Der Zorn habe sich seit vielen Jahren aufgestaut, die AfD ihn nur an die Oberfläche gespült, wo er verstanden und behandelt werden könne. Fragen, die niemand beantwortet, Spannungen, die niemand angegangen habe, dürften nun nicht mehr übergangen werden.
Achtung, Surrender! Aus den Schatten, hinein ins Parlament: Trotzdem, der Mirror hat seine berühmte Schlagzeile aus dem Jahr 1996 nicht wiederholt, sondern berichtet recht nüchtern davon, dass die UK-Independence Party UKIP einen „hochrangigen Repräsentanten“ der islamfeindlichen AfD, die grade mit 13 % drittstärkste Partei in der Bundestagswahl geworden sei und die „Grenzen völlig schliessen wolle“, als Gastredner bei deren Parteitag am kommenden Freitag in das englische Seebad Torquay eingeladen habe.
Viele englischsprachige Zeitungen finden darüber hinaus, die Bundestagswahl 2017 habe „historische“ Dimensionen. Hier einige Auszüge.
Guardian
Der Guardian schreibt: Die Führer der Alternative für Deutschland hätten anlässlich des seit über 50 Jahren einzigartigen, handstreichartigen Einzuges dieser ersten offen nationalistisch eingestellten Partei in den Bundestag versprochen, sich “Land und Volk” zurückzuholen und Angela Merkel mit einer gerichtlichen Untersuchung der Flüchtlingskrise „zu jagen” , so die Zeitung.
Als die Zahlen der ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl kurz nach 18 Uhr am Sonntag auf den Bildschirmen aufleuchteten, hätten Unterstützer der AfD in einem gemieteten Berliner Nachtklub spontan das Deutschlandlied angestimmt, obwohl sie dabei bewusst die ersten beiden Strophen, die immer noch stark mit dem 3. Reich assoziiert würden, ausgelassen hätten. Alexander Gauland, Kandidat der Partei, habe die euphorische Menge schnell von der Bühne aus ermahnt: „Bitte keine Bemerkungen zu machen, die uns später vorgehalten werden könnten“.
Nach einem kurzen Blick auf die Zahlen fährt der Guardian fort: „Obwohl diese Resultate nicht die Tragweite der 52 % Britischer Wähler, die für den EU-Austritt, oder 46 % der US-Wählerstimmen für Donald Trump erreichen würden, so markierten sie doch eine Zeitenwende im Nachkriegsdeutschland. Die deutschen „Rechtspopulisten” würden im Bundestag mit dem besten Ergebnis ankommen, das je eine neue Partei seit 1949 erreicht habe, höher noch als selbst die Stimmenanteile der Grünen oder der dem linken Lager zugehörigen „Die Linke“ während der letzten Jahrzehnte.
Die AfD möge zwar nicht die erste Partei der extremen Rechten sein, die seit dem Ersten Weltkrieg (Anm: Hier war wohl der 2. WK gemeint) in den Bundestag gekommen sei: Bis 1960 sei eine Anzahl kleiner nationalistischer Gruppierungen an der Koalitionsregierung unter dem ersten Nachkriegskanzler, Konrad Adenauer, beteiligt gewesen. (Anm: Gemeint ist wohl die DP)
Aber es sei die erste Partei mit überwiegend nationalistischer Rhetorik und Programm, die im Berliner Reichstag Sitze für sich beanspruche, einem Gebäude, das immer noch von den Schrecken der Nazi-Ära widerhalle. Unter ihren Anhängern gebe es solche wie den Anwalt Jens Maier, der ein Ende des wegen des 2. Weltkrieges geübten „Schuldkultes“ gefordert habe, den Leiter der AfD–Jugend, Markus Frohnmaier, der gelobt habe, Politik nur „für das Volk und nur für das Volk“ zu machen und Niedersachsens Wilhelm von Gottberg, der den Holocaust als „effektives Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“ bezeichnet habe. Obwohl der nationalistische Flügel nicht die Bundestagsfraktion dominieren möge, sei seine aggressive und tabubrechende Rhetorik aber von der Parteiführung geduldet – und in zunehmendem Maße übernommen – worden.
