Bei Illner: John Lennon für Waffenlieferungen an die Ukraine?

Illners Sendung strahlt nun den geschmackvollen kosmopolitischen Flair aus, den man sonst nur von 70er-Jahre-Tapeten aus der DDR kennt: Währenddessen klingt die neue Überarbeitung ihrer Titelmusik nach einer groovy UdSSR-Version von James Bond.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Wer gestern Abend bei Illner eingeschaltet hat, der hat schon gleich in zweierlei Hinsicht einen Schreck bekommen. Dafür brauchte man gar nicht so weit gehen, die Gästeliste zu studieren, denn da fällt vorher etwas ganz anderes ins Auge: Illner hat sich beziehungsweise ihrer Show eine optische Totalerneuerung gegönnt. Lila – die Farbe der letzen Hoffnung – und orange, eine Farbkombi wie man sie in Paris ganz sicher nicht kennt, zieren nun das Studio, dazu neues Logo, neuer Jingle. Ihre Sendung strahlt nun den geschmackvollen kosmopolitischen Flair aus, den man sonst nur von 70er-Jahre-Tapeten aus der DDR kennt: Währenddessen klingt die neue Überarbeitung ihrer Titelmusik nach einer groovy UdSSR-Version von James Bond.

Aber in dieser Sendung geraten nicht nur die Farben aneinander. Passend zum femininen Touch, den ihre Sendung nun erfahren hat – wenn auch mit dem Presslufthammer –, wurde auch die Gästeauswahl entsprechend angepasst. In der Runde sind, einschließlich Illner, fünf Frauen und ein Mann, und der ist nur zugeschaltet. Frauen-Flower-Power im 70er-Jahre-Studio und im Vorspann der Sendung wird John Lennon gespielt, denn das Thema ist: „Friedensverhandlungen jetzt – naiv oder notwendig?“ Gleich zu Beginn steigt man auch gleich mit einer doch sehr gewagten Frage ein: Wer darf sich Lennons Friedenshymne aneignen? Das Diplomatie-Lager um Sahra Wagenknecht, oder das Ukraine-Lager um die Ampel-Regierung?

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John Lennon dürfte sehr klar in die „Frieden schaffen ohne Waffen“-Ecke zu schieben sein, warum also überhaupt die Frage? Die Illner-Redaktion bemüßigt dafür einen doch sehr beachtlichen Schlenker: Schließlich seien Lennon und seine Yoko ja auch für den Abzug von US-amerikanischen Streitkräften aus Vietnam gewesen. Diese Logik will sie wohl direkt auf die militärische Vertreibung von Russland aus der Ukraine übertragen lassen. Keine Ahnung, weshalb die Illner-Redaktion sich jetzt freiwillig auf so verlorene Posten stellt. Wenn wir die richtige Lösung jetzt aus der Perspekive eines längst verstorbenen Hippi-Sängers beurteilen wollen – dessen Aussagen man entweder verdrehen und interpretieren kann oder ihn so wörtlich nimmt, wie er es eben gesagt hat –, ist von vornherein klar, wer diese Debatte „gewonnen“ hat.

Im Studio diskutieren: Amira Mohamed Ali, Linke-Fraktionsvorsitzende und Unterzeichnerin des „Friedens-Manifests“, Saskia Esken, SPD-Parteivorsitzende und Anhängerin der Waffenlieferungen, Nicole Deitelhoff, Friedens- und Konfliktforscherin, Marina Weisband, Mitglied der Grünen. Na, und dann noch der ehemalige Diplomat Wolfgang Ischinger, der Hahn außerhalb des Korbs und für diese Sendung uninteressant.

„Aus meiner Sicht wäre die richtige Strategie, die Ukraine früh und so stark wie möglich zu unterstützen, damit Russland sich zurückziehen muss.“, erklärt Marina Weisband. Dabei fällt wieder mal auf, wie viel Vertrauen in den letzten Jahren gerade mit Corona verspielt wurde. Denn dieses Argumentationsmuster kommt doch bekannt vor. So früh und stark wie möglich wollte man vor zwei Jahren auch noch die Lockdowns durchsetzen, damit das Virus sich zurückzieht und Schulschließungen verhindert werden. Und angesichts der Tatsache, dass diese Frau in den letzten Jahren Expertin für so ziemlich alles war und ihre ganze Kompetenz in dieser Debatte ein ukrainischer Pass ist, sitzt ihr Heiligenschein jetzt nicht mehr ganz so fest.

Da kann man direkt wieder ein Zitat des Konfliktforschers Lennon heranziehen: „Wenn Affen Klavierspielen können, warum sollten Menschen nicht dazu singen?“ Klavierspielende Affen sind jedenfalls genau das Bild, das mir in den Sinn kommt, wenn ich mir diese Runde aus „Expertinnen“ anschaue, von denen Illner erwartet, dass wir sie ernst nehmen.

