Bei Lanz: „Aus Solingen kann man was lernen“

Merz macht Scholz ein Angebot zur Änderung des Asylrechts und auch Jens Spahn durchtrennt die Nabelschnur zu Mutter Merkel bei Markus Lanz. Die Fehler von 2015 sollen ausgebügelt werden – erstmal rhetorisch. Wie genau, will Lanz wissen. Alles eine „Frage des Willens und der Dringlichkeit“, so Spahn.

Screenprint ZDF

Nach Solingen stehen politische Änderungen im Asyl- und Migrationsrecht im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Wie auch nach Mannheim und den anderen zahlreichen Einzelfällen wird die Schuld dieser verfehlten Einwanderungspolitik hin und her gereicht. Ist die Ampel-Regierung schuld? Oder doch die CDU? Kann überhaupt irgendeine Partei das Problem nur ansatzweise lösen?

Alles nicht so leicht, stellt Lanz fest. Welche Instrumente denn wirklich verwendet und welche Gesetze postwendend geändert werden könnten, fragt Lanz. Immerhin streitet in seiner Runde keiner ab, dass es Fehler gab und es Änderungen bedarf. Bei Caren Miosga meinte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken noch vor einem Tag, dass sich aus dem terroristischen Anschlag in Solingen „nicht viel lernen lässt“.

Spahn gegen den moralischen Zeigefinger der ZEIT

Dass Esken an der Realität vorbeischrammt, ist nicht zu bezweifeln und stellt sie immer wieder unter Beweis. Schön, dass nun der Rechtswissenschaftler Daniel Thym bei Markus Lanz die Realität aufzeigt: „Es lässt sich sehr wohl etwas daraus lernen“, und Anschläge könnten auch abgewendet werden. Neben seiner rechtlichen Einordnung der neuen Forderungen zum Asylrecht, welche Merz dem Kanzler vorlegt, sitzt auch Jens Spahn in der Runde und strotzt vor Tatendrang. Nicht das erste Mal, möchte man sagen, aber vielleicht setzt Spahn dieses Mal sogar etwas um. Vielleicht.

Um den CDU-Mann immer wieder an die Merkel-Ära zu erinnern, ist die ZEIT-Redakteurin und Journalistin Anne Hähnig anwesend. Immer wieder hebt sie den moralischen Zeigefinger gegen ihren Sitznachbarn Spahn und leistet Erinnerungsarbeit. Aber auch gegen den Extremismusforscher Ahmad Mansour, der vor der Gefahr der Radikalisierung des Islams warnt. Schließlich könnten ja auch viele Erfolge der Einwanderungspolitik zugeschrieben werden. Für ZEIT-Redakteure kommt Vor-Terror-Warnen moralisch gleich hinter AfD wählen.

Verschärfung des Asylrechts
Friedrich Merz macht Olaf Scholz ein Angebot, das er nicht ablehnen kann
Besagte Erfolge sehen in etwa so aus: „Die Abschiebung im großen Stil“ ist um 30 Prozent gestiegen. Toll, oder? In absoluten Zahlen wurden also im ersten Quartal von 40.000 abgelehnten Asylbewerbern 5.000 in andere europäische Länder abgeschoben. Hört sich schon nicht mehr ganz so vielversprechend an. Spahn setzt noch einen obendrauf: „Eine Faustregel für letztes Jahr ist, dass pro Tag etwa so viele nach Ende des Verfahrens Ausreisepflichtige reinkommen, wie wir pro Monat abschieben. Und das sagt im Grunde schon das ganze Problem.“

Thym erläutert noch weitere Beispiele des Irrsinns des deutschen und europäischen Asylrechts. So darf die Abschiebung von Nordrhein-Westfalen nach Belgien nur mit dem Flugzeug stattfinden; oder dass ein einmal abgeschobener Bewerber immer wieder einen neuen Antrag auf Asyl beantragen kann, inklusive staatlicher Leistungen.

Einfach nicht zur Abschiebung erscheinen

Das dysfunktionale Asylrecht wird erschreckend deutlich an dem islamistischen Anschlag in Solingen, in dem drei Menschen ermordet wurden und acht schwer verletzt. Der Täter kam 2022 nach Deutschland, wo sein Asylantrag abgelehnt wurde. Die folgende Abschiebung nach Bulgarien konnte nicht durchgeführt werden, weil er nicht anzutreffen war. Als schließlich sechs Monate verstrichen waren, bekam er den regulären Schutzstatus. Nach Saskia Esken konnte diese Tat nicht verhindert werden, da er „nicht auffällig geworden ist“. Mit gutem Recht ärgert sich Markus Lanz über diesen Satz und betont, dass allein sein abgelehnter Asylantrag ausgereicht hätte, um als auffällig eingestuft zu werden. Hinzu kommt, dass der Terrorist sein Bekennervideo unbemerkt in den Nahen Osten versenden konnte.

