Nach „Misery“ und „Jäger des verlorenen Schatzes“ hat die ARD ein weiteres Remake surrealistisch in Szene gesetzt: „Die Körperfresser kommen“ aus dem Jahr 1954.
Mit einer ganz, ganz normalen Szene irgendwo in der Wetterau beginnt dieser Thriller. Friedlich, fast schläfrig sieht man den Otto-Normal-Streifenpolizisten Simon Laby (Sebastian Klein) in seinem Dienstwagen ein wenig mit der Radarpistole hantieren, er geht an der Tanke ein Säckchen Grillkohle kaufen, telefoniert kurz mit seiner schwangeren Frau, macht ein paar Teenies beim Kiffen klar. Dann wird es düster: Laby trifft zwei Dunkelmänner auf einem abgelegenen Parkplatz, teilt ihnen mit, dass er „nicht mehr mitmacht“. Der erfahrene Zuschauer weiß, dass das, werdender Papa oder nicht, sein Todesurteil ist.
Tatsächlich muss Hauptkommissar Paul Brix (Wolfram Koch) mit einigen Kollegen und dem verdächtigen Zeugen Anton Schilling (Niels Bormann) bald danach die Auenlandschaft nördlich von Frankfurt kreuz und quer nach Laby absuchen, dessen Wagen mit Blutspuren aufgefunden wurde. Obwohl man auf den Hinweis von Schilling hin eine Leiche sucht, und dafür schon Spaten in den Kofferraum gepackt hat, werden die unter abgebrühten Beamten üblichen Zoten ausgetauscht, über dramatische Autounfälle, den baldigen Ruhestand, Fußball und den Kollegen Brix, der seinen Führerschein los ist.
Die scheinbar endlose Suche führt die Polizisten nach einem Tipp zur riesigen „Waldhütte“ von Laby, in der er offenbar zusammen mit unbekannten Komplizen Waffen, Munition und Vorräten gehortet hat. Kisten mit Bier stapeln sich neben Thunfischdosen, Bohneneintopf und Obsthälften in Einmachgläsern. Die unsichtbaren Verschwörer haben sich sogar die Mühe gemacht, zivile Fahrzeuge als Streifenwägen umzulackieren. Auch Brix’ hinzugekommene Kollegin Anna Janneke (Margarita Broich) wird die Sache unheimlich: Eines der beiden gefälschten Polizeiautos ist wohl irgendwo unterwegs.
Die unheimlichen Wesen von einem fremden Planeten
Und so beginnt ein nächtlicher Tanz der Vampire, in dem niemand mehr so richtig weiß, wer Freund und wer Feind ist. Die Anwältin von Schilling (gespielt von Anna Kubin) fährt ihn direkt zwei falschen Polizisten in dem gefälschten Polizeiauto in die Arme; der nette ältere Kollege Glasner (Karsten Antonio Mielke) weiß, wie man aus einer Dose Thunfisch eine Öllampe macht, kennt „ganz normale Typen“, die unter ihrer Gartensauna einen Keller mit Vorräten angelegt haben. Solche, die „sich zurückziehen, mit Solarzellen auf dem Dach und Wasserspeicher“.
Der zweite Insasse des Wagens, dem Simon Laby vor seinem Tod begegnet ist (Schilling war der Beifahrer), war Peter Radomski (Godehard Giese). Wie sich nun herausstellt, hat er mal eng mit Paul Brix bei der „Sitte“ zusammengearbeitet. Weil Radomski auch mit dem Vermissten bekannt war, beschließt Brix, ihn direkt selbst zu befragen, steigt zu ihm ins Auto, begleitet ihn mutig auf einen nächtlichen Jagdausflug. Die Ermittlungen und Wanderungen im zuckenden Taschenlampenlicht ähneln immer mehr den Bildern von einer apokalyptischen Mission, bei der hilflose Wissenschaftler durch außerirdische Welten und bedrohliche fremde Raumschiffe stapfen. Die von Michael Kotschi (Kamera) eingesetzten Lichteffekte unterstreichen den Eindruck.
