Diese Ausgabe von hartaberfair war zu Ende, kaum dass sie begonnen hatte: als Tribunal. Danach war Herr Gauland kein Studiogast mehr, sondern ein Angeklagter. Deshalb kann ich hier auch keine Besprechung der Sendung liefern, sondern möchte den von mir geschätzten Frank Plasberg fragen, ob er die Sendung nicht umbenennen will.
Einleitend sagte Plasberg, er möchte mit Herrn Gauland erst einmal klären, wo die Grenzen des menschlichen Anstandes in der Politik verlaufen. Der Einspieler zitiert Gaulands Äußerung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, gegenüber: „Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein, und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Der Einspieler dokumentierte auch, was Frau Özoguz in der Leitkulturdebatte erklärt hatte: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ Was Gauland dem Tagesspiegel nachträglich sagte, folgte ebenfalls, er hätte das Wort „entsorgen“ nicht verwenden dürfen, stehe inhaltlich aber zu seiner Aussage.
Danach ging es so weiter:
Frank Plasberg: Herr Gauland, sie haben heute Morgen gesagt, Sie hätten das Wort „entsorgen“ besser nicht verwendet. Warum nicht, welche Bedenken sind Ihnen gekommen über Nacht?“
Alexander Gauland: Also ich hatte ursprünglich gar keine Bedenken, aber ich muss zur Kenntnis nehmen, dass manche „entsorgen“ missverstehen. Aber dass der Lärm, der um diese Geschichte gemacht wird, völlig falsch ist …
FP: Herr, Herr Gauland, Sekunde …
AG: … ich zitiere Ihnen ein …
FP: Herr Gaul … entschuldig….
AG: .. mich hat ein SPD-Abgeordneter genannt, ich sei ein mieser dreckiger Hetzer. Dieser selbe SPD-Abgeordnete hat 2013 gesagt, „Ja, wir wollen alle die Merkel entsorgen.“ Es kann nicht sein, wenn ich das Wort „entsorgen“ nehme, das dann Hetze ist und wenn ein Sozialdemokrat das macht, dann ist das normale politische Auseinandersetzung.
FP: Das ist im Zweifelsfalle dann auch Hetze, wenn man das dann im Zweifel beurteilen muss im Lichte des Kontextes von damals. Sie sind Journalist, sie haben ein Buch geschrieben, sie sind ein Mensch, der mir Sprache umgehen kann. Wenn Sie jetzt sagen, dass sie gar keine Bedenken hatten zunächst, das Wort „entsorgen“ zu verwenden, Ihre Rede wirkt ja strukturiert, ist ja nicht so, dass sie sich da in Rage geredet haben, wie ist das zu erklären, dass ein Mann mit Sprache so was nicht merkt, es sei denn, es steckt Absicht dahinter?
AG: Ich habe frei gesprochen. Und da habe ich den Begriff gebraucht, weil ich ihn in anderem Zusammenhang mehrmals gehört habe und das ist der Beleg dafür. Ich habe überhaupt nicht an das gedacht, was jetzt hier versucht wird hineinzuinterpretieren, irgendwie Abfall. Ich wollte ganz klar sagen, das waren ja auch die Aussagen, was Frau Özoguz über Deutschland gesagt hat, das passt nicht zu diesem Land, dass passt nicht zu dieser Regierung und das passt nicht zu uns.
FP: Gestatten Sie, dass ich Inhalt, darüber kann man natürlich diskutieren, Inhalt und Form trenne, wenn Sie sagen, dass Ihnen nicht bewusst ist, wie man das Wort entsorgen versteht in Deutschland, sie sind über 70 Jahre alt, haben auch Wandlungen der deutschen Sprache mitgemacht, dann muss ich Ihnen vielleicht einmal zeigen, wie zwei Professoren, der eine ist Sprachwissenschaftler, der andere ist Jurist, das beurteilen.
(Es folgt ein Einspieler einer Analyse des von Gauland Gesagten. Professor Thomas Niehr meint, Menschen werden so zu Müll gemacht und Professor Thomas Fischer, vorgestellt als „Ikone der Deutschen Rechtsprechung“ empfiehlt ein Prüfung des Gesagten auf den Tatbestand der Volksverhetzung durch die zuständige Staatsanwaltschaft.)
FP: Herr Gauland, sie sind nicht nur Autor und Journalist, sondern auch promovierter Jurist. Ist Ihnen heute klargeworden, dass Sie sich eventuell auch strafbar gemacht haben?
AG: Nein, und das glaube ich auch nicht. Dem sehe ich mit Gelassenheit entgegen. Wissen Sie Herr Plasberg, Auseinandersetzungen im Wahlkampf sind manchmal hart. Und wenn man meine Co-Kollegin Weidel eine Nazi-Schlampe nennt und ein deutsches Gericht sagt: Na, das gehört einfach zur Auseinandersetzung und ist eben Satire, dann kann ich nur sagen, dann ist dieses Wort vom „entsorgen“ völlig harmlos.
