Bei Anne Will: Das größtmögliche Stück vom Kuchen

An diesem Abend hieß es Sieger gucken. Und Manuela Schwesig. Wolfgang Kubicki und Volker Bouffier sonnten sich im NRW-Ergebnis, aber auch Jürgen Trittin (Grüne minus 6 Prozent) hatte beste Laune.

Screenshot ARD/Anne Will

Punkt 18.00 Uhr war klar: Der SPD-Selbstbedienungsladen NRW wird vorübergehend geschlossen. Und auch für die Bundespartei war der 1. Mai erst mal der letzte große Feiertag. Das Gesicht zur Landtagswahl projiziert an diesem Abend ganz klar Ralf Stegner auf die TV-Geräte. Es hat dabei fast schon die Qualität eines Emoji – ohne Ton steht es passgenau für Saarland, Schleswig-Holstein und nun „das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die SPD in NRW“. In den USA wären wahrscheinlich schon überall T-Shirts mit „Grumpy Ralf“ zu kaufen.

Der Chef von Grumpy Ralf

Tapfer, fast schon ein bisschen forsch, nimmt 100%-Schulz auch die dritte Niederlage in Folge an – 100%-Schulz, das klingt nun eher nach Loriot: 100% Baumwolle mit einer 70%igen Polyesterbeimischung.

Hannelore Kraft hat – wie man im Revier sagt – die Schnauze gestrichen voll von der SPD im Homeland und der in Berlin ebenso. Sie tritt von allen Ämtern zurück. Damit wollen auch wir uns von ihr an dieser Stelle verabschieden – es sei denn, sie schließt sich Peer Steinbrücks Kabarett-Truppe als Ensemble-MitgliedIn an.

Bei Anne Will am Abend ist die Stimmung einiger Gäste fast ein bisschen überschwänglich. Kubickis FDP hatte schließlich um die 12% eingefahren, Volker Bouffier konnte auf fröhliche 34% beim demnächst Amtskollegen Laschet schauen, und warum Trittin so gut gelaunt war? Vielleicht weil er mal wieder in einem Fernseh-Studio saß.

Giovanni di Lorenzo gab erneut den zerknirscht selbstkritischen Journalisten und wünschte sich Deutungsdemut (Folgen in Die Zeit hatte das letztes mal keine). Auf dass jetzt nicht auf das Schulz-Hosianna ein „Kreuzigt ihn!“ folgen möge. (Aber die Meute ist längst von der Leine. „Der Schulz-Fluch“ titelt Bild online). Und Manuela Schwesig, früher mal als Küsten-Barbie und SPD-Next Topmodel gefeiert, sparen wir uns bis zum Ende unserer kleinen Nachtgeschichte auf.

Gerechtigkeit schmiert ab?

Die Herren in der Runde waren sich einig, „wenn man schlechte Arbeit macht, wird man abgewählt“, „wenn Leute mehr beklaut werden als in allen Bundesländern zusammen“, dann hilft kein Herumgerede (Bouffier). Reihum wurden der SPD mitleidig Ratschläge zugeworfen, wie Euromünzen einem zahnlosen Berliner Straßenpenner am Hauptbahnhof.

Flehentlich appellierte der Zeit-Chef Giovanni, Schulz möge sich weitere Themen suchen neben der „Gerechtigkeit“, „sonst wird er abschmieren.“ Die SPD brauche „wirtschaftliche Kompetenz“. Da fällt mir ein: Von Siggi war an diesem Abend ja gar nichts zu hören und zu sehen!

Selbst der migrationsbesoffenen Zeit schwant inzwischen, dass nicht alles Gold ist, was hereinkommt. „Warum tun sich die Linken so schwer damit, dass die Leute abends sicher heimgehen wollen und die U-Bahn angstfrei benutzen können müssen?“, fragte traurig der Chefredakteur. 

Trittin versuchte schamlos, ausgerechnet die Grünen als Garant von Sicherheit und ein bisschen Ordnung zu verkaufen. Kubicki packte sich daraufhin an den Kopf, und Bouffier konstatierte trocken: „Praktische Vernunft fehlt bei den Grünen noch.“ Wir gehen da nicht in die Details, zu oft wurde das Thema Grüne, Videoüberwachung, sichere Herkunftsländer oder Schleierfahndung erschöpfend durchgekaut.

