Eine Prise Selbsterkenntnis bei Markus Lanz

Markus Lanz hat zwei Gäste: Thomas de Maizière und Juli Zeh. Es ist ein angenehmes Gespräch, in dem sie genau die Gedanken formulieren, die man endlich einmal aus dem Politkbetrieb hören möchte. Doch zu Ende formulieren sie diese nicht. Es bleibt bei einer Prise Selbsterkenntnis.

Screenprint ZDF

Während sich die anderen politischen Talkshows in den Sommerurlaub verabschiedet haben, macht Markus Lanz mit seinem Talk resolut weiter. An diesem Abend eine kleine Besetzung: Thomas de Maizière, ehemaliger Bundesinnenminister, ist zu Gast und außerdem die Schriftstellerin und Verfassungsrichterin Juli Zeh. Diese Berufskombination mag überraschend sein. Sie ist ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Brandenburg, wo die Verfassungsrichter (zum Teil) nicht Berufsrichter oder gar für diesen Beruf qualifiziert sein müssen. Zeh ist allerdings promovierte Juristin.

Markus Lanz hat sichtlich Spaß an dieser Sendung, vielleicht auch, weil keiner der Gäste sein Weltbild herausfordert. Doch eines überrascht: Der Zuschauer hatte das Gefühl, dass die Gäste eine Prise Selbsterkenntnis geschenkt bekommen haben.

Die Sendung eröffnet mit einer Diskussion um das Wärmepumpengesetz Habecks. De Maizière, Politikprofi, rügt die Ampel und Habeck für eine handwerklich schlecht durchgeführte Politik. Obwohl er das Gesetz inhaltlich gut zu finden scheint. Die alte Politikleier: „Die Wähler haben uns falsch verstanden, wir machen doch tolle Arbeit!“

Lob auf die Ostdeutschen

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Aber interessanter ist, was danach kommt. Es geht mal wieder um „die Ostdeutschen“ in dieser Sendung. De Maizière und Zeh sind beide in Bonn aufgewachsen und zogen später gen Osten. Zeh wohnt in Brandenburg, de Maizière in Sachsen. Und sie ergehen sich in Lob über die Menschen, unter denen sie leben. Toll sei das, mit welchem Ingenieursgeist die Menschen in Ostdeutschland an Probleme ran gehen und diese versuchen, selber zu lösen. Die Art der Ostdeutschen, selbständig an Lösungen zu arbeiten, Dinge zu reparieren und das Auto zu fahren, bis es kaputt ist, statt einfach ein neues zu kaufen. Diese Eigenschaften und viele mehr werden hochgehalten. Und in dieser angeblich besonderen ostdeutschen Art verorten die beiden Gäste auch, warum die Politik der Ampel dort auf so massive Ablehnung stößt. Bürger, die sich selber um ihre Heizung kümmern, verstehen nicht, warum ihnen ein Politiker in Berlin in den Heizkeller reinregiert.

Das ist die Erkenntnis des Abends für alle Drei: dass Bürger nicht nur tumbe Befehlsempfänger sind. Applaus. Aber weiter kommen der Politiker, die Schriftstellerin und der Medienbeamte dann doch nicht. Lanz fragt wieder nach: Wie kann das Gefühl der Bevormundung, dass die Menschen zur Weißglut treibt, entkräftet werden? Auf die naheliegende Idee, auf die Bevormundung zu verzichten, kommt keiner der Anwesenden. Wenn die Bürger schlaue und fähige Menschen sind, die auch selbständig leben können – warum muss die Politik diesen Bürgern dann in den Heizkeller hineinregieren? Weil die Politik dann doch glaubt, es besser zu wissen als der Bürger, der doch so nett ist in seinem Glauben, sein Leben selbst ordnen zu können.

Was, Bürger haben auch Ideen?

Von hier geht die Diskussion immer wieder auf diese Idee hinaus: dass Bürger auch Ideen haben. Dass sie vielleicht wissen, wie sie ihr Leben organisieren müssen. Aber den Bürger einfach machen zu lassen, an dieser Konsequenz gehen die Diskutanten immer wieder vorbei.

De Maizière formuliert auch einen Ansatz, mit der AfD umzugehen, der der CDU im Bundestag fremd ist. Er möchte die Wähler der AfD nicht als Protestwähler, sondern als Provokationswähler verstehen. Zumindest einen Teil von ihnen. Provokationswähler, weil diese Menschen Probleme identifiziert haben sollen im Land, die keine der „Altparteien“ angeht. Und mit einer Wahl der AfD soll eine Kurskorrektur der anderen Parteien erwirkt werden.

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Das ist sicherlich für manche Wähler zutreffend. Die Politik der Parteien von CDU bis Grüne ist in weiten Teilen ein unappetitlicher Einheitsbrei. Wenn man Migration als Problem ansieht, wenn man das Versagen des Staates in der Sicherheit oder in der Organisation oder in der Bildung als Versagen ansieht? Wenn man die Euro-Politik kritisch sieht. Wenn man mit dem Ukraine-Kurs der Regierung oder der Corona-Politik unzufrieden ist: Wer bietet denn dann ein alternatives Angebot? Ob man glaubt, dass das Angebot der AfD glaubwürdig oder kohärent ist, muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden, es reicht, dass die AfD ein anderes Angebot macht als „immer weiter so“.

