret nachfragt, kommt erstaunlich wenig. Man hat sich versündigt an der Jugend. Viele Kinder sind viel zu lange nicht zur Schule gegangen, das hatte psychische Konsequenzen und physische. Es gibt viel Übergewicht.“ Der ehemalige ARD-Korrespondent sieht große Probleme nach drei Jahren Corona. „Das Land ist gespalten. Es sind teile der Gesellschaft an den Pranger gestellt worden, weil sie die massiven Grundrechtseinschränkungen kritisch hinterfragt haben“, sagt Burgard. „Allein, wenn man Fragen aufgeworfen hat, wurde man als Querdenker hingestellt, als Schwurbler.“ „Auch der Umgang mit Wissenschaftlern war nicht differenziert genug.“ Es habe „so absolute Wahrheiten“ gegeben.

Corona-Aufarbeitung ist notwendig
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Womit wir beim Hauptakteur des Abends – und einem der Hauptakteure der vergangenen Pandemiejahre – wären: Karl Lauterbach. Sein seltsames Gebaren wird immer augenfälliger, diese Mischung aus Augenzucken, Stammeln und wildem Gestikulieren. „Wenn er etwas beklagen kann, freut er sich. Und wenn er sich freuen soll, ärgert es ihn. Dass mit dem Stichtag der Sendung fast in allen gesellschaftlichen Bereichen die letzten Maßnahmen enden, muss er notgedrungen hinnehmen und begrüßen. Aber gut findet er es nicht, dass kann er nicht überspielen.

Am 9. Februar war Lauterbach zu Gast bei Markus Lanz. An jenem Abend begann das, was das deutsche Staatsfernsehen die „Aufarbeitung“ nennt. Sandra Maischberger macht es dem Minister unwesentlich schwerer als der glatte ZDF-Kollege Lanz. Bei den Schulschließungen hakt sie mehrfach nach, doch Lauterbach windet sich wie ein Aal, und Maischberger lässt ihn davonkommen. Mehr noch: Lauterbach darf Sätze sagen wie: „Aus meiner Sicht ist die Pandemie noch nicht vorbei“, und keine Minute später: „Wir sind im endemischen Zustand“. Ja, was denn nun? Keine Nachfrage. Er darf die jüngsten Berichte, nach denen das Virus nun wohl doch aus dem Genlabor in Wuhan kommt, mit einem Federstrich wegwischen und den „Freedom Day“ framen: „Ich schätze den Begriff nicht. Es würde ja bedeuten, vorher war man in Unfreiheit.“

Das Schlimmste aber. Maischberger selbst krönt Lauterbachs Phantasieerzählungen mit Falschinformationen. 135 Coronatote pro Tag zählt sie vor, obwohl das RKI selbst gar nicht zwischen an und mit dem Virus Verstorbenen unterscheidet. Und obwohl die Zahl sich auf die Woche bezieht, nicht auf den Tag. Virologe Alexander Kekulé korrigiert den Fehler noch während der Sendung live auf Twitter, doch Lauterbach darf die vermeintliche Horrorzahl zu einer weiteren Panik-Attacke hernehmen: „Es ist nicht vorbei, es gibt immer noch Todesfälle.“

Unprofessionelles Verhalten
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Maischberger fragt, ob er es mit den Maßnahmen „vielleicht manchmal ein bisschen übertrieben“ habe. Sie zitiert seine Warnungen vor einer Winterwelle, die nicht kam. Und er darf faktenbefreit behaupten, dass es sie aber doch gegeben habe. Sie fragt, warum er die Schulschließungen bei Lanz als „Riesenfehler“ bezeichnete, doch in ihrer eigenen Sendung darf er sich weiterhin um eine Erklärung – von einer Entschuldigung ganz zu schweigen – herumlavieren. Stattdessen richtet er seinen pathetischen Dank an „all diejenigen, die da mitgemacht haben. Das war eine Riesenleistung der Bevölkerung“. Applaus.

Seinen Mitarbeitern im Ministerium hat er den Maskenzwang an diesem Tage genommen. Nicht einmal er selbst trägt noch Maske. Das sei eine Entlastung sagt er, und seine Körperhaltung verrät, dass das Gegenteil der Fall ist, welche Schmerzen ihm dieser Schritt bereitet. Maischberger spricht mit einem Arbeitslosen, dem sein Lebenselixier abhanden gekommen ist. Doch das Leid, das er den Menschen mit seiner ständigen Panikmache, seinen Maßnahmen und dem Impfdruck, der beinah in einer Impfpflicht geendet hätte, bereitet hat, bleibt weiterhin unaufgearbeitet. Die unnötigen Schulschließungen hätte man „kompensieren“ müssen, sagt er. Mit den Warnungen eines Virologen Hendrik Streeck aus 2020 konfrontiert, kann Lauterbach sich herausstammeln. Nein, nein, so etwas sei damals „eine, äh, eine randständige Position“ gewesen. „Kann es sein, dass man selektiert hat, auf wen man hört?“, fragt Maischberger. Lauterbach: „Das wurde nicht gemacht.“ Aha.

Der Abend zeigt: Wenn eine Aufarbeitung stattfinden soll, ist Deutschlands aktuelle Moderatorenriege heillos überfordert. Das Zeitalter der Hans-Joachim Friedrichs’ und Franz Alts ist leider vorbei. Eine Maischberger sagt allen Ernstes: „Das war nicht die letzte Pandemie. Das Zeitalter der Pandemien hat begonnen. Es ist nur eine Frage, wann und nicht, ob die nächste kommt.“ Sie hat offenbar in Bill Gates’ neuestem Buch geschmökert. Und Lauterbach frohlockt bereits: „Wir haben Verträge mit den Firmen, die dann sehr schnell in der Lage wären, Impfstoffe zu produzieren.“ Es klingt wie eine Drohung. Aber Maischberger lächelt. Applaus. Gute Nacht, Deutschland.

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