Während der letzten 8 Wochen der Bundestagswahl habe die AfD es geschafft, die Nachrichten mit sorgfältig geplanten Provokationen, wie dem Aufruf Gaulands an die Deutschen, „Stolz auf die Leistungen der deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen zu sein“ zu beherrschen. Er habe auch gesagt, dass die Regierungsbeauftragte für Integration, die türkische Wurzeln habe, „in Anatolien entsorgt“ werden solle. Selbst die AfD-Vorsitzende, Frauke Petry, die früher selbst als Heissporn gesehen worden sei, sich aber zuletzt an den Rand gedrängt gefühlt habe und deren Abwesenheit bei der großen Party in Berlin auffällig gewesen sei, habe ihre Kollegen kritisiert und gesagt, dass diese viele Wähler aus der Mittelschicht abgeschreckt hätten. „Sie könne verstehen, warum die entsetzt seien“, habe sie gesagt.
Ein Bier auf dem Balkon des von der Partei gemieteten Nachtklubs trinkend, leugnet Heribert Eisenhardt, dass die Partei seit ihrer Gründung 2013 immer weiter nach Rechts geschlittert sei und führt dafür die falsche Darstellung in den Medien an. Er sei „nicht einmal stolz, ein Deutscher zu sein“, habe er gesagt, und gewartet, um die Überraschung auf den Gesichtern seiner Parteikollegen aufsteigen zu sehen, nur um dann hinzuzufügen: „solange Angela Merkel noch unsere Kanzlerin sei“. Viele seiner Parteikollegen hätten schelmisch gegrinst und auf die vielen hundert Protestierenden gezeigt, die sich unter dem Balkon versammelt hatten: „O Gott, diese Leute sind gehirntot,“ habe eine Unterstützerin mit einem AfD-Anstecker auf dem Kleid gesagt, „Gulag könnte eine gute Lösung sein“. Eine Stunde vorher hätten sie noch Gauland zugejubelt, als er versprochen habe: dass „sie dieses Land verändern …sie sich dieses Land und das Volk zurückholen würden“. Seine Ko-Vorsitzende, Alice Weidel, habe versprochen, eine parlamentarische Untersuchung von Merkel’s Entscheidung, die deutschen Grenzen während der Flüchtlingskrise 2015 zu öffnen, voranzutreiben.
Zuerst aus Protest gegen die griechischen Rettungspakete von einer handvoll Professoren gegründet, zeige der Erfolg der Partei im Osten, wie weit sie ihre Anziehungskraft heute ausgebaut und diejenigen erreicht habe, die vom Niedergang ihrer Region nach der Wiedervereinigung enttäuscht seien. Aber die AfD sei bei weitem keine Partei der „Abgehängten“, und ihr Programm werde immer noch von Politikern aus dem Westen gemacht, die althergebrachte kleinstaatliche Wirtschaftspolitik befürworteten, so der Guardian abschließend. Im Juni habe eine Umfrage gezeigt, dass 39 % der AfD-Unterstützer über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügten. In ihrem Parteiprogramm habe die Partei zur Abschaffung der Erbschaftssteuer und dazu aufgerufen, dass Langzeit-Arbeitslose 30 Wochenstunden für weniger als den Mindestlohn arbeiten sollten. Über der Auflösung der parteiinternen Widersprüche in Sachen Steuern und Renten könnte sich das Triumphgehabe von Sonntag Nacht aber bald ernüchtern.
Daily Mail
Die „Daily Mail“ springt etwas rauher mit der Bundeskanzlerin um. Heute Morgen wache man auf nach der Bundestagswahl und erlebe nicht weniger als ein politisches Erdbeben in Europa, weil Deutschlands „iron lady“ feststelle, wie es sei, nun Schuhe schwer wie Blei zu tragen. Ja, die Partei von Bundeskanzlerin Merkel sei Erste geworden, aber weit unter dem erwarteten 40 %-Anteil der Wählerstimmen, sondern mit dem schlechtesten Abschneiden der Christdemokraten seit 1949.