Im Gespräch bemerkt Brix die gruseligen Veränderungen an seinem früheren Kollegen. Erkennt ihn nicht mehr. Öffnet schon mal vorsichtshalber den Verschluss am Halfter seiner Dienstpistole. Die Wildschweinjäger bringen ihn in das verlassene Haus eines Selbstmörders, erzählen vielsagend vom Teufel, der in der Kiste steckt. Und obwohl Radomski sehr schön die Läufe von Aubach, Rossbach und Nidda beschreiben kann, ist er für Brix keiner der „Guten“ mehr. Sagt er. Alle lachen. Wir sind zu viele, komm zu uns, Paul“ sagt Radomski, der sich sehr sicher fühlt. Brix wird entwaffnet, dann doch freigelassen. Die Körperfresser werden zwar festgenommen, haben sich aber zu gut getarnt, um aufzufliegen. Sogar die Polizeikugel, die Laby getötet hat, haben sie herausoperiert. Den hat man nur im Acker gefunden, weil sein Handy klingelte. Der Film endet im Blutregen und mit einer wilden Feierszene junger, ahnungsloser Partygänger in einer Stretch-Limousine.
Die politischen Anspielungen in „Bodysnatchers“ finden ihr Echo bei „Erbarmen. Zu spät“
Der aktuelle Auftrags-Tatort über unheimliche rechte Netzwerke bei der Frankfurter Polizei (Regie und Drehbuch Bastian Günther) wird im Presse-Echo ziemlich verrissen. Günther, laut „Filmdienst“ für seine kritischen Gesellschaftsstudien bekannt, erzähle, eine „düstere Geschichte mit einem aktuellen und sehr ernsten Hintergrund“ (ARD-Interview) zu der ihn das „reale Leben“ inspiriert habe, nämlich die „Vorgänge rund um die Polizeiwache 1 in Frankfurt und die NSU 2.0-Drohbriefe“, die er „immer noch verstörend“ findet. Auch wenn, wie er zugibt, „schlussendlich ein Schuldiger – kein Polizist – festgenommen und verurteilt worden ist“, blieben „viele offene Fragen.“
Inspiriert hat Herrn Günther aber wohl auch, wie er im Interview einräumt, ARD-Redakteur Jörg Himstedt, der „mit der Idee, das Thema in einem Tatort zu verarbeiten“, zu ihm gekommen sei, was ihn „sofort interessiert“ habe. Der Fall um die Drohbriefe, so Günther weiter, „sei ja nur ein Fall, bei dem die Polizei in Verbindung zu rechten Aktionen steht. Auch unter Reichsbürgern oder Prepper-Gruppen finden sich immer wieder Polizisten oder Bundeswehr-Soldaten.“ Es werde ja „immer wieder von Einzelfällen gesprochen, und er möchte nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren, die meisten sind bestimmt gute Leute. Aber wie viele Einzelfälle sind ein Netzwerk?“
Nach der kurzweiligen, weil verspielten Tatort-Folge aus Ludwigshafen sind einige Rezensenten offenkundig geschockt von der abrupten Rückkehr zur Spielart des schonungslosen politischen Aufklärungsfilms.
Für Marek Bang von kino.de geht der Streifen in „überzüchtetem Kunstquark unter“. Beim SWR3 bekommt der „Dunkle, düstere und sehr dubiose“ Film über die „Verschwörung innerhalb der Polizei“ nur einen von 5 Elchen. Auf fast lyrische Weise versucht sich die Frankfurter Rundschau dieser „Anmutung eines Kammerspiels“ über die Polizei zu nähern: „Wie Gespenster verharren die wartenden Figuren zunächst in banalen Gesprächen, blass, resigniert und von der Vergeblichkeit ihrer Arbeit zermürbt. Bis sie erkennen müssen, dass manche unter ihnen ihren Hass auf die Verhältnisse in Stärke und Allmachtsfantasien umkehren wollen. Die nicht nur Hinrichtungslisten führen, sondern auch bereit sind, in den eigenen Reihen mit Waffengewalt ‚für Ordnung‘ zu sorgen.“
TV-Spielfilm meint „Trübe Stimmung, angespannte Cops, Verschwörungserzählungen…“ Und auch Axel Wolfsgruber vom „Focus“ ist nicht zufrieden: „…ziemlich konstruiert…versucht inhaltliche Plausibilität auch durch eine Rahmenhandlung zu erreichen…bizarr…offenbar will Bastian Günther seiner Geschichte eine biblische Dimension geben… das ist dann doch sehr dick aufgetragen…“
Für Iris Alanyali bei Web.de sind es: „Wortkarge Männer, die übers Feld starren“. Die Rezensentin des Nachrichtendienstes traut sich eigentlich „gar nicht, diesen ‚Tatort‘ zu kritisieren, künstlerischer Wagemut gebietet immer Respekt“, findet aber dann doch viele wenig schmeichelhafte Worte: „Horrorfilm … sperrig, in jeder Hinsicht düster, hochsymbolisch, als Krimi aber unbefriedigend. Zu langsam, zu zäh … nicht wirklich spannend…“ mit „hochartifiziellem, verstörenden Ende“. Sie schildert, welche Wirkung der Film auf sie hat: „Das Grauen ist spürbar, aber nicht wirklich greifbar. Eine unsichtbare Macht, die sich ausbreitet wie ein Parasit, der seine Tentakel durch einen kränkelnden Organismus schlingt und von innen heraus zu zerstören droht.“
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Man muss schon den Author oder Regisseur interviewen um herauszufinden, worum es in dem Film überhaupt geht. Gestelzte Dialoge unpersönlich vorgetragen, gepaart mit Verschwörungstheorien über die pösen Rechten. Sowas brauche ich wie ein Loch im Kopf. Da war der Krimi von gestern Abend „Unter anderen Umständen“ eine helle Leuchte im Dunkel dieses Tatorts. Überhaupt scheinen den Tatort-Leuten die Ideen auszugehen. Und bitte lasst Krimi Krimi sein und wedelt nicht mit erhobenem Zeigefinger in schulmeisterischer Manier zur Zuschauerbeeinflussung. Da wird mir regelrecht Übel.
