Künstliche Intelligenz macht viele Journalisten überflüssig

Bei der Süddeutschen Zeitung steht eine Entlassungswelle an. Doch auch Journalisten anderer Häuser droht das Aus. Die Künstliche Intelligenz geht über sie hinweg - da sind sie aber selbst dran schuld.

IMAGO / Rüdiger Wölk

Es gibt Journalismus, der unendlich langweilig ist. Etwa nach einem Wintereinbruch. Dann beliefern die Agenturen die Zeitungen mit dem immer gleichen Text; drucken die Zeitungen diesen immer gleichen Text fleißig ab: „In der Region X kam es am X zu einem Winterbruch. Von X bis X fielen X Zentimeter Schnee …“ Das spannende sind die X-Stellen. Die Zahlen dahinter liefert heute aber jede Wetter-App viel übersichtlicher. Wer auf die Journalisten-Prosa rund um die Zahlen trotzdem nicht verzichten will, dem kann die Künstliche Intelligenz (KI) diesen Text längst locker formulieren.

Viele stellen sich die Frage, ob es dann künftig noch Journalisten braucht? Die aktuelle Entlassungswelle in der Süddeutschen Zeitung scheint diese Frage mit Nein zu beantworten. An diesem Nein ist auch was dran. Bestimmte Formen des Journalismus und die dahinter stehenden Arbeitnehmer braucht es künftig tatsächlich nicht mehr.

Das ist allerdings nichts Neues. In der Geschichte des Journalismus haben sich immer wieder Tätigkeiten überlebt, sind die entsprechenden Stellen weggefallen. Der Autor dieser Zeilen hat sich noch vor 25 Jahren 15 Mark die Stunde bei der Rhein-Zeitung dazu verdient, indem er Texte abtippte, die Kollegen mit der Schreibmaschine oder sogar von Hand verfasst haben. Heute liefert kein Autor mehr solche Texte ab, falls doch gäbe es Scan-Programme, die diese Texte ins jeweilige Redaktions-System übertragen könnten.

Doch nicht nur auf dieser unteren Ebene des Journalismus haben sich Stellen überlebt. Vor fast 40 Jahren hat die ARD dem Klatschreporter Michael Graeter ein filmisches Denkmal gesetzt. Die sechsteilige Serie „Kir Royal“ zeigt, wie sich „Baby Schimmerlos“ Urin-Proben von schwangeren Schauspielerinnen erschleicht, wie er in Krankenhäuser einbricht, um sterbende Komponisten ablichten zu lassen oder wie er im Gebüsch lauert, um Milliardäre bei deren sonderbaren Sexspielchen zu beobachten. In der Serie spielt Corinna Drews in einer Nebenrolle eine namenlose Blondine, die versucht, sich in die Schickeria einzuschleichen, über die Graeter alias Schimmerlos berichtet.

Heute hätte Corinna Drews die Hauptrolle. Sie würde sich auf die Partys der Schickeria schleichen, dort Bilder oder Filmchen von sich aufnehmen und damit zur Influencerin auf Tiktok, YouTube oder Instagram werden. Anfangs würden die Türsteher ihr vielleicht noch den Zutritt verweigern. Hat sie aber erst mal mehr als 10.000 Follower, öffnen sich ihr die Türen – ab 100.000 Followern würden die Restaurants sich um sie prügeln, damit sie von deren Partys live berichtet. Würde indes der Klatschreporter der Lokalzeitung über die Restaurants berichten wollen, müsste er tagsüber kommen und das Lokal durch den Dienstboteneingang betreten.

Journalismus stirbt nicht. Er verändert sich. Mitunter so stark, dass man ihn erst mal gar nicht als Journalismus erkennt: Der Klatschreporter in der Lokalzeitung hat sich überlebt. Gibt es ihn überhaupt noch, dann wird die Stelle nicht von Stars wie Graeter besetzt, sondern von niederklassigem Personal. Doch die Nachfrage nach Klatschjournalismus ist immer noch da. Sie hat sich nur geändert. Bilder von Influencern und die Eins-zu-Eins-Kommunikation auf Twitter oder anderen Netzwerken liefern das entsprechende Angebot. Niemand muss mehr Gala oder Co lesen, um Geschichten von Schauspielern zu erfahren. Sie liefern diese ihren Fans direkt.

Das ist auch die vollständige Antwort auf die Frage, ob es trotz KI künftig noch Journalisten braucht: Ja, schon. Sie müssen sich nur ändern. Denn bestimmte Aufgaben fallen weg: Wer Standardtexte zu Unfällen, Parlamentsdebatten oder eben Wintereinbrüchen schreibt, den könnte heute schon eine KI ersetzen. In spätestens zehn Jahren wird es Standard sein, dass diese Aufgabe von KI-Programmen ausgeübt wird. Wer an einem „Desk“ sitzt, um Agentur-Meldungen in Zeitungslayout fließen zu lassen, den wird es in absehbarer Zeit ebenfalls nicht mehr brauchen. Genau so wenig wie den Journalisten, der Texte anderer Medien abkupfert.

