Bei Hart aber Fair: Das Ende des Individualverkehrs als überparteiliche Selbstverständlichkeit

Bei Hart aber Fair wird nur an der Oberfläche gestritten - über Details und Formulierungen. Im Kern sind sich alle von Fridays for Future bis zur CSU aber einig: Es geht nur darum, wie sehr das radikale Klimaprogramm verschleiert wird.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

„Hart aber Fair“ ist aus der Sommerpause zurück: Mit einem neuen Format zur Bundestagswahl. Frank Plasberg will Orientierungshilfe für den September liefern. Begonnen wird an diesem Abend mit dem Thema Klima. „Klimaschutz im Bürgercheck: Welcher Partei kann man vertrauen?“ fragt der Moderator. Mit dabei sind Bundesumweltministerin Svenja Schulze, CSU-Generalsekretär Markus Blume, der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, die „Fridays for Future“-Sprecherin Pauline Brünger, und Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Nach dem Wahlkampfauftakt
Die Union im Herbst: Pannen, Spitzen, Untergang
Den Einstieg versucht Plasberg mit einer Rückschau auf die Flutkatastrophe dieses Sommers. „Klimawandel und Umweltkatastrophen, die waren ja immer ganz weit weg. Seit diesem Sommer ist das anders“, beginnt der Moderator. Dazu dann die Schockbilder des Unglücks – die unmittelbare Folge des Klimawandels sein soll. Erläutert wird das nicht – „Der Klimawandel ist am Hochwasser schuld“ ist ab sofort gesetztes Narrativ. Ein Einstiegselfmeter für Umweltministerin Svenja Schulze: Die Flut zeige, dass die Klimaveränderungen in Deutschland angekommen seien, meint die Bundesumweltministerin. Doch was sagt sie als Ministerin einer Mutter, die nach der Zukunft ihrer Kinder fragt? Was für Verzicht wird ihr abverlangt? Schulze weicht Plasbergs Frage aus – ziemlich ungeschickt. „Es geht weniger um Verzicht, sondern es geht darum, dass wir etwas anders machen“, erklärt sie. „Dinge anders machen“ wiederholt sie dann zwei Minuten lang mantraartig – und muss am Ende einräumen, dass es eben doch auf Verzicht hinausläuft.

Mit diesem Statement von Schulze wird jetzt Pauline Brünger konfrontiert. Die 19-Jährige Sprecherin von „Fridays for Future“ stellt fest, Schulze habe als Umweltministerin viel zu wenig für den Klimaschutz getan. Brünger will, dass die Politik sich ehrlich macht. Das bedeutet für Sie: Genau wie FFF endlich „große Transformationen“ zu fordern und umzusetzen. Dazu zeichnet sie ein Apokalypsenszenario: Ohne ihre „große Transformation“ würden wir zum Beispiel bald kein Trinkwasser haben. Aber auch Brünger will nicht benennen, dass Opfer gebracht werden müssen. „Natürlich werden sich viele Dinge ändern“. Die Regierung müsse Pläne vorlegen, wie die „große Transformation“ angeblich gestaltet werden könnte, ohne den Bürger zu treffen. Aber: „Die Veränderung, die wird so oder so kommen.“

„Klimaschutz darf doch auch Spaß machen!“

Der CSU-Generalsekretär Markus Blume wird von Plasberg daran anschließend in die Runde geholt. „Ich halte es für falsch, den Menschen zusätzlich Angst zu machen“. Klimaschutz müsse gar keine Verbote bedeuten – Innovation, Fortschritt, neue Technologien seien der Weg der CSU. „Klimaschutz darf doch auch Spaß machen!“ proklamiert Blume. Das triggert die FFF-Sprecherin, die direkt reingrätscht. Technischer Fortschritt werde nicht helfen, die „Veränderungen werden radikal sein“: Weg vom Individualverkehr zum Beispiel. „Wir brauchen nicht immer radikalisieren“, beginnt Blume. Ob die eigene Existenz sichern zu wollen denn radikal sei, giftet Brünger in seinen Satz hinein.

Es zeigt gut die hilflose Position des CSU-Generalsekretärs in der Runde. Inhaltlich widerspricht er kaum, versucht sich dafür um so härter an der Oberfläche zu profilieren. Doch aus der Defensive kommt er nicht heraus, sein Hilferuf, dass Klimaschutz ja auch Spaß machen dürfe, wirkt alles andere als überzeugend.

