Wir können nur Gebühren

Die öffentlich-rechtlichen Sender malen nach wie vor sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Doch beim SWR gehen sie einen Schritt weiter, sie engagieren für die Doku keine Journalisten mehr, sondern Schauspieler. Das ist konsequent. Was die Öffentlich-Rechtlichen nämlich anders können, sind Gebühren.

© SWR/2Pilots/Martin Rottenkolber

Der SWR des Herrn Gniffke hat eine Doku-Märchen-Serie von Gebührengeldern produzieren lassen, so eine Art Klima-Telenovela, die so richtig Lust, öffentlich-rechtlich natürlich, auf die „Klimakrise“ macht. Denn in den sechs Folgen geht es darum zu zeigen, wie alles pumpelgut wird mit dem Klima, wenn wir nur alle fest daran glauben, dass Habecks Energiewende funktioniert.

Es geht ums Mitmachen, darum, den Miesepetern und Kritikerin, den Realisten eine lange Nase zu drehen. Schließlich muss nicht alles so „schwierig und kompliziert“ sein, denn, wie der Titel der Serie bereits sagt: „Wir können auch anders“. Wir können nämlich „Klimakrise“, zumindest so lustig, wie öffentlich-rechtliches Fernsehen sein kann, wenn man an Comedy-Kracher wie die Heute Show vom ZDF oder wie Monitor vom WDR denkt.

— SWR (@SWRpresse) March 16, 2023

Prominente, Menschen also, die zumindest in den Reduktionsstuben bekannt sind, machen sich ganz toll „auf die Suche nach guten Nachrichten: Auf ihrer Reise besuchen sie Menschen, die nicht jammern, sondern anpacken in den Bereichen Energie, Mobilität, Landwirtschaft, Ernährung, Wohnen und Natur. Zentrale Frage: Wie können Menschen ihren Lebensstil in Richtung Nachhaltigkeit verändern, ohne an Lebensqualität einzubüßen?“ Da werden beim Ansehen der Primaklimaserie die schönsten Kindheitserinnerungen geweckt. Höhepunkte der Fantasy-Comedy-Doku werden erreicht, wenn der Schauspieler Bjarne Mädel den früheren Comedy-Star Anke Engelke im Lastenrad durch die Gegend wuchtet. Anke Engelke reckt mutig wie Pinocchio den Finger aus dem Kasten des Lastenrads, indem sie aufrecht wie ein fünfjähriges Mädchen sitzt. Da ist man zurückgekehrt in die Kinderserie des DDR-Fernsehens: „Mit Jan und Tini auf Reisen“.

Jan und Tini reisten durch den Produktionsalltag der DDR, um den Kindern die tolle Welt der sozialistischen Produktion, die Welt des Fortschritts, des Glücks zu zeigen, die Welt, in der unermüdlich arbeitende und tüftelnde Bäcker und Chemiker und Bauern und Arbeiter die sozialistische Gesellschaft schufen. Da die Grünen mit ihrem Faible für Marketing, mit ihrer Kompetenz für das Ausblenden der Realität, für das Vertuschen und hübsches Kolorieren, den Begriff des Sozialismus als irgendwie aus der Mode gekommen empfinden, haben sie ihn durch den der klimaneutralen Gesellschaft ersetzt. Sonst hat sich nicht viel verändert. Propaganda muss die Realität durch bunte Bilder und durch couragierten Infantilismus ersetzen, damit nicht auffällt, dass die Utopie eine Dystopie ist. Die Welt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist wieder einmal die Welt der Truman-Show – nur eben real.

Weil aber für immer mehr Menschen, auch für den gläubigsten Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der wirtschaftliche Ruin immer deutlicher wird (mit steigenden Preisen, Verlagerung der deutschen Wirtschaft ins Ausland, Reißen der Lieferketten, Energieunsicherheit, Zusammenbruch der Logistik, wie man es am Bahnverkehr beobachten kann), sah sich der SWR offenbar in der Pflicht, propagandistisch gegenzusteuern. Deshalb wurde die Kölner Filmproduktionsfirma 2Pilots beauftragt, eine Werbung in sechs Teilen zu drehen, um das Volk wieder auf Klimalinie zu zwingen.

