Der Schulterschluss von Staat und Internet-Monopolisten ist gefährlich

Das Regierungsportal gesund.bund.de wird von Google bevorzugt: Da kommen zwei zusammen, die nicht zusammen gehören. Die Zeitungsverleger sind entsetzt - die Regierung braucht sie nicht mehr. Sie werden mit ein paar Brosamen besänftigt.

imago images / photothek
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, und Philipp Justus, Vice President Google Zentral-Europa

Die Enttäuschung der deutschen Zeitungsverleger ist groß. Und sie reagieren so gekränkt, wie eine Braut, die vom Angebeteten nicht erwählt, sondern zugunsten einer attraktiveren oder vermögenderen sitzen gelassen wird. Die Bundesregierung hat nicht die Zeitungen erwählt, um ihr neues Gesundheitsportal vor die Augen der Deutschen zu bringen, sondern – Google natürlich. Laut Rudolf Thiemann, Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), ist das „ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.“ Die Bundesregierung braucht die herkömmliche Presse wohl nicht mehr; es gibt doch Google. 

Was ist passiert? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte am Dienstag eine Kooperation mit dem amerikanischen Konzern und Suchmaschinen-Quasi-Monopolisten bekannt gegeben. 

Sucht man bei Google seither nun nach Krankheiten – sagen wir „Covid“ –  erscheinen Informationen des Portals „gesund.bund.de“, das das Bundesministerium für Gesundheit herausgibt, in einem hervorgehobenen Info-Kasten. Aber: Es ist beim ersten Hinsehen nicht erkenntlich, dass es sich um ein Regierungsportal handelt. Nur unten in dem Kasten steht der verlinkte Hinweis „weitere Infos: gesund.bund.de“ Im Browser allerdings erscheint dann in der Registerkarte, dem sogenannten Reiter, sogar ein kleines google-Symbol mit drei Punkten in Schwarz-Rot-Gold. Google erhält also einen quasi-hoheitlichen Anstrich. Andere Suchergebnisse dagegen sind erst erkennbar, wenn man herunterscrollt.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Es sei nun einmal eine Tatsache, dass die große Mehrheit der Deutschen jeden Tag Google nutze, wird Spahn dazu zitiert. Dass nun ausgerechnet ein CDU-Minister aus der Partei Ludwig Erhards das De-facto-Monopol von google nicht nur mit einem verbalen Schulterzucken hinnimmt, sondern es auch noch in den Dienst der eigenen Regierung nimmt, ist schon bemerkenswert. Bemerkenswert auch die Mischung aus Hybris und Selbstverzwergung eines Ministeriums, das zwar einerseits glaubt, den Internetnutzern die einzig verlässlichen Informationen über Krankheiten vorhalten zu müssen, andererseits sich aber der Marktmacht eines Privatunternehmens klaglos unterwirft: „Wenn wir ein Interesse daran haben, objektive, fundierte, evidenzbasierte Informationen rüberzubringen, dann bringt es mir nichts, wenn wir bei Google an Stelle 783.000 auftauchen.“ 

Die Kooperation ist ein prägnantes Beispiel für den Orientierungsverlust in der politischen Klasse. Nicht nur, weil die Regierenden stützen und stärken, was sie gemäß den Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verhindern müssten – nämlich Monopole. Dazu kommt etwas noch Grundsätzlicheres, nicht nur für die Wirtschaftsordnung, sondern für die Demokratie Gefährliches: Das Bundesministerium weiß offenbar wie auch die gesamte Bundesregierung nicht mehr genau, was seine Aufgaben sind – und was nicht. Oder: Will es nicht mehr wissen.

Die Regierenden haben in einem freiheitlichen, demokratischen Staatswesen weder die Pflicht, noch ein Vorrecht, die Bürger über Krankheiten oder sonstige Dinge des privaten Bereichs zu unterrichten. Und es ist auch nicht Aufgabe eines Ministers festzulegen, was „objektive, fundierte, evidenzbasierte Informationen“ sind – und was nicht.

Die Tendenz, die „Information“ der Bürger (früher hätte man es einfach und durchaus nicht abwertend „Propaganda“ genannt) wichtiger zu nehmen als das eigentliche Regieren, und dabei potentiell kritische Vermittlungsinstanzen zu umgehen oder einzuseifen, ist schon lange unübersehbar. Diese Tendenz ist gefährlich, da sie stets die Gefahr in sich birgt, dass die Regierenden die freie Meinungsbildung beeinflussen und in letzter Konsequenz außer Kraft setzen, indem sie sich anmaßen eine höchste Instanz der Wahrheit zu sein. Im Gegenteil muss man festhalten: Politische Kommunikation zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie nicht „objektiv, fundiert und evidenzbasiert“, sondern an politischen Interessen und Machtgewinn orientiert ist.

