Bei Maischberger: Kasparow sah Putins Kriegs-Schachzüge voraus

Bei Maischberger erzählen die Gäste vom Krieg. Beklemmend ist es, doch ein Erkenntnisgewinn bleibt wie so oft aus; mehr als Spekulation können sie auch nicht bieten. Dieter Nuhr muss Maischberger einen Witz erklären: Dass auch über Grüne gelacht werden darf, ist diese nicht gewohnt. Von Fabian Kramer

Screenshot ARD / Maischberger

Mit Schachgroßmeister Garri Kasparow und Thomas Roth wartet die Sendung mit zwei Russlandkennern auf, die schärfste Putin-Exegese betreiben. Roth war lange Jahre Leiter des Moskaustudios der ARD und ist mit Russland auch familiär verbunden. „Ich liebe meine Frau“, antwortet er auf die Frage der Moderatorin zu seinem Verhältnis zu Russland. Russland, das ist für ihn nicht Putin: Die Russen sind kein verführtes, sondern ein unterdrücktes Volk, dessen Versuche der Demokratie er in den 90er Jahren beobachten durfte, bis Putin diese Versuche zunichte machte. Der Schachgroßmeister Kasparow ist aus Kroatien zugeschaltet. Hierher ist er schon vor Jahren geflohen, denn in der Heimat droht ihm als erklärtem Oppositionellen Haft und Repression.

Eine blutlose Fahne für Russland

Im Hintergrund seiner Videoaufnahme lässt Kasparow die blau-gelbe Fahne der Ukraine und eine weiß-blau-weiße Trikolore fliegen. Letztere erklärt er zur Flagge der russischen Opposition. Die Fahne ist angelehnt an die bestehende weiß-blau-rote Fahne Russlands, doch ohne das symbolische Blutrot. Blut, erklärt Kasparow, ist in Russland genug vergossen worden. Im Ukrainekrieg wünscht sich Kasparow, dass sein eigenes Land niedergerungen wird. Denn ein siegreiches Russland ist eines, in dem Putin seine Macht weiter ausbauen kann. Kasparow hat an diesem Abend die verbale Bazooka mitgebracht. Er feuert eine ganze Salve an Putin-Kritik ab.

Dabei bezichtigen die harmloseren Vorwürfe Putin der Lüge, die ganz herben gehen in Richtung Hitler und Genozid. Er bittet noch um Entschuldigung, denn er wisse, dass man in Deutschland Nazi-Vergleiche nicht möge, doch ein passenderer sei ihm nicht eingefallen. Da kennt er die deutschen Gepflogenheiten der politischen Auseinandersetzung wohl nicht so gut. Es ist eine kleine Diskussion: Statt über Krieg, Frieden und Feldzüge, sprechen zwei Männer, die eine erkennbare Liebe zu Russland haben, über dieses Land. Eine Lösung können sie nicht formulieren, nur die Hoffnung, dass man eines Tages seine Freunde am Ufer der Moskwa wiedersehen kann. So zumindest formuliert es Thomas Roth.

Man kann seine Meinung sogar ändern

Gegen Ende der Sendung kommt Dieter Nuhr zum Einzelinterview in die Sendung. Der Kabarettist ist bekannt für seine lässig, joviale Art und macht, in luftige Lederkluft gekleidet, diesem Umstand erstmal alle Ehre. Maischberger will wissen: Wie wurde der umstrittenste Kabarettist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sozialisiert? Nuhr ist nicht als linker Öko auf die Welt gekommen, sieh an, sieh an. Hätte man bei seinem Programm auch nicht erwartet. Ihn nervt apokalyptisches Gefasel und die Klimaheilige Greta mit ihren falschen Weltuntergangsvorhersagen.

Die Thematik der schweren, tristen Themen zieht sich weiter wie ein roter Faden durch den Abend. Die Moderatorin will wissen, warum er einen Brief an den Bundeskanzler unterzeichnet hat, um für Verhandlungen im Ukrainekonflikt zu werben. Es ist für Maischberger unverständlich, dass ein Mensch wie Dieter Nuhr in der Situation der ersten Unsicherheit des Krieges sich erst gegen Waffenlieferungen aussprechen kann – und dieselben Lieferungen ein Jahr später unterstützt.

Maischbergers selektive Kurzsichtigkeit

Nuhr will seine Meinung im Angesicht der russischen Verbrechen in der Ukraine geändert haben, doch der öffentliche Druck könnte auch seine Rolle gespielt haben. Ein Druck, den er auch mit Hinblick auf den Druck auf Corona-Kritiker beklagt. Doch ohne Stilkritik am Komiker kommt auch Maischberger nicht aus. Warum er denn Witze über die Grüne Ricarda Lang und ihr Gewicht mache, will sie wissen. Woraufhin Nuhr sich die Zeit nehmen muss zu erklären, was komisch daran ist, wenn Ricarda Lang die Bevölkerung über gesunde Ernährung belehren möchte. Eine anstrengende Minute, die die selektive Kurzsichtigkeit Maischbergers perfekt darstellt.

