Der Skandal um die gescheiterte ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger hat den Blick auf die Krise der Öffentlich-Rechtlichen freigelegt. Diese besteht aus vielen ineinandergreifenden Elementen. Eines davon ist der Umgang mit dem Personal.
Im „Spiel des Lebens“ von MB mussten die Spieler einen Beruf abschließen. Der mit Abstand bestbezahlte Beruf war der des Journalisten. Das Spiel ist veraltet. Finanziell ist Journalist kein Traumjob mehr: Nach und nach sind die Zeitungen aus dem Tarif ausgestiegen. Die Frankfurter Rundschau hat in ihren Kommentaren hart gegen die Leiharbeit angeschrieben – und sie im eigenen Haus selbst über Jahre schamlos praktiziert.
So verdient denn ein deutscher Journalist heute laut dem Fachportal Campusjaeger im Schnitt 4120 Euro. Das hört sich erstmal solide an. Die Spreizung geht aber weit auseinander: Demnach liegt ein Viertel der Angestellten bei 7000 Euro und drüber, während ein anderes Viertel unter 2300 Euro bleibt. Wohlgemerkt für einen Job, für den in der Regel ein Studium vorausgesetzt wird. Es ist eine Frage des Alters, wer auf welcher Seite der Spreizung steht. Die Jüngeren arbeiten eher prekär, die Älteren genießen Bestandsschutz. Die Gründe für diese Spreizung liegen in der Tarifflucht und in der Leiharbeit, die schamlose Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau nach den Hartz-Reformen einführten. Die Hüterin linker Moral zwang 2006 vor allem die jüngeren Journalisten in dieses Beschäftigungsverhältnis.
Denn teure Altverträge und außerordentlich hohe Pensionansprüche raubten den Sendern das Geld – für ein gescheites Programm ebenso wie für die jüngeren Mitarbeiter. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags gehen die Gehaltsspannen schon bei den Mitarbeitern der Ebene weit auseinander: Bei den Redakteuren beträgt sie demnach zwischen rund 3700 und 10.800 Euro, bei Kameramännern zwischen 2900 und 8600 Euro sowie bei Produktionsingenieuren zwischen 3600 und 8300 Euro.
Nach seinem eigenen Haushaltsplan setzt das ZDF in diesem Jahr rund 2,4 Milliarden Euro um. Trotzdem entsteht dem Sender nach eigenen Angaben eine Lücke von knapp 200 Millionen Euro. Von den 2,6 Milliarden ausgegebenen Euro gehen laut ZDF 1,4 Milliarden Euro ins Programm und 566 Millionen Euro in die Personalkosten. Dabei hat das ZDF nur 3500 festangestellte Mitarbeiter. Doch aus diesem Topf werden auch freie Mitarbeiter bezahlt.
Für Pensionen hatte das ZDF im Jahr 2020 laut Konzernbericht 1,93 Milliarden Euro zurückgestellt. Wie viel die Sender konkret für die laufenden Pensionszahlungen ausgeben, lässt sich nur schätzen. Die Zahlen variieren zwischen 6 und 8 Prozent aller Einnahmen, andere gehen von mehr aus. Das ZDF teilt die Pensionskosten auf mehrere Etats auf und macht sie so unsichtbar. Der Hessische Rundfunk gab 2016 laut FAZ fast halb so viel für die Pensionen aus wie für die Bezahlung der aktuellen Mitarbeiter. Überträgt man das aufs ZDF, wären es etwa 180 Millionen Euro im Jahr für Pensionen. Das passt auch zu den Rechnungen, die sich aus den verschiedenen Etats ergeben.
Das Pensionsproblem ist der KEF gut bekannt. Die Kommission soll die Finanzen der öffentlich-rechtlichen Sender kontrollieren und verlangt von ihnen schon seit Jahren, dass sie die Pensionskosten senken sollen. Für das Thema zuständig war Ralf Seibicke, bevor er aus der KEF ausschied. Der selbe Ralf Seibicke hat laut Medienberichten 60.000 Euro vom MDR für Gutachten bekommen, die er teilweise noch als KEF-Mitglied verfasste. Zu einem Satz von 240 Euro pro Stunde. Doch Spielraum, die Pensionskosten zügig zu senken, haben die Sender ohnehin nur wenig. Die Gewerkschaften sorgen für Bestandsschutz. Schon allein aus Eigeninteresse, weil sie bei den älteren Mitarbeitern deutlich besser organisiert sind.
