Von rutschenden Fahrrädern und herumstehenden Autos: Hart aber Fair zur Krise der deutschen Autoindustrie

Das Auto steht einen Großteil des Tages herum, kann also weg. Ja, warum verfahren wir so eigentlich nicht auch mit unserer Zahnbürste, oder mit anderen Dingen, die wir 99% der Zeit nicht brauchen? Es könnte so einfach sein! Bloß: Die Krise der Autoindustrie lösen wir damit nicht. Die lösen wir durch Planwirtschaft. Denken jedenfalls die Grünen. Von Marius Marx

Screenprint: ARD / Hart aber Fair

Der Vorstand von Volkswagen erwägt, wenn man den jüngsten Äußerungen der Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo Glauben schenken darf, drei VW-Werke in Deutschland zu schließen. Pars pro toto steht dieses Vorhaben des Wolfsburger Autokonzerns für die gegenwärtige Krise der gesamten deutschen Autoindustrie.

Louis Klamroth dürfte sich durch die gestrige Ankündigung bestätigt gesehen haben: Schließlich hatte die Hart aber Fair-Redaktion schon vorher entschieden, die bundesdeutsche Debatte über die schwierige Situation der deutschen Autoindustrie mit einer eigenen Sendung, wenn nicht qualitativ zu erhellen, so doch zumindest quantitativ zu erweitern.

Denn substantiell Neues wurde dem geneigten ARD-Publikum im Studio und vor den Bildschirmen gestern Abend nicht geliefert. Stattdessen wurden von allen Seiten die altbekannten Positionen zum x-ten Mal wiederholt. Die Diskussion zeigte beispielhaft, was im gleichen Maße auch für eine Vielzahl anderer Politikfelder gilt: dass sich nämlich nicht nur innerhalb der deutschen Parteienlandschaft, sondern auch zwischen den Ampel-Koalitionspartnern gewaltige Unterschiede auftun, wenn es um die Lösung der drängenden Fragen der Zeit geht.

Die Auseinandersetzung verläuft dabei entlang der Pole freie Marktwirtschaft und solide Staatsfinanzen auf der einen und Staatsinterventionismus und Reform der Schuldenbremse – wie die erträumte hunderte Milliarden schwere Neuverschuldung des Staates im Zeichen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation im grünen und linken Milieu euphemistisch genannt wird – auf der anderen Seite. Konnte man sich in der Ampel bei gesellschaftspolitischen Vorhaben wie dem Selbstbestimmungsgesetz oder der Cannabis-Legalisierung noch recht unproblematisch verständigen, prallen nun im Bereich der Wirtschafts- und Industriepolitik völlig gegensätzliche Vorstellungen aufeinander.

Von gemeinsamer Koalition keine Spur

Ampel in Not
Ärger um die Wirtschaftspolitik: SPD, FDP und Grüne befinden sich in einer zähen Scheidung
Längst hat die Ampel deshalb von Regierungs- auf Wahlkampf- und Profilierungsmodus umgeschaltet. Dazu passen auch die separat stattfindenden Industrie-und Wirtschaftsgipfel von Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner. Auch in der gestrigen Hart aber Fair-Sendung wäre selbst mit der besten Lupe keine Gemeinsamkeit zwischen dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und seinem Kollegen Andreas Audretsch (Grüne) zu erkennen gewesen.

Hätte man einen Außerirdischen ohne Kenntnis der politischen Landschaft Deutschlands nach dem Verhältnis der beiden Parteien gefragt, wäre dieser ohne Zweifel als letztes auf die abwegige Idee gekommen, dass sich beide innerhalb ein- und derselben Regierung befinden. Denn Schäffler, sicherlich ein intelligenter Mann, der allerdings intellektuelle Inspiration, rhetorische Finesse und leidenschaftliche Überzeugungskraft weitgehend vermissen lässt, und sein ebenfalls biederer Konterpart Audretsch waren sich – abgesehen von der Anerkennung der Tatsache, dass sich die deutsche Automobilindustrie, zum Teil selbstverschuldet, zum Teil durch die billigere chinesische Konkurrenz, in einer Krise befindet – in keinem Punkt einig.

Was wiederum für Schäffler spricht. Denn wenn Audretsch das faktische EU-weite Verbrennerverbot verteidigt, den deutschen Autobauern die völlige Umstellung auf Elektromobilität und dem Staat eine enorme Neuverschuldung für die Finanzierung dieser Transformation sowie die Subventionierung von E-Autos – ohne die sie international nicht konkurrenzfähig und national nicht absetzbar sind –, empfiehlt, ist man ja geradezu zu vehementem Widerspruch genötigt.

