In der Dunkelheit wird das Gewöhnliche schaurig. Lanz lädt Tino Chrupalla zum Verhör – aber im Studiolicht entpuppt sich der AfD-Chef als viel weniger bedrohlich, als Lanz es wohl erwartete.
Lange schien es, als hätten die Moderatoren der öffentlich-rechtlichen Talkshows Angst vor der AfD. Wie Kinder, die im Bett die Decke über den Kopf ziehen, schienen die Talkmaster Deutschlands die AfD zu fürchten. Nun bricht das zumindest in Teilen auf: Knapp zwei Wochen, nachdem AfD-Chef Chrupalla sich dem Kreuzverhör bei Maischberger stellte, wurde er zu Markus Lanz geladen. Und zur Überraschung der Medien ist niemand im Studio von einem Monster gefressen worden.
Doch auch bei Markus Lanz hat Chrupalla es nicht leicht. Vier Gäste sind geladen: Neben Chrupalla Franziska Klemenz, Lukas Rietzschel und Claus Ruhe Madsen. Klemenz ist Journalistin, die regelmäßig zum Thema AfD schreibt. Auch über die Querdenker-Proteste berichtete sie viel. Lukas Rietzschel ist Schriftsteller. Sein Debutroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ soll erklären, warum junge ostdeutsche Männer zu Neonazis werden. Madsen ist CDU-Politiker und Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Erwähnt wird auch explizit sein Migrationshintergrund: Er kommt aus dem fernen Dänemark.
Diese Diskussion ist nicht fair. Der Autor dieses Textes geht seine Notizen durch: Hat Lanz eine einzige Frage an Rietzschel und Klemenz gestellt, die sich nicht direkt auf Chrupallas vorherige Aussage bezog? Vielleicht, aber dann war sie nicht wichtig genug, um festgehalten zu werden.
Gerade Klemenz scheint nur als Verhörinstrument in der Runde zu sein. Sie fordert von Chrupalla einige Rechtfertigungen (wer moderiert diese Sendung?) und bringt sich sonst nur ein, um Beispiele von echtem oder vermeintlichem Rechtsextremismus in der AfD zu nennen. Was rechtsradikal oder gar rechtsextrem ist, ist dabei weit gefasst: Der AfD werden Äußerungen vorgehalten, bei denen Menschen entmenschlicht werden – aber auch die Forderung, die Grenzen Deutschlands mit Waffengewalt zu verteidigen, wird von ihr als Beweis für Rechtsextremismus genannt. „Das sollte man natürlich nicht machen. Aber nach dem Gesetz ist das erlaubt“, erwidert ein perplexer Politiker. Wie kann diese Forderung dann extremistisch sein?
Was ist denn Rechtsextremismus?
Die Sendung ist eine vertane Chance: Denn Vermischungen und Verwischungen solcher Art geben Chrupalla die Chance, sich der Diskussion zu entziehen. Es ist das ewige Problem des „gärigen Haufens“, wie der ehemalige Vorsitzende Alexander Gauland seine Partei einmal nannte: Auf viele Vernünftige kommen einige, die Aussagen treffen, die viele potenzielle Wähler oder Mitglieder nicht ertragen wollen. Doch eine Konfrontation der Partei mit diesem Zwiespalt wird verhindert, weil jede Forderung der AfD per se als rechtsextrem verschrien wird.
Aus gutem Grund fragt der AfD-Chef: „Was ist denn Rechtsextremismus?“ Die Junge Alternative, die Jugendorganisation der Partei, und einzelne Landesverbände werden von verschiedenen Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistisch eingestuft. Auch er selbst werde überwacht, berichtet Chrupalla. Aber warum sie so eingestuft werden, auf welcher Grundlage die Beobachtung erfolgt, darüber schweigen die Ämter. Wie kann es sein, dass Behörden eine Partei als extremistisch einstufen, das öffentlich kommunizieren – und die Öffentlichkeit soll darauf vertrauen auf der Basis von „glaub mir Freundchen, Spion-Ehrenwort“? Der Vorwurf Chrupallas, der Lanz sichtlich empört: „Der Verfassungsschutz wird politisch missbraucht.“
Eine Diskussion, bei der nur einer Rede und Antwort steht, ist keine. Nein, das Ziel ist es, Chrupalla vorzuführen. Das gelingt nur mäßig. Das Monster unter dem Bett, vor dem das ZDF Augen und Ohren verschließt, das bloß nicht konfrontiert werden soll, ist ein Handwerksmeister, der Politiker wurde, so gar kein Ungeheuer. Rhetorisch geschult ist er. Aber ein gefährlicher Demagoge, der mit seiner Präsenz die Zuschauer in den Bann schlägt und sie schlussendlich ins Verderben führt: So einer ist Chrupalla nicht.