Mit nur fast einem Drittel der Stimmen könne man das schwerlich eine klingende Bestätigung für eine Führungspersönlichkeit nach 12 Jahren an der Macht nennen. Man könne fast der eigenen Premierministerin Theresa May nachsehen, dass sie sich im Juni gewundert habe mit „nur“ 43 % als „Verliererin“ gesehen worden zu sein.
Bis gestern sei die Frau, die unter dem Namen “Mutti” – Mutter – Merkel bekannt war, weit und breit als Beherrscherin des Landes bekannt gewesen. Nun sei ihre eigene Zukunft und jedenfalls die – von ihr selbst zur obersten Priorität erklärte – Stabilität Deutschlands in Frage gestellt.
Was um alles in der Welt sei bloss schief gelaufen bei der Bundestagswahl? Trotz der durch den schwachen Euro und stabile Löhne befeuerten Export-Erfolge der Deutschen sei die Abneigung gegen die Kosten, so viele Neuangekommene zu integrieren, explodiert. Jahrzehnte der Schande wegen der Nazi-Vergangenheit des Landes hätten den Nationalismus eingekesselt, aber plötzlich hätten sich rechte Ansichten Gehör verschafft.
Die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) sei oft von ihren Gegnern als neo-nazistisch gebrandmarkt worden, ihre Führungsfiguren würden sich jedoch ganz anders als die Randgruppe der Neonazi-Skinheads der letzten Jahrzehnte darstellen. Anstatt sich prügelnder Bierzelttypen hätten AfD-Kandidaten oft einen Universitätsabschluss und seien eher Karrierefrauen, die mehr wie Yuppies als Neonazis aussähen. Sie betonten die Schwierigkeiten mit der Integration einer Million Immigranten, die kein Deutsch sprächen, und würden für sich beanspruchen, die wahren Verteidiger von Frauenrechten und Juden gegen reaktionäre islamische Fundamentalisten zu sein. Terroranschläge von Asylsuchenden hätten ihre Angstmacherei unterstützt. Sie würden auch auf die Tatsache abstellen, dass etwa vier Millionen Türken und Kurden 50 Jahre lang in Deutschland gelebt hätten, aber weitgehend unintegrierte, arme Außenseiter geblieben wären.
Aber der AfD habe nicht alleine die gegen Zuwanderer gerichteten Gefühle zugespielt. Einer der möglichen Koalitionspartner von Frau Merkel, die Freien Demokraten, hätten auch die gegen Zuwanderer gerichtete Karte gespielt. Ihr Führer habe versprochen, dass Wirtschaftsflüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber heimgeschickt würden. Das setze sie übers Kreuz mit den Grünen – die sich der Zuwanderung verschrieben hätten – und deren Stimmen Merkel benötigen würde, um eine Drei-Parteien-Koalition mit 50 % der Sitze im Parlament zu formen. Wie man das Zuwanderungs-Thema anpacke, werde in allen Gesprächen über die Bildung von Koalitionen eine schwierige Kiste.
Man solle nicht vergessen, dass diese erdbebenhafte Verschiebung bei der Bundestagswahl in guten wirtschaftlichen Zeiten passiert sei. Was wenn die deutsche Wirtschaft nun stagniere oder in die Rezession rutsche ? Ein stabiles, demokratisches und kooperatives Deutschland läge, so die Daily Mail, im eigenen Interesse. Das größte und reichste Land in Europa sei schon zu oft ein unangenehmer Nachbar gewesen. Zweihundert Jahre lang, von der Ära des Karl Marx bis zu Angela Merkel habe Deutschland nach einem Weg gesucht, mit sich selbst und dem Rest von Europa friedlich zusammen zu sein.
Bis gestern habe Angela Merkel ein Ein-Frau-Modell dafür geboten, ein stabiles Deutschland zu schaffen und nebenbei Europa so gut zu managen, wie man sich das nur wünschen könnte. Nun werde ihre großspurige Art der Politikgestaltung einer genauen Beobachtung unterzogen werden. Nicht nur würden ihr die radikale Linke und Rechte das Leben mit allerlei aus der parlamentarischen Trickkiste schwer machen, auch ihre Alliierten würden die Füße nicht stillhalten.
