Der Sinn des Ganzen erschließt sich nicht. Der russische Rechtsanwalt und „demokratische Politiker“ (Wikipedia) Alexei Anatoljewitsch Nawalny brach während eines Fluges über Sibirien zusammen, wurde in eine russische Klinik eingeliefert und dann in die Berliner Charité überstellt, wo man „zweifelsfrei“ (Annegret Kramp-Karrenbauer) Spuren des Giftes Nowitschok feststellte. Heiko Maas, größter Außenminister aller Zeiten, stellte sofort ein Ultimatum an Russland, und Anne Will diskutiert nun die Frage: „Giftanschlag auf Nawalny – ändert Deutschland jetzt seine Russland-Politik?“. Aber nicht mit Heiko, dem Äußersten, der das ja vielleicht sogar beantworten könnte, sondern mit Norbert Röttgen.
Norbert Röttgen ist vor allem ein Medienphänomen, denn im Grunde hat der Mann wenig Fortüne. Bei Landtagswahlen fuhr er mit 26,3% für die Union das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten ein – und das gegen eine katastrophale grüne Sozialistentruppe im Homeland NRW. Darauf folgte seine Entlassung als Umweltminister – die erste Ministerentlassung in der bis dato siebenjährigen Kanzlerschaft Merkels. Als Trostpreis kam er dann in den Auswärtigen Ausschuss. Tapfer oder wirklichkeitsblind tritt Röttgen nun unter dem Slogan „Jetzt voran!“ als Parteichefkandidat der CDU an.
„Der Russe” aus der Mottenkiste der Geschichte
Wo sind wir nur gelandet? Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet eine Sevim Dagdelen von der Linkspartei, formerly known as SED, das große Cicero-Wort „Cui Bono“ in die Runde einführt mit der Frage: War Cicero etwa auch ein Verschwörungstheoretiker? Die anbringt, dass die Bundesregierung gar nichts genau wisse, dass selbst das Gift Nowitschok längst auch westlichen Geheimdiensten zur Verfügung stehe, MAD inklusive.
Im Grunde geht es um die Pipeline North Stream 2, den Amerikanern – Demokraten wie Republikanern – ein Dorn im Auge, mit der russisches Gas, an Polen und der Ukraine vorbei direkt von Russland in die BRD geleitet werden soll. Röttgen, strammer Atlantiker, der er ist, fordert die Beendigung des Projekts. Ausgerechnet die Sozialistin Dagdelen verweist auf 50 Firmen aus Deutschland, die dann Milliardenverluste machen würden – o du verkehrte Welt!
Lechts und rinks kann man nicht velwechsern? Werch ein Illtum! Dazu passt Jürgen Trittin, der Altkommunist, der von der Optik her gut zu den „Reichstagsstürmern” mit der Reichsfahne gehören könnte. Jetzt ist er bei den moralisierenden Grünen und erklärt, wie Nawalny überhaupt in Deutschland gelandet ist: Es sei nämlich „selbstverständlich, allen zu helfen, wenn die Verwandtschaft darum bittet“. Das stimmt, wie iranische Mullahs oder auch Clangangster aus dem Kosovo bestätigen können. Aber seit wann gilt das für Rechte? Nawalny nahm laut Wikipedia mehrmals an „teils als rechtsextrem eingestuften Russischen Märschen teil und bezeichnete sich selbst als nationalistischen Demokraten“.
Übrigens hilft bei Putin und seiner Bande das Cui Bono nicht weiter, erklärt Trittin, und auch der Ausspruch von Gysi, „der Putin müsse ja bescheuert sein…“. Denn „beim Russen” hat der politische Mord Tradition.
Nur Dagdelen vertrat deutsche Interessen
Der Höflichkeit halber wollen wir noch schnell Sarah Pagung und Wolfgang Ischinger erwähnen. Pagung, die an der Franzsika Giffey Universität, Berlin, also der Freien, Politologie studiert hat und nun bei einer Denkfabrik arbeitet, plädierte auch auf „schuldig“, fand allerdings auch die Idee von Trittin gut, den Oligarchen „den Besitz einzuziehen wie Clanchefs von Neukölln“ (da lachen die Clanchefs), ergänzt den Gedanken aber noch um „Oligarchinnen“.
Ischinger veranstaltet regelmäßig in München eine Diplomatenparty, die Münchner Sicherheitskonferenz heißt, und begleitete alle Ausführung seines Atlantik-Freundes Röttgen mit väterlichem Kopfnicken.
Nur Dagdelen vertrat deutsche Interessen (‚O du verkehrte Welt!’ zum Zweiten), denn „wir würden uns ins eigene Knie schießen, wenn wir North Stream 2 stoppen“. Nicht mal ihr Appell, dass sich dann Donald Trump ins Fäustchen lachen würde, konnte das Urteil abwenden.
Jürgen Trittin war sogar schon weiter. Noch besser wäre es, so der alte grüne Mann, überhaupt keine Öl- oder Gas-Pipelines zu bauen oder zu nutzen, und bloß auch kein Flüssiggas-Terminal für US-Gas. Und dann hat er sich sicher am Ende der Sendung auf sein Gazelle-Fahrrad geschwungen und ist durch das kühle und dunkle Berlin nach Hause geradelt.
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