Nachdem Frank Plasberg wieder etwas Ruhe in die Runde bringt, wendet er sich Cem Özdemir zu. Der erklärt: Die Regierung halte ihre eigenen Klimaziele gar nicht ein. „Wenn man (den Klimaschutz) ernst meint, dann lassen Sie uns doch gemeinsam ehrlich auch sagen: Alle wollen den CO2-Preis erhöhen!“ Anders ginge es gar nicht. Auch er ist wenigstens so ehrlich: „Klimaschutz“ bedeutet Verteuerung, Verzicht und Einschränkungen. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft ist dort der einzige, der sagt, was der Effekt von „Klimaschutz“-Totalitarismen für die Wirtschaft und die Menschen bedeute. „Sie sagen dann so locker: ‚Dann gibt es keinen Individualverkehr mehr‘“, wendet er sich an Brünger. Plasberg zeigt dazu interviewte Bürger, die erzählen: Bei erhöhten Spritpreisen lohne sich das Arbeiten gar nicht mehr – weil die Spritkosten den Lohn fressen. „Da geht man schon für nichts arbeiten dann“.

Wenn Politik darauf keine Antwort finden, was für eine Mobilität kann denn überhaupt angeboten werden könne, werde wir „die Menschen dann verlieren“. Doch Hüther will die Menschen mitnehmen – nicht nur die deutschen, sondern alle Menschen. Deutschland müsse zeigen, wie es geht – Deutschland voran. „Klimapolitik aus Deutschland in die Welt hinein“, fordert der Wirtschaftswissenschaftler. Svenja Schulze derweil will die Sorgen der Bürger natürlich „sehr ernstnehmen“. Klimaschutz müsse sozial sein. Sie will den Menschen zeigen: „Es lohnt sich, ein spritsparendes Auto sich anzuschaffen. Es lohnt sich, auf Elektromobilität umzusteigen.“ Nicht, weil diese Angebote an sich billiger werden: Der Preis des Verbrenners steigt nur.

Für eine Milliarde Euro Wähler kaufen – und andere Neuigkeiten von der Absahnerklasse
 Cem Özdemir ist das alles zu klein. Er will den großen Wurf. Er will eine Regierung, die ihren Erfolg „in eingesparten Tonnen CO2“ messe – und sonst anscheinend nichts. Markus Blume will den Moderaten geben, der Forderungen abschwächen will – konkret werden kann er nicht, und so ist sein Plan, Hitze mit heißer Luft zu bekämpfen, wenig überzeugend. Aber für eine Polemik gegen die Grünen-Forderung nach Lastenfahrrad-Subvention reicht es. Das Lastenrad sei ein „schönes Programm für die Grüne Boheme in den Großstädten“. Doch seine Polemik wird schnell zum Eigentor. Schulze stellt klar: Blumes GroKo selbst hat die Subventionierung des Lastenfahrrads beschlossen.

Während Blume sich also vor allem mit formlosem Geschwafel selbst demontiert, will Hüther zumindest das ein oder andere in Relation mit der Realität bringen. Die Ideen der Verkehrswende setzen grünen Strom voraus – „da müssen wir fragen, wenn wir das schaffen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen: 80% der Energieproduktion in der Welt beruht auf fossilen Energieträgern.“ Doch Pauline Brünger erreicht er mit diesen Argumenten nicht. „Klimaschutz und Vernunft, das ist wirklich jetzt wie im Kindergarten!“, redet sie Hüther ins Wort. „Wenn ich diese Debatte gerade beobachte – dieses ganze Klein-Klein geht so an dem vorbei, worum es gerade geht!“ Und es geht um die „große Transformation“. Hüther greift sie an: Menschen wollten Klimaschutz gut gemacht haben, nicht kopflos.