Die dritte Klasse bilden die Führungskräfte. Zumindest bei ihnen stimmt noch die Hackordnung, die das „Spiel des Lebens“ in den 70er Jahren vorgegeben hat: Nach Zahlen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags verdient WDR-Intendant Tom Buhrow mehr als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und zehnmal so viel wie ein junger Redakteur. Als Programmdirektor kam Norbert Himmler beim ZDF demnach auf rund 240.000 Euro Jahresgehalt, als Intendant sind es dann knapp 370.000 Euro. Laut dem Statistischen Bundesamt verdiente der Intendant des WDR 2021 sogar 413.000 Euro im Jahr, der des SWR 361.000 Euro und selbst der Saarländische Rundfunk zahlte seinem Intendanten demnach 245.000 Euro. Das sind 25 Cent pro Einwohner im Saarland – Neugeborene mit eingerechnet. Für einen Angestellten.
Die Dreiklassenschaft endet nicht beim Gehalt. Während Patricia Schlesinger als RBB-Intendantin für ihr Büro Geld ausgab, als gäbe es keine Morgen mehr, knausern die Sender an den Spesenabrechnungen der kleinen Mitarbeiter. Ein Kollege weist TE darauf hin, welche Hürde es für ihn war, dienstliche Telefongespräche abzurechnen. Ein anderer berichtet, dass er zu Terminen morgens anfahren und abends abreisen musste, um dem Sender Kosten für die Übernachtung zu sparen. Für ihn bedeutete das mitunter, dass er über 30 Stunden am Stück auf den Beinen war.
Es sind die freien Mitarbeiter, die ohne Hilfe dastehen. Die Gewerkschaften vernachlässigen sie. Im Schlesinger-Skandal hat sich zum Beispiel der DJV lange geziert, bevor er die Intendantin überhaupt kritisierte – um dann gleich zu betonen, dass das alles ja nur ein Einzelfall sei. Der Gewerkschaft DJV sind allgemeine, woke Debatten näher als klassische Gewerkschaftsarbeit. Tarifverhandlungen des DJV haben eine ähnliche Trefferquote wie der HSV. Für Mitarbeiter einstehen, tut die Gewerkschaft nur, wenn es die richtigen sind.
Fallen Mitarbeiter von ARD und ZDF wegen der falschen politischen Einstellung, steht der DJV nicht im Weg. So war es, als der SWR Ole Skambraks wegen öffentlicher Kritik rausschmiss. Und so war es, als das ZDF Katrin Seibold wegen interner Kritik feuerte. Die „Kolleg:innen“ hätten sich erheblich dadurch gestört, dass Seibold über Qualitätssteigerung reden wollte. Lieber entlässt das ZDF eine Mitarbeiterin, bevor es die Qualität der nachrichtlichen Berichterstattung verbessert.
Diese Schlagseite lässt sich aber zumindest teilweise finanziell erklären. Wer über eine gute Ausbildung verfügt und wem materielle Versorgung wichtig ist, der wird sich angesichts der schlechten Bezahlung und der prekären Einstiegsbedingungen gegen eine Karriere als Journalist entscheiden. Auch nicht bei ARD oder ZDF. Der gut ausgebildete Materialist hat in Zeiten des Fachkräftemangels ganz andere Chancen. Bleiben die Idealisten. Denen Sendungsbewusstsein wichtiger ist als Geld. Sei es, weil sie Materielles gering schätzen oder weil sie von Zuhause mit so viel Geld versorgt wurden und werden, dass sie nicht wirklich auf selbst verdientes angewiesen sind.
So entsteht denn eine journalistische Landschaft, die sich aus der Oberschicht speist. Schon 1993 hat eine Studie ergeben, dass nur zehn Prozent der Journalisten aus der Arbeiterschaft stammen. 55 Prozent der Journalisten waren die Kinder von Beamten und Angestellten. Der Rest stammte aus der Oberschicht. Die Branche hat auf das peinliche Ungleichgewicht reagiert: Sie veröffentlicht solche Studien nicht mehr.