Und was werde das für Großbritannien bedeuten? Was werde Brüssel wegen der Brexit-Verhandlungen ohne klare Anweisungen aus Berlin machen ? Bisher habe man White Hall für die Verzögerungen verantwortlich gemacht, aber wenn die Deutschen in den kommenden Wochen darüber rangelten, wer welches Ministerium bekommen solle, werde der Brexit auf die lange Bank geschoben.
Bloßes Dahinlavieren könne für uns alle (GB) noch schlimmer sein als Merkel’s selbstherrliche Herangehensweise. Wenn die Kanzlerin Deutschland nur regieren könne, in dem sie eine unheilige Allianz zwischen ihren Konservativen, den Freien Demokraten und den Grünen errichte, dann hätten die harte Linke wie Rechte Aussichten auf noch bessere Ergebnisse bei der nächsten Bundestagswahl.
Economist
Auf seiner Seite „Kaffeeklatsch“ stellt der Economist etwas nüchterner und ausgewogener die Frage „Was sie aus den Deutschen Wahlen schließen sollen?“ Nun, das sei einfach. Sie müssten sich entscheiden, ob Sie Pessimist oder Optimist seien.
Germany for pessimists
Die „rechtsextreme” Alternative für Deutschland, eine Partei mit echten Neo-Nazis, sei auf dem Weg, 93 Parlamentssitze zu erobern. In Sachsen könnte sie sogar auf Platz eins landen, wo ihr führender Kandidat gegen „gemischte Völker“ und den deutschen „Schuldkult“ wegen des Holocausts schwadroniere. Im Bundestag werde die Partei an herausgehobener Stelle eine Fülle von Mitteln zur Verfügung haben: Hunderte von Mitarbeitern, garantierte Rederechte unter der Glasskuppel und Sitze in den politischen Talkshows, von denen aus sie ihre Botschaft weiterverbreiten und so noch weiterkommen könnte. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann sie eine Koalition in einem Bundesland eingehen werde. Die laute “Elefantenrunde” vom Sonntag sei die Ouverture für eine neue Epoche des politischen Zwiespalts in einem ehedem so harmonischen Land gewesen.
Mittlerweile hätten die zwei Parteien, die den Ruf der Deutschen, empfänglich für eine gemäßigte Politik der Mitte zu sein (Union/SPD) , am meisten geprägt hätten, auch zusammen die seit dem Kriege niedrigsten Stimmenzahlen eingefahren. Und nachdem die SPD eine neue Große Koalition mit ihr ausgeschlossen habe, müsse eine geschwächte Angela Merkel nun eine sehr wackelige und möglicherweise funktionsuntüchtige „Jamaica“ – Koalition mit der rechtsliberalen FDP und den umweltschützenden Grünen aufstellen, die sich beide über die letzten Wochen schon ständig an die Gurgel gegangen seien. Die bayerische Schwesterpartei der CDU, die CSU, habe scheint’s ihre Feuerpause von vor der Bundestagswahl beendet und sei nun noch grantiger als je zuvor, nachdem sie etwa ein Viertel ihrer Unterstützer vor wichtigen Landtagswahlen, die im nächsten Jahr in Bayern anstünden, eingebüsst habe. Sie habe Frau Merkel dazu aufgerufen, ihre rechte Flanke abzusichern. Und mit der teilweise euroskeptischen FDP im Finanzministerium könne man alle hochfliegenden Pläne einer neuen deutsch-französischen Achse aus dem Fenster schmeissen.
Deutschland stehe vor dem Eintritt in eine Zeit neuer politischer Instabilität, und das just in dem Moment, wenn andere Probleme drängten. Die mächtige Autoindustrie befände sich in der Krise. Die große Generation der baby boomer gehe bald in Rente. Die Infrastruktur verschlechtere sich zusehends. Es kämen ständig neue Forderungen nach einem größeren Engagement der Deutschen auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit. Die Aufgabe, über eine Million Immigranten zu integrieren, die seit dem Tage kommen, als Frau Merkel die Türen des Landes habe weit weit offen stehen lassen, sei immer noch kaum angepackt. Dunkle Wolken zögen sich über dem Land zusammen.