Zu 2Pilots ist nicht allzu viel zu sagen, außer, dass die Produktion schon einmal ausgezeichnet wurde mit dem „Filmpreis NRW“ im Rahmen des Film Festival Cologne 2020. Nur wird der Preis vom Land Nordrhein-Westfalen und von der Film- und Medienstiftung NRW ausgelobt. Zu den Gesellschaftern der Film- und Medienstiftung NRW gehören das ZDF und der WDR. Für die als Dokumentarfilm getarnte Werbesendung für Restles „Monitor“ erhielt die Firma dann auch den Preis. Natürlich wurde die Produktion von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert. Eine wirklich spannende Produktion: Fernsehen lobt die Entstehung von Fernsehen. Man könnte einwenden, dass die preisgekrönte Monitor-Panegyrik fürs Kino bestimmt war, doch, ganz ehrlich, deutschen Kinofilm gibt es eigentlich schon seit Jahren nicht wirklich, denn in Deutschland ist fast alles Fernsehen, auch das meiste im Kino. Wäre eine kritische Doku über Restles Propagandasendung „Monitor“ finanziert, für den Wettbewerb zugelassen und prämiert worden?

Nun muss man dahinter nicht gleich Vetternwirtschaft vermuten, denn „Monitor“ ist so ideologiegetrieben und so woke wie die grünen Werbeclipps mit ahnungslosen, aber sich ungemein wichtig dünkenden Schauspielern.

Was aber vor allem deutlich wird und was an der Doku-Serie so sehr abstößt, ist der buntangemalte Kleinstbürgermief, die infantilisierte Spießerglückseligkeit, die penetrante Belehrung von Schauspielern, die nur das Leben in ihrer Fernseh-Blase kennen. So latschen die Schauspieler wie zum Wandertag zu Leuten, die aus leerstehenden Bürogebäuden günstigen Wohnraum machen wollen, die mit 5.000 Klospülungen ein Schwimmbad heizen, und um zu erfahren, wie toll der Stadtverkehr für Radfahrer ist, wenn der öffentliche Nahverkehr und die Radfahrer stets Vorfahrt vor Autos und LKWs haben. Die Belieferung der Baustellen, der Geschäfte und Supermärkte übernimmt dann in der Welt des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der durch den Anke-Engelke-Transport trainierte Bjarne Mädel mit seinem Lastenrad.

Und so sehr die Schauspielerin Annette Frier in ihrer Fernsehwelt auch Bauklötze staunen mag über das 500-Seelen-Dorf in Brandenburg, das den Strom, den es braucht, selbst herstellt, und so sehr sie mit großen Schauspieleraugen und großer Schauspielerselbstgewissheit, Feldheim zum gallischen Dorf erklärt, ist bei Lichte besehen das Dorf nur die berühmte Ausnahme, die eben die noch berühmtere Regel bestätigt.

Was in all diesen Schaupielerstaunegeschichten außen vorbleibt, ist die Realität. Logisch, denn die Schauspieler sind, wie der SWR mitteilt, auf einer „Mission“, wie Robert Habeck auf einer Mission ist. Und seit Habecks Vordenkerin Mazzucato weiß man, dass die „Energiewende“ nicht von der Realität aus, sondern von der Mission, von der Utopie, vom Hirngespinst aus geplant wird. Denn die Lösung in Feldheim funktioniert nur in einem Dorf überschaubarer Größe, die den Windpark mit einer Biogasanlage kombiniert für die Zeiten der Dunkelflaute. Die Biogasanlage wird beliefert durch die örtliche Agrargenossenschaft. Wenn als Folge von Özdemirs Landwirtschaftspolitik die Agrargenossenschaft die Produktion einstellt, steht das Modell Feldheim vor dem Aus, auch wird dieses Modell nicht für Städte und Metropolen funktionieren. Was Prahl und Frier preisen, stellt auch dann keine realistische Lösung dar, wenn die Deutschen die Metropolen verlassen und lauter 500-gallische-Seelen-Dörfer gründen. Ganz zu schweigen von Produktionsstätten, Betrieben, Industrie.

Wenn Prahl und Frier, die über den Energiepreis, den die Feldheimer zu bezahlen haben, schauspielerstaunen, vergessen sie zu erwähnen, dass unlängst ausgerechnet Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke mit Blick auf Habecks Politik moniert hat, dass Brandenburg mit die höchste Dichte an Windkraftanlagen und gleichzeitig die höchsten Energiepreise hat. Woidke dazu im Interview wörtlich: „Brandenburg ist bundesweit vorn bei der Produktion erneuerbarer Energien, und wir bauen weiter aus. Aber dafür werden wir sogar bestraft. Durch unsere vielen Windkraftanlagen haben wir in Brandenburg bundesweit mit die höchsten Strompreise.“

Danach hätte man natürlich auch fragen können, doch stand diese Frage ganz sicher nicht im Drehbuch. Die öffentlich-rechtlichen Sender malen nach wie vor sich die Welt, wie sie ihnen gefällt, sie betreiben nach wie vor keinen Journalismus, sondern Aktivismus. Doch beim SWR sind sie schon einen Schritt weiter, sie engagieren für die Doku keine Journalisten mehr, sondern Schauspieler. Das ist konsequent gedacht. Das, was die Öffentlich-Rechtlichen nämlich anders können, sind Gebühren.

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