Im investigativen Journalismus und in der Kommentierung wird die KI die Spreu vom Weizen trennen. Den Begriff „Mainstream-Journalismus“ mögen manche als rechten Kampfbegriff abtun. In der Tat nutzen ihn Rechte auch als solchen. Aber der Begriff funktioniert deshalb so gut, weil er die Realität treffend beschreibt. Der Mainstream-Journalismus ist die kleine Schwester des Haltungs-Journalismus: Die Haltungs-Journalisten können nur deshalb so strahlen, weil es Kollegen gibt, die bewundernd zu ihnen hinaufschauen.

Macher des Privatradios vertrauen einem unter vier Augen an, dass sie immer nur in die Richtung kommentieren, in die alle gehen. Dabei kommt es nicht auf die Inhalte an. Dreht sich die Richtung des Mainstreams, drehen sich diese Privatradios mit. In der Frankfurter Rundschau kam es vor 20 Jahren dazu, dass intern Themenvorschläge abgelehnt wurden, weil sich die Verantwortlichen nicht sicher waren, ob diese Themen gut sind. Brachten dann andere Medien, vor allem die FAZ, die exakt gleichen, abgelehnten Themen, übernahm sie die Frankfurter Rundschau: Journalisten, die Themen nur als solche anerkennen, wenn genug andere Medien das bereits getan haben? Über sie werden KI und Geschichte gnadenlos hinwegfegen. Und ihr Untergang ist auch nicht mehr als ein Achselzucken und ein „Ja, und?“ wert.

Das Gleiche gilt für die Art zu schreiben. Wer immer nur die Linie der Regierung vertritt, wird überflüssig. Sperrige grüne Erklärungen in lesbare grüne Texte umzuschreiben – gerne noch mit locker flockigem szenischen Einstieg – das erledigt jede KI als Frühsport. Also bye bye, liebe Kollegen der Süddeutschen Zeitung. Vielleicht will niemand mehr eure Texte lesen. Erst recht will niemand mehr für eure Texte zahlen. Aber ihr habt immer noch eure Haltung. Und ist es nicht das, worauf es euch im Journalismus ankommt?

Journalismus ändert sich. Niemand kann sich sicher sein, dass es sein Tätigkeitsfeld in 20, zehn oder auch nur fünf Jahren noch gibt. 2009 war unter Print-Journalisten als Trost der Satz stark verbreitet: „Man wird den Computer niemals mit auf die Toilette nehmen können.“ Schon 2014 lachten Smartphone-Nutzer über diesen Satz.

Trotzdem ist der Journalismus heute noch einer der beliebtesten Berufe, drängen mehr junge Leute hinein, als es für die Tariftreue gut ist. Ob sie alle ihr Einkommen finden, ist mehr als unklar. Das war es aber schon immer. Zeilensklaven, die sich für neun Pfennige pro Zeile und zwölf Mark pro Bild abgekämpft haben, gab es schon früher. Ebenswo wie eine Elite, die mit dem Beruf wohlhabend wird.

Entscheidend ist die permanente Änderung. Junge Journalisten tun gut daran, sich so viele Skills anzueignen wie möglich. Also so viele Fähigkeiten wie möglich. Ändert sich dann die Anforderung an Journalisten, etwa indem aus dem Reporter der Influencer werden muss, dann haben die besten Chancen, sich an die neuen Anforderungen anzupassen, diejenigen, die am meisten draufhaben. Klingt banal, ist aber nicht jedem Berufsanfänger bewusst. In klassischen Medien – selbst und gerade bei Zeitungen – gibt es verblüffend viele ältere Kollegen, aber auch Anfänger, die glauben, dass sie eine Art Geburtsrecht haben, mit dem alten Stiefel bis zu ihrem Renteneintritt weiterzumachen. Über sie wird die Geschichte ebenfalls hinweggehen und sie werden es nicht einmal verstehen.

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Kommentare ( 41 )

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November Man
8 Monate her

Da stellt sich die Frage ob die KI genauso lügt wie die Lügenpresse. Beides brauchen wir ganz sicher nicht. Wir brauchen Journalisten die die Menschen ausführlich, ehrlich und wahrheitsgemäß informieren.  

CIVIS
8 Monate her

Na klar, der KI-Journalismus ist die Zukunft.

Doch wenn der Input in den KI-Journalismus der gleiche ist, mit dem heute der Haltungsjournalismus gefüttert wird, dann wird sich das erwartete Ergebnis (Hofbericht-Output) mit KI auch nicht großartig ändern […wichtig ist aber das, was hinten rauskommt / BK Kohl].

Insoweit, und gerade für freie und alternative Internetmedien, sehe zumindest ich einen noch großen kreativen Spielraum für ordentlichen handgemachten und objektiven Journalismus den KI nicht ersetzen kann, natürlich dann aber auch auf technisch hohem Niveau.