Schäffler versucht sich zwar daran, für Anreize und Signale durch Preise zu plädieren, mahnt gegenüber der Politik wiederholt zu Technologieoffenheit und kritisiert staatliche Bevormundung und Verbotspolitik, die er im Sinne Friedrich August von Hayeks zurecht als „Anmaßung von Wissen“ bezeichnet. Allerdings verpasst er dabei die sich bietende Gelegenheit, den grünen Talking Points und Transformationsplänen weitaus entschiedener entgegenzutreten.

Die grüne Monomanie mit der Schuldenbremse

Dabei hat Audretsch wirklich sein Menschenmögliches getan, ihm eine Steilvorlage nach der anderen zu liefern. Denn man muss es wirklich einmal so klar aussprechen. Im Kern lassen sich seine Vorschläge und das Programm seiner Partei mittlerweile mit einem einzigen Wort zusammenfassen: Schulden. Kein politisches Projekt, keine ernste Krise, kein drängendes Problem, das die Grünen nicht als Argument für die Abschaffung der Schuldenbremse instrumentalisieren. Dabei kann man den Grünen und ihren politischen Trabanten eigentlich keinen wirklichen Vorwurf machen.

Innerhalb ihrer politischen Logik ist es ja nur konsequent, die negativen Konsequenzen staatlicher Interventionen und der eigenen Verbotspolitik mit noch mehr und immer weitreichenderen Eingriffen lösen zu wollen. Interventionsspirale nennt man das. Die Grünen – und nicht nur sie – stehen heute vor dem Scheitern ihrer einstigen Vorzeigeprojekte: Die Energiewende mit ihren Ausstiegen aus Kohle- und Kernkraft sowie dem Ausbau der Erneuerbaren hat bis heute geschätzte Kosten von 500 bis 1000 Milliarden Euro – also etwas mehr als eine Kugel Eis – verursacht, nützt dem Klima aufgrund des europäischen Emissionshandels aber nichts.

Autobauer in der Krise
VW will laut Betriebsrat mindestens drei Werke schließen
Und die Verkehrswende, also der staatlich subventionierte Umstieg auf Bahn und E-Mobilität stagniert, und ist ebenso wie die Migrationspolitik und der Multikulti-Idealismus an der Realität gescheitert. Vor diesem Scherbenhaufen der eigenen Politik der letzten Jahrzehnte stehend, könnte man sich nun besinnen und das eigene Scheitern eingestehen. Nicht aber Audretsch und die Grünen. Um ein geflügeltes Wort unseres Wirtschaftsministers abzuwandeln, könnte man sagen, die grünen Ideen und Projekte sind nicht gescheitert, sie haben einfach nur noch nicht zu funktionieren begonnen.

Und weil man bei den Grünen nach wie vor geradezu kulthaft daran glaubt, dass irgendwann der goldene Tag heraufziehen wird, an dem der Strom grün und günstig und die Straße voller E-Autos sein wird, an dem sich all jene Transformationen harmonisch in ein funktionierendes Ganzes zusammenfügen, müssen eben heute ein paar hundert Milliarden neuer Schulden aufgenommen werden. Denn für die Grünen ist es schlicht ausgeschlossen, die Sinnhaftigkeit und Durchführbarkeit ihrer Projekte in Frage zu stellen. Ihr bisheriges Scheitern beweist für sie nicht deren grundsätzliche Fehlerhaftigkeit, sondern im Gegenteil, dass der Staat bisher noch nicht genug für ihre erfolgreiche Umsetzung getan hat.

Und so kann natürlich nur das eine Allheilmittel, die Reform der Schuldenbremse, auch den Weg aus der Krise der deutschen Automobilindustrie weisen: Die Leute kaufen lieber Verbrenner, weil ihnen E-Autos deutscher Hersteller zu teuer sind? Dann subventionieren wir deren Kauf einfach mit Kaufprämien! Die deutsche Autoindustrie leidet unter hohen Energiekosten? Wie wäre es mit einem subventionierten Industriestrompreis! Die Umstellung der Produktion auf Elektroautos erfordert Investitionen in Milliardenhöhe? Dafür gibt es dann einen schuldenfinanzierten Deutschlandfonds!

Wie überall setzt der Staat ideologische Zielvorgaben, die Wirtschaft soll sich entsprechend transformieren und gemäß dem politischen Willen produzieren. Und wenn dann in Folge dessen die Unternehmen nicht mehr konkurrenz- und ihre Produkte nicht mehr marktfähig sind, springt der Staat ein – in der vagen Hoffnung, dass sich all die Subventionen und Investitionen irgendwann in einer fernen und unabsehbaren Zukunft bezahlt machen. Das ist im Kern das Wirtschaftsprogramm von Audretsch und seiner Partei. Dass das mit Marktwirtschaft nur noch entfernt zu tun hat, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden.

