Bei Illner: Chinesische Reisbürger schuld an Ukraine-Krieg?

Warum über die Dreiecksbeziehung zwischen Ukraine, Russland und China gesprochen werden muss, wird nicht so ganz klar in der Sendung. Halbwissen, gepaart mit gestelzten Argumenten zieht sich auch durch den Teil, der sich nicht um China dreht. Am Ende hat man keine Ahnung, was man da geschaut hat.

Screenprint ZDF / Maybrit Illner

„Große Offensive, große Zweifel – hat die Ukraine genug Unterstützung?“, so wurde die Illner-Folge des vergangenen Donnerstags angekündigt. Das ist jetzt nicht unbedingt eine Frage, die Illner ihren Gästen noch gar nicht gestellt hat. Man könnte sich sogar aus dem Kellerfenster lehnen und behaupten, dass sie kaum je eine andere Frage hat. Aber gut, wie will man die 10.274.653igste Russland-/Ukraine-Sendung auch groß nennen?

Mit dabei waren: Sonnenblumenurgestein Jürgen Trittin, mal wieder Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, Ben Hodges, amerikanischer Generalleutnant a. D., ebenfalls mal wieder, wie auch Katrin Eigendorf, ZDF-Auslandsreporterin, Politikwissenschaftlerin Janka Oertel und der Leiter vom ZDF-Studio Washington Elmar Theveßen, ebenso mal wieder.

Gutes Personal zu finden ist schwer, aber gute Studiogäste zu finden ist anscheinend so schwer, dass man schon die schlechten ewig recyceln muss. Mein persönlicher Liebling der Sendung war der Simultanübersetzer von Ben Hodges, der so gut übersetzt hat, dass ich zu fasziniert von ihm war, als dass ich mich simultan noch mit dem Inhalt beschäftigen konnte, den er da übersetzte. Das ist allerdings nicht so schlimm: Die Sendung hatte gar keinen Inhalt. Was Maybrit Illner da seit einiger Zeit zunehmend bietet, ist das Bespielen einer Marktlücke oder vielmehr einer Marktnische, die nach ihresgleichen genauso suchen muss wie nach Zuschauern.

"außenpolitisches Desaster"
Macron hinterlässt nach seinem China-Besuch zwei Scherbenhaufen
Zunächst wurde die Frage, die der Titel der Sendung stellt, schonmal gar nicht behandelt. Darum ist es auch nicht sonderlich schade, denn es ist nicht so, als hätte Illner nicht schon mehrmals bewiesen, dass sie dazu auch gut und gerne mehrere Sendungen über durchgehend reden kann. Aber in dieser Sendung hat wohl einfach Marina Weisband gefehlt. Aber sagen wir mal so: Eine oberflächliche „Die Ukraine kämpft für die Freiheit Europas“-Sendung wäre jetzt keine weltbewegende, aber dementsprechend auch keine überraschende. Es wurden aber keine Panzer gefordert oder Bilder von Flüchtlingen gezeigt. Nein, man hat einen deutschen Reporter aus Amerika zugeschaltet, einen Amerikaner ins Studio in Deutschland geholt, ebenso den Außenminister von Luxemburg – um dann zusammen größtenteils über die Beziehung zwischen China und der Ukraine zu sprechen.

Janka Oertel wurde als China-Expertin betitelt, und die anderen haben ja bestimmt schon mal Sushi gegessen – und wie heißt es doch so schön? Egal, ob Tokio oder Bangkok, Hauptsache China. Warum genau wir jetzt unbedingt über die diplomatische Dreiecksbeziehung zwischen der Ukraine, Russland und China sprechen müssen, wird nicht so ganz klar. Aber wir erfahren viel über die Kindheit von Xi Jinping und wie es zu seiner Angst vor Teddy-Bären kam. Außerdem, wie der mongolische Zitronenfalter Einfluss auf die Frühindustrialisierung in London nahm und so das große Wirtschaftswunder der Ming-Dynastie mit verursachte. Und wussten Sie, dass der Sack Reis tatsächlich vorsätzlich umgestoßen wurde? Der chinesische Staatsschutz ermittelt bereits und hat die Reisbürger-Szene im Verdacht. Man steht allerdings noch vor der Frage, was das serbische Agrarministerium damit zu tun hatte.

Naja, ehrlich gesagt, erfahren wir das alles nicht. Aber es würde jetzt auch keinen Unterschied machen, wenn die Rezension hier enden würde. Wir haben es hier mit einer sechsköpfigen Gesprächsrunde zu tun, die die Beziehung zwischen China und der Ukraine diskutiert, als wäre das ein Thema, über das man diskutieren kann. Das ist vielleicht etwas, wozu man einen Experten befragt, vielleicht eine Expertenrunde darüber diskutieren lässt, wenn sich überhaupt so viele Fachleute auftreiben lassen. Das läuft dann morgens um 3 Uhr und nicht in der Prime-Time beim ZDF.

