Baerbock bei Maischberger: Rennfahrer Stirling Moss kann einpacken

Laut Annalena Baerbock bemüht sich der Westen seit zweieinhalb Jahren um Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg. Das sagte die Bundesaußenministerin gestern bei Maischberger. Skurril: Nach Kiew braucht sie mit dem Auto nur sieben Stunden. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Maischberger

Der britische Rennfahrer Stirling Moss schaffte 1957 beim Langstreckenrennen „Mille Miglia“ einen legendären Rekord: Die tausend Meilen (1.597 Kilometer) quer durch Italien schaffte er in exakt zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden. Den Husarenritt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,6 km/h fuhr er auf öffentlichen Landstraßen ein, durch Städte und Dörfer. Heutzutage wäre so ein Schnitt selbst auf der Autobahn kaum zu schaffen. Der Rekord ist bis heute ungebrochen.

Doch Stirling Moss hat seine Rechnung ohne Annalena Baerbock gemacht. Denn für die deutsche Außenministerin ist der Ukraine-Krieg von ihrem Wohnort Potsdam „nur sieben Autostunden entfernt“, wie sie bei Maischberger kundtut. Ihre Stimme überschlägt sich dabei fast. Das entspricht bei 1.392,7 Kilometern zwischen Potsdam und Kiew einem Stundenschnitt von sagenhaften 198,95 km/h. Gute Fahrt!

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Eine Nebensächlichkeit vielleicht, aber leider auch schon die interessanteste Aussage der Kurzstreckenvielfliegerin an diesem ARD-Talkabend. Baerbock ist aus New York zugeschaltet, wo sie gerade den UN-Gipfel aufmischt (russisches Kamerateam behindert, Putin mit hassverzerrtem Gesicht beleidigt, alles an einem einzigen Tag). Vom Big Apple aus beklagt sie, dass „der russische Präsident jeden Vorschlag zum Frieden, den wir seit zweieinhalb Jahren machen, immer wieder mit mehr Gewalt beantwortet“. Und: „Derjenige, der nicht verhandeln will, sondern weiter nur zerstören will, das ist leider, leider der russische Präsident. Jetzt droht er sogar mit einer Revision seiner nuklearen Einschätzung.“ Das ist Baerbocks verschwurbelte Beschreibung eines drohenden Atomkriegs. Und die Konsequenz? „Das macht deutlich, wie wichtig es ist, dass die Welt geschlossen gegen diesen russischen Angriffskrieg hier auftritt.“

Immer wieder malt Baerbock den Teufel an die Wand: Russland würde irgendwann Moldawien angreifen und gar „bis nach Polen vormarschieren“. Erst jüngst habe er es wieder bewiesen: „mit einem Angriff auf ein Schiss, ein Schiff in den Hoheitsgewässern Rumäniens“.  Neu ist nur, dass sich der Westen angeblich seit Beginn des Krieges um Friedensverhandlungen bemüht, aber Russland ständig blockt.

Maischberger will wissen, ob eigentlich der grüne Bellizismus, der Wandel vom Pazifisten-Saulus zum Waffen-Paulus, ein Grund sein könnte, warum die Partei gerade aus den Landtagen fliegt. „Nein, ganz und gar nicht“, sagt Baerbock. Sie betont, dass „die Frage von Haltung bei so zentralen Fragen eine ist, die nicht für schnelle Überschriften oder plakative Maßnahmen kurz im Wahlkampf zentral ist“.

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Ob sie selbst oder Robert Habeck denn persönliche Konsequenzen in Betracht ziehen, nachdem am Vormittag der Grünen-Parteivorstand das Handtuch geworfen hat? Keinesfalls! „In diesen krisenhaften Zeiten können wir Probleme nicht lösen, wenn wir nur in Schlagzeilen diskutieren“, sagt Baerbock. Und ist Habeck der richtige Kandidat für den nächsten Bundestagswahlkampf? „Auf jeden Fall! Auf jeden Fall!“, platzt es aus Baerbock heraus. „Sorry to say. Ja, ich bin hier im englischen Diskurs noch unterwegs.“ Ihre Stimme überschlägt sich schon wieder fast vor Stolz. Es sei „die falsche Strategie zu sagen: Und jetzt mal der Nächste, und jetzt mal der Nächste, und jetzt mal der Nächste. Es geht um Vertrauen, es geht um Verlässlichkeit.“ Habeck habe bewiesen, „dass er in der Krise das Land nicht nur führen konnte“, sondern dass das Volk „gut durch den Winter gekommen“ ist. Die ganze alte Leier.