Die Fahrrad-Frau aus Dänemark

Wer sich nun sicher wähnte und meinte, der argumentative Tiefpunkt der Sendung sei mit Audretschs Ausführungen erreicht, musste sich dank Ragnhild Sørensen eines Besseren belehren lassen. Die gebürtige Dänin ist Sprecherin des Vereins „Changing Cities“, der „zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte“ fördert und dessen bisher größtes Projekt der Volksentscheid Fahrrad in Berlin im Jahr 2016 war. Die erst später in die Diskussion einbezogene Sørensen bemängelte die einseitige Fokussierung der Debatte auf den Autoverkehr – schon das ein merkwürdiger Kritikpunkt an einer Debatte zur Autoindustrie – und versuchte diese auf allgemeinere Fragen der Mobilität zu lenken.

Grün wirkt:
VW im Abstiegskampf
Dabei forderte sie eine weitgehende Zurückdrängung des Autos aus deutschen Innenstädten zugunsten des ÖPNV und des Fahrradverkehrs. Gleich in ihrem ersten Statement begann sie ihren, nicht ohne das nötige Maß an Selbstgewissheit vorgetragenen, Feldzug gegen das Auto, indem sie die banale Tatsache skandalisierte, dass Autos an 96 Prozent des Tages ungenutzt herumstehen und das Geheimnis lüftete, dass es sich bei Autos in Wahrheit folglich um Steh- und nicht um Fahrzeuge handele. Und als ihr anschließend in der Debatte um die Umwandlung von Autofahrspuren zu Radwegen von einem Stuttgarter Autohändler entgegengehalten wurde, dass er im Alltag auf solchen neugeschaffenen Fahrradwegen kaum je einen Fahrradfahrer sehe, erklärte sie seine Beobachtung ernsthaft damit, dass die Fahrradfahrer „halt schnell weg“, im Vergleich zu Autos unscheinbarer seien und schnell „wegrutschen“ würden.

Ich hoffe sehr, liebe Leser, dass sie die Argumentation von Frau Sørensen nicht allzu ernst nehmen. Denn sollten sie es doch tun, kann es wirklich gefährlich für sie werden. Dann laufen sie womöglich Gefahr, ihre Zahnbürste aus dem Badfenster zu werfen. Denn wozu braucht man schon etwas, dass 99 Prozent des Tages sinnlos herumsteht? Weg mit der Bürste! Vielleicht kommen sie alternativ aber auch auf die Idee, ihr Auto vom unnötigen Ballast des Airbags zu befreien. Schließlich braucht man den bei 99 Prozent der Fahrten ja gar nicht! Also weg auch damit! Aber kommen Sie nicht auf falsche Gedanken!

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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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Der-Michel
1 Monat her

Der Autohändler hätte Sørensen einfach nach Stuttggart einladen sollen und mit ihr einige Fahrradtouren vom Baahnhof hoch nach Degerloch, Sillenbuch oder Heumaden machen sollen. Das macht ein Elektrorad nicht all zu oft mit. So um die 300 Höhenmeter.

Kassandra
1 Monat her

Wenn man so will, braucht der Mensch auch kein Bade- oder Schlafzimmer – da besonders Ersteres auch am Tag nur wenig benutzt wird.
Zurück in die Höhle mit euch – Ulrike Herrmann kann sich nicht irren!

Last edited 1 Monat her by Kassandra
Hartwig Sendner
1 Monat her

Ich sag es immer wieder:
Alle Daten in den Reports des Weltklimarates sagen: Es gibt einen ganz normalen Klimawandel hin zu wärmeren (guten) Zeiten.
Das sieht man aber nur in diesen Reports, wenn man nicht nur die „Zusammenfassung für Politiker“ liest (wo das Gegenteil behauptet wird), sondern sich auch mal die Mühe macht die „Technische Zusammenfassung“ zu lesen. Habe ich mal gemacht, und für alle die es interessiert in einem Buch zusammengefasst
ISBN: 978-3-903468-86-3   „Bekenntnis eines Klimaleugners“
Der Rest ist Manipulation! CO2 ist unschuldig !!
Deswegen ist auch die Energiewende, wie sie gemacht wird, hirnrissig und die „große Transformation“ ein Hirngespinst

Proffi
1 Monat her

……..nützt dem Klima aufgrund des europäischen Emissionshandels aber nichts…….. Nützt dem Klima nichts, weil das Wetter nicht vom Menschen beeinflusst werden kann. Alles, was der Mensch macht, ist völlig klimaneutral.