Spahn fasst die Situation der Einwanderungspolitik in einem Zitat von Peter Scholl-Latour zusammen: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, der hilft nicht Kalkutta, der wird irgendwann wie Kalkutta.“ Er und seine Partei wollen nun Verantwortung übernehmen und sehen ein „klares Signal an den Grenzen“ nötig. Anne Hähnig wendet besorgt ein, dass man sich jetzt aber in Acht nehmen müsse vor einem „unangenehmen wording“ und erinnert nochmal daran, dass doch nicht alle diese Regeln ausnutzen und diese Menschen auf „Hoffnung nach Schutz“ nach Deutschland kommen. Der Einwand wird von Lanz, Spahn und Mansour gleichermaßen abgewehrt. Wieder wendet sich Hähnig mit dem moralischen Zeigefinger an Spahn: „Sie würden also die Grenzen schließen?“ Spahn bejaht: „Ja, das ist, was ich meiner Partei empfehlen würde.“ – Ob er sich daran wohl nach den Wahlen erinnern wird?

Immerhin ist es ein Zeichen dafür, dass die Realität langsam in der CDU ankommt, wenn ihr Spitzenpersonal plötzlich andere Töne anstimmt. Jetzt muss sie es nur noch durchhalten und nicht wieder einknicken. Dafür hat sie noch bis zu den Wahlen am Sonntag Zeit.

CDU fordert viel – aber …

Ob die Forderungen der CDU juristisch überhaupt durchzusetzen sind, möchte Markus Lanz nun wissen. Eine Forderung wäre die Abschiebung in Länder wie Syrien und Afghanistan. Daniel Thym sieht darin kein Problem, da sich die Lage in bestimmten Gebieten positiv verändert hat. Bei der Verweigerung von weiteren Flüchtlingen aus genau diesen Ländern sieht er aber eine große Hürde, welche zu beseitigen, Zeit in Anspruch nehmen würde. Spahn sieht das allerdings als machbar, indem Abkommen mit sicheren Drittstaatenländern verhandelt werden – so wie Meloni mit Tunesien.

Im dritten Punkt der CDU, dem Abschiebegewahrsam, sieht Thym Schwierigkeiten, die nicht so schnell beiseite geschoben werden können. Auf die Frage, wie viel Zeit es in etwa in Anspruch nehmen würde, die Gesetze zu ändern, sagt Thym: „Das letzte Mal hat es 8 Jahre gedauert, aber theoretisch unter einer neuen Kommission kann es auch schneller gehen.“ Ebenso glaubt Spahn optimistisch an eine schnelle Durchsetzung – wenn der „politische Wille und die politische Dringlichkeit“ bestehe.

Nach Solingen
Deutschland muss die Einwanderung endlich vernünftig regeln
Die Fesseln, die sich Deutschland selbst angelegt hat, werden damit aber nicht beseitigt. So darf das Saarland zurzeit nicht nach Griechenland abschieben, entschied das Oberverwaltungsgericht des Bundeslands schon 2022. In NRW wurde schon 2021 ein ähnliches Urteil gefällt. Denn: Die Gerichte bemängeln die Versorgung von Flüchtlingen in Griechenland.

Theoretisch kann in kaum ein Land abgeschoben werden, selbst wenn die betreffende Person nicht einfach untertaucht. Eine Verschärfung der Asylrecht-Praxis muss also bei den Gerichten anfangen – und die Politik muss anfangen, die bestehenden Regelungen durchzusetzen. Doch die Regierung ruht sich auf der Blockade durch Richter aus, die politisch heikle Urteile scheuen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Erstaunlicherweise sitzen die Gäste bei Markus Lanz mit unbekanntem Tatendrang in den Sesseln. Trotz der üblichen Schuldzuweisungen waren sich die Gäste im Allgemeinen einig. Fast idyllisch wäre die erste Talkshow von Markus Lanz von der Sommerpause zurückgekehrt. Wenn Jens Spahn nicht zum Abschluss zu einem kleinen Seitenhieb ausgeholt hätte: „Übrigens gerade habe ich nachgedacht, Herr Lanz. Wir haben von Arbeitsverteilung geredet. Dann kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk ja auch noch seinen Teil tun, denn der kriegt relativ viel Geld dafür. Wir sind ja hier beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade zur besten Sendezeit. Der hat ja vielleicht auch einen Auftrag, dabei zu kommunizieren.“