An den Grünen und den Gelben und der Frage, wer´s mit wem macht, hängt derzeit das Schicksal der Länder Schleswig-Holstein und NRW, wo der Einzug der Linksextremen zur Stunde der Debatte noch offen ist. Also eigentlich keine Aussage wirklich belastungsfähig ist. Das macht aber nix, wenn es um die Beute geht. Während Anne Will die Journalistin mimte, hatten sich die Herren längst verselbstständigt und beschäftigten sich ohne Moderation. Es geht ja jetzt um die Verteilung des Kuchens.

Trittin schlug Kubicki in Schleswig-Holstein eine Ampel-Koalition unter Führung der zweitstärksten Kraft, der SPD, vor. Denn, so argumentierte er: Bei einem schwächeren Partner „hat man mehr vom Kuchen“! Dass der Wähler gerade das nicht will, interessiert den grünlackierten Kommunisten-Opa nicht die Bohne! Ihm und seinen Parteigängern geht es schließlich in erster Linie um ein fettes Leben als Polit-Posten-Profiteure.

Krieg dem Dieselmotor und Rechtsruck bei der CDU

Damit auch im Bund genügend Narren die grünen Apparatschiks weiterhin vor echter Arbeit bewahren mögen, rasselt Trittin schon mal alle Triggerworte seiner Angstwähler herunter: Klima, Kohle, Ende des Verbrennungsmotors, Bildung statt Waffen. Dafür dass die AfD wie in NRW auch bei der Bundestagswahl möglichst gut abschneidet, scheinen alle weiter zu sorgen wollen, indem sie diese Partei weiter ausgrenzen, statt mit ihren Repräsentanten zu debattieren.

Das bringt uns nun auch zur bedauernswerten Manuela Schwesig, die heute das Schmuddelkind war, mit dem keiner spielen wollte. Tapfer beantwortete sie Wills Fragen. „Schulz war konkreter als Merkel!“ Dann sagte sie immer wieder „kostenlose Kita“ und „Projekt Q“ (ALG I etwas länger). Und natürlich „Bildung“. „Ab morgen“ werde in die Hände gespuckt, die SPD bastelt am Wahlprodukt. Warum haben Sie das nicht längst alles in die Tat umgesetzt, immerhin sind Sie seit 50 Jahren in der Regierung? Mit wem wollen Sie das dann durchsetzen? Und wie finanzieren Sie das? Letzteres beantwortete sie mit Einsparungen bei der NATO. Und das Wahlergebnis ist ein „Rechtsruck“. Rechts und CDU? Jetzt sind wir endlich so weit, wie die Phantasten von ganz links die Welt sehen: Alle jenseits von Linken und der SPD sind verwerfliche Rechte. Um das zu beweisen gibt sie rund 100 Mio. aus ihrem Ministeriumsetat aus, etwa für die Stasi-Kahane-Antonio-Stiftung.  Sollte man jetzt erst die CDU verbieten und dann die Wähler oder umgekehrt? Ach, die Manu! Weil aber alle an diesem für die SPD schicksalsträchtigen Abend wohl der abendländischen Sitte folgten, auf einen am Boden Liegenden nicht noch zu treten, blenden auch wir sie sanft aus.

Ein Satz vom Konkreten-Schulz gegen 19.00 Uhr allerdings geht uns einfach nicht aus dem Kopf: „Gerechtigkeit und Zukunft im Bereich der Innovation“ soll zum Bundeswahlkampf-Thema werden. Eine so schöne wie unsinnige Formulierung. Welche Power-Point-Agentur-Akrobaten haben ihm den Satz wohl aufgeschrieben?

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Kommentare ( 18 )

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Luisa
7 Jahre her

Zu all dem würde ein Hesse sagen: Ma waas es net, ma munkelt’s nur.