Der Rette-sich-wer-kann-Moment ist da
Baerbock in China: Keine gemeinsame europäische Position
Was man als Durchschnittsbürger mitnehmen kann, der sich gerade nicht zufälligerweise ausgerechnet zu dieser doch sehr speziellen Länder-Konstellation eingelesen hat, ist, dass Russland inzwischen wohl von China abhängig ist, so Katrin Eigendorf. Und „China versucht gerade, die Stimme der Vernunft zu spielen“, wie Janka Oertel erklärt. Wir sind also so schlau wie vorher. Wie soll man auch etwas dazu lernen? Die Runde weiß dazu doch auch nicht mehr. Jürgen Trittin hat seine Bildung über China so ungefähr aus einer „Schöne Landschaften“-TerraX-Doku, und die anderen haben vielleicht noch zusätzlich eine Spiegel-Reisereportage dazu gelesen.

Dieses Maß an Halbwissen gepaart mit gestelzten Argumenten zieht sich auch durch den Teil der Sendung, der sich nicht um China dreht. Am Ende hat man keine Ahnung, was man da gerade geschaut hat. Und ich muss feststellen, dass ich von Ben Hodges tatsächlich doch noch am meisten mitgenommen habe. Der konnte durch dem ganzen China-Gedöns wahrscheinlich eh nicht folgen, der Simultanübersetzer war zwar super, aber seine Grenzen muss er auch haben. Der Anschlag in Moskau ist seiner Meinung nach auf jeden Fall ein Inside-Job gewesen.

Auf ihn wirkte der Schaden zu gering, als dass es ein Mordversuch gewesen wäre, und die Russen würden sowas nicht inszenieren, weil es peinlich wäre, dass die Ukrainer bis nach Moskau durchkommen. Na, er muss es ja wissen, schließlich hört die NSA ja Selenskyj ab. Auch das war zu Beginn kurz Thema der Sendung und die fassungslose Überraschung der Beteiligten zeigt schon, wie wenig sie für solche internationalen und politisch verstrickten Themen gewappnet sind: Was, die NSA hört echt Leute ab?! So richtig in echt? Und als nächstes wollt ihr mir wohl noch erzählen, dass Putin wirklich KGB-Agent war.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 50 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

50 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Flomo
1 Jahr her

Hallo liebes TE Team,

ich nehme diesen Artikel zum Anlass, um auf einen Podcast von Dr. Daniel Stelter aufmerksam zu machen. In der Podcastreihe „beyond the obvious“ gibt es den Podcast „der absolute Wirtschaftskrieg“. Vielleicht wäre ein Artikel darüber auch mal interessant. Mein Fazit dieses Podcast. Die Chinesen haben schon gewonnen und wir haben es noch nicht einmal gemerkt. Irgendwann fragen wir uns dann warum unsere Rechnung für Erdöl und Gas in chinesischer Währung beglichen werden muss.

Atheist46
1 Jahr her

Ihre Zusammenfassung erinnert mich an eine Episode aus „Hägar der Schreckliche“, als der schreckliche Hägar am Ende eines stundenlangen Palavers seiner Wikinger trocken feststellt, dass seine Krieger soeben – unabsichtlich – beschlossen hätten, sich selber zu überfallen.

Last edited 1 Jahr her by Atheist46
Teiresias
1 Jahr her

Wang Yi, der chinesische Aussenminister, sagte kürzlich „Wir dürfen die Ukraine nicht verlieren“.
Hintergrund: Die Ukraine ist ein wichtiger Teil der chinesischen „Belt and Road“- Intiative, auch neue Seidenstrasse genannt.
Die USA wollen die chinesischen Handelsbeziehungen zu Europa maximal sabotieren, um den chinesischen Einfluß zu begrenzen und die amerikanische Macht über Europa zu behaupten.
Insofern versuchen die USA, einen neuen eisernen Vorhang zu etablieren entlang der russisch-ukrainischen Grenze.
Ich denke, daß diese 60min Illner dazu dienten, die US-Interessen zu verschleiern. Warum sonst sollten so viele Amerikaner da sitzen?

Last edited 1 Jahr her by Teiresias
Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Teiresias

Wäre natürlich genial für die Chinesen, wenn sie ihre Hände derart im Spiel hätten. Den Westen samt Amerika verarmt und damit so gut wie ausgeschaltet, zudem mit „Flüchtlingen“ zersetzt, Russland beschäftigt, könnten sie hier natürlich noch weiter Einfluss nehmen, als sie es bisher schon tun. Trump sprach schon vor Zeiten vom Einfluss der Chinesen auf die US-Wirtschaft wie Politik. Ob die, die „mitspielen“, chinesische Listen und Strategeme kennt? Moulüe oder Supraplanung ist gemäß Harro von Senger, der das untersuchte, das Ergebnis von Geisteskraft, strategemischer Weisheit und praktischer Intelligenz. In einer Konfrontation wird der Gegner systematisch dazu gebracht, sich aufgelöst, hilflos… Mehr

Teiresias
1 Jahr her
Antworten an  Kassandra

Diese Denkweise halte ich in China ebenfalls für sehr wahrscheinlich. Der Punkt ist: Zu Maos Zeiten musste das Militär das Geld für seine Waffen selbst verdienen. Das setzt sich bis heute fort. Viele Generäle erwiesen sich als begabte Firmenlenker, weshalb viele Top-Manager gleichzeitig hohe Militärs sind. Die Gleichzeitigkeit von wirtschaftlichem und militärischem Denken und Handeln gibt chinesischen Führern eine ganzheitliche Perspektive, die es ihnen erlaubt, Schwachstellen zu erkennen und zu nutzen, die wir gar nicht auf dem Zettel haben. Man sehe sich nur die unterschiedlichen Tic-Toc-Algorithmen an, die in China produktive Jugendliche als vorbildhaft erfolgreich ranken, während in westlichen Ländern… Mehr

F. Hoffmann
1 Jahr her

Hab ich da eine spannende Rätselsendung verpasst?