(Es folgt der von FP anmoderierte Einspieler „Nazi-Schlampe“)
FP: Herr Gauland, sehen sie einen juristisch festgestellten Unterschied zwischen einer Satire mit einer Überspitzung, die als solche klar erkennbar ist und ihrer politische Rede?
AG: Ich sehe hier überhaupt keinen Unterschied. Und Herr Plasberg, Nazi-Schlampe ist ein übles Schimpfwort und soll auch bewusst uns in eine bestimmte Ecke stellen. Und das jetzt mit Satire zu verbinden, ist, Entschuldigung, zutiefst unfair. Und eine junge Dame so zu bezeichnen und das dann als Satire auszugeben, halte ich für völlig daneben. Dagegen ist entsorgen ein harmloses Wort: und wenn ein sozialdemokratischer Abgeordneter Frau Merkel entsorgen will, schreit auch nicht alle Welt auf.
FP: Herr Gauland, mit ist durchaus bewusst, dass wir gerade, wir als hart aber fair, die Gäste, die hier mit am Tisch sitzen, genau über das Stöckchen springen, dass sie uns hinhalten. Sie hauen einen bösen Spruch raus, die rechten AfD-Anhänger sind begeistert, Sie rudern hinterher zurück, die Botschaft ist angekommen, Sie haben Medienwirbel, es hat alles geklappt. Das ist die Methode, die häufig angewandt ist. Meine Frage ist: haben Sie nicht Angst, dass sie potentielle AfD-Wähler, die vielleicht sagen, ich bin mit der Politik von Herrn Röttgen, von Herrn Trittin nicht einverstanden, wir brauchen ein deutlicheres Signal in verschiedenen Dingen zum Beispiel der Flüchtlingspolitik, dass sie diese AfD-Wähler verschrecken, die noch unterscheiden können, was redlich ist und was unredlich ist?
AG: Herr Plasberg, man kann nie wissen, wie man bei Wählern ankommt und wie nicht. Ich habe das Wort nicht gebraucht, um bewusst zu provozieren. Ich habe die Rede verhältnismäßig frei gehalten. Und da ist mir dieses Wort in den Mund gekommen. Das kann man für einen Fehler halten. Ich habe auch heute deutlich gesagt, dass das „entsorgen“ ein Fehler war. Aber ich bleibe bei dem, was ich inhaltlich gesagt habe.
FP: Es geht auch um Kulturkreisunterschiede. In unserem Kulturkreis, den Sie vehement verteidigen, gehört, wenn man zugibt, daneben gelangt zu haben, eine Entschuldigung. Haben Sie sich bei Frau Özoguz entschuldigt? Oder wollen Sie das noch tun?
AG: Nein. Das ist meiner Ansicht nach aus der Formulierung nicht zu entnehmen. Ich kann mal Herrn Kahrs fragen, ob er sich bei Frau Merkel entschuldigt hat, die er auch „entsorgen“ wollte. Das ist jetzt, entschuldigen Sie lieber Herr Plasberg, eine rhetorische Frage. Nein, ich muss mich bei Frau Özoguz nicht entschuldigen und wir werden sehen, ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eröffnet.
Plasberg wollte mit Gauland, so seine Worte, klären, wo die Grenzen des Anstands in der Politik verlaufen. Das hat er nicht geklärt, die zwei kamen sich keinen Schritt näher. Danach hätte Plasberg Gauland aus der Sendung bitten oder Gauland von sich aus gehen müssen.
Den Rest spare ich uns. Dass die anderen denjenigen in Grund und Boden reden, den Frank Plasberg so vorführt und dieser selbst nicht minder, ist weder überraschend noch des Wiedergebens wert.
Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, entschuldigt Gaulands Wortgebrauch nicht. Dass einer von der SPD sich gleich ausdrückte (und sich sicher genügend andere finden lassen, die das auch schon getan haben, Medien etwa, die davon berichten, dass Politiker nach Brüssel entsorgt werden), rechtfertigt den Begriff entsorgen für Menschen in keiner Weise. „Nazi-Schlampe“ ist ein übles Schimpfwort und keine Satire. Doch einen Menschen „entsorgen“ fällt in eine völlig andere Kategorie.
Dass Frank Plasberg Herrn Gauland vorführte, ist das eine. Wie Herr Gauland sich selbst vorführen ließ und selber vorführte, ist das andere. Die harten Anhänger der AfD werden sich bestätigt fühlen. Was das Tribunal über den Angeklagten durch ihn selbst sagt, werden viele übersehen. Weil sie die Art, wie der Ankläger mit Gauland umsprang, nicht als fair empfinden.