Auf die Hausdurchsuchung folgen die Fake News

Robert Habeck behauptet bei „Berlin direkt“, dass die Hausdurchsuchung bei Stefan Niehoff vornehmlich auf antisemitische und rassistische Äußerungen zurückgehe. Eigentlich ein Grund, um den Minister anzuzeigen. Braucht es einen Volksverhöhnungsparagrafen?

picture alliance/dpa | Larissa Schwedes

Manchmal muss man Robert Habeck dankbar sein. Kaum ein deutscher Politiker schafft es, sich ein noch tieferes Loch zu graben, wenn er in der Grube sitzt. Auf „Schwachkopfgate“ wusste der Bundeswirtschaftsminister lediglich mit Verleumdung zu antworten: Habeck insinuierte, dass ja da noch andere Sachen liefen, wegen Rassismus und Antisemitismus, die ja der eigentliche Grund für die Hausdurchsuchung gewesen seien.

Auch mit der Erklärung, dass „Schwachkopf“ nicht die schlimmste Beleidigung sei, kommt Habeck der Kritik zuvor. Er suggeriert nämlich, dass unter den hunderten Fällen, in denen er gegen Beleidigung und Drohung vorging, die meisten natürlich legitim seien. Und dass er, Robert Habeck, nichts Falsches getan habe. Ein Opfer allein kann schließlich nicht aufwiegen, was der Minister zu ertragen hat.

— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) November 17, 2024

Der Minister, der so häufig behauptet, Verantwortung zu übernehmen oder diese übernehmen zu wollen, schiebt also jede Verantwortung von sich. Die Agenturen, die Beleidigungen aus dem Netz filtern, die Staatsanwaltschaft, die Polizei, Niehoff selbst – sie alle sind Schuldige in dieser Tragödie, nur Habeck allein ist schicksalhaft hineingestolpert.

Die Habeckianer argumentieren in ähnlicher Weise. So oder so wäre es zur Hausdurchsuchung gekommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Kausalkette, die von einem simplen Retweet zur Hausdurchsuchung führte, ist ohne den Strafantrag des Ministers nicht denkbar.

Das zu leugnen, hieße die Realität zu leugnen; das ist eine Sportart, bei der zahlreiche Aktivisten, Journalisten und Politiker seit Jahren mitmachen. Leider hat sich in dem Milieu die Weisheit von Jean-Claude Juncker durchgesetzt, dass man lügen müsse, wenn es denn ernst wird.

Die Dreistigkeit, mit der die Unwahrheit in der Verteidigungslinie linker Argumentation derzeit bemüht wird, kennt keine Schamgrenzen. Mittlerweile verbreitet sich das Argument, dass die Durchsuchung gar nichts mit dem „Schwachkopf“-Meme zu tun habe, und einzig wegen Antisemitismus und Volksverhetzung durchgeführt worden sei. Habecks Statement hat solchen akrobatischen Verrenkungen im Kampf gegen Wahrheit und Meinungsfreiheit den fruchtbaren Boden bereitet.

Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Wenn ein „Schwachkopf“-Meme, das nicht einmal erstellt, sondern nur verbreitet wurde, die Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft, dann hat Deutschland ein Problem. Das heißt nicht X, Elon Musk, Donald Trump oder AfD. Das heißt schlichtweg Robert Habeck. Er hätte die Möglichkeit besessen, sich bei Berlin direkt schockiert zu zeigen. Dass derlei nicht in einem Rechtsstaat vorkommen dürfte. Dass dies Bilder aus Orbáns Ungarn oder Trumps USA seien, die man in Deutschland, seinem Deutschland, nicht haben wolle. Natürlich werde er mit Herrn Niehoff das Gespräch suchen. Am Küchentisch.

Habeck zeigt sich in der Realität dagegen genauso beleidigt und uneinsichtig wie der Mann, der den Strafantrag unterzeichnet hat. Als Minister kann man schließlich nicht immer wissen, worunter man alles sein Autogramm zeichnet. Etwa beim Atomausstieg. Oder beim Heizgesetz. Habeck konnte schließlich auch nichts von den Verstrickungen Patrick Graichens wissen.

In solchen Situationen passiert dann Folgendes: Habeck zeigt sich verwundert. So wie sein Büro. Wer die Demokratie verteidigt, kann schließlich nicht dafür verantwortlich sein, dass diese zentimeterweise stirbt.

Seit einigen Tagen kursiert deswegen ein Video auf X. Es zeigt Bundeskanzler Helmut Kohl. Der antwortet auf die Fragen eines jungen Günther Jauch, bezüglich der vielen Diffamierungen gegen ihn. „Wer in der Politik an der Spitze steht, ist wie der Hahn auf dem Kirchturm. Jeder Wind, jeder Sturm umweht ihn. Das muss man aushalten“, sagt Kohl. Haben sich die Zeiten so sehr geändert? Oder sind es nicht eher Journalisten und Politiker?

Denn es geht nicht um Beleidigungen als solches, auch, wenn Grüne und ihre Mitgrüne dies behaupten. Wenn Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten zum „Ziegenficker“ herabwürdigt oder extra3 Alice Weidel zur „Nazischlampe“ degradiert, dann ist das Satire. Diese hohe kreative Schaffenskraft besitzt Stefan Niehoff aus unbekannten Gründen nicht, wenn er einen Witz formuliert. Die Elite schützt sich selbst und verbietet die Waffen, die sie selbst benutzt. Es sind Privilegien. Mehr noch: Es sind verinnerlichte, unausgesprochene Privilegien.

Wenn in den nächsten Monaten wieder das Trump-Derangement-Syndrom seine Feste feiert, und man gegen die amerikanische Rechte schlimmste Schmähungen bringen darf, dann ist das wieder Presse- und Meinungsfreiheit. Niemals darf aber nur ein Zehntel dieser Häme gegen die eigenen politischen und medialen Vertreter gedreht werden. Dasselbe ist im deutschen Wahlkampf zu erwarten.

Dabei geht es nicht einmal um rechte Journalisten und rechte Politiker. Schon User aus dem rechten Spektrum dürften sich seit Euro-Krise, Migrationskrise und Corona-Krise die schlimmsten Beschimpfungen anhören. Manchmal aus dem Mund hochdotierter Politiker. Die Mächtigen durften das Volk beschimpfen, wie es ihnen beliebte. Doch wehe, jemand postet das Schwarzkopf-Logo mit einem Habeck-Bildchen und „Schwachkopf“-Schriftzug. Der Geist der Corona-Jahre, das Volk möglichst an die kurze Leine zu nehmen: Er sitzt immer noch in den Ämtern. Darf man noch auf einer Bank ein Robert-Habeck-Meme auf dem Smartphone lesen?

Vielleicht sollte man nicht nur den Paragrafen 188 abschaffen. Sondern auch den zur Volksverhetzung um den der Volksverhöhnung erweitern.

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