Für wohlhabende Kinder ist es deutlich leichter, Journalist zu werden. Das wohlhabende Elternhaus lässt nicht nur die schlechten Einstiegsgelder ertragen. Es ermöglicht auch ein schnelles Studium mit vielen Auslandsaufenthalten, während andere sich das erst verdienen müssen. In vielen privaten Sendern bedeutet ein unbezahltes Praktikum den Einstieg in die Karriere. Ein halbes Jahr unbezahlt arbeiten? Sogar ein ganzes? Auch diese Praktika sortieren angehende Journalisten aus ärmeren Haushalten aus. Nicht selten beginnt eine Karriere, die bei ARD und ZDF endet, mit einem unbezahlten Praktikum bei RTL.
So entwickelt sich eine Journalistenschaft, die frei von Sorgen aufgewachsen ist – was die Qualität ihrer Berichterstattung nicht steigert. Wer nie eine Stromrechnung zahlen musste, der lässt diese nicht als Gegenargument zum sofortigen Ausstieg aus Gas, Atom und Kohle zu. Wer sich nicht um Miete oder Lebensmittel sorgen muss, hat mehr Zeit, über die Vorteile veganer Bio-Ernährung nachzudenken. Und wer nie in einem Hilfsjob angeschnauzt wurde, ist schneller beleidigt, wenn sich sein Gegenüber die passenden Pronomen und das Tagesgeschlecht nicht merken kann – oder will.
Spardruck kennt die gesamte Branche. Doch bei Zeitungen und Privatmedien haben sie andere Gründe. In ARD und ZDF ist der Spardruck erst durch die Verschwendungssucht der Führungsebene entstanden. Das wirkt sich mehrfach negativ aus: Der Zwang sorgt für die Spaltung innerhalb der Sender, wie sie sich gerade vor aller Augen im RBB abspielt. Außerdem befördert der Sparzwang die Karrieren von Traumtänzern, schließt ärmere gesellschaftliche Schichten aus und hält wirtschaftliche Realisten von Funk und Fernsehen weg. Mit Quoten beschäftigen sich ARD und ZDF gerne. Nur nicht mit Quoten im eigenen Haus – für junge Menschen aus armen Haushalten zum Beispiel oder für Menschen mit einer handwerklichen Ausbildung oder wenigstens einem Studium außerhalb der Juristerei oder der Geisteswissenschaft. Diese Quoten würden das Prgoramm verändern: weg von grün-linken Predigern, zurück zu Realisten und vor allem: Journalisten.
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Der GEZ-Rundfunk muss weg und wird es auch.
Gerade im Bereich der Medien, speziell des ÖRR, sollten Sie bitte nicht immer schreiben, was die Leute und Leutinnen VERDIENEN, sondern was sie BEKOMMEN. Dazwischen können Welten liegen.
Das Ding ist nicht reformierbar und müsste man abschaffen. Sollte man sich doch wieder entscheiden, so einen ÖRR zu haben (oder was auch immer), muss eines feststehen: Es dürfen keine Pensionsversprechen gemacht werden. Wird knallhart verboten. Es kann nicht sein, dass es parallel zu Legislative und Exekutive Anstalten gibt, die ihre Gehälter und Pensionen frei bestimmen können und sich so auf immer ewig von der Allgemeinheit und ohne parlamentarische Kontrolle finanzieren lassen.
Die öffentlich-rechtlichen Medienmacher sind seit längerem die größten Egoisten: Jede(r) schlesingert sich bestmöglich seine persönlichen Vorteile zusammen: Charity, Asylindustrie-Projekte, Impfkampagnen – alles verbunden mit persönlichen Vorteilen bei richtiger Haltung.
Die Regel heute: Vom Volontariat zum Journalistenstuhl.