Last edited 8 Monate her by CIVIS
Leroy
8 Monate her

Das größte Problem der Printmedien ist, dass sie Haltungsjournalismus für Leute betreiben, die keine Zeitung lesen, sondern auf ihrem Smartphone rumdatteln. Diese Figuren haben kein Abo. Abos haben Leute die sich umfassend informieren wollen und keine Aufmerksamkeitspanne von nur 3 Minuten besitzen. D.h. der Abonnent ist eher etwas konservativer und sieht die grüne Hölle mit etwas anderen Augen. Und deshalb liebe SZler hier ein paar Tipps fürs Leben: “ Genießen Sie den Charme des Wandels“ “ Betrachten Sie Ihren Jobverlust nicht als Niederlage, sondern begreifen Sie es als Chance“, „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich woanders eine andere“

Heiner
8 Monate her

Wenn ich die natürliche Dummheit so mancher der sogenannten Journalisten vom Schlage eines Relotius etc. sehe, dann müssen die sich nicht wundern, wenn sie von einer Maschine ersetzt werden.
Allein beim Anblick der Tagesschau bekomme ich immer wieder Heimweh nach der Aktuellen Kamera. Da gab man sich beim Lügen und Propagandieren wenigstens noch Mühe, daß es nicht so plump daher kam.

mediainfo
8 Monate her

Viele Fotomodelle können sich mittelfristig auch eine andere Tätigkeit suchen: Das Bild einer hübschen Frau mit Produkt XY in der Hand, im Hintergrund ein See, erzeugt eine KI in Sekundenbruchteilen. Preisgünstiger als ein Shooting an besagtem See, oder gar an einem exotischen Ort.

MisterX
8 Monate her

Ich glaube viele Leser sind sich noch gar nicht dessen bewusst, dass ein sehr großer Teil der Google-Suchergebnisse bereits von der KI „geschrieben“ wurde, natürlich suchmaschinenoptimiert.
Am Ende kann man den Schund vielleicht noch für irgendwelche Anleitungen gebrauchen wie Rezepte usw.
Für alles, was nicht Standard ist, wird es aber weiterhin echte Menschen brauchen. Aber die müssen dann, wie richtig angemerkt, eben was draufhaben.

Last edited 8 Monate her by MisterX
alter weisser Mann
8 Monate her

Bei der Qualität der Texte wird es der KI aber auch richtig leicht gemacht und Obacht: ganz bestimmt nicht nur bei der Alpenprawda, das betrifft tatsächlich ALLE.

Dr. Rehmstack
8 Monate her

Dabei hätte die Lokalpresse wirklich alle Chancen auskömmlich auf dem Regionalmarkt bestehen zu können, wenn sie bloß endlich zu dem ehernen Grundsatz zurückkehren würden, nämlich News and Views zu trennen und diesen elenden Haltung Journalismus aufgeben würden. Hier kann das Internet nicht mithalten. Gerade jetzt, wo so viel Umweltfragen von großer, regionaler Bedeutung sind, Windkraftanlagen, Fernheizung, der ganze grüne Mist eben.. Und dann ist da noch die Lebensversicherung der Regionalzeitung: die Todesanzeigen, die frischen Toten, wie meine Großmutter sie nannte, an denen ältere Menschen lebhaftes (!) Interesse nehmen und der häufig der alleinige von ihnen gelesene Teil der Zeitung ist.

Fulbert
8 Monate her

Treffender Beitrag. Aber die Mär, dass die durch KI eingesparten Mittel in investigativen Journalismus fliessen wird, sei den Nachrichtenagenturen und Tageszeitungsredaktionen überlassen, wo sie gerade zur Beruhigung der Belegschaft die Runde gemacht. Denn wozu bedarf es zur Berichterstattung auf Regierungslinie langwieriger Recherche? Die würde bei Themen wie AFD, Migration oder Corona doch nur unerwünschte Einsichten bringen, die das herrschende Lügengebäude erschüttern. Gut möglich also, dass man demnächst die Pressemitteilungen von Regierung, Behörden und Organisationen unverändert abdruckt (was auch heute schon geschieht). Dazu bedarf es dann nicht einmal mehr KI, lediglich das Format muss angepasst werden.

Cola
8 Monate her

Ich gehe eine andere Wette ein, nämlich das KI für ein Revival der Printausgabe bzw. vieler Analogmedien sorgen wird. Die KI hat das Problem, dass Print auch hat, sie läuft der Entwicklung hinterher. Nur liegt sie weit abgeschlagen hinter dem Journalismus zurück, denn sie kann nur berichten, was schon anderswo berichtet wurde, denn sie kann keine Recherche betreiben, schon überhaupt nicht offline. Und sie kann nur melden, was sie im Internet findet. Ich bin sicher, dass Medien aus dem Internet wieder rausgehen, allenfalls noch eine Seite betreiben, wo man das Abo abschließen und alte Ausgaben zur Probe lesen kann. Aber… Mehr