Tatort ein. Irgendwas passiert, nicht. Dann „oh Gott, die Frankfurter“! Läuft schon zu lange um umzuschalten. Vielleicht kommt noch was. Nö. Griff zum Tablet, gelegentlicher Blick zum TV. Irgendwas mit Handy, Jägern. Legen Sie jetzt den Kommissar um, wird er in letzter Minute gerettet? Nö, Kommissar wird abgesetzt. Irgendwas mit rotem Regen (Saharasand?). Sauferei in Auto. Ende.
Ich habe mir den Schwachsinn nach 5 Minuten abgeschaltet. Ehrlich. Meine Hochachtung denjenigen die wertvolle Zeit für so einen Blödsinn verbrennen.
Die Rodgau Monotones sind hoffentlich nicht böse, mit dem Tatort in Verbindung gebracht zu werden ?
Solange das Töchterchen vom Geldkofferschäuble für die „Unterhaltung“ im Ersten verantwortlich zeichnet, solange wird weiter diese krude Propaganda laufen.
Ich schaue sehr selten Fernsehen und schon gar nicht Tatort. Gestern aber doch und ich fand ihn gut. Er trifft die Stimmung in Deutschland, die düster und undurchschaubar für dir Meisten ist. Er ist unklar und bleibt in der Andeutung, ich fand ihn spannend. Nicht aufgeklärt, alles nebulös und statt Happy End gab es Blutregen. Eindeutig ein Zeitzeugnis.
Ich hatte noch mehr Bezug zur Verfolgung des Frankfurter SEK erwartert, der blieb aber aus.
Hab meinen Daumen runter wieder zurückgenommen, nachdem ich die Ironie bemerkt hatte.
Ich habe abgeschaltet.
Mein Fazit: scheint ein ziemlicher Schmarrn gewesen zu sein. 🙂
Sonntag, 20:Uhr gibt es im Kulturkanal M5 des ungarischen Fernsehens den Kommentar-Club. Kann man sich wie den Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer vorstellen. Allerdings werden da weder gute Zigarren geraucht noch wird beflissentlich nachgeschenkt. Dennoch gibt es jedes Mal hochinteressante Disskussionen mit ausgewählten Teilnehmern und Fachleuten über gesellschaftspolitische Fragen und Themen, die den Zuschauern unter den Nägeln brennen. Das einzige Manko ist, dass die Sendung immer viel zu schnell vorbei ist. Am Sonntag wurde die spannende Frage erörtert, weshalb auch in Ungarn, trotz guter Bildung und Zukunftsaussichen ,unter den Jugendlichen, der Kulturmarxisismus scheinbar an Boden gewinnt und wie man es… Mehr
Da es linke Netzwerke in der Politik gibt, sollte es natürlich auch rechte Netzwerke geben. Wo bleiben denn sonst Ausgewogenheit und Legitimationsvorwand für linke Netzwerke? Ich kann an rechter Haltung per se nichts Verwerfliches finden – nicht weil ich Ideologe bin, sondern weil ich spüre, dass sich viele rechte Positionen dieser Tage gegen den zunehmenden Verlust von Freiheit, Wohlstand und Selbstbestimmung richten.