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 38 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

38 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Riffelblech
3 Monate her

Natürlich kennen die Politiker wieder nur die Worte „ Können ,müssen,sollten „ Handlungen Fehlanzeige ! Womit doch eindeutig bewiesen ist als welcher Klotz die Eu am Bein Deutschlands hängt. Denn die schreiende Angst deutscher Politiker vor der Peitsche der EU lässt jede eigene Handlungsfähigkeit im Sande verlaufen . Zudem kommen Richter die ich ihrer Asylfeundlichen Gesinnung immer dann bewusst werden wenn jemand Abgeschoben werden sollte. Allerdings sind die gleichen Richter gnadenlos wenn sie Impfverweigerer oder Ärzte bestrafen können die bei Corona nur im Sinne ihres Gewissens gehandelt haben . Bisher gibt es kein Medium das die Aufarbeitung der Zeit der… Mehr

nachgefragt
3 Monate her

Finde den Fehler! Deutschland muss jeden Flüchtling aufnehmen, der es über die Grenze schafft, muss die Dublin-Regeln angeblich aussetzen und darf diese nicht durchsetzen, weil Deutschland die Menschenwürde und das rein theoretische Recht auf Asyl zu achten habe, ansonsten droht Deutschland … was? Strafen, Vertragsverletzungsverfahren der EU, was eigentlich? Deutschland kann aber in EU-Länder wie Griechenland nicht abschieben, weil dort die selben Grundrechte missachtet werden, die Deutschland unter Strafandrohung einhalten muss??? Wo ist eigentlich die Strafe für Griechenland, das die unwürdigen Bedingungen seit Ewigkeiten nicht einhält, weshalb Deutschland dorthin nicht abschieben kann? Gibt es im EU-Recht zweierlei Maß? Oder sind… Mehr

what be must must be
3 Monate her
Antworten an  nachgefragt

Die EU ist doch ein Bastard von Deutschlands Gnaden, aber unsere Regierung verzichtet ohne Not auf Selbstbehauptung. Mein Dreisatz: wenn Bayern nicht mehr will, ist Deutschland platt. Wenn Deutschland nicht mehr will, ist die EU Vergangenheit. Daraus resultiert: wenn Bayern nicht mehr will, dann – ja, was?

Haeretiker
3 Monate her

Die Asyldebatte ist nur noch komplentativ. Es wird sich nichts mehr ändern können, weil die Migration – ursprünglich gewollt – eine Eigendynamik entwicklete, die nicht mehr beherrschbar ist. Auch diese Eigendynamik war durchaus gewollt. Alle Regularien der BRD und der EU hatten zum Ziel, dass sie sich gegenseitig blockieren und der Prozeß nicht mehr gestoppt werden soll. Ihre Dysfunktionalität ist nicht Ergebnis der Komplexität, sondern die Garantie des unbegrenzten Zuzugs von Menschen nach Europa, denen man vorher ihre Heimat zerbombt hat oder auf andere Weise eine Welt schuf in der man nicht mehr leben aber auch nicht sterben kann. Dieses… Mehr

Petra Horn
3 Monate her
Antworten an  Haeretiker

Alles eine Frage des Willens.
Und eine Frage, warum die Politiker, egal wen man wählt, diesen Willen nicht haben, ja geradezu eine Aversion.

Kassandra
3 Monate her

Hinsichtlich dieses Herrn Thym – der kommt u.a. von: „Der SachverständigenratDas unabhängige Expertengremium zu Integration und Migration“ und wird inzwischen aus Steuergeldern erhalten wie das rki, nachdem einstmals verschiedene Stiftungen Gelder für solches auf den Tisch legten: https://www.svr-migration.de/ueber-uns/entstehungsgeschichte/Kann Thym damit als verlängerter Arm von Faeser betrachtet werden?
.
Auch gibt es auf der Achse einen interessanten Dialog zwischen dem bei Lanz nun erneut zu Wort gekommenen und Thilo Sarazzin: https://www.achgut.com/artikel/professor_unfug_legitimiert_den_rechtsbruch
Und zu Spahn ist eh alles gesagt. Die Milliarden-Maskengeschäfte zu Lasten des Steuerzahlers aus seiner Zeit als Gesundheitsminister stehen vor Gerichten in Bonn weiter zur Klärung an.