Darum ist es vermutlich ist es auch kein Zufall, dass bei der google-Suche nach „Covid“ der Info-Kasten von gesund.bund.de nicht nur größer, sondern auch zentral erscheint, während bei „Lungenentzündung“ ein deutlich kleinerer Kasten am rechten Bildrand erscheint – und ausgerechnet bei dem Suchwort „Krebs“ überhaupt keiner. Könnte das daran liegen, dass es kein politisches Interesse auf Seiten der Bundesregierung gibt, über Krebs, aber ein umso größeres, über Covid-19 zu informieren?

Die Kritik des Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Rudolf Thiemann, ist darum eigentlich durchaus treffend: „Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.“

Glaubwürdiger wären solche harten Verleger-Worte aber, wenn die private Presse, für die Thiemann spricht, nicht nur dann die Regierenden kritisierte, wenn es um ihre eigenen finanziellen Interessen geht. Die Pläne der Bundesregierung, die Zeitungsverlage mit bis zu 260 Millionen Euro zu subventionieren, stießen in den Verbänden jedenfalls nicht auf Kritik, obwohl man auch in ihnen den Versuch der Verdrängung anderer, nicht subventionierter Medien erkennen könnte.  

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 36 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

36 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Takeda
4 Jahre her

Also ganz ehrlich? Prinzipiell hat Spahn doch recht, die hiesigen Medien haben ihre Glaubwürdigkeit längst verloren. Und die meisten, vertrauen der Deutschen Presse eh keinen Yota mehr. Wenn ich persönlich Informationen über Corona möchte, suche ich diese mit Google und mit Sicherheit nicht mit Deutschen Medien.

Kürzlich gab es ja eine Wahl-Präferenz Umfrage bei ARD Volontären wo 92% Grün, (Dunkel)Rot, Rot wählen würden. Dieses Ergebnis ist keine Zukunft, dieses Ergebnis ist bereits ein IST-Zustand! Zumindestens aber, gibt es eine Menge Opportunisten, die sich dem Links-Grünen Irrweg unterwerfen.

Hoffnungslos
4 Jahre her
Antworten an  Takeda

Also ganz ehrlich Herr Takeda, warum müssen wir dann ein Gesundheitsministerium finanzieren, wenn Google das doch alles viel besser kann?
Warum müssen wir ein Verteidigungsministerium finanzieren, obgleich Frau vd.Leyen viele Arbeitsbereiche an Berater delegiert hatte?
Können oder wollen die Bundesministerien nicht mehr ihre Arbeit leisten?

Cubus
4 Jahre her

„Die Kooperation ist ein prägnantes Beispiel für den Orientierungsverlust in der politischen Klasse.“
Orientierungsverlust? Die wissen genau, was sie machen. Früher wählte man eine Regierung, die dem eigenen Volk verpflichtet war. Heute wählen wir Politiker, die den Lobbyisten dienen oder gleich den Herrschern der NGOs und Digitalkonzernen.

Olaf W1
4 Jahre her

Spannend! Da das Netz – wie für unsere Obervorturner – für viele Nutzer „Neuland“ ist, werden auf einer inhaltlich höchst fragwürdigen Seite „Tatsachen“ benannt, dokumentiert und bestätigt, die Google an erster Stelle impressioniert. Viele werden darauf klicken, das lesen und sich dann sagen „Mensch, was Spahn und Merkel sagen stimmt ja doch! Das steht ja so auch im Internet!“

friedrich - wilhelm
4 Jahre her

…..und wenn dann die investoren in die medien gleichzeitig noch an pharmafirmen beteiligt sind, sieht es ganz düster aus nicht nur in deutschland! und was das tollste daran ist: es interessiert niemanden! nun sind die länder mit bezahlen dran, die verträge über impfstoffe abgeschlossen haben!

prague
4 Jahre her

Wozu soll sich Spahn mit Zeitungen abgeben, sie machen sowieso alles mit und das mit vorauseilendem Gehorsam.Ob das Covid, Migration,Klimawandel oder Trump,GB, Israel, Visegrads und andere, sie machen alles, um sich Liebkind zu machen, sie diffamieren und hetzen und scheinbar hilft das alles noch nicht und merken nicht, dass das der Grund ist, weshalb sie ihre Leser verlieren.