Chrupalla gerät ins Schwimmen, wenn er sich über die Ausfälle von Politik und Medien gegen die AfD beschwert – zurecht, wie Lanz ihm beipflichtet – und dann aber ähnliche Ausfälle seiner eigenen Parteikollegen kleinzureden versucht. Er verhakt sich in den eigenen Argumenten und will für jeden Fehltritt seiner Partei immer einzelne Mitglieder verantwortlich machen: Die Partei als Ganzes, er selbst, ist nie verantwortlich und will seltenst Konsequenzen ziehen.
Bloß nicht vom Plan abweichen
Lanz hat einen Plan: Durch interessante Diskussionsansätze lässt er sich nicht davon abbringen. So beschwert sich Chrupalla, er werde durch den Verfassungsschutz beobachtet. Er stehe unter Polizeischutz. Sein Haus wird angegriffen, sein Auto wurde angezündet. Trotzdem gibt es keine Verurteilungen für diese Angriffe. Die Täter können nicht ermittelt werden.
In Ingolstadt brach Chrupalla bei einer Wahlkampfrede zusammen. Ein Spritzenangriff, hieß es von Seiten der AfD. Das Verfahren gegen Unbekannt wurde nach zwei Monaten eingestellt, das ZDF weigere sich, Videomaterial ungekürzt zur Verfügung zu stellen, das den möglichen Angriff dokumentieren soll. So die Darstellung Chrupallas. Wenn der Zuschauer hofft, mehr zu erfahren, hofft er vergeblich. Rückfragen gibt es hierzu keine.
Die Dunkelheit macht aus Schatten unter dem Bett Monster, aus flatternden Laken Gespenster und aus dem Bekannten das Fremde. Wer die AfD ehrlich konfrontieren will, der muss sie beleuchten. Wer an der AfD interessiert ist, der hat es verdient, sie als das zu sehen, was sie ist. Und wenn dann ein AfD-Feind oder ein AfD-Freund seine Meinung ändert, dann war es eine gute Diskussion. So weit schafft Lanz es nicht. Aber es ist ein Ansatz.
Lukas Rietzschel ist eine interessante Figur in der Diskussion. Erlebt man am Anfang einen weiteren Inquisitionsgehilfen wie Klemenz, wandelt er sich in der Sendung. Er ist bereit, mit Chrupalla zu diskutieren. Sein Hauptvorwurf: Dass der Malermeister mit seiner Rhetorik und mit der Rhetorik seiner Partei den Staat beschädige, die Institutionen des Rechtsstaates gezielt schwäche. Da muss man nicht mitgehen, es blendet die Fehler der Regierungsparteien und der Union komplett aus. Aber Rietzschel ist immerhin bereit, auf Chrupallas Argumente einzugehen und auch in der Bewertung der AfD-Wähler und -Mitglieder zu differenzieren. Eine angenehme Überraschung in einer Talkshow der Öffentlich-Rechtlichen.
Und dann ist da Madsen. Er darf eine weitgehend kritiklose PR-Show liefern. An der Diskussion mit Chrupalla beteiligt er sich kaum, kann aber nicht genug davon haben, von seinen Erfolgen zu erzählen. Das schwedische Unternehmen Northvolt will im Kreis Dithmarschen eine Batteriefabrik bauen. Das wurde allerdings mit Subventionen von 700 Millionen Euro erkauft. Madsen rechnet mit 9.000 Arbeitsplätzen, die dadurch entstehen: ein rechnerischer Stückpreis von 77.777,78 Euro. Mehr noch, wenn die Planungen des Wirtschaftsministeriums wie so oft unhaltbar optimistisch waren.
Madsen ist übrigens von der CDU: Zur desaströsen Wirtschaftspolitik der Grünen sagt er nichts. Man ist ja Koalitionspartner im Land. Auch Strompreise, Wirtschaftsfeindlichkeit, Bürokratie erwähnt er nicht. Aber, dass der Kreis Dithmarschen es nun „mit den USA und China“ aufnimmt, betont er mehrmals. Wegen der „weltweit grünsten Batterien“. Hier gibt es nichts zu beleuchten, es ist zu wenig vorhanden.