Aber wir dürfen das ja alles täglich miterleben. Also bleibt das Kreuzchen.

sappeur
7 Jahre her

Zitat: „… AfD wurde also bewusst verzichtet, obschon ausdrücklich landes- wie bundespolitische Fragen und Auswirkungen der Wahl Gegenstand des Gesprächs sein sollten.“ Aber um Himmels Willen! Man hat doch immerzu verkündet, daß dieser „braune Bodensatz“ keine Argumente hat, nur Parolen, Hetze, fakenews und hatespeech. Jetzt stellen sie sich vor, man lädt die AfD-Spitzenkandidatin Frau Dr. Weidel ein und die argumentiert auf einmal. Potzblitz. Da könnten die Zuschauer doch verwirrt werden. Am Ende stimmen die Menschen ihr noch zu. Am Ende merken die Menschen, daß man sie nicht nur hinsichtlich der AfD belogen hat. Nein nein, das darf man nicht riskieren.… Mehr

Roger Feldkamp
7 Jahre her
Antworten an  sappeur

A propos: Lieber totschweigen.

Genau das scheint mittlerweile die medial allgemeingültige Direktive zu sein, zu beobachten auch interessanterweise in der am Wahlsonntag erschienenen Bild am Sonntag . Berichtet wurde, auf Seite 2, nur noch in Text und Bild von CDU, SPD und FDP, die anderen Parteien tauchten schon gar nicht mehr auf.

Diese vornehme Zurückhaltung gilt natürlich nicht mehr, und insofern haben Sie auch recht, wenn es irgendetwas Negatives oder noch so Abseitiges insbesondere von der AfD zu berichten gibt. Dann ist des allseitigen Berichtens und Empörens kein Ende mehr. Ja, schöne neue Medienwelt.

F.Peter
7 Jahre her

Die Anne Will, kann aber nicht!
Mehr kann ich zu solch inszeniertem Gequatsche nicht mehr sagen. Ich möchte meine Gebühren für solch schlechte Qualität zurück haben!
Aber Chapeau Herr Paetow, aus solch einem Gegurke noch einen trefflichen Kommentar zu schreiben……..

MELIORA SPERO
7 Jahre her

Sonderbarerweise haben nur die sogenannten Anti-Demokraten Forderungen nach mehr (!) Demokratie im Programm: mehr direkte Demokratie in Deutschland und weniger Macht für ungewählte (= nicht demokratisch legitimierte) Institutionen der EU.

tc
7 Jahre her

Man dachte ja Seinerzeit man könnte die AFD aus der Welt schaffen, wenn man über sie berichtet. Heute will man die AFD aus der Welt schaffen in dem man sie tot schweigt. Alle Talk-Show Moderatoren/innen müssen und wollen den mainstream bedienen.

Silverager
7 Jahre her

Werter Niman Robert, darf ich bitte Ihren Satz grammatisch richtigstellen?
„Eine Partei, deren Minister mit Internet-Zensur seine Bürger mundtot machen will, wird keinen Erfolg bei den Bürgern haben.“
Sorry für die Klugscheißerei.

Michael M.
7 Jahre her

Nix komische politikermathematik, sondern mathematische mathematik!

Dietmar Schoenvogel
7 Jahre her
Antworten an  Michael M.

Politikermathematik geht aber so:
Wir einigen uns bei je 60% brutto, gemessen in gigabite. Dann kann jeder seinen wählern sagen, daß er besser geworden ist.
Gruss
Ps: suchen sie mal in ihrem alten mathebuch nach dem begriff „prozentpunkt“.

Diana Hiob
7 Jahre her

Alles auf den Punkt gebracht. Chapeau.

Luisa
7 Jahre her

Ja, den Stegner habe ich nur stumm gesehen. In dem chu chu train.
Ja, „Ralf Rotzig“ waere schon gewesen.

Bambusratte
7 Jahre her

Bei aller berechtigten Kritik, versäumen wir das eigentliche
Problem anzusprechen. Die Politik, welche die etablierten Parteien abliefern,
ist kaum geeignet die in Deutschland anstehenden Probleme zu lösen..

Quer durch alle Parteien ruhen sie sich auf ihren Lorbeeren
aus und wachen allenfalls mal auf, wenn die AfD prozentual zulegt. Anstatt mit
einer besseren Politik gegenzusteuern, greift man lieber in die Stimmungskiste.
Das ist ja auch sehr viel einfacher, als sich mit den Problemen dieser Zeit zu
beschäftigen und Lösungen zu suchen. Unsere Politiker sind faul geworden und
das ist keine gute Eigenschaft, um ein Land zukunftsfähig zu machen..