Harald Schmidt: Volk will „Große Koalition“ – aus CDU und AfD

Harald Schmidt kann es nicht lassen und stellt die Brandmauer infrage. Die Menschen „sehnten“ sich nach einer „Großen Koalition“ – aber aus CDU und AfD. Die Medien nehmen die Provokation genüsslich auf. Die eigentliche Pointe liegt aber woanders.

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Was haben die Harald-Schmidt-Show und Kevin Kühnert gemeinsam? 20 Jahre lang gelaufen, aber nur mäßig erfolgreich. So witzelt Kult-Entertainer Harald Schmidt selbst über alte Erfolge. „Nur drei Jahre lief die ‚Harald Schmidt Show‘ im Fernsehen richtig gut“, sagt Schmidt. Aus unerfindlichen Gründen sei sie nie abgesetzt worden. Aber Kühnert verschwindet trotz Inkompetenz und überbordender Durchschnittlichkeit eben auch nicht.

Drei Stunden lang unterhält „Dirty Harry“ das Publikum in Dessau. Es ist Wahlsonntag in Sachsen und Thüringen, die Brandenburg-Wahl ist nicht fern. Dennoch geht es nur in wenigen Momenten um Politik. Wenn Schmidt aber ansetzt, landet er einen Volltreffertreffer. Die Medien sind aus dem Häuschen.

Früher sorgte die heftige Zote für Aufregung. Heute reicht eine politische Tatsachenbeschreibung bereits für den Skandal. An Schmidt kann man sich halten, weil er ein Fossil ist, das bereits vor der Merkel-Ära existierte. Der Meinungskorridor hat sich seitdem verengt. Schmidt ist geblieben. Unter seinem Schutzschirm darf man lachen. Denn wer Schmidt angreift, der wird in den Boden gerammt. Das Bonmot, für Böhmermann habe es gerade noch zur Krawallschachtel gereicht, bleibt an dem ZDF-Comedyzwerg hängen. Was der Altmeister aufspießt, das bleibt filetiert.

Besonders hellhörig wird der Journalistenzirkus, wenn Schmidt auf das Thema AfD trifft. Erinnert sich noch jemand an das Foto von Matussek und Maaßen bei der Weltwoche? Nein? Schmidt hat auch hier seine Gegner ausmanövriert. Weil er den Medienzirkus besser kennt als die Statisten, die bei ihm mitlaufen, und das Programm für Realität halten. Schmidt kennt die Zirkusarena. Er steht aber immer einen Schritt abseits. Einerseits, weil er weiß, was Show, was Wirklichkeit ist. Andererseits weil er aufs Publikum achtet. Andere achten nur auf die Clowns.

So ist auch jede – spärlich gesetzte – Pointe an diesem Wahlsonntagabend gezielt gesetzt. Er weiß, wie man den Gegner provozieren kann, ohne sich selbst angreifbar zu machen. Seine freudige Parteinahme für das Apolitische ist eine Haltung, die irritiert, eben weil sie im Zeitalter der politischen Bekenntnisse haltungslos ist. Demonstrative Unaufgeregtheit im Angesicht des Grotesken ist zielgerichteter als beständige Aufgeregtheit. Wer sich aufregt, wer sich empört – der macht mit.

Schmidts Sprüche sind für das Medienkollektiv problematisch, weil er sie ohne Credo spricht. Die von den Medien zum Hollywoodstar zelebrierte Kamala Harris holt er auf die öde Fadheit eines Olaf Scholz runter. Nett lächeln, ins Publikum winken. Der Medienstar ist eine nichtssagende Mogelpackung. Schmidts Kunst der Dekonstruktion liegt in der Nonchalance, mit der er es tut. Ätzen mögen andere.

Bei Sahra Wagenknecht reicht es zur simplen Feststellung, dass sie die bessere Politikerin sei. Eben wie die Stabhochspringerin aus seiner Schulzeit. Die war eine bessere Sportlerin. Das ist das ganze Geheimnis des Wagenknechterfolgs.

Apropos Wagenknecht: Wie die Berliner Zeitung schon feststellte, ging es am Sonntag weniger um die Wahl als darum, wie diese zustande kam. Dabei geht es auch um den Konflikt mit Russland. Wenn US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert würden, dann würden dafür mit Sicherheit auch deutsche Ortskräfte gebraucht. „Den potenziellen deutschen Ortskräften gab er den Tipp, fleißig zu trainieren, um bei einer möglichen abrupten Abreise der Amerikaner, wie dies ja beispielhaft in Afghanistan geschehen war, ausreichend fit zu sein, um auf ein fliehendes Flugzeug aufspringen zu könne“, heißt es in der Berliner Zeitung.