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Auf der anderen Seite sitzt derweil ein Mitglied der Mauerschützenpartei und spricht sich gegen Waffen aus, als würde sie nicht von dem Vermögen derer profitieren, die vor kurzer Zeit noch selbst geschossen haben. Obwohl die Linke durch den Ukraine-Konflikt gerade so sehr gespalten wird wie lange nicht, von Rücktrittsforderungen bis Nazi-Vorwürfen, behauptet sie aber, man sei sich innerhalb der Partei inhaltlich einig. Dieser Inhalt besteht dabei zum größten Teil aus Gaspreisdeckel und Übergewinnsteuer, Millionäre sollen zur Kasse gebeten werden. Auch in der Sendung kritisiert Amira Mohamed Ali: „Wer im Moment eindeutig an diesem Krieg Gewinne macht und davon profitiert, ist die Rüstungsindustrie.“

Es ist eben auch kein Wunder, dass der Friedensbewegung Naivität vorgeworfen wird, wenn man sich anschaut, aus welchem Gedankengut die Idee von mehr Diplomatie entspringt. Wenn die Gaspreise zu hoch sind, deckeln wir die einfach, Schuld am Krieg ist der Kapitalismus, und wenn wir Frieden wollen, sagen wir Putin einfach, er soll aufhören zu schießen. Ganz nach John Lennon: „Der Krieg ist vorbei, wenn du es willst.“ Oder auch: „Wenn jeder anstelle eines neuen Fernsehgeräts Frieden verlangen würde, dann würde es Frieden geben.“ Wobei das ja schon wieder daran scheitern würde, dass zu „allen“ ja auch die AfD gehört.

Insofern sollte man sich mit den Lennon-Bezügen vielleicht doch eher an George Harrison von den Beatles halten: „Was mich angeht, so wird es keine Beatles Reunion geben, so lange John Lennon weiter tot bleibt.“ Vielleicht kommen wir in dieser Debatte ja mal an einem Punkt an, der über pseudointellektuelle Sprüche von beiden Seiten hinausgeht. Einem Sänger im Jesus-Hippi-Look kann man sowas noch verzeihen, weil alles andere auch schwer in Verse zu verpacken ist. Und die Hälfte der Zeit war er wahrscheinlich eh high. Von denen, die den Diskurs unseres Landes bestimmen, erwarte ich mir ein bisschen mehr.

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Kommentare ( 38 )

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Deutscher
1 Jahr her

Nun, ob Lennon die Waffenlieferungen unterstützt hätte, weiß ich nicht.

Ich weiß aber, wer sie auf jeden Fall unterstützt hätte. Und es ist jemand, auf den sich all jene, die nun Waffen fordern, zuallerletzt berufen würden.
Sein Name ist… ach, lassen wir das.

Nur so viel: Er war auch mal „Künstler“. Berühmter wurde er aber mit seiner zweiten Karriere.

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
ISC
1 Jahr her

Nur mal so nebenbei: John Lennon war auch Gründungsmitglieder der Beatles und kein Hippie- Sänger !!

Bad Sponzer
1 Jahr her
Antworten an  ISC

Oh doch, er war ein Hippie-Sänger!!! Wenigstens am Schluss.

Deutscher
1 Jahr her
Antworten an  Bad Sponzer

Die amerikanischen Hippies waren – im Gegensatz zu unseren 68ern mit ihrem destruktiven Hass auf Volk und Nation – durchaus patriotisch gesinnt. Im „Woodstock“-Film ist jener umgebaute Schulbus einer Hippie-Clique zu sehen, auf dem geschrieben steht: „Even God loves America“. Sie wollten zwar ein liberales, pazifistisches Amerika – aber sie wollten Amerika und fühlten sich als Amerikaner.

„Nie wieder Amerika!“ oder gar „Amerika verrecke!“ gab es bei denen nicht. Und deshalb wird man den Hippies im großen Ganzen auch nicht gerecht, wenn man sie mit unseren von antinationalem Selbsthass zerfressenen Linksextremisten und ihrer kranken Ideologie in Verbindung bringt.

Last edited 1 Jahr her by Deutscher
Nibelung
1 Jahr her

Wer tut sich denn das noch an? Die sind nahezu für viele schon lange nicht mehr existent, denn für Lügen, Verdrehungen und Beleidigungen auch noch bezahlen müssen ist doch reichlich unverschämt und deshalb gibt es ja auch andere Medien um deren Müll zu entgehen und davon gibt es reichlich, man muß nur sortieren können und ein gewisses Mindestmaß an Erkenntnissen besitzen und dann macht es wieder richtig Freude sich in trauter Runde über das Geschehen zu informieren, den letzten Rest der Bewertung muß man schon selbst vornehmen, davon kann man niemand befreien. Selbst die Zensur wird den Interessierten an nichts… Mehr

wackerd
1 Jahr her

Jetzt muss auch noch der olle Lennon herhalten. Als Musiker, wenn man die Musik mochte, gut. Ansonsten als Freizeitphilosoph und Anti-Vietnamkriegs-Hippie, na ja. Don’t meet your idol! Und die Sendung mit der furchtbar affektierten Illner, Marina „UA Expertin“ Weisband und natürlich Panzer-Generalin zu Land/Wasser/Luft/ Esken: Zum Vergessen. Ach ja, da waren noch ein paar andere. Auch egal.

