Bretons Vendetta: EU will an X ein Exempel statuieren

Zwischen Elon Musks X und der EU kriselt es schon länger. Nun verkündete Thierry Breton offiziell den Beginn einer Untersuchung gegen X wegen vermeintlicher Desinformation, Irreführung und Intransparenz. Der Endkampf um die Meinungsfreiheit im Internet hat begonnen.

IMAGO / ZUMA Wire

Manche Dinge passieren mit Ansage. Als die EU erstmals ihren Entwurf zum Digital Services Act (DSA) vorstellte, war klar, in welche Richtung die Reise geht. Und als Elon Musk im Herbst 2022 Twitter übernahm und keine Anzeichen machte, sich dem woken Meinungsdiktat der Zensur zu beugen, war ebenso klar, dass die EU an ihm und seiner Plattform wohl ihr erstes Exempel statuieren würde.

Die zahlreichen Versuche der letzten Monate, X als antisemitische und rassistische Plattform zu diffamieren, waren dafür das Geplänkel mobiler Marodeurstruppen, der von EU-Kommissar Thierry Breton vor einigen Monaten auf X öffentlich ausgebreitete Disput, in dem er Musk vorwarf, Desinformation zu verbreiten, der Angriff der Vorhut.

Nun also begibt sich die Hauptstreitkraft der EU in Stellung. Am Montag wurde bekannt gegeben, dass die EU im Rahmen der Durchsetzung des DSA eine Untersuchung gegen X einleiten würde. Bisher liefen Voruntersuchungen, nun wurden diese offiziell gemacht.

Sogar das Abo-Modell erzürnt die EU

Denn: Das offizielle Antwortschreiben auf die Vorwürfe im Oktober empfand die EU wohl als ungenügend. Das kann wohl niemanden überraschen. Obwohl er ihn nach Eigenaussage zwar nicht wirklich einschätzen kann, so ist sich auch der 2G-Befürworter Max Muth von der Süddeutschen Zeitung sicher, dass es „wenig überraschend“ wäre, wenn dieser Transparenzbericht von X „starke Defizite“ aufweisen würde. Im selben Artikel bezeichnete der Zensuranhänger Muth X als „Höllenschlund“. Die Süddeutsche zeigt also mal wieder, wie Subtilität geht.

Einerseits geht es der EU in diesem Fall um die Durchsetzung ihres Meinungsmonopols. Doch ein weiterer Faktor dürfte die Vendetta von Thierry Breton gegen Elon Musk sein. Das liegt insofern nahe, da der bislang vage im Raum stehende Vorwurf der Verbreitung von Desinformation rund um den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober vollkommen außer Acht lässt, dass reihenweise öffentlich-rechtliche Medien im Zuge ihrer Berichterstattung mittlerweile entkräftetes Bildmaterial verbreiteten, dafür jedoch nicht einmal eine Ermahnung, geschweige denn Konsequenzen, von Seiten der EU zu befürchten hatten.

Die nunmehrige Untersuchung gegen X bezieht sich auf drei zentrale Vorwürfe: die vermeintliche Verbreitung von Desinformation, vermeintliche mangelnde Transparenz, sowie ein vermeintlich irreführendes Design der Benutzeroberfläche. Vor allem der letzte Punkt scheint dabei Ausdruck von Bretons Rachsucht gegenüber dem widerspenstigen Musk zu sein. Der Vorwurf lautet, die blauen Häkchen, die vor Musks Übernahme noch Prominenten und Institutionen vorbehalten waren, wären im jetzigen Abo-Modell „irreführend“ und behinderten die Fähigkeit der Nutzer, „freie und informierte Entscheidungen“ zu treffen – laut EU der Verdacht eines Verstoßes gegen Artikel 25(1) des DSA.

Mit anderen Worten: Jetzt, wo jeder sich ein blaues Häkchen kaufen kann, wissen die Leute nicht mehr, wer die seriöse Quelle ist, von der man sich die Welt erklären lassen soll. Die EU würde die Informationshoheit gerne wieder monopolisieren und in die von ihr eigens ausgewählten Hände legen.

Ein Musterstück im Messen mit zweierlei Maß

Der Vorwurf der Intransparenz und die daraus resultierenden Untersuchungen sind deshalb ebenfalls als Schikane zu verstehen, als ein Mittel des störenden Eingriffs in das Tagesgeschehen eines Unternehmens, als Sand im Getriebe einer unliebsamen Maschine. Musk selbst entgegnete Breton auf seiner Plattform, dass X weitaus mehr für Transparenz tue, als vergleichbare soziale Netzwerke wie Facebook, TikTok, oder Instagram. Dem gegenüber behauptet die EU, zwar auch gegen diese Plattformen vorzugehen, doch ist es dennoch X, das als erste VLOP (very large online platform) eine solche Untersuchung über sich ergehen lassen muss. Wo bei den einen ein Klaps auf die Hand genügt, werden andernorts alle Register der Kunst überstaatlicher Schikane gezogen.

