Bei Anne Will alle gegen Wagenknecht

CDU-Mann Roderich Kiesewetter fordert so viel Waffen wie möglich. Sahra Wagenknecht kritisiert deutsche Waffenlieferungen. Sind Wagenknecht und AfD Putins verlängerter Arm? Eine dysfunktionale Diskussion. Von Fabian Kramer

Screenprint ARD

Am Sonntagabend setzt Anne Will ihre Neigung zu veralteten Themen fort. In der Vorwoche wurde über Aiwangers Flugblattaffäre diskutiert, nun über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine. Schnell kristallisiert sich heraus, dass alle Diskutanten eine pro-ukrainische Front gegenüber Sahra Wagenknecht bilden. Die anderen Gegner von Waffenlieferungen, die in der Öffentlichkeit aktiv waren, sind in den Talkshows fast alle verstummt. Kaum einer von ihnen lässt sich noch auf eine Ukrainediskussion ein. Wagenknecht bleibt die fast einzige mahnende Stimme, wenn es um eine Ausweitung deutscher Waffenlieferungen geht. Für den CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter hingegen kann es gar nicht genug deutsche Waffen für die Ukraine geben. „Wir müssen der Ukraine alles an Waffen liefern, die wir völkerrechtlich auch selbst für unsere Verteidigung benutzen würden“, fordert er.

Seine positive Haltung zu Waffen begründet er mit den vielen Opfern auf ukrainischer Seite. „Viele Menschen sterben, weil deutsche Waffen zu spät kommen“, beklagt er. Der SPD Abgeordnete Michael Roth meint: „Ich gehöre zum Team Tempo“ und meint: Mehr, schneller Waffen liefern. Auch wenn man der selben Meinung angehört wie Roth, kann man den Begriff „Team Tempo“ unangemessen kindisch finden – aber die selbe Partei beglückte Deutschland einst mit dem Gute-Kita-Gesetz.

Team Tempo und der Kanzler

Doch sein SPD-Kanzler zögert noch mit den Waffenlieferungen. Die von der Ukraine geforderten Taurus-Marschflugkörper können russisches Gebiet treffen. Noch hält sich Scholz deshalb bedeckt. Auch Roth weiß um die Bedenken. „Der Bundeskanzler hat es am Ende zu entscheiden und mit seinem Gewissen zu vereinbaren“, meint er zum Zögern. Damit setzt er Scholz moralisch unter Druck. Liefert er nicht, könnte er schuldig sein, an einer Niederlage der Ukraine. Der deutsche Bundeskanzler wird seine Entscheidung aber kaum ohne Rückkopplung mit den USA treffen. „Der Kanzler orientiert sich mit seinen Entscheidungen an den Entscheidungen im Weißen Haus“, erklärt Roth. Ohne das geht nämlich nicht allzu viel. Schon bei den Leopard-Lieferungen wartete Scholz auf die Bestätigung des US-Präsidenten. Deutschland ist zu schwach, um eigeninitiativ voranzugehen. Erst müssen die großen USA den Daumen heben oder senken, damit Berlin weiß, was es zu tun oder zu lassen hat. Die viel beschworene europäische bzw. deutsche Verantwortungsübernahme in der Sicherheitspolitik sähe anders aus.

Wagenknecht hält Sieg der Ukraine für fraglich

Die kommende Parteigründerin Sahra Wagenknecht ist an diesem Abend völlig isoliert. „Die Orientierung an den USA gibt mir zu bedenken“, meint sie. „Deutschland ist der größte Panzerlieferant“, stellt sie klar. Weiter sagt sie: „Die USA haben noch keinen einzigen Panzer geliefert.“ Die von der Ukraine geforderten Taurus-Marschflugkörper schätzt sie als weiteres Eskalationspotential ein. „Es ist nicht nur ein einziger Marschflugkörper, es ist etwas Komplexeres“, erklärt sie. „Mit dieser Lieferung werden wir noch mehr Kriegspartei“. Und weiter: „Bisher wurde jedes Waffensystem als Gamechanger verkauft“, spottet sie in Richtung Kiesewetter und Roth. Natürlich macht sie damit einen Punkt.

Die deutschen Waffen vermochten bisher noch nicht, dass die Ukraine einen bahnbrechenden Sieg verbuchen konnte. Allerdings kann man auch der These anhängen, dass es ohne die westlichen Waffen auch deutlich schlechter um die Ukraine stehen könnte. Die bisherige Offensive der ukrainischen Streitkräfte ist aus Wagenknechts Sicht ein Flop. „Die Ukraine führt seit drei Monaten eine Offensive, bei der nach Schätzungen nur wenige Gebiete zurückerobert wurden, dafür mussten tausende Soldaten sterben“, kritisiert sie. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die hohen Verluste im Vergleich zu den überschaubaren Eroberungen zu rechtfertigen sind. Allerdings muss diese Frage in erster Linie die ukrainische Gesellschaft beantworten. Deutsche Bedenken sind da fehl am Platz.