Germany for optimists
Deutschland habe innerhalb von zwei Jahren großzügig über einer Million Immigranten Einlass gewährt. Darauf musste einfach eine Reaktion folgen, schon wenn man sich die Art und Weise ansehe, wie Frau Merkel diese Entscheidung gehandhabt habe: In letzter Minute, ohne große Absprachen oder vorher das Terrain der öffentlichen Meinung sorgfältig präpariert zu haben. Außerdem habe sie grundsätzliche, durchaus korrigierbare Fehler während ihres Bundestagswahl-Kampfs gemacht. Es sei intellektuell träge gewesen, Plattitüden anzubieten (für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben), anstatt sich auf schwierigere Debatten einzulassen. Sie habe die Urteilsfähigkeit der Wähler unterschätzt und habe noch einen annehmbaren Preis dafür bezahlt, mit einem Bundestagswahl-Ergebnis, mit dem sie immer noch lediglich um Bruchteile schlechter abgeschnitten habe als bei ihren ersten beiden erfolgreichen Anläufen für die Kanzlerschaft 2005 und 2009.
In jedem Fall sei das Abschneiden der AfD mit 13 % hoch, aber niedriger als die vor der Wahl prognostizierten 15 % oder darüber – Teil einer größeren Entwicklung: Der Aufstieg kleinerer Parteien, die das Potential einer nach 12 Jahren (davon acht, in der sie am Ruder konturloser Großer Koalitionen mit der SPD gestanden habe) mit Frau Merkel unruhig gewordenen Wählerschaft angezapft hätten.
In vielerlei Weise sei dieser Auflösungsprozess eine angemessene Antwort auf ein müde und seicht daherkommendes politisches Establishment, das von der unterirdischen Fernsehdebatte zwischen Frau Merkel und Martin Schulz, ihrem SPD-Rivalen, gekrönt worden sei, und die sich ganz unvorteilhaft von einer wesentlich gehaltvolleren Debatte zwischen den kleineren Parteien zwei Tage danach abgehoben hätte.
Das Ergebnis könne sogar die deutsche Demokratie wiederbeleben. Die SPD kehre in die Opposition zurück, wo Herrn Schulz‘ Kampfeswille wieder zur Geltung und die Partei mit modernisierenden Energien von Figuren wie Frau Schwesig in die Lage kommen könnte, die nach-Merkel-Wahl 2021 wieder konkurrenzfähig und mit neuer Energie anzugehen.
Bis dahin könne sie es sogar schaffen, eine chaotische und von internen Kämpfen geplagte AfD zu überstrahlen, die dann von den Zwängen der Gesetzgebung dazu gewungen sein könne, sich mit Teilen ihres ausufernden und unzusammenhängenden Wählerpotentials („die Bindung zwischen der AfD und ihrer Wählerschaft sei schwach“, habe der Populismusexperte Cas Mudde bemerkt) zu überwerfen. Die neue erlangte Macht und der Zugang zu Mitteln mögen den AfD-Oberen weitere Zankäpfel bescheren.
Die Wahrheit liege natürlich irgendwo zwischen Pessi– und Optimismus. Aber näher an welchem? Dazu müsse man erst einmal alles verdauen. Aber im Gefühl des Autors sei es so, dass „Germany for optimists“ die zutreffendere Version sei. Das Wahlergebnis sei in vielen Aspekten beunruhigend, besonders da, wo das die AfD betreffe. Jedoch sei viel von der vor der Wahl spürbaren Ruhe doch nur eine Illusion gewesen. Der Zorn habe sich seit vielen Jahren aufgestaut, der Erfolg der AfD ihn nur an die Oberfläche gespült, wo er ja vielleicht verstanden und behandelt werden könne. Fragen, die niemand beantwortet habe, Spannungen, die niemand angegangen habe, das dürfe jetzt nicht mehr übergangen werden.
Independent
Und eine gänzlich andere Tonart schlägt der “Independent” an.
Die Briten, so die Überschrift, seien ganz besessen von der Idee, daß die Nazis wieder in Deutschland Einzug halten könnten. Vielleicht sollten sie mal vor der eigenen Haustüre kehren.