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„Wer an der AfD interessiert ist, der hat es verdient, sie als das zu sehen, was sie ist. Und wenn dann ein AfD-Feind oder ein AfD-Freund seine Meinung ändert, dann war es eine gute Diskussion. So weit schafft Lanz es nicht. Aber es ist ein Ansatz.“ Ein Ansatz bei Lanz? Da durfte mal ein AfD Politiker in so einer Sendung antreten, und das ist dann ein Ansatz? Das empfinde ich anders. Vertane Chance? Eine Chance sollte es gar nicht geben. Ja, diese zitierten AfD-Politiker Äußerungen sind ein Problem. Es gibt sie ja auch auf irgendeiner Internetseite zusammengefasst. Aber es bräuchte… Mehr
Anstatt auf der angeblichen Rechtsradikalität und irgendwelchen Zitaten von AfD-Leuten von anno dazumal herum zu reiten (gähn), würde ich mir mal eine inhaltliche Debatte über die aktuellen politischen Herausforderungen und konkrete Lösungsansätze der AfD (und anderer Parteien) wünschen.
Warum findet die nicht statt? Will man es nicht wissen? Fürchtet man sich vor einer Entdämonisierung der AfD? Oder hat man Angst, die schwierigen Themen überhaupt zu benennen und die noch eingelullten Zuseher auf die Schieflage im Land aufmerksam zu machen?
Das ist genau der Punkt, Frau Kremmel.. In der Stadt, in der ich lebe, war vor einem halben Jahr der erste Leserbrief in der örtlichen Zeitung, der sich mit dem Programm der AfD beschäftigte, 2013 gegründet. Das ist kein Zufall, denn beschimpfen, die Nazikeule schwingen, das ist so einfach wie zu lügen.
Aber mit dem Programm würden ja die Probleme deutlich, die die Altparteien geschaffen haben.
Den letzten Satz verstehe ich nicht. Von den Altparteien geschaffene Probleme: Bildung, Wirtschaft, Steuern, Soziales Netz, Energieversorgung, also das Rundumpaket? Oder meinen Sie eine Partei mit Nazi-Programm als Problem? Ich halte die Programme von RRG für viel problematischer. Aber dazu wird es niemals Leserbriefe geben.
Sehr geehrte Mausi! Sie haben sicher noch in Erinnerung das Wort von Seehofer: „Die Mutter aller Probleme“. Warum glauben Sie denn, daß das Bildungssystem zerstört ist? Weil seit Jahrzehnten wegen der unqualifizierten Zuwanderung die Maßstabe gesenkt wurden. Und so kann man fortfahren. Die DDR ist untergegangen wegen Überdehnung Sozialpolitik. Die BRD wird untergehen wegen der unkontrollierten Zuwanderung. Da brauche ich noch nicht mal die Studien von Raffelhüschen, die er schon 2008 aufgestellt hatte, 1 Billion mehr implizite Staatsverschuldung. Und die Justiz. Und die Gefängnisse, warum glauben Sie, daß keine neuen Gefängnisse gebaut werden? Und die Herkunft verschwiegen wird? Und und… Mehr
Tino Chrupalla hat sich hervorragend geschlagen. Wie er hätte besser argumentieren können: hätte, hätte Fahrradkette, die besten Steuerleute sitzen an Land.
Einen Meisterbrief im Handwerk zu machen, ist anspruchsvoller als manches Studium.
Herr Tichy junior, was heisst hier eigentlich „…nur ein Handwerker“?
Das grenzt an „kulturelle Abneigung“. So dachte einst der Adel.
Ein ganz normaler Mensch halt.
Ja, ich finde die Formulierung ebenfalls mißglückt. Gerade auch, wenn man auf die Ausbildung „anderer“ Personen schaut. Im übrigen braucht jeder Politiker Personen mit Fachwissen, die ihm zuarbeiten. Und bei RRG sind diese „Fachleute“ hauptsächlich Ideologen. Der Politiker selbst sollte allerdings bodenständig, d. h. in der Realität verhaftet sein. Und die CDU unter AM und auch die Ampel beweisen m. E. mit dem rapiden Abstieg Ds, dass sie es nicht sind. Allein Abreißen, ohne den Neubau fast vollendet zu haben, gehört nicht zur Beschreibung von „in der Realität verhaftet“. Dagegen beweist D immer wieder, dass es Großprojekte nicht mehr kann.… Mehr
Das „nur“ soll doch bloß den großen Abstand zum Schreckgespenst verdeutlichen!?
Ich lese darin keine Abwertung.