Wagenknecht präferiert Verhandlungen

Aus der Sicht Wagenknechts sind Verhandlungen die einzige Lösung, um zu einem Ende des Krieges zu kommen. „Wir wissen nicht, ob Putin verhandeln möchte“, gibt sie zu bedenken. Dafür spricht im Moment allerdings nicht sehr viel. Beide Seiten haben auf dem Schlachtfeld keine Situation hergestellt, in der sich eine Verhandlung lohnt. Der Historiker Karl Schlögel sieht Wagenknechts Haltung äußerst kritisch. Es kommt zum ersten rhetorischen Angriff von Schlögel auf Wagenknecht. „Waren sie einmal da?“, fragt er Wagenknecht vorwurfsvoll. „Waren sie einmal in den Städten?“, ergänzt er sichtlich in Rage. „Sie reden hier von Frieden und die Ukraine bekommt jeden Tag vorgeführt, was passiert, wenn sie in die Knie gehen“, echauffiert er sich weiter. Aus seiner Sicht sind Waffen das einzige Mittel gegen Putin. „Es ist nicht realistisch, dass die Ukraine den Krieg gewinnt“, entgegnet Wagenknecht. „Es spricht viel dafür, dass die Verhandlungen von Istanbul einen Frieden hätten bringen können“, bekräftigt sie ihre Forderung nach mehr Diplomatie.

Es folgen typische Wagenknecht-Statements. „Es ist kein nationalistischer Krieg, sondern ein geostrategischer“, meint sie. „Putin wollte die Einflusszone der Amerikaner um jeden Preis verhindern“, führt sie weiter aus. Die geschichtliche Einordnung Wagenknechts lässt den Historiker Schlögel erneut aus der Haut fahren. „Seit der Krim erzählen sie die Geschichte, dass der Krieg eine Reaktion auf die Nato-Osterweiterung ist“, giftet er in Richtung Wagenknecht. „Sie haben sich nie mit Russland beschäftigt“, wirft er ihr an den Kopf. Auch mit der Lage in der Ukraine habe sich Wagenknecht nie auseinandergesetzt. „Es gibt Sicherheitsinteressen jedes Landes“, kontert sie kühl. Warum ein russisches Sicherheitsinteresse das ukrainische stechen soll, lässt sie wie sonst auch unerklärt. Hat nur Russland ein Recht auf sichere Grenzen? Ein Besuch vor Ort in der Ukraine kommt für sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht in Frage: „Herr Melnyk hat mich mit einer Morddrohung überzogen“.

Sind AfD und Wagenknecht Putins Vasallen?

Einen Tiefpunkt erlebt die Sendung gegen Ende, als mit dem Historiker Schlögel erneut die Emotionen durchgehen. Als Wagenknecht davon spricht, dass der Ukraine die Soldaten ausgehen könnten und Selenskyj nach Nato-Truppen rufen könnte, attackiert Schlögel Wagenknecht aufs Schärfste. „Sie und die AfD sind die Verbündeten von Putin in Deutschland“, schleudert er der Linken entgegen. Dieser unsachliche Vorwurf der Putin-Nähe ist typisch für die deutsche Debattenkultur. Jede politische Einschätzung jenseits der medialen Mainstream-Meinung soll in ein russland-freundliches Licht gerückt werden. Wagenknecht möchte auch nicht in eine AfD-Nähe gerückt werden. „Ich weise diesen Vorwurf zurück“, entgegnet sie. „Ich hatte bisher Achtung vor ihnen, doch jetzt verlieren sie völlig ihr Niveau.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krieg weiter toben und Deutschland wahrscheinlich Taurus-Marschflugkörper liefern wird. Die einseitige Diskussion „alle gegen eine“ bringt keinen neuen Erkenntnisgewinn, sondern lediglich die alte Gewissheit, dass es in Deutschland keine faire Debattenkultur gibt und man sich gegenseitig moralisch fertig macht. Ein mediales Trauerspiel.

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Kommentare ( 90 )

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Haeretiker
1 Jahr her

Solchen Melnyks und Kulebas sollte man nicht einmal eine Kuchengabel überlassen; am Ende landet sie noch im eigenen Handrücken.“
Es ist ihre Natur.

Haeretiker
1 Jahr her

Die Forderung nach Taurus kommt nicht von ungefähr. Möglicherweise hat Klitschko schon einen Abnehmer an der Hand.
Wer seinen Verteidigungsminister und sechs seiner sieben Stellvertreter entlässt, der wird auch die Taurus schwerlich an die Front bekommen.

November Man
1 Jahr her

„Bei Anne Will alle gegen Wagenknecht“
Alleine hätte keiner von den selbsternannt Experten auch nur den Hauch einer Chance gegen Frau Wagenknecht. Die steckt sie alle in den Sack.