Was bleibt von diesem Klimatalk? Nichts, was die Sorgen der Bürger wirklich beantworten dürfte, die hier angeblich den großen Check vornehmen. Von Links kommen nur mehr Verbote, mehr Kosten, mehr Verzicht: Mit Svenja Schulze und Cem Özdemir als freundlichen Gesichtern und FFF-Aktivistin Paulina Brünger als radikalem Kopf, der aber eben am Ende doch nur das ausspricht, worum sich die anderen gerne drücken wollen. Michael Hüther steht mit seinen Versuchen, das ganze zumindest in irgendeine Relation mit ökonomischen (und anderen) Realitäten zu setzen, ziemlich auf verlorenem Posten. Auch wegen eines unkonkreten, farb- und formlosen Auftritts von CSU-Generalsekretär Markus Blume. Wie die Union im Wahlkampf versäumt er es leider schon erwartungsgemäß, einen kohärenten Gegenentwurf – oder tatsächlich einfach nur irgendetwas – wirksam anzubieten. Und so bleibt Inhaltlich: Alle wollen irgendwie „mehr für’s Klima tun“. Was das aber konkret bedeutet, wieviel das kostet oder ob das überhaupt funktioniert – dazu kann die Runde keine Antworten liefern. Nach 75 Minuten wissen die Zuschauer genauso wenig darüber wie die Politiker selbst.

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Kommentare ( 189 )

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Sickinger
3 Jahre her

Markus Blume – hat der hier so windelweich für die CDU/CSU gesprochen? Na dann…

giesemann
3 Jahre her

Darf ich das? fff heißt „fight for freedom“. Klimaschutz als Bürgerschreck. Kommt der Moslem-Mann über den Evros, dann geht Europa über die Wupper. freedom fuck off. Und der will nur Fleisch und Boliden, keineswegs Lastenfahrrad und Soya. Botschaft an die Hypofertilen hier: Macht Platz, damit sich die Hyperfertilen umso besser ausbreiten können. TE zu „hart aber …“ vom 24-8-21
 

Ralph Martin
3 Jahre her

Ein schöner Nebeneffekt der CO2 Steuer für Herrn Özdemir und Co sind höhere Staatseinnahmen die die eigene Existenz und Daseinsberechtigung sichern, oder ist das vielleicht der Hauptzweck?

Lucius de Geer
3 Jahre her
Antworten an  Ralph Martin

Natürlich sind Mehreinnahmen – wie einst bei der Einführung der sog. Ökosteuer – der Haupzweck. Wäre eine Lenkungswirkung der Steuer erwünscht, müssten die Einnahmen ja irgendwann gegen Null gehen, das wird aber nicht funktionieren, da man zwischenzeitlich längst neue Ausgabenstrukturen geschaffen hat, die sich verfestigt haben und die man nicht mehr rückgängig machen kann. Der Steuerstaat ist nur durch Krieg oder andere Katastrophen reformierbar, bei denen schlicht die Einnahmenbasis wegfällt.

Ruhrler
3 Jahre her

Wenn man wissen will was für einen massiven Klaps junge Menschen wie Pauline Bruenger weghaben muss man sich nur dieses Video anschauen:
https://www.instagram.com/p/CRYteV9I3TU/
Dieses Schneeflöckchen ist ein Fall für den Therapeuten, aber keinesfalls für eine Talkshow.

HeinzJansen
3 Jahre her
Antworten an  Ruhrler

Danke für die Info.

butlerparker
3 Jahre her

Globaler „Klimaschutz“ und um den sollte es doch eigentlich gehen, weil nur der wirksam wäre, funktioniert nur über weniger Menschen auf der Welt. Davon habe ich leider gar nichts gelesen. Wenn also D verarmt und zum failed state wird, (statt arm aber sexy dann arm aber klimaneutral) werden dadurch in Afrika, Indien, Pakistan, großen Teilen von Afrika und Südamerika weniger Kinder geboren? Und hat der Papst schon aktiv die Verhütung empfohlen? Mir fehlt da immer noch die päpstliche Bulle….. Fr. Brünger hat aber schon Recht. Einfach D wieder auf Neandertalerniveau bringen und schon wird einiges an CO2 eingespart. Und wenn… Mehr

Lucius de Geer
3 Jahre her

Ich empfehle Ihnen: Entwerfen SIE doch ein Automobil für eine 80 kg leichte Person (die zu finden wird bereits schwer…) mit maximal 800 Kilogramm Fahrzeuggewicht (vollgetankt, versteht sich), Tempo 120 km/h und versuchen Sie, es erstens alle Crashanforderungen erfüllen zu lassen, zweitens fernreisetauglich für eine vierköpfige Familie zu machen, drittens ausreichend für einen Baumarktbesuch zu dimensionieren und viertens am Markt zu verkaufen. Vielleicht verstehen Sie dann, dass die meisten Leute sich nur EIN entsprechend ausgelegtes Auto leisten können, das alle diese Bedingungen mindestens erfüllt. Alternativ fahren Sie einmal wieder mit einem Golf 1 Diesel – das Ergebnis kann heilsam sein… Mehr