Ist das schon Wahlwerbung für das BSW? Schmidt weiß, die Balance zu halten. Denn die Stelle, die durch die Medien geistert, handelt natürlich von der AfD. „Die Menschen haben Sehnsucht nach einer großen Koalition“, erklärte Schmidt in der Marienkirche. Um nach einer Kunstpause hinzuzufügen: Nach einer Koalition zwischen AfD und CDU.“

Es habe „schamhaftes Gelächter“ gegeben, heißt es übereinstimmend. Das muss man sich notieren: das Publikum weiß nicht, ob es über einen Witz eigentlich lachen darf – oder kann. Schmidt betreibt ein Stück weit ein Sozialexperiment. Er ist nicht das Kind, das auf den nackten Kaiser zeigt. Vielmehr testet er aus, ob es noch Kinder in der Menge gibt, die zu lachen wagen, wenn er auf das entblößte Gesäß des Monarchen draufklatscht. Das ist die eigentliche Pointe.

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Kommentare ( 42 )

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42 Comments
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Ralf Poehling
11 Tage her

Das eigentliche Problem wird selten beim Namen genannt: Die CDU ist der Wackelkandidat. Bei der CDU weiß keiner was er bekommt. Bei AfD, Grünen, SPD, FDP, und nun BSW weiß man es. Die CDU ist keine konservative Partei mit Prinzipien, sondern eine Postenbeschaffungsmaßnahme. Und das hat dann mit Demokratie kaum noch was zu tun, denn die tun nicht das, was der Wähler erwartet, sondern nur das, was ihnen ihre Posten erhält. Das gilt nicht für jeden in der CDU, aber für sehr viele. Marketingtechnisch ist die CDU exzellent in Form. Politisch aber ein permanentes Täuschungsmanöver. Und das ist brandgefährlich. Für… Mehr

RA.Dobke
9 Tage her
Antworten an  Ralf Poehling

Oha, nun mal langsam! Sahra Wagenknecht betreibt Personenkult für sich das hat sie als „Stalinistin“ gelernt und verinnerlicht. Sie führt auch keine Partei in unserem demokratischen Sinne, in die der Bürger Einlassbekommt , an demokratischer Mehrheitsmeinung mitzuwirken teilhaftig zu sein. NEIN, sie betreibt eine Kaderpartei und das ist nicht i.S.v. unseren Parteiengesetzen! Sie will Macht um jeden Preis und da sucht sie bei den Unzufriedenen Zuspruch. Gleichgültig, ob die von rechts oder links sind!

maru
11 Tage her

Ich weiß jetzt gar nicht, was es da zu lachen geben soll.
Eine Große Koalition aus AfD und CDU ist genau das, was ca. 60 % in Thüringen und Sachsen gewählt haben.

Thomas
11 Tage her

Ich würde denken eine CDU – AFD Koalition wäre viel glimpflicher als in einigen Jahren eine Koalition aus AFD und einem dann mE wahrscheinlich neu entstehenden rechtsradikalen Bündnis (für Remigration).
Wenn die jetzigen Akteure die Probleme nicht angehen türmen diese sich immer weiter auf und die Menschen werden anderen Problemlösern die Macht geben.

Deutscher
11 Tage her

Pispers, Schramm und Priol stellen sich nachträglich als linke Wasserträger heraus. Keiner von ihnen würde heute wagen, sich gegen Regierung und Pressemeinung zu kompromittieren.

Anders Lisa Fitz und Matthias Richling: Sie sind nach wie vor relevant, weil sie immer noch mit den Augen des Volkes auf die Mächtigen schauen.