November Man
1 Monat her

Der Yogeshwar macht ausgerechnet der Industrie, die ebenfalls unter der aufgezwungenen grünen Energiewende stark zu leiden hat, schwere Vorwürfe.
Nur wegen den Grünen sind aktuell mindestens ca. 190.000 Stellen in Gefahr. Und das werden noch mehr werden. Den Grünen und dem Yogeshwar ist der Ernst dieser akut gefährlichen Situation überhaupt nicht bewusst. Wir marschieren wegen dieser verheerenden linksrotgrünen Politik voll Richtung Weimarer Republik.

Sterling Heights
1 Monat her
Antworten an  November Man

Herr Diplom – Physiker Dr. h. c. Y. wird
voellig überschätzt. Vor Jahren mit seinem Tamiflu Hype wurde er zum Dauertalker.

Dr. Rehmstack
1 Monat her

„Ihr bisheriges Scheitern beweist für sie nicht deren grundsätzliche Fehlerhaftigkeit, sondern im Gegenteil, dass der Staat bisher noch nicht genug für ihre erfolgreiche Umsetzung getan hat.“ Besser kann man nicht dokumentieren, was die Grünen im Kern wirklich sind: Betonsozialisten. Denn das ist ja die ständige Behauptung, dass nicht der Sozialismus gescheitert ist, sondern nur seine bisherigen Umsetzungen unzureichend waren. Ich kenne Stuttgart nur von wenigen Besuchen, eindrücklich sind mir allerdings viele steile Straßen aus dem Stadtzentrum heraus in die Wohngegenden in Erinnerung geblieben, wie man hier den Verkehr auf Fahrräder umstellen will, erscheint mir zunächst unverständlich. Das eine Frau aus… Mehr

Kati.D
1 Monat her

Ich hatte die Sendung nebenher als Einschlafhilfe laufen und habe so im Halbschlaf die Ausführungen der Frau Sörensen mitbekommen. Das Argument, dass Autos die meiste Zeit stehen, hört man ja sehr oft und es ist in diesem Sinne auch nicht falsch. In Großstädten mag das ja mit den Öffentlichen auch ganz gut klappen, aber auf dem Land fährt nun mal kein Bus zu der Zeit, zu der ich auf Arbeit fahren muss, in meiner Nähe wohnt kein Kollege, der mich mitnehmen könnte (die Kollegen kommen sternförmig aus allen Richtungen in die Firma gefahren), meine Ärzte, zu denen ich regelmäßig monatlich… Mehr

November Man
1 Monat her

Die Roten und die Grünen machen die Deutschen immer ärmer und das Autofahren für die normalen Bürger absichtlich immer teuer. So lange bis sich bald niemand mehr einen Diesel oder Benziner und auch kein noch teureres E-Auto leisten kann. Ein massiver Angriff auf das Herzstück unserer Wirtschaft – die deutsche Automobilindustrie und ihre vielen Arbeitsplätze. Die völlig unsinnige und absolut unwirksame Steuer auf CO2 wird von der linksextremen Ampel auch im kommenden Jahr weiter nach oben getrieben – und damit auch die Preise für Benzin und Diesel. Ab 2025 wird Tanken in Deutschland wieder mal teurer gemacht: Der CO2-Preis pro… Mehr

Hieronymus Bosch
1 Monat her

Im VW-!ufsichtsrat sitzt die niedersächsische Kultusministerin – eine Grüne! Ohne Studienabschluss! Ohne Berufsausbildung oder Berufserfahrung! Wer es nicht glaubt, dann den folgendn Link anklicken: https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/der_minister/kultusministerin-julia-willie-hamburg-216855.html
Allein die Tatsache, dass eine solche Frau Kultusministerin ist, ist der blanke Hohn. Sie auch noch in den AR eines DAX-Konzerns zu setzen, ist unfassbar. Was weiß sie über Autos? Dass sie vier Räder haben? Kein Wunder, dass dieses Land am Ende ist!

November Man
1 Monat her

Den Schäffler FDP hätte man zu Hause lassen können. Der hat schon, bevor der Yogeshwar oder der Grüne Audretsch einen Satz angefangen hat, mehrfach gesagt – Da bin ich voll bei ihnen.
Aber genau solche unterwürfigen Leute braucht ein extrem linke Show um beim auserwählten Publikum und den Zuschauern zu punkten.