Zarte Habeckkritik und wenig Demut

Den Rahmen der Maischberger-Sendung bildet wie immer ein kommentierendes Trio aus Journalisten, das sich zum Allerlei des Weltgeschehens äußern soll. Cherno Jobatey, Kerstin Palzer und Wolfram Weimer sprechen über den Besuch Putins in den besetzten Gebieten von Mariupol, über Wärmepumpenpflicht und Klimawandel. Eine substanzlose Diskussion, doch eines fällt auf: die ungewöhnlich große Kritik des Panels an den Wärmepumpenplänen Habecks. Zu viel, zu früh, zu unüberlegt: ist die Kritik. Sanfte Kritik, an einem Gesetz, das Existenzen bedroht; aber eben doch Kritik.

Es zeigt sich daran wieder: Habeck hat sich übernommen. Einen grundlegenden Fehler will man im Panel am Gesetz aber doch nicht ausmachen, nur in der Ausgestaltung. Wie immer heißt es, man müsse die Bürger „besser mitnehmen“, auch als Journalisten, um die Welt zu retten. Demut, findet sich hier keine.

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Kommentare ( 52 )

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52 Comments
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Robert Tiel
1 Jahr her

Besser wäre gewesen, Kasparow hätte die Schachzüge des Westens 2014 in der Ukraine vorhergesagt, dann wäre der Ukraine unglaubliches Leiden erspart geblieben. Oder warum hat die Nato seit den Majdanereignissen in 2014 bis September 2015 3.200 Militärtransporte durch Österreich in die Ukraine rollen lassen wie die Salzburger Nachrichen in 9/15 berichteten? In Kiel standen Züge voll mit militärischen Fahrzeugen ohne Hoheitszeichen. Und Nuhr wagt die Gratwanderung zwischen dem, was er eigentlich denkt und den Anforderungen an ihn seitens des ÖRR. Er hat mehr als einmal seine Meinung geändert, siehe Corona. Anfangs lästerlich, hat er die Impfung beworben und Impfgegner beschimpft.… Mehr

TorstenSchmidt
1 Jahr her
Antworten an  Robert Tiel

Schon 2015 hat John Mearsheimer in einem Vortrag an der University von Chicago genau diese Entwicklung als Konsequenz in einer Eskalationsspirale dargestellt. Aber in unseren Medien habe ich noch nie von ihm gehört, weil er wohl nicht zu den Experten gehört, die genau das sagen, was man hören will. Follow the science zur Ukraine scheint sich bei unseren Öffentlichen wohl schon in Kasparow und Roth zu erschöpfen.Etwas anderes wäre wohl unbequem und könnte den Zuschauer überfordern.

Werner Pfetzing
1 Jahr her
Antworten an  Robert Tiel

Und wegen diesen Militärtransporten hat Putin die Ukraine angegriffen ? Nö, Putin hatte die Nato einfach wegen ihrer schwachen Performance (Abzug aus Afghanistan) und im Vergleich zum kalten Krieg dünnen Bewaffnung nachvollziehbar unterschätzt.
Und wer waren die Separatisten, die ohne (!) Hoheitszeichen von Putin in der Ost-Ukraine eingesetzt wurden ?

hoho
1 Jahr her

Sie würden wohl nie darüber erfahren. So wie wir nicht erfahren, dass in Frankreich die Proteste weiter gehen und dass es knapp zwei Wochen her in Prague die große Demo gegen die Politik der Regierung in dem Ukraine Krieg gab. Wir wissen eine Menge wichtige Dinge nicht.

BerlinWarMalSehrSchoen
1 Jahr her

Die Wärmepumpendiskussion ist doch nur ein Schauspiel, nicht erfunden von Merkel, nicht Schröder oder sonst einem Bundespolitiker, sondern schon uralt: Erstmal Größenwahnsinniges fordern oder ankündigen, dann das jetzige Schauspiel mit den eigenen Spießgesellen von SPD- und Grünen-Funktionären unter Begleitung der üblichen Medienclaquere, und dann tut man so, als ob man sich auf etwas „einigen“ würde, was in Wirklichkeit von vornherein das Ziel, hier der Zeitplan, war. – Merkel hat das allerdings unter Schützenhilfe des Schweigens der meisten Medien ins abstruse gesteigert: Sie hat oft etwas Vernünftiges versprochen, angekündigt oder gar schon angefangen, und hat sich dann nach dem Schauspiel mit… Mehr

Last edited 1 Jahr her by BerlinWarMalSehrSchoen
Michael Palusch
1 Jahr her

„man müsse die Bürger „besser mitnehmen“,“
Nein, muß man nicht!
Wenn ich mitgenommen werden möchte, stelle ich mich an eine Bahn- oder Bushaltestelle.
Von der Politik erwarte ich hingegen, dass sie mich nicht indoktriniert und sich nicht mit erhobenem Zeigefinger anschleimt, sondern das sie ihr Handeln plausibel und rational begründet.