Der wohl schwerwiegendste und zentrale Vorwurf, ist jener der Desinformation. Die Verbreitung unechter, gefälschter, oder manipulierter Videos vor allem zu Beginn der Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas ist der nominelle Aufhänger für die Untersuchung der EU, die X vorwirft, die entsprechenden Inhalte nicht schnell genug entfernt oder anderweitig unterdrückt zu haben. Allerdings hatten auch in diesem Fall andere Plattformen kaum eine bessere Bilanz vorzuweisen, zumal die unabhängige Bewertung von Bildmaterial im Zeitalter von KI-Manipulationen und Deepfakes nochmals um ein Vielfaches komplizierter wurde, als sie es zuvor schon war.

Davon abgesehen darf, wie zuvor bereits erwähnt, nicht vergessen werden, dass sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Medien aus dem sogenannten etablierten Spektrum bereits seit Jahren eine desaströse Bilanz bei der Berichterstattung aus Konfliktgebieten aufzuweisen haben. Ob nun diverse Massaker, die sich im Nachhinein als Falschmeldungen entpuppten, oder die berüchtigten Massenvernichtungswaffen im Irak: Gelegenheiten, die Verbreiter von Falschinformationen zur Rechenschaft zu ziehen, gäbe es schon lange zur Genüge. Doch die Aufmerksamkeit der EU richtet sich bewusst nur gegen jene Plattform, die sich ihrem Regulativ zu entziehen droht.

Wer Fakten prüfen darf und wer nicht, entscheidet noch immer die EU

Dafür spricht auch die abschätzige Bewertung der „sogenannten Community Notes“, jener Funktion zur Faktenprüfung, die Elon Musk auf seiner Plattform etablierte, die aber im Gegensatz zu vergleichbaren Warnhinweisen auf anderen Plattformen nicht in Händen eigens ernannter Faktenchecker liegt, sondern bei den Nutzern der Plattform selbst. Viele Nutzer von X erfahren die Community Notes als Bereicherung, Falschmeldungen dezentral und unabhängig als solche erkennbar zu machen.

Doch eben diese dezentrale Lösung ist den EU-Kommissaren ein Dorn im Auge, die Bürger Europas, sowie die Demokratie müssten davor „geschützt“ werden.

— Dr. Gunter Link (@mainstreamwatch) December 18, 2023

Thierry Breton selbst konnte seine Genugtuung angesichts der bevorstehenden Untersuchung kaum verhehlen, als er verkündete, dass die „Zeit der großen Onlineplattformen, die sich benahmen als wären sie ‚zu groß um sich zu kümmern‘ mit dem DSA an ein Ende kam“. Gerade diese Gleichgültigkeit zeichnete aber nicht nur Onlineplattformen, sondern auch Regierungsorganisationen aus, als sie jahrelang im Einklang bestimmten, wer oder was zensiert wurde. Bretons Formulierung „zu groß um sich zu kümmern“ trifft es ins Schwarze, denn es beschreibt den Neid des EU-Kommissars darüber, dass X unter Elon Musk sich eben nicht mehr darum kümmerte, was die EU und Breton als vertretbare Meinung erachtete.

Wie die EU-Kommission es gerne tut, konnte auch Breton sich die Drohung nicht verkneifen, die EU würde „aus ihrem vollen Werkzeugkasten schöpfen“, um „unsere Bürger und Demokratie zu schützen“.

Die EU auf ihrem letzten Prüfstand

Trotzdem bleibt die Frage, wie X mit diesem Feldzug umgehen wird. Die Positionen sind klar bezogen. Musk spekulierte bereits in der Vergangenheit mit einem möglichen Rückzug seiner Plattform aus der EU. Es darf vermutet werden, dass Thierry Breton solch ein Resultat begrüßen und als einen Sieg verbuchen würde. Niemand hat vor, eine digitale Mauer um die EU zu bauen, aber sollte diese sich plötzlich ergeben, dann könnte man damit in Brüssel wohl gut leben.

Bevor es aber soweit ist, wird Elon Musk wohl alles daran setzen, den bürokratischen Anforderungen Genüge zu tun und die Argumentation für seine Lösungsansätze (wie zum Beispiel die Community Notes) transparent und offen darzulegen. Die Verteidigung der momentanen Redefreiheit auf X kann nur im Angriff auf die propagierten Kontrollmechanismen der EU liegen. Denn die EU wird sich, wenn man sie nicht mit ihren eigenen argumentativen Mitteln schlägt, mit nichts weniger als dem Rückzug von X aus der EU oder der Unterwerfung unter die EU-gesteuerte Zensur zufriedengeben.

Das Untersuchungsverfahren gegen X unterliegt laut EU keiner zeitlichen Beschränkung. Auch das erinnert methodisch eher an Schauprozesse, die einfach bis zum gewünschten Ergebnis verlängert werden. Doch während die EU glaubt, das Spiel auf Zeit für sich entscheiden zu können, sollten die Bürger Europas vor allem daran denken, dass bei der anstehenden EU-Wahl im Sommer 2024 die Chance besteht, die Machtverhältnisse in Brüssel zumindest teilweise zu verschieben. Denn der Kampf der EU-Bürokraten mittels DSA gegen X ist nur der Beginn einer neuen Ära der Zensur, die, wenn sie nicht im Keim erstickt wird, die Unreformierbarkeit der EU nur weiter zementieren würde.

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