Und nun seien also, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wieder „richtige“ Nazis im Deutschen Parlament. So gesprochen vom deutschen Aussenminister Sigmar Gabriel, und er habe damit die „Angst“ zusammengefasst, die in Berlin gestern aufgrund des Durchbruchs der rechtsextremen Partei „AfD“ bei den Wahlen herrsche.
Und natürlich, mit mehr als 13 % bei der Bundestagswahl habe die AfD das gesamte Land geschockt. Die Partei, gestärkt durch Angela Merkel’s Politik der Offene Türe für Flüchtlinge, werde wohl um die 90 Mandate erhalten und diese dazu nutzen, ein Ende dessen zu verlangen, was ihre Führung als „Invasion von Ausländern“ bezeichnet hätte.
In den letzten Monaten hätten einige Personen in der AfD eine zunehmend revisionistische Sicht der deutschen Rolle im zweiten Weltkrieg vertreten. Einer ihrer Gründer, Alexander Gauland, habe vor zwei Wochen mit der Aussage eine scharfe Kontroverse ausgelöst, daß die Deutschen das Recht hätten, auf die Leistungen ihrer Soldaten in den beiden Weltkriegen stolz zu sein. Kein Wunder also, daß der Aufstieg der Partei quasi über Nacht zur Parlamentarischen Kraft bei so vielen in dem Land Unbehagen auslöse.
In Großbritannien solle der räumliche Abstand eine etwas weniger angsterfüllte Analyse gestatten. Die in der Führung als auch der Basis der AfD vorherrschenden Zwistigkeiten gäben Grund zu der Annahme, daß die Partei, wenn denn ihre Repräsentanten einmal ihre Plätze im Bundestag eingenommen hätten, wesentlich geräuschvoller als effektiv sein würden.
Frauke Petry, die wohl prominenteste Figur der AfD, habe bereits angekündigt, als fraktionslose Parlamentarierin aufzutreten, weil sie durch das nationalistische Auftreten einiger ihrer Parteikollegen beunruhigt worden sei.
Man könne nicht umhin, jenseits der tiefergehenden Kommentare zur Bundestagswahl im Vereinigten Königreich eine gewisse klammheimliche Freude über den Rechtsruck in Deutschland zu bemerken. Teilweise käme diese von denjenigen, die selbst schon ihre Besorgnis über die Auswrikungen von Zuwanderung in grossem Massstab geäussert hätten. In diesem Lager würden aber nur wenige soweit gehen, ihre ganze Zustimmung zur AfD auszudrücken. Die Meisten würden behaupteten „es ja immer schon gesagt“ zu haben, man zwar den Durchbruch der extremen Rechten per se nicht begrüsse, er aber die unvermeidliche Folge des Versagens der sog. „etablierten Parteien“ sei, die nicht auf die legitimen Ängste der Bürger vor mehr Zuwanderung reagiert hätten. In dieser Darstellung wäre dann der gestrige Wahlausgang der Brexit der Deutschen.
Aber es gebe noch eine tiefergehenderen Sachverhalt. Zunächst sei da einmal der tiefsitzende Stolz vieler Leute in Großbritannien darauf, angeblich dem Charme des politisch Extremen zu widerstehen.
Unser (GB) Wahlsystem mag dabei hilfreich gewesen sein, jedoch sei die Vorstellung, daß möglichen Britischen Tyrannen wahrscheinlich eher Spott als Applaus entgegenschlagen würde, nicht ganz abwegig.
Die Kampagne für den britischen EU-Austritt habe viel Kraft aus der „Britannien alleine“ – Mentalität gezogen, die 1940 zur Notwendigkeit geworden sei und die seitdem in der Britischen Psyche eine enorme Rolle gespielt habe. Den ultrarechten Nationalismus in Deutschland wiedererwachen zu sehen rufe in denen, die so gestrickt seien, die Erinnerung (real oder ererbt) an eine Zeit herauf, in der Großbritannien der Schutzherr der Welt gegen die Bedrohung einer Nazi-Aggression gewesen sei. Und dann könne man für den Moment auch einmal die Tatsache beiseite lassen, daß die Wirtschaft im Vereinigten Königreich vor Herausforderungen stehe, während die in Deutschland sich bester Gesundheit erfreue, und stattdessen könne man wieder die moralisch überlegene Position aus 1939 einnehmen, die man auch seitdem immer gegenüber den Deutschen habe behaupten wollen.