Montesquieu
1 Jahr her

Die dämonisierende Personalisierung des Konfliktgegners gehört zu den Basistechniken der Propaganda. Die Stereotype des Big bad boss in den James Bond-Filmen folgt dem. Wir müssen uns klar machen, dass es am Ende des Tages zwei große Verlierer des Krieges geben wird: Westeuropa (und da insbesondere Deutschland, dem von den USA die Gasversorgung sabotiert wurde) und natürlich die Ukraine, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu größeren Teilen zwischen Russland sowie Polen und zu kleineren Teilen zwischen Ungarn und Rumänien aufgeteilt werden wird. Aber bis dahin wird allüberall in den Medien noch einiges an Affektabfuhr ohne jegliche Reflexion erfolgen. Der diabolische, von slavisch… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Montesquieu
hoho
1 Jahr her
Antworten an  Montesquieu

Ich glaube nicht das größte Verlust für Ukraine eine Teilung wäre. Die Verluste in Menschenleben sind das was zählt. Für jedes Land. Deshalb gefällt das Spiel den Amis so gut: die Toten in Ukraine sind Russen, Ukrainer und Söldner und die zählen schon gar nicht. Ob es zu Teilung kommt ist ungewiss. Serbien musste Kosovo de facto abgeben auch wenn die Sache immer noch nicht komplett abgewickelt ist. Vlt muss Russland Krim auch abgeben. Wer weiß das schon. Wegen der größeren Wirtschaftsleistung haben wir doch mehr Waffen zu verschenken. Die Heuchelei und die Doppelstandards des Westens werden sich aber irgendwann… Mehr

Kuno.2
1 Jahr her

Die geopolitische Situation heute ist indes anders. 1. Saudi-Arabien positioniert sich außenpolitisch künftig anders, nämlich zugunsten eines friedlichen Ausgleichs mit dem Iran und Syrien. Dieses geht, wie heute die DWN schreibt, auf Geheimgespräche der saudischen Führung in Peking im Dezember letzten Jahhres zurück. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Baerbock. 2. haben wir aktuell in der früheren jugoslawischen Republik Moldau eine Inflationsrate von 30 % und das treibt die Leute auf die Straße und macht empfänglich für Angebote aus Brüssel: kommt hinein in die EU. Da darf man gespannt sein wie es weitergeht. Zur Erinnerung: unsere amtlich festgestellte Inflationsrate… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Hat er auch in dieser Deutlichkeit die Kriegs-Schachzüge der anderen Seite voraus sehen können, die ebenso agressiver Art waren in der Zahl und der Methodik und man nun einen Sündenbock sucht für eigenes Anstacheln und zugleich Versagen, was noch erschwerdend hinzu kommt und dann gerne im Umkehrsinn von einer talkenden Sozialistin aufgegriffen wird um daraus das richtige zu machen für ihre dämlichen Zuschauer.

November Man
1 Jahr her

Es ist immer wieder höchst amüsant, wenn gewisse Ober-schlaue Leute so tun als könnten sie Wissen was Herr Putin oder Andere denken. Damit geben sie sich der Lächerlichkeit preis.  

Peter Gramm
1 Jahr her

Egal ob Roth, Maischberger, Nuhr….sie alle leben bestens versorgt und vergütet auf Kosten der Zwangsgebührenzahler. Da sollte man keine Ausgewogenheit erwarten. Die pekuniären Anreize überlagern alles andere.

Unglaeubiger
1 Jahr her

Ich will in diesem ideologischen, idiotischen, wahnsinnigen Karussel nicht mitgenommen werden! Ich bevorzuge ein echtes, wissenschaftlich geführtes Karussel aus verschiedenen Meinungen und Einschätzugen um die bestmögliche Lösung, egal in welchem Bereich, zu finden. Einheitsbreisänger, Poposchlüpfer, Gekaufte und Erpresste ausdrücklich verboten. Gehirnwäsche wird unter strengste Strafe gestellt, die Menschen müssen verpflichtet werden sich eigenständig zu informieren, selber zu denken und zu handeln! Wer das nicht will, wird aus dem Karusell rausgeschmissen. Psychopathen, Soziopathen und Größenwahnsinnige Angsverbreiter werden in die Wüste geschickt, dort dürfen sie gerne ihr eigenes Karussel der Irren aus Sandkörner bauen! Außer Wasser und Brot erhalten sie bei dieser… Mehr