Zur Erheiterung sei das YouTube-Video (zugleich Suchbegriff) „Kommentar: „Wir sind Journalisten, keine Lügner““ von Kai Gniffke auf dem Kanal „tagesschau“ empfohlen. Das Beste (außer dem berechtigten Austeilen gegen die Putin-Versteher) kommt aber eben bei 1:34: „Wir jubeln ihnen keine Meinung unter, weder offen noch zwischen den Zeilen. Wir wollen informieren, nicht missionieren. Wir sind Journalisten und keine Lügner.“ Das Video ist ein paar Jahre alt (von 2017?), hat im aktuellen Licht der Einführung des Suffix „:innen“, dem Scheitern der Information über die Problematik der Energiewende, demnächst wohl auch noch über die Landwirtschaftspolitik, Ursachen der Inflation etc. vor allem aber durch… Mehr
In meinen Augen ein nicht wirkluch gelungener Artikel. Sehr tendenziös. „Wohlgemerkt für einen Job, für den in der Regel ein Studium vorausgesetzt wird.“ Seit wann erfordert der Beruf „Journalist“ ein Studium? Erfordert die Bezeichnung überhaupt eine Ausbildung oder kann sich jeder so bezeichnen? Im übrigen ist das, was Sie beschreiben teure Alte, billige Junge, Arbeit an teuren Tarifverträgen vorbei ja nicht nur im ÖRR so. Wo war es jemals anders? Da D ja alles ausgelagert hat, was angeblich „unter“bezahlt ist, sollte D auch den Journalisten auslagern. Wie wäre es mit Bangladesch? Oder an KI? Im übrigen zeugt es von einem… Mehr
Das stimmt, als Journalist kann man sich bezeichnen wenn man einige Beiträge publiziert hat. Das bedeutet nicht, dass jemand ohne Studium nicht gut schreiben kann oder ein akademischer Abschluss guten Journalismus garantiert. Aber Wissen sollte vorhanden sein und das ist ohne Lernen nicht zu haben.
Auslagern des Journalismus – man hat den Eindruck das ist schon geschehen.
ÖRR betreibt ein undurchsichtiges Geflecht aus ausgelagerten Töchterinnenfirmen, die selber wieder ausgegliederte Töchter usw. Oder die Anne Wills, die ihre eigene Sendung produzieren.
Alles um möglichst viel der 8,3 Milliarden privatisieren zu können. Durchblick hat da keiner. Die KEF bestimmt auch nicht.
Wo besteht dort tatsächlich Spardruck? Die „Lichtgestalten“ der ÖRR verdienen unverhältnismäßig viel im Vergleich zu den Erwerbstätigen im übrigen Leben, gleichgültig, ob Privatwirtschaft oder öffentlicher Dienst. Ausgenommen die „Chefs“ / Vorstände in früheren öffentlichen Betrieben, wie z.B. die Kreiskrankenhäuser, die privatisiert und zu ergiebigen Pfründen für dieWelt unserer Parteien gemacht wurden … ! Legen wirderen Repräsentanten doch im Einkommen mal offen, z.B. die „Letzte“, jedenfalls im Alphabet, Marietta „Z“lomka, oder oder oder, wie sie uns so als Moderatoren begegnen und wechselseitig denn noch versorgen, indem sie sich in ÖRR Talkshows oder Spiereihen einladen. Ein Selbstbedienungsladen ohne Sinn für Ausgabendisziplin, geschweige… Mehr
Danke Herr Thurnes, ein aufschlußreicher Artikel eines „Insiders“. Schon lange habe ich darüber gerätselt, aus welcher Schicht („Klasse“ marxistisch formuliert) die Journaliisten in ihrer öffentlich rechtlichen Mehrzahl denn kommen. Das ähnelt einer großen Zahl der Wähler der Grünen, die aus den städtischen Ökobiotopen in Randlage kommen. Zu Hause war bereits alles vorhanden, Mangel nie gelitten, Mathematik und Naturwissenschaften ä bäh. Solche Leute habe ich in meinem Studium der Chemie auch nie getroffen. Daher sind die Hauptsätze der Thermodynamik für diese Personen wahrscheinlich nur lästige Fremdwörter ohne Inhalt. Ihr Schlußsatz als Quintessenz trifft den Nagel auf den Kopf. Quot licet Jovi… Mehr