Maischberger, vom Denglisch infiziert, schließt den Baerbock-Vortrag mit einer kleinen Spitze ab: „Das war ‘ne Werbung für die Grünen und für Robert Habeck. Fair enough.“

Für den Publizisten Wolfram Weimer ist der Rücktritt des Grünen-Vorstands mehr als nur ein Bauernopfer. Mit Omid Nouripur und Ricarda Lang sieht er eine Opferung „der gesamten Bauernreihe, um die Dame und den König zu behalten“. Der Verleger des „The European“ bemüht den Sport: „Stellen wir uns vor, ein Fußballverein steigt ab, und dann tritt der Greenkeeper und der Masseur zurück.“

Partei im Abschwung
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„Habeck hat hier die Strippen gezogen“, erklärt er. „Wissen sie das genau, Herr Weimer?“, fragt Maischberger. „Nach allem was wir hören, ist das relativ deutlich. Er hat auch sehr schnell eine Nachfolgerin präsentiert, seine persönliche Staatssekretärin Franziska Brantner. Er will den Wahlkampf im nächsten Jahr mit dem eigenem Team angehen, und das ist ein gewagtes Unterfangen.“

Maischberger setzt nach: Man müsse bedenken, „dass die Menschen auf den Namen Habeck landauf, landab durchaus gereizt reagieren können“. Weimer geht noch einen Schritt weiter und bilanziert, „dass der Zeitgeist den Grünen jetzt entgegenweht und sie nicht mehr trägt“. Vor wenigen Jahren habe die Partei die Themen gesetzt, „das ist heute komplett anders. Heute geht es um Sicherheit, es geht um Wohlstandswahrung, um Migration und Krisen. Wenn die kulturelle Hegemonie verlorengeht, dann geht dir auch die Jugend verloren“. Alle 15 bis 20 Jahre wechsele die Hoheit über die Begriffe. „Das haben wir jetzt bei den Wahlen gesehen. Dass die jungen Wähler sich so sehr abwenden von den Grünen.“

Ein Wochenrückblick
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Grüne Kern-Psalmen wie Klima und Umwelt nicht mehr en vogue? Das passt den beiden Damen am Tisch gar nicht. Kristina Dunz vom nicht ganz mehrheitlich im SPD-Besitz befindlichen RND der Madsackgruppe sagt: „Die Grünen baden aus, dass man das Gefühl hat, ich kann diesen Klimawandel irgendwie abwählen.“ Und Bettina Tietjen wirkt komplett überfordert. Für sie ist der menschengemachte Klimawandel derart in Stein gemeißelt, dass ihr zeitweise die Worte fehlen. Blöd irgendwie für eine ehemalige Moderatorin.

Weimer findet viele klare Worte: „Das Haus der Ampelregierung ist morsch. Wenn diese Ampelregierung jetzt wirklich noch ein Jahr so weiterwurschtelt, dann werden die Fliehkräfte der Republik, dann werden die Extreme noch stärker. Wir haben eine Migrationskrise, die nicht gelöst ist, und eine Wirtschaftskrise, die auch nicht adressiert wird.“

Ist Deutschland wieder der kranke Mann Europas?, fragt Maischberger. Weimer: „Auf jeden Fall! Deutschland schrumpft. Die Lage ist ernster, als die Politik es vielleicht glaubt. Deutschland blutet aus. Wir erleben eine Deindustrialisierung.“ Der Mann der Stunde ist für ihn ausgerechnet Friedrich Merz. „Wir brauchen einen Sanierer. Einen ernsten Mann für ernste Zeiten.“

Auch René Obermann ist zu Gast. Der Airbus-Verwaltungsratschef redet, wie jemand reden muss, dessen Firma nicht nur Verkehrsflugzeuge baut, sondern auch Waffen wie den Eurofighter. „Wir sollten der Ukraine alles geben, was wir können“, sagt er. Abschreckung sei wichtig.

Deutschland sei zu wenig innovativ und viel zu lange viel zu „bräsig“ gewesen, die EU ersticke in Bürokratie. Die Regulierung zur Künstlichen Intelligenz etwa habe „mehr als 100 Seiten im Hauptwerk und nochmal 100 im sogenannten Anhang“. Kein Wunder, dass junge Firmen dann „einfach in andere Länder“ gingen.

Oder fahren. Mit Tempo 200.

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Kommentare ( 47 )

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47 Comments
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schwarzseher
6 Stunden her

Wie kann man die GRÜNEN aus der Politik fernhalten ohne auf die kaberettistischen Einlagen von Frau Baerbock verzichten zu müssen?

W aus der Diaspora
10 Stunden her

Nicht nur junge Firmen gehen ins Ausland, sondern auch junge, echte Fachkräfte. In jungen Jahren möchte man leben und sich einen Grundstock für das Familienleben aufbauen. Beides ist in Deutschland nicht mehr möglich.
Die nicht-woken, die gerne studieren möchten gehen heute schon zum Studium ins Ausland.
Wenn das so weiter geht, dann haben wir in 10 Jahren hier nur noch kriminelle Clans, arbeitsscheue Deutsche, Hängematten-Migranten und Millionen Rentner.