Last edited 11 Tage her by Deutscher
Logiker
11 Tage her

Alle – in Ost oder West – haben mit der Ampel vor Augen, was passiert, wenn wider besseres Wissen Koalitionen aus Parteien gebildet werden, die inhaltlich nicht zusammengehören – in diesem Falle aus reinen Machtgelüsten. Dazu ein in großen Teilen naives Wahlvolk, unfähige Politikerpersönlichkeiten – und fertig ist das Gebräu aus der „demokratischen“ Hexenküche. Ähnliches steht in Thüringen und Sachsen, sehr wahrscheinlich in Brandenburg und möglicherweise bei der wer weiß wann stattfindenden nächsten BT-Wahl bevor. Wenn Ideologie („unsere“ Demokratie, Brandmauer) über politischen wie wirtschaftlichen Sachverstand gehen, obendrein noch die ach so selbständigen Landesverbände der CDU oder der Freien Wähler aus… Mehr

Last edited 11 Tage her by Logiker
Maunzz
11 Tage her

Schmidt macht keine einseitige Satire gegen eine politische Richtung. Auch Nuhr lässt sich nicht von einer politischen Strömung vereinnahmen. Propaganda kann jeder.

Deutscher
11 Tage her
Antworten an  Maunzz

Nuhr? Seine einzige klare Position ist anti AfD. Er traut sich nicht wirklich was, denn regelmäßiges AfD-bashing ist seine Versicherung gegen Cancel Culture.

tichoz
11 Tage her
Antworten an  Deutscher

Hat – wie sich jetzt herausstellt – der AfD nicht geschadet. Die AfD beherzigt ein Goebbels Prinzip: Lieber schlecht über die AfD reden lassen als gar nicht.

C
12 Tage her

Wichtige Entertainer und Kabarettisten wie Harald Schmidt, Volker Pispers oder Georg Schramm haben sich rar gemacht oder sind ganz von der Bühne verschwunden. Erinnern Sie sich noch an Erwin Pelzig und das Goldman-Sachs-Netzwerk? Grandios.
Die Nachfolger sind – zumeist – zahnlos.
Will man jene nicht oder gibt es sie nicht oder trauen sie sich nicht mehr?

Deutscher
11 Tage her
Antworten an  C

Pispers und Schramm? Gegen wen sollen sie noch wettern? Die Ampel ist für die kein Feindbild und auf der AfD hacken alle anderen schon rum.

Lisa Fitz und Matthias Richling, das sind gute Leute!

Last edited 11 Tage her by Deutscher
Haba Orwell
12 Tage her

> „Den potenziellen deutschen Ortskräften gab er den Tipp, fleißig zu trainieren, um bei einer möglichen abrupten Abreise der Amerikaner, wie dies ja beispielhaft in Afghanistan geschehen war, ausreichend fit zu sein, um auf ein fliehendes Flugzeug aufspringen zu könne“

Ich habe gelesen, die Aufspringenden in Kabul waren besonders verhasste Angehörige der CIA-Foltertruppen – derartige gibt es in Buntschland zum Glück noch nicht. Ob die oft zuhauende Antifa ähnlich verzweifelt werden dürfte? Oder die Klebenden:innen, die sich diesmal an US-Militärflugzeuge zwecks Flucht kleben könnten?

Harry Charles
12 Tage her

DAS FUNDAMENT DER BUNDESREPUBLIK ist rechtskonservativ. Es fing an mit Adenauer, dann kam Erhard, dann Kiesinger, ein kurzes Intermezzo mit (dem damals als links, heute aber auch schon als rechtsradikal geltenden) Brandt, auf den folgte Schmidt (SPD, aus heutiger Sicht aber ganz böse räächts), dann Kohl. Mit dem begann es schon zu kippen, denn er hat zwar seine Verdienste bei der Wiedervereinigung, uns aber auch den unsäglichen € aufgehalst (hoffentlich kommt der wieder weg!). Dann kam Schröder, zwar SPD, aber man höre sich mal an, was der heute über seine Partei sagt (dann weiß man, warum die in Richtung 5%… Mehr

tichoz
11 Tage her
Antworten an  Harry Charles

Danach kam die Piratin, Angela Merkel. Die es bis dahin nicht geschafft hatte. Aber ihre Wut reichte, die Männer in der CDU kirre zu machen, so daß diese heute noch nicht wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind. Eine Frau Karin Prien achtet darauf, daß dieser CDU-Zug nicht aus den Gleisen springt. Wie eben, die CDU darf nicht mit der AfD. Sie lauert unter den Linden.

Jens Frisch
12 Tage her

Vor 40 Jahren war das noch „der Klassenfeind“ – das sozialistische Vokabular ist so austauschbar, farblos und trist wie die Architektur, die er hervorgebracht hat.