De Maizière will also auf die Wünsche dieser Wähler stärker eingehen. Der Bundestag soll schärfer diskutieren, ohne Randpositionen als „Nazi“ abzustempeln, das Asylrecht müsste überarbeitet werden, so wie es Sachsens Ministerpräsident Kretschmer vorgeschlagen hatte. Dinge wie das Heizungsgesetz müssen besser (aber nicht anders) organisiert werden für ihn. Alles Vorschläge, die gut klingen und Wähler für die CDU gewinnen könnten – wenn sie denn mehr werden als nur Vorschläge eines Exministers.

Zeh formuliert einen weiteren guten Gedanken: die Akademisierung der Politik, besonders der linken Parteien. Dass Politiker sich immer weiter im Gestus des Politikakademikers verhalten, der großzügig „denen da unten“ etwas „herunterreicht“. Auch das würde die Wähler von Parteien entfremden, die nicht mehr „unsere Leute“, sondern „die da“ sind.

Aber am Ende der Diskussion bleibt es das: eine Diskussion von Dreien, die die aktuelle Politik nicht beeinflussen. Sie formulieren die Ideen, die eigentlich die Politik selber wissen müsste. Warum macht es aber keiner?

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Kommentare ( 64 )

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Biskaborn
1 Jahr her

Die unerträglichen Ausfälle des Herrn de Maiziere gegen die lesbische Frau Weidel fanden im Artikel keinerlei Erwähnung. Das irritiert und diskreditiert den Artikel!

Proffi
1 Jahr her

………….Wenn man Migration als Problem ansieht, wenn man das Versagen des Staates in der Sicherheit oder in der Organisation oder in der Bildung als Versagen ansieht? Wenn man die Euro-Politik kritisch sieht. Wenn man mit dem Ukraine-Kurs der Regierung oder der Corona-Politik unzufrieden ist: Wer bietet denn dann ein alternatives Angebot? …. Herr Tichy hat den wichtigsten Grund der Zuwendung zur AfD leider nicht verstanden. Es ist die unsäglich dumme und schädliche Klimahysterie. Man kann doch keinen Abgeorneten in den Bundestag wählen, der glaubt, CO2 würde das Klima (von dem er gar nicht weiß, was das ist) schädigen, und daß es… Mehr

puke_on_IM-ERIKA
1 Jahr her

Man muss dem Bürger die falsche Politik nur besser erklären………sagt de Maiziere. War das nicht der, der im Mai 2015 sagte, als man 1 Mio. syrische Flüchtlinge für Deutschland prognostizierte, man solle doch nicht solche Horrorzahlen in die Welt setzen….
….und zu den Erkenntnissen, ob es eine islamistische Terrorgefahr gibt „„Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern“.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  puke_on_IM-ERIKA

Das Ding ist ja, dass alles, was die uns seit Zeiten unserer Allerbesten vorsetzen, als „alternativlos“ dargestellt wird.
Und sie seitdem im Erzählen von Narrativen zur Hochform auflaufen – auch, wenn sich das eine mit dem anderen Geschichtchen inzwischen beißt.
Er scheint ein Systemling? Oder?

Riffelblech
1 Jahr her

Wenn ich eines nicht verstehe dann das : warum wird eine Regierung wie die derzeitige,die hauptsächlich aus völlig inkompetenten Handelnden besteht nicht komplett abgelöst. Was zeichnet den Kanzler aus ? Vergesslichkeit und abwartende Sturheit bei dringlichstem Handlungsbedarf Was Habeck ? Überhebliche Ignoranz kaschiert Sachverstand , grüne Prinzipien werden zur Handlungsvorlage ohne deren völliges Versagen wahrnehmen zu wollen Was zeichnet die Frau Baerbock aus ? Möglicherweise die Tatsache die teuerste Stylistin beschäftigt zu haben . Aber außenpolitisch ist das Credo der „“ feministischen „“ Außenpolitik krachend gescheitert und die Frau zeigt allenthalben das sie an diesem Platz die absolute Fehlbesetzung ist… Mehr

Ernst K.
1 Jahr her

Was erwarten wir denn?
Beide Gäste sind Mitglieder der Nationalen Front. Frau Zeh (SPD) beißt sich lieber auf die Zunge, als einen weiteren Shitstorm – wie nach ihrem Roman „Zwischen Welten“ – zu provozieren. Und De Maiziere (CDU) war lange in Regierungsverantwortung und aktiv an der heutigen ‚Misere‘ beteiligt.