kurowski
11 Stunden her

Nouripour und Lang sind nur Bauernopfer für die Ampel. Wer die Grünen gerade führt, ist eigentlich wurscht,interessiert in Wirklichkeit niemanden. Wer als Wirtschaftsminister das Land in den Ruin führt, ist natürlich bedeutend. Die Wahl in Brandenburg wurde für die Grünen nicht in Brandenburg verloren, sondern in Berlin. Solange der Wirtschaftsruinator noch mitmacht ,werden Grüne überall absteigen. Chance haben Grüne nur, wenn Habeck sofort zurücktritt und ein Nachfolger irgendwas richtig macht, Z.B ‚Atomkraft wieder einführt, wie überall auf der Welt und wir dann genügend Energie preiswert zur Verfügung haben (keine CO“- Abgabe mehr, weil Atomkraft völlig CO2 frei), und für das… Mehr

Waldschrat
11 Stunden her

Ich frag mich erneut, wie wir bloß ohne Habeck die ganzen Jahre durch den Winter gekommen sind.
Merz soll alles richten. Da geh ich lieber in den Winterschlaf. Da brauch ich keinen Habeck und keinen Merz. Weckt mich, wenn es besser wird und Verstand wieder die Oberhand gewinnt. Ach ja, und wenn die Grünen den Klimawandel endlich besiegt haben.

Elmar
12 Stunden her

Die einzigen, die wirklich Friedensverhandlungen ins Auge fassen, sind wahlweise Putin-Trolle, Kreml-Agenten, Russenknechte und gefallene Engel.

Jerry
12 Stunden her

Der Mann der Stunde ist für ihn ausgerechnet Friedrich Merz. „Wir brauchen einen Sanierer. Einen ernsten Mann für ernste Zeiten.“

Wer gestern die widerliche Schleimerei bei Angela Merkel gesehen hat der weiß, dass wir alles mögliche brauchen, aber gewiss keine CDU!

ceterum censeo
13 Stunden her

Denn für die deutsche Außenministerin ist der Ukraine-Krieg von ihrem Wohnort Potsdam „nur sieben Autostunden entfernt“, wie sie bei Maischberger kundtut.“ Wir, auch ich, unterschätzen Annalena kolossal! Sie ist ein Physik-Genie! In seiner speziellen Relativitätstheorie hat Einstein die Zeitdilatation postuliert: je schneller sich ein Objekt bewegt, umso langsamer vergeht die Zeit (in diesem Inertialsystem). Also ist Annalena nur besonders schnell unterwegs und damit vergeht für sie die Zeit langsamer und kommt auf die sieben Stunden! So kommt sie auch schneller an Orte auf der Welt, die hunderttausende Kilometer weit weg sind…

Ohanse
12 Stunden her
Antworten an  ceterum censeo

Nachdem die Grünen nun einen Haufen Ballast abgeworfen haben, kann sie demnächst sogar noch schneller unterwegs sein. Dann ist sie zurück, bevor sie losgefahren ist.

Kassandra
12 Stunden her
Antworten an  ceterum censeo

Wobei das alles nicht mehr lustig ist – zumal sie damit Deutschland in der Öffentlichkeit blamiert. Die Rand Papiere geben Aufschluss, dass irgendwelche mit solch nicht ganz Gescheiten grünen rechnen, um Deutschland zu eliminieren.

bkkopp
13 Stunden her

Mir scheint, dass das Risiko eines relativen Sieges von Putin-Russland für Europa unterschätzt wird. Da die Moldawier bisher noch nie schlau genug waren eine autonome Provinz von Rumänien zu werden, und damit EU- und Nato-Mitglied, stünde Moldawien für Moskau auf dem Speiseplan. Aus Transnistrien sind sie ja noch nie verschwunden. Wenn ein “ relativer Sieg“ bedeutet, dass in Kyiv eine moskautreues Regime sitzt, und der Donbas und die Krim russisch bleiben wie sie aus russischer Sicht schon sind, dann sind für Europa, zusätzlich zu den Ukrainern die schon geflohen sind, noch einige Millionen weitere zu erwarten. Moldawier kämen auch dazu.… Mehr

Benedictuszweifel
13 Stunden her

Alles gewählt… von der überwältigenden Mehrheit der Souveräne dieser Republik. Direkt oder indirekt, frei und geheim, wieder und wieder und wieder. Und die CDU sollst richten? Alles klar. Im Osten leiden 70% an Alzheimer, im Westen 85%. Wirklich schon vergessen, wer die Katastrophe losgetreten hat? Noch nie von GroKo, bis 2021 „am der Macht“ gehört, der Name „Merkel“ unbekannt? Schon mal von dem politisch genutzten Begriff „Ampel“ gehört? Und Merz gester: „AKTUELL (!) keine Koalition mit den Grünen denkbar.“ Lieber mit den Kommunisten dem Land den völligen Rest geben und Frau Merkel ehren, als mal den Unfug mit der „Brandmauer“… Mehr

PaulKehl
13 Stunden her

„..die EU ersticke in Bürokratie“. Das kann ich nicht bestätigen. Immerhin konnte vdL im Alleingang per sms Millionen „Impfdosen“ bestellen, quasi im homeoffice.