chino15
1 Jahr her

Beim G20-Gipfel in Indien (über den in hiesigen Medien erstaunlich wenig berichtet wird) wiesen die Vertreter der Schwellenländer darauf hin, dass man die mehr als 200 Milliarden Dollar, die man von westlicher Seite im letzten Jahr für Waffen und sonstige Subventionen nach Kiew geschickt hat, durchaus sinnvoller zum Nutzen der Menschheit hätte verwenden können. Hier kann ich nur zustimmen. Aber dann könnten ja US-amerikanische Rüstungs- und Energiekonzerne deutlich weniger Profite machen, Biden hätte massive Probleme von seinen selbst verursachten innenpolitischen Problemen abzulenken und man hätte keinen Vorwand gehabt, North Stream zu sprengen, um so Deutschland zu deindustrialisieren. Und nach einem… Mehr

Georgina
1 Jahr her
Antworten an  chino15

Die Probleme in der links-radikal (rücksichtslos) geführten USA unter Biden ähneln den „unsrigen“ deutschen sehr. Migration ohne Einsicht, Energiewende, Dekadenz, Perversion, Klimalüge, brutale Zensur, Lügen ohne Ende. Die Infrastruktur zerfällt dort ebenso wie hier (!!) und man findet kaum jemanden, der noch weiß, wie man Dinge repariert. Hier bekämpfen also Linke (USA) andere Linke (EU).

H.Arno
1 Jahr her
Antworten an  Georgina

Nee, die zerstörerische Ideologie der Links-Grünen geht in den USA
und in Deutschland dem gleichen Ziel entgegen: Grenzen öffnen für
kriminelle Eindringlinge – mit gleichzeitiger Zerstörung der Familie,
der Sicherheit der Bürger, der Rechtsprechung und der geschaffenen kulturellen Werte – um mit einer Anarchie der Willkür und Perversion
die Links-Grüne Macht zu errochten?

humerd
1 Jahr her

Marina Weisband passt optisch in die Reihe von Luisa Neubauer, Carla Reemtsma, Carla Hinrichs von der LG und den vielen Sprecherinnen der LG, der apokalytischen Klimasekten, sowie zu Frau Prof. Melanie Brinkmann einst Zero Covid Anhängerin. Das hat schon System, dass überwiegend junge Frauen mit langen Haaren auftreten und nicht mittelalte bis ältere Männer und Frauen.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  humerd

Ich wünsche mir einen Artikel, der Doppelstaatsbürgerschaften in Deutschland unter besonderer Betrachtung von Poliitkern, die solche behalten, untersucht.
Ist das alles, was uns da vorgesetzt wird, inzwischen nicht mehr als seltsam? Und welchen Herren diene ich, wenn ich zumindest 2 davon nachweisen kann?
Und wie ist das mit indigenen Deutschen, die „Doppelpässe“ anstreben? Fällt das nicht unter Ungleichbehandlung vor dem Gesetz?

Jatoh
1 Jahr her

Die einzige Frage in Verbindung mit dem Lennon-Bezug, die in der Sendung hätte geklärt werden müssen ist:
Hat der Westen je etwas aus dem Vietnamkrieg lernen wollen oder gar gelernt?

Christa Born
1 Jahr her

Ein Sendung so sinn- und inhaltsleer wie Seifenwerbung und die Köpfe der Damen. Weniger geht nicht. Wer schaut sich sowas eigentlich an bis zum Schluss? Wenn wenigstens Wagenknecht und Schwarzer dabeigewesen wären, hätte es noch Unterhaltungswert gehabt.

RauerMan
1 Jahr her
Antworten an  Christa Born

Sie haben den Nerv getroffen.
Nachdem ich die Diskutanten sah und deren ersten Antworten, habe ich umgeschaltet.

Bernd Simonis
1 Jahr her

Wir wissen nicht was Scholz weiß und was Biden weiß und wir wissen nicht wie im Hinterzimmer diskutiert wird. Wir werden auch nicht gefragt werden über Kriegsziele, irgendwann werden wir überrascht werden von einer Wende, die wir nicht auf dem Schirm hatten. Es lohnt also nicht wirklich, sich mit Wagenknecht zu streiten, immer den Ball flach halten ist angebracht. Bin anderer Meinung als Wagenknecht, finde sie aber amüsant, daher von mir kein böses Wort.

Ludwig von Gerlach
1 Jahr her

„Wer gestern Abend bei Illner eingeschaltet hat“: Diese einleitende Prämisse des Artikels hat bei mir noch nie zugetroffen und wird auch niemals zutreffen. So schlimm kann es gar nicht werden, dass ich zu einer solchen Abendbeschäftigung greifen müsste. Strikte ÖRR-Abstinenz ist für denkende Menschen eine wesentliche Maßnahme der Gesundheitsprävention, wirksamer als Grüntee mit Insektengebäck. Ich bewundere die Mitarbeiter von TE, die sich Illner antun, um noch nicht völlig verblödeten Konsumenten des ÖRR bei der Einordnung des Unfugs zu helfen. Das ist echter Altruismus!