Kassandra
1 Jahr her

Herr Tichy – Sie fragen: „Warum macht es aber keiner?“
Sie und ich wissen es doch lange: weil „sie“ es nicht wollen.
Man hätte dem slowakischen Politiker Richard Sulik am 6. März 2016 bei Anne Will gut zuhören und danach handeln sollen – denn er hat in knapp einer Minute alles Wesentliche zu Einwanderung, Bürgerwillen und Demokratie gesagt: https://www.youtube.com/watch?v=cAwBZbx8bNQ
Und Sulik wie seine Kollegen in Visegrád-Staaten wussten schon damals, auf wessen Willen es ankommt.
Eigentlich ist seitdem alles gesagt – und dennoch eiern Lanz und Konsorten derart über den Bildschirm.

Michael Scholz
1 Jahr her
Antworten an  Kassandra

Sulik, einfach genial, in einem Satz der ehem. Küchenhilfe und dem SPD-Politiker, der nie eine Wahl gewonnen hat, erklärt, was Demokratie bedeutet.
Sulik wurde auch nie wieder eingeladen, wenn ich mich nicht täuschen. Zu gefährlich der Mann für das herrschende Narrativ.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Michael Scholz

Scholz: er nicht und auch nicht die polnische Journalistin Aleksandra Rybinska, die dann von Roland Tichy 2019 wieder vor die Kamera geholt wurde: https://www.youtube.com/watch?v=MORHx1mUKxAAuch 4 Jahre später noch sehenswert – weil: es hat sich manches gar nicht geändert.
Außer welche aus der Ukraine kommen eh wenige aus dem Osten in der Anstalt vor. Eher gar keine?

Last edited 1 Jahr her by Kassandra
RUEDI
1 Jahr her
Antworten an  Michael Scholz

Köppel wird auch nicht mehr eingeladen. Auch ein Norbert Bolz nicht. Und Tichy, als Alibi, vielleichtwie einst zum Randthema, wenn ich richtig erinnere, zu Wölfen. Maaßen wohl auch nicht mehr, seitdem er letztmalig Lanz ein paar Wahrheiten gesagt hatte. Aber wie bewegt man das träge Volk, die TV Gefolgschaft zu verweigern, bzw. einfach die GEZ zu halbieren, wegen 50 % Minderqualität (wie bei Mietminderungen etc). Ich sammle derzeit „Beweisstücke“ als Grundlage.

P.Schoeffel
1 Jahr her

AfD-Wähler: Protest-Wähler, Provokations-Wähler…
Sinnloses Wortgklingel. Die AfD macht ein inhaltliches Angebot, nachzulesen im Parteiprogramm. Diese Inhalte will ich in der täglichen Politik sehen. Die verschwurbelten Vorstellungen der Blockparteien nicht.
Das ist der Grund für meine Wahlentscheidung.

Aegnor
1 Jahr her

wenn sie denn mehr werden als nur Vorschläge eines Exminister
Das ist ja der Punkt. Man hat zu keiner Zeit den Eindruck den Altparteien (also vor allem den ehemals liberal-konservativen unter ihnen) ginge es um eine wirkliche Änderung ihrer Politik. Das ganze „Rechts-blinken“ aktuell ist doch nichts weiter als „die Bedenken der Bürger“ zu diskutieren, wobei das Endergebnis dieser „Diskussion“ schon feststeht: Alle Bedenken sind falsch. Die Lösung lautet „weiter machen wie bisher“: Mehr Energiewenden, mehr (Armuts-)Migration, mehr EU-Zentralstaat etc.

HRR
1 Jahr her

Die Altparteien haben sich Deutschland zur Beute gemacht. Taucht unerwünschte Konkurrenz auf, stehen die Parteien zusammen – zum eigenen Vorteil. Der etwas unbedarfte Souverän schaut zu, schüttelt vielleicht den Kopf, und wählt wie gehabt. Denn vermeintliche „Nazi“ wählen geht ja schließlich nicht, als Demokrat, für den man sich hält. Besteht ernsthafte Gefahr für die Etablierten, wird Rufmord am laufenden Band mithilfe williger Medien begangen. Drohungen wie Parteiverbot sowie Aus- und Abgrenzungen tun ein Übriges. Das letzte und nicht unwirksamstes Mittel sind üppige „Geschenke“ als Wahlversprechen, die, sollten sie denn verwirklicht werden, vom Wähler selbst in Form von Steuern zu bezahlen… Mehr

rainer erich
1 Jahr her

Nicht erst in diesem Fall, derartige Sendungen sehe ich als Körperverletzung an, sie triggern meine Neuronen und Synapsen auf eine sehr unangenehme Weise, tun sich gewisse, durchaus interessante Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung zwischen den Kommentatoren und den Autoren auf. Vereinfacht sind es die Unterschiede zwischen Waehler der CDU ( oder FDP) und denen der AfD. Ich zaehle, und das schon etwas laenger, nicht zu den Ersteren. Auffallend ist dabei nicht nur die mitunter durchaus unterschiedliche inhaltliche Bewertung der beruflichen Leistung der Auftretenden, sondern der „innere Werte“. Offensichtlich hegen nicht wenige Kommentatoren und nicht nur die gewisse Zweifel, was… Mehr