Klaus D
1 Jahr her

Da lese ich doch zuerst „Chinesische Reichsbürger schuld an Ukraine-Krieg?“.

Riffelblech
1 Jahr her

Es macht richtig Spaß ihr launige ,humorvolle Beschreibung einer angeblichen sehr ernsten und mithochkarätigen Experten versehenen Maybritt Illner TalkRunde zu lesen . Was als wichtig ,neue Erkenntnisse vermittelnd angekündigt wird zum erhobenen Thema gelingt ihnen hervorragend aufzuarbeiten.
Man kriegt das Feixen nicht aus dem Gesicht.
Zeigt sich doch darin das der Kaiser so wirklich keine Kleider hat .
Und Illner eine Nebelbombe nach der anderen wirft und wenn das Lüftchen der Hinterfragung des ganzen Zinobers weht ,bleibt halt nix mehr überig.
Und selbiges gelingt ihnen hervorragend darzustellen.
Danke dafür !

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Liebe Elisa David, es ist mir immer eine Freude ihre Artikel zu lesen. Soviel Humor, Sarkasmus und Ironie auf den Punkt ist einfach nur genial. Weiter so! Sie und Ihre Kollegen (und auch ein wenig Ihr Chef ;-)) machen einen tollen und in heutigen Zeiten extrem wichtigen Job. Danke dafür!

Wolfgang Mueller-Wehlau
1 Jahr her
Antworten an  Homer J. Simpson

Die vorstehenden Worte möchte ich herzlich gerne bestätigen. Elisa David ist immer eine Bereicherung. Ich hoffe dazu aber, dass Sie im Laufe der vielen Nonsens-Sendungen keine bleibenden Schäden erleidet.

Peter Gramm
1 Jahr her

Frau Illner und ihre wohlausgesuchten Diskutanten. Was soll dabei schon rauskommen. Reiner medialer Kokolores.Der Kugeleis Trittin, dann drei Leute die ihr Geld beim ZDF verdienen und der amerikanische Kriegsfürst und Frau Oertel vom CFR. Mehr Einseitigkeit geht nicht. Der Zwangsgebührenzahler wird wieder mit Kriegsgeilheit beschallt, aber wir sind halt wieder einmal die Guten, Braven und ach so Friedliebenden während wir die Kriegstrommel rühren. Wäre mal interessant gewesen hätte man Journaalisten teilnehmen lassen die selbst auch in Bachmut und anderen Orten in der Ukraine aus eigenem Erleben berichten hätten können. Die gäbe es auch, nur nicht in unserem zwangsfinanzierten Laberfunk.

TorstenSchmidt
1 Jahr her

Liebe Frau David, ich glaube Sie treffen mit Ihrer Analyse den Nagel auf den Kopf, insbesondere den Reissack und die Reisbürger finde ich bemerkenswert. Im Prinzip sind Sendungen wie diese wohl Nebelkerzen und nicht der Rede wert, obwohl dann Ihr unterhaltsamer Artikel nicht entstanden wäre, den ich durchaus gerne lese. Meiner Meinung nach sollte man das Thema „Ukraine“ einmal dahingehend betrachten, was seit dem Beginn des Krieges erreicht wurde, wie z.B. Schwächung des Petrol-Dollars, geschäftliche Verbindungen von Unternehmen in USA und der EU mit Aufbauprojekten in der Ukraine mitsamt den politischen Akteuren, die daran mitwirken, und so weiter. Halt, da… Mehr

DrRobertFord
1 Jahr her

Jedenfalls ist völlig klar, dass die Ukraine im Februar 2022 brutalstmöglich, ohne Rücksicht auf Zivilisten überfallen wurde, zuvor ein mustergültiger, wirtschaftlich blühender, demokratischer Rechtsstaat war, in dem es keine Unterdrückung von Nichtukrainern und keinen Bürgerkrieg gab. Ferner hat der Krieg überhaupt nichts damit zu tun, dass Du-weißt-schon-wer dem »bösen Aggressor« immer weiter mit Militärbasen und Raketenstellungen auf die Pelle (sprich: bis ans Gartentor) gerückt ist. Denn als »Böser« muss man sich von den »Guten« nun mal ohne Aufmucken alles bieten lassen. In der »regelbasierten Ordnung« hat man keine Rechte. Wäre ja noch schöner! Das Gleiche gilt natürlich für die chinesischen… Mehr