Ich muss jetzt doch mal etwas spitz fragen, werter Herr Tichy junior…: Warum stellen Sie fest, dass es …n u r….ein Malermeister ist, der in dieser „Talkshow“ oder was auch immer das ist, sich mutig stellte? Ich glaube, das steht Ihnen nicht zu, so lässig über den „Malermeister“ ( ein ehrenwerter Beruf übrigens) zu schwadronieren, zumal Herr Chrupalla in seiner Vita ja noch einiges mehr zu bieten hat! Können Sie uns etwas mehr über IHRE Vita erzählen? Das würde mich auch interessieren. Alles selbst erarbeitet….oder? Entschuldigung, wenn ich Ihnen zu nahe trete, aber es beschäftigt mich gerade. Wenn dieser Kommentar… Mehr
Zum Thema Ingolstadt: Chrupalla hat eindeutig darauf hingewiesen, dass alles, was er sagt, von den Ermittlungsakten bestätigt wird. Ich habe auch seine Pressekonferenz zu diesem Thema verfolgt. Er hat den anwesenden Journalisten ärztliche Unterlagen vorgelegt, die seine Aussage über die erfolgte Stichverletzung eindeutig belegen. Deshalb glaube ich auch, dass seine Aussage über die Manipulation des Videomaterials durch das ZDF zutrifft, ebenso wie das Desinteresse der Ingolstädter Staatsanwaltschaft. Es wäre ja nicht das erste Mal.
Davon abgesehen, fand ich, dass sich Chrupalla sehr gut geschlagen hat. Er war gut vorbereitet, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und argumentierte sachlich.
Ja, es mag Schwachstellen geben, mit denen er noch nicht umzugehen weiß, aber er stand am Ende noch genauso überzeugend wie am Anfang. Souverän, freundlich und nicht zurückweichend. Und er kommt halt nicht so arrogant rüber wie Frau Weidel. Sie müsste auch dringend an ihrem Auftreten arbeiten.
Zufällig reigezappt, Machtverhältnisse eruiert, auf 1:4 gekommen, ausgeschaltet. Sollte der ÖRR Mal zu einer fairen Diskussion einladen, bin ich vielleicht wieder dabei.
Wer sieht das eigentlich noch? Die Jungen sind im Netz, Leute wie ich meiden den ÖRR, Neubürger sehen, wenn, dann Heimatsender. Wer bleibt da noch übrig?
Fairtalk bietet so was. Oder Servus.tv. Aber auf den ÖRR wie andere MSM hoffen Sie da vergeblich. Die können nur noch link.
Bauer Willi war auf „Agrarreise“ in Brasilien und beschreibt in Serie, was er da erlebt hat und was von dem abweicht, was uns greenpeace gefärbte Medien seit Jahren einreden wollen. Und das ist nicht nur mit Brasilien so.
Interessant auch, dass Forderungen gegen Tucker Carlson, der Putin interviewte, laut werden, denen Musk so begegnet: „Verhaftet diejenigen, die seine Verhaftung fordern!“ Die Veröffentlichung soll morgen 6 pm Washington time über x vormals twitter erfolgen.
Der Verdacht, dass der Verfassungsschutz mit Haldenwang an der Spitze nur noch ein Propagandainstrument der Regierenden ist und seinen eigentlichen Aufgaben nicht nachkommt, lässt sich nur noch schwer von der Hand weisen.
Das ist mit Verlaub kein Vorwurf das ist REALITÄT und jeder der sich dieser Realität entzieht kann nicht für voll genommen werden!
Na da haben sich die werten Propaganda Medien ja den schwächsten Diskutanten eingeladen. Nichts gegen Herrn Chrupalla er macht für seine Verhältnisse die Sache sehr gut! Nur würde es ganz anders aussehen wenn ein Herr Curio oder ein Herr Baumann mal geladen werden würde, da wird sich keine Kaffeekranztante im Propagandafunk finden die denen intellektuell auch nur das Wasser reichen könnte.
Mir hat Tino Chrupalla gut gefallen, er ist selbstbewusster geworden, wirkte streckenweise argumentativ souverän. Mit seiner prägnanten Stimme ist er ja auch gut gegen Zerstörrede immun. Chrupalla ging nicht auf die im ÖR beliebte Tour ein, ihn zu animieren, seine Parteikollegen wegen angeblicher Äußerungen zu kritisieren. Seine Antwort: Man solle den Björn Höcke und Frau Weidel doch direkt einladen und fragen, wie es gemeint sei. Lanz brachte er mit der Bemerkung, dass er keine Lust habe, auf immer die gleichen Fragen immer die gleichen Antworten zu geben, aber man könne es ja noch mal wiederholen, wenn es denn sein müsse,… Mehr
Rhetorikschule hilft anscheinend. Er muss noch lernen, seine rote Linie besser durchzuhalten, Ablenkungsmanöver zu umschiffen. Unbedingt weitermachen!
Denn es kann doch nicht sein, dass alle abweichenden Politiker sich durch diese Methoden a la Lanz und Co. abschießen lassen.
Herr Henkel war damals auch sehr gut. Aber wer zu gut wird, wird nicht mehr eingeladen. Also brauchen die AfD-Politiker aus Zeitgründen eine sehr steile Lernkurve.