Die Ironie dieser ganzen Geschichte sollte eigentlich für jeden schmerzhaft klar zu erkennen sein:
Egal ob die AfD nun einen Erfolg gelandet habe; Deutschland habe sich gerade deshalb, weil es sich von einer schwierigen Vergangenheit gelöst habe, in den letzten 70 Jahren zu einem europäischen Kraftwerk entwickelt. Ganz im Gegensatz zu Großbritannien, das immer wieder mal gestrauchelt sei, weil man es nicht ertragen habe, von einer glorreichen, aber lange verschwundenen Vergangenheit getrennt zu sein.
Bis vier Jahre vergangen seien, mag die AfD sich totgelaufen haben, was man auch hoffen möge. Deutschland, unter der weiteren Regierung Angela Merkels, werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine gewohnte Zentralrolle in einer wiederausgericheten EU spielen und die wirtschaftliche Belohnung dafür kassieren.
Für Großbritannien gelte – mit einer Entschuldigung an David Low (Anm. Brit Karrikaturist) – es könnte sein, dass es uns nicht so gut gehen werde. Alleine.
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Ich habe insbesondere einen Kommentar des Spectator vermisst.
Eben, zumal nur die erste Strophe mit dem 3. Reich assoziert ist, wenn ich mich recht erinnere.
Die schreiben wahrscheinlich größtenteils auch nur ab.
Für die Briten gilt seit langem: „Wir wollen vom Ausland nicht gemocht werden, wir wollen unsere Interessen durch setzen.“ Also nüchterne interessenorientierte Außenpolitik. Das ging bisher hervorragend, Deutschland war lange ein windelweicher Verhandlungspartner in der EU. Als die linke Ideologie überhand nahm, Kontrolle über Migration als nicht verhandelbar deklariert wurde, die europäischen Nationalstaaten zu Feinden der europäischen Integration erklärt und von Brüssel immer weiter geschwächt wurden, trat man aus genau so rationalen Gründen eben wieder aus. Deutschen Patriotismus/Nationalismus negativ zu kommentieren, ist daher britische Staatsraison, sie waren gegen die Wiedervereinigung und permanent Eifersüchtig auf die Deutsche Wirtschaft, völlig egal, wer… Mehr
Die Briten scheinen das gleiche Problem mit ihrer Presse zu haben, wie wir. Statt Recherche und Fakten, bietet die Presse altbackene stereotype Nazivorwürfe. Ich habe kein einziges Mal einen Hinweis auf die permanenten Rechtsbrüche gelesen. Die gebrochenen Maastricht-Verträge werden als „Europolitik“ verbrämt.
Absolute Zustimmung! Und die britische Presse scheint genauso „vergesslich“ zu sein wie die MSM hierzulande. Offenbar ist beispielsweise der Spiegel-Redaktion völlig entfallen, dass das Blatt 1994 einen Beitrag mit dem Titel „Den Kanzler jagen“ veröffentlichte.
Besonders prickelnd die beiden Grünen-Zitate:
„“Das wird ein fröhliches Regieren“, spottet Fischer. Und Grünen-Sprecher Ludger Volmer tönte am Wahlabend: „Wir werden den Kanzler jagen.““
Wir lernen wieder einmal: Es kommt immer darauf an, wer was sagt, um die Hatespeech-Detektoren zum Klingen zu bringen.
Absolute Zustimmung! Und die britische Presse scheint genauso
„vergesslich“ zu sein wie die MSM hierzulande. Offenbar ist
beispielsweise der Spiegel-Redaktion völlig entfallen, dass das Blatt 1994 einen Beitrag mit dem Titel „Den Kanzler jagen“ veröffentlichte.
Besonders prickelnd die beiden Grünen-Zitate:
„“Das wird ein fröhliches Regieren“, spottet Fischer. Und Grünen-Sprecher Ludger Volmer tönte am Wahlabend: „Wir werden den Kanzler jagen.““
Wir lernen wieder einmal: Es kommt immer darauf an, wer was sagt, um die Hatespeech-Detektoren zum Klingen zu bringen.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13683714.html