Irdifu
3 Monate her

Ich denke , alles nur heisse Luft was uns die Politikversager da präsentieren . Es sind Marionetten die ihren Auftrag ohe wenn und aber durchsetzen . Der UN Migrationspakt sieht für Deutschland 200 Millionen dieser Hängemattentouristen aus aller Welt vor und danach wird von den dummen deutschen Wählern gewählten Altparteien gehandelt . Alles andere sind Blendgranaten und Beruhigungsmttel , bzw ( Entschuldigung) VOLLVERARSCHE . Hoffentlich enttäuschen die Ostländer die im Setember wählen nicht und wählen ein weiter so mit der Vernichtung Deutschlands. Laut Statistik und Studien , stehen wir im Wirtschaftswachstum mittlerweile auf Plat 195 weltweit , wohlgemerkt unter 195… Mehr

HDieckmann
3 Monate her

Mit dem Corona-Täter Spahn, der keine Aufarbeitung will, sollte man nicht mehr sprechen, auch nicht über Migration. Seine Glaubwürdigkeit ist dahin. Der Mann ist verbrannt.

Petra Horn
3 Monate her
Antworten an  HDieckmann

Ich frage mich, wer den immer in die Sendungen drückt.
Das müssen wohl Befehle von sehr weit oben sein.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die grünverwelkte ÖRR Kaste den irgendwie unterstützen will.
Der wollte ja auch schon CDU-Vorsitzender werden. Da haben dann die CDU Delegierten nicht mitgemacht.
Der Mann hat sich in gewissen Kreisen bewährt und man will nicht auf ihn verzichten.
Was sagt uns das?

cleverfrank
3 Monate her

Ich war ganz begeistert von Spahn. Allein fehlte mir der Glaube. Vorstellen kann ich mir rigides, notwendiges Handeln nur von der AfD. Europa lacht doch über Deutschland, weil außer uns keiner das dysfunktionale europäische und internationale Recht anwendet. Dazu kommen unsere großzügigen Pull-Faktoren.

Petra Horn
3 Monate her
Antworten an  cleverfrank

Kamala Harris legt gerade blendende Auftritte hin.
Sie rezitiert immer denselben Part ihres Theaterstücks „In den Fußstapfen von Obama“.
Sie liest nicht vom Teleprompter, aber kann offenbar gut auswendig lernen.
Mit etwas Disziplin und einem Profi-Regisseur ist alles möglich.

Konservativer2
3 Monate her

Solange nur schutzlose Normalbürger abgeschlachtet werden, wird sich nichts ändern.

Last edited 3 Monate her by Konservativer2
Konservativer2
3 Monate her

Die ganze Diskussion geht permanent und konsequent am Kernproblem vorbei. In Deutschland gibt es zu viele Personen aus gewaltaffinen Kulturkreisen. Da ist es so was von irrelevant, ob sie „legal“ oder „illegal“ hier sind, ob „Islamisten“ oder nicht, den deutschen Pass haben oder nicht.

Dass sich anständige Deutsche dem ungefragt beugen müssen, ist pervers.

Last edited 3 Monate her by Konservativer2
hassoxyz
3 Monate her

Ich würde Spahn nicht über den Weg trauen. Die Grenzöffnung von 2015 hat er stillschweigend mitgetragen. In einem Tweet vom November 2017 hat er sogar die Zahl von jährlich 200 Tsd. muslimischen Neubürgern für verkraftbar gehalten. Nach einem Online-Proteststurm hat er den Tweet schnell wieder gelöscht. Spahn ist einer, der in Talkshows gerne konservativ argumentiert, in entscheidenden Situationen dann seinen linksgrünen Charakter zeigt. Spahn ist genauso wenig glaubwürdig wie Merz oder Söder.

Kassandra
3 Monate her
Antworten an  hassoxyz

Es sind keine 200.000 im Jahr. Mit Familiennachzug und weiteren Möglichkeiten schätze ich, dass seit 2015 durch die Invasion mindestens 10 Millionen solcher dazu kamen.
Das, was uns verborgen bleiben soll, zeigen die Karten auf der www von Bill Warner – nämlich wie weit sich der Islam bei uns und in anderen westlichen Ländern bereits ausgedehnt und Fuß gefasst hat: https://www.cspii.org/learn-political-islam/maps/