Teiresias
3 Jahre her

Die Flut, um die es wirklich geht, ist die Schuldenflut. Wir haben immer noch 2008, wir haben immer noch Lehman-Pleite, Schuldenvergemeinschaftung, Nullzins, Staatsfinanzierung mit der Notenpresse et c.. Das Schuldenproblem soll jetzt weginflationiert werden, das heißt, das Problem wird auf Kosten arbeitender und zu Gunsten besitzender Menschen gelöst. Dabei sollen vor allem Revolutionen und Machtverlust verhindert werden. Ich erinnere mich noch, als 2008 nach Platzen der Lehman-Bombe abertausende Amerikaner Obdachlos in ihren Autos wohnen mussten und Zwangsräumungen der einzige florierende Wirtschaftszweig waren. Damals hatte das Handelsblatt einen sehr interessanten Artikel über die andere Seite, wie es den Bankern, Spekulanten, kurz:… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Teiresias
StefanH
3 Jahre her

Deutschland 2021: Schwachsinnige diskutieren mit Schwachsinnigen über Schwachsinn. Und das zur besten Sendezeit im TV. Während der Rest der Welt sich einen Dreck um diesen Schwachsinn schert und die Deutschen als eine Nation von höchst unterhaltsamen Komikern betrachtet.

November Man
3 Jahre her

Naturschutz und Klimaschutz ist kein Alleinstellungsmerkmal der Grünen, das machen wir schon lange, ich mein Leben lang, da gab es noch keine Grünen, nur die RAF.
Wenn die Grünen ihren persönlichen Klimaschutz betreiben wollen, aus der fossilen Energie, zum Beispiel Kunststoffprodukte, aussteigen wollen, können sie das gerne tun.
Dann sollen die Grünen bitte alle technischen Kunststoffteile in ihrem Haushalts zusammen glauben und im Recyclinghof abgeben.
Als erstes fangen wir mit der Kaffeemaschine, Wasserkocher. Computer und Laptops, Fernseher, Handys und Smartphones an.
Also ihr Grünen, redet nicht so viel, geht uns allen mit gutem Beispiel voran.

Markus Machnet
3 Jahre her
Antworten an  November Man

Man hat jetzt die Plastiktrinkhalme verboten und produziert jeden einzelnen Tag tonnenweise Plastik mit sinnlosen Plastik-Teststäbchen Plastik Fläschchen und Plastikverpackungen. Dazu kommen Plastikmäntel -handschuhe und -schuhüberzüge. Und niemand stört sich daran daß es dafür offensichtlich kein Ende gibt. Der Wahnsinn hat System.

Anti-Merkel
3 Jahre her
Antworten an  Markus Machnet

Nicht zu vergessen auch die erzwungenen Plastik-Maulkörbe, die reihenweise auf der Straße “entsorgt” werden.
Ich kann nicht mehr mit meinem Hund durch das Dorf gehen, ohne dass er an mindestens 2 Stellen eine gebrauchte FFP2-Maske mitnehmen will.

Lucius de Geer
3 Jahre her

Niemand kennt auch nur annähernd die Bevölkerungszahl im Jahr 1250 – sagen wir – in Amerika, Australien, Afrika, Indien und China. Auf reinen Schätzungen mit gigantischen Fehlerbandbreiten über so lange Zeiträume kann man doch nicht ernsthaft irgendwelche Korrelationen herleiten, auch der historische CO2-Anteil kann nur grob approximiert werden. Brauchbare globale Zahlen liegen überhaupt erst seit der Nachkriegszeit vor.

Lucius de Geer
3 Jahre her
Antworten an  Lucius de Geer

Was denn jetzt – 1250 oder 1850? Egal, ich kenne die von Ihnen genannten Methoden, es handelt sich dabei durchweg um Hochrechnungen aus Einzelbeobachtungen mit erheblicher Schwankungsbreite, also im Ergebnis grobe Abschätzungen. Es gibt dagegen keine durchgehenden zuverlässigen metereologischen Aufzeichnungen außerhalb Europas und den USA für die Zeit vor 1900, also für den weit überwiegenden Teil des Planeten. Ich empfehle Ihnen die Anschaffung eines Globus und dann markieren Sie bitte darauf die Meßstationen, die überhaupt mehr als 120 Jahre zurückreichende verlässliche Daten aufgezeichnet haben. Man wird sehr schnell demütig dabei.