„Opposition ist Mist“. Dieser Satz landet im politischen Vermächtnis des ehemaligen SPD-Chefs Franz Müntefering. Ein Grund, warum Opposition Mist ist, sind Haushalte. Sie kann eigentlich nur richtig lesen, wer sie selbst geschrieben hat. In der Politik die Beamten der Finanzministerien, im Fernsehen die Verwaltungen der Sender. Es gilt: Umso mehr Geld gehandelt wird, desto mehr Möglichkeiten gibt es, verschiedene Ausgaben in einem solchen Haushalt zu tarnen.
Doch „Hygienekosten“ klingt nicht nur skurril. Es verschleiert auch, um was es eigentlich geht: „Die Folgen der Corona-Pandemie“. So hat es Martin Detzel beschrieben. Der Betriebswirtschaftler ist der neue Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Und mit den Folgen der Pandemie sind nicht Ausgaben für Desinfektionsmittel oder zusätzliche Kosten für Drehs gemeint – sondern auch und vor allem geringere Einnahmen durch den Rückgang der Wirtschaftskraft, der eine Folge der Corona-Politik ist.
Es ist die Achilles-Ferse der Öffentlich-Rechtlichen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die jüngste Gebührenerhöhung durchgeboxt. Das Urteil hat die Runde der Richter um den CDU-Politiker Stephan Harbarth damit begründet, dass der Landtag in Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Beitrags zuerst platzen ließ, indem der sich nicht mit der Erhöhung befasste. Der Landtag hätte aber Gründe für die Nicht-Erhöhung liefern müssen – zum Beispiel, wenn Gebühr und allgemeine wirtschaftliche Entwicklung auseinander laufen.
Entsprechend kommt die KEF unter dem neuen Chef Detzel ARD und ZDF weniger generös entgegen, als es in besseren Zeiten als selbstverständlich galt. Zwar hat die Kommission anerkannt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zwischen 2021 und 2024 durch Corona einen zusätzlichen Finanzbedarf von 600 Millionen Euro haben. Aber die KEF hat den Sendern auch den Auftrag, drastisch zu sparen, ins Stammbuch geschrieben.
1,6 Milliarden Euro müssen ARD, ZDF und Deutschlandradio bis 2024 demnach einsparen. Über 920 Millionen Euro davon laufen unter „Aufwandsreduzierungen“. Gehälter und Pensionsansprüche müssen runter. Und Filme und Serien im Fernsehen sehen zwar bei ARD und ZDF manchmal aus, als ob ein Vater die Theateraufführung seines Viertklässlers mit dem Handy gedreht hätte. Doch sie verursachen Produktionskosten, die manchen Produzenten in Hollywood neidisch machen würden.
Denn auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen laut KEF sparen müssen – sie sind immer noch Dagobert Duck, während andere Sender nur Donald sind: Rund 28 Milliarden Euro erhält die ARD bis 2024, über 10 Milliarden Euro das ZDF. Das Deutschlandradio hat Recherche durch Meinung ersetzt und kann sein Programm so zum Schnäppchenpreis von einer Milliarde Euro bis 2024 anbieten. Zusammen genommen ist das eine Steigerung des Etats um 2,4 auf 36,3 Milliarden Euro – 6,7 Prozent mehr Geld.
ARD und ZDF sind zwar unangefochtene Marktführer im Fernsehen. Doch das ist längst eine Veranstaltung für die Alten. Wenn das ZDF sein Publikum mit simpel gestrickten Krimis oder Heimatfilmen bespaßt, schauen zwar um die 7 Millionen Menschen zu – doch davon ist mitunter nicht mal jeder Zehnte jünger als 50 Jahre. Wer nach 1972 geboren wurde, schaut kaum noch fern. Zwei Millionen Zuschauer gelten in dieser Zielgruppe als herausragende Quote. Unter der Woche reicht meist eine Million junger Menschen, um in dieser Gruppe die meist gesehene Sendung des Tages zu haben.
Deswegen werden drei Punkte die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk prägen, prophezeit Detzel. Neben den Corona-Kosten würden das die Digitalisierung und die Debatte um den Auftrag der Sender sein. Genau hier müssten ARD und ZDF ansetzen: Beim Fernsehen leben sie von der Generation, die an das Gerät gewöhnt sind. Die den Heimatfilm einschalten, weil der im ZDF läuft – und sie das halt immer tun. Auch wenn sie schon nach fünf Minuten wissen, dass der nette junge Mann das nette junge Mädchen bekommen wird. Im Netz müssen ARD und ZDF das Publikum erst finden – und da sind sind sie von der für sie elementar wichtigen Meinungsführerschaft weit entfernt.
Wobei noch offen ist, wie dieser Ansatz endet. Geht die ARD wie bisher den einfachen Weg mit ihrem Spartensender, werden dort einfach nur 24 Stunden Tagesschau abgenudelt. Vielleicht mal unterbrochen von einer Monitor-Wiederholung oder einer Anne-Will-Folge, in der Karl Lauterbach, der Bundesgesundheitsminister oder der Bundestagsabgeordnete der Leverkusener SPD zu Gast ist. Vielleicht schafft es die ARD aber auch, künftig auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Denn während NTV über diese schon berichtet, zeigt die ARD meist noch lange Konserven. Auch da stehen Aufwand und Ertrag bisher in keinem Verhältnis, das beim Zuschauer Sehnsucht nach mehr Aufwand weckt.
Passiert ist das schon oft. Jüngst etwa im Ahrtal. Dort hatte es die Konsequenz, dass Einwohner nicht rechtzeitig über die Flutgefahr informiert wurden. Nun in der Nacht zu diesem Dienstag schon wieder: Während NTV bereits über Putins Übergriff berichtete, konnten die ARD-Zuschauer noch Fischen beim Schwimmen zusehen. Tatsächlich passiert und doch eine Metapher. ARD und ZDF wollen Geld wie ein Top-Sender und sind doch oft nicht mehr als ein dekoratives Fischglas, das halt zur Wohnung gehört.