old man from black forrest
4 Jahre her

Die Kooperation mit google macht Sinn. Der Staat muß seine“Propaganda“ dort platzieren, wo sie auch wahrgenommen wird. Und das ist nicht im Käseblatt für Regierungsbejubler und Trumpbasher, das ansonsten aber keiner mehr lesen will. Für die „Verdreher der Pressefreiheit“ winkt dann halt das Sozialamt oder eine produktive Tätigkeit mit der Hand am Arm.

Hoffnungslos
4 Jahre her

„gesund und bunt“ mit Jens Spahn auf Google? Was versteht Herr Spahn denn unter bunter Gesundheit? Was hat Google damit zu tun? Heißt es demnächst: „bunt und gesund geimpft mit Google“? Wozu finanzieren wir ein sog. Gesundheitsministerium, wenn Google mit Hilfe unserer Regierung bunt und weltweit die Gesundheitsvorsorge übernimmt? Wieder ein Schritt in Richtung One World Government durch einige Multis. Wie sagte Trump: Sie sind nicht hinter mir her, sie sind hinter Euch her. Ich stehe ihnen nur im Weg.

taliscas
4 Jahre her

Da hat die ganze Schleimschreiberei nicht wirklich genutzt, außer den Erkenntnissgewinn bekommen, dass man alt und überflüssig ist, sowieso ja bald am Tropf hängt und deswegen nicht mucken soll. So läuft Totalitarismus im Salamistil

Helmut Kogelberger
4 Jahre her
Antworten an  taliscas

Da buckelt und kratzfußt man selbst noch um drittklassige Politdarsteller herum, und wenn man sich dann „recompense für seine treuen Dienste“ erhofft, zieht der Spahn das Konkubinat mit einem Silicon Valley Konzern vor. Das ist bitter.

Hegauhenne
4 Jahre her

Ich zappte neulich in eine Gesprächsrunde des BR, wo „Fachleute“ darüber diskutierten, daß wir ENDLICH eine Europäische Digitalisierung bräuchten, alles nur made in Europe, alles nur europäisch-demokratisch-freiheitlich, selber gemacht und ….. gänzlich frei von nicht-europäischen und bösen Einflüssen. Und ich dachte, das ist ja lustig, das fällt euch jetzt ein? Jetzt, wo alles längst verteilt ist, wo die IT-Größen sich längst ihre Heimaten gesucht haben? Wo Europa eine digitale Wüste ist? Das dachte auch wohl der Jens. Wobei ich nicht wüsste, warum ich in Sachen Gesundheit ausgerechnet einem Ministerium vertrauen sollte, das in der Coronakrise als größter Versager dasteht. Die… Mehr

Tee Al
4 Jahre her
Antworten an  Hegauhenne

Zur Digitalisierung Europas mal folgende Information.
Der Kuchen und dessen Wert ist schon aufgeteilt, wie man hier an den Plattformen sehen kann.
https://www.linkedin.com/posts/drholgerschmidt_news-aus-der-plattform-welt-der-plattform-index-activity-6728958936554246144-jXBL

Noch deutlicher ist es verhält es sich mit der Virtualisierung der Rechenzentren und Software oder Clients und die Lösungsanbieter dazu
Der Markt ist aufgeteilt zwischen Microsoft, VMWare, Parallels, HP, IBM

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Tee Al

…ja, und damit hat der us – staat nicht nur per patriot act zugang zu allen daten, die dort gehalten werden! personaldaten, produktionsdaten,forschungs- und entwicklungsdaten….. im ungünstigsten falle sind diese dann für immer verloren!

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Hegauhenne

……au backe, dann wird der impfstoff wohl in den menschlichen körper hinein geschossen?!

Marinero
4 Jahre her

Kleiner Einwand, mit Verlaub …
Zitat: „Dass nun ausgerechnet ein CDU-Minister aus der Partei Ludwig Erhards das De-facto-Monopol von google nicht nur mit einem verbalen Schulterzucken hinnimmt, sondern es auch noch in den Dienst der eigenen Regierung nimmt, ist schon bemerkenswert“.
Es verhält sich exakt umgekehrt: der Minister stellt die Regierung in den Dienst von Google. Wird bestimmt Schule machen, das Modell …