Wolfgang Schuckmann
1 Jahr her

Ich habe eine ganz andere Sorge, die mich umtreibt. Ich befürchte, dass, liefert Deutschland den Taurus-Marschflugkörber, wir erleben werden, daß Kiew wieder jede Zusicherung diese Waffe anders einsetzen wird. Da wir nach Auskunft des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages rechtlich gesehen bereits Kriegspartei sind, kommt es nur noch darauf an wie lange sich Russland das noch ansehen wird. Kommt es auf Grund dieser zu befürchtenden Änderung bei der Bewertung des deutschen Engagements zu Weiterungen in der Kriegsführung Russlands und der sogenannte Bündnisfall für die NATO tritt ein, könnte dann Deutschland auch am Ausbruch des dritten Weltkrieges schuld sein. Keine schöne Aussichten,… Mehr

Kartoffelstaerke
1 Jahr her

Die einseitige Diskussion „alle gegen eine“ bringt keinen neuen Erkenntnisgewinn,…

Na ja, sie zeigt zumindest wieder mal, mit welch zweierlei Maß völlig schamlos in Zwangsgebührensendern gemessen wird.

Einer SED-Ablegerin wird trotz Schnittmenge zur AfD sogar noch vor ihrer Parteigründung „eine Plattform geboten“, während man dies bei der nach Umfragen bundesweit mit deutlichem Vorsprung zweitstärksten Partei Deutschlands nicht für nötig hält.

Man könnte ja versehentlich die Zuschauer aufwecken.

Last edited 1 Jahr her by Kartoffelstaerke
Schmidtrotluff
1 Jahr her

Putin hat einen verlängerten Arm ? Wer hätte das gedacht. Was ist bei Kiesewetter verkürzt ? Leidet er an Schrumpfmoral oder hat er Depressionen ? Wenn eine deutsche Taurus in Russland einschlägt, dann ist das Studio von Frau Will kein sicherer Ort mehr.
Wollen das diese Kläffer wirklich ?

Or
1 Jahr her
Antworten an  Schmidtrotluff

Das frag ich mich auch.
Die spielen mit einer realen Kriegsgefahr wie dumme kleine Kinder mit dem Feuer.

Aegnor
1 Jahr her
Antworten an  Schmidtrotluff

Die bilden sich ein, sie seien sicher unter dem Atomwaffenschirm der Amis. Little do they know, dass die Amis wegen ein paar konventionellen Raketen (Kinshals), und vermutlich noch nicht mal bei einem nuklearen Angriff von Russland, auf nicht nuklear bewaffnete Nato-Staaten niemals Russland angreifen würden. Weder nuklear noch konventionell (außer vielleicht ein paar vorher mit Russland abgesprochene Pseudo-Angriffe). Die wissen ganz genau, dass dann der nukleare russische Gegenangriff auf ihr eigenes Territorium kommen würde. Der Nato-Schutz ist ein Bluff der nur in Friedenszeiten wirkt. Deswegen geben die USA ja so massiv acht, nicht zu direkt in die Kriegshandlungen hineingezogen zu… Mehr

Or
1 Jahr her

Nanana TE, nur weil es in der nach links weggekippten Müllpresse u. erst recht im ÖRR keine faire Debattenkultur mehr gelebt wird, heißt nicht, daß es sie in Deutschland nicht mehr gibt. Und auch wenn ich eine Frau Wagenknecht wegen ihrer Corona Politik – nur quatschen, aber den entscheidenden Abstimmungen fernbleiben bzw. gegen das Aufheben der Maßnahmen stimmen, weil der Beschluss von der falschen Partei eingebracht wurde – massiv kritisiere, mit ihrer Ukraine Einschätzung hat sie völlig recht. Die Ukraine – oder wie die beste Außenministerin der Welt sagen würde: die Kokaine – kann den Krieg nicht gewinnen. Und ein… Mehr

Fulbert
1 Jahr her

Dem Herrn Historiker (bei Politikern erwartet man keine Geschichtskenntnis) scheint der II. Weltkrieg nicht ganz präsent zu sein. Die deutsche Rüstungsindustrie lief 1944 bekanntlich zur Hochform auf und produzierte trotz permanenter Luftangriffe Rekordzahlen an Flugzeugen und anderen Waffen – darunter revolutionäre, wenn auch oft noch unausgereifte Systeme. Jedoch fehlten die Soldaten, allen voran gut ausgebildete Spezialisten wie Piloten. Der Ausgang des Krieges gegen den zahlenmässig weit überlegenen Gegner ist bekannt.

NochNicht2022
1 Jahr her

Man sollte sich die Teilnehmer im Einzelnen anschauen: Da wäre zuvörderst der CDU-Mann Roderich Kiesewetter: Anscheinend ist von seinem Suff – er hat vor einigen Wochen Sicherheitspersonal eines feucht-fröhlichen Abends als „KZ-Wächter“ tituliert (da sieht man, an was so jemand sofort zu denken vermag) – zumindest halbwegs nüchtern geworden. Aber: Seine Argumente drehen sich im Kreis. Unglaubwürdig ist er als Oberst i.G. a.D. zuletzt auch deshalb, da unklar ist, wie er dazu beigetragen hat, zu verhindern, daß die Bundeswehr „blank“ ist (Natürlich nichts: Er hat das gar nicht mitbekommen). Unsinnig besonders sein wiederholtes Credo: Man muß sich das als (massenhaft… Mehr

Riffelblech
1 Jahr her

An Wagenknechts Stelle würde ich die allzu fetzigen Waffenlieferungsbefürworter auffordern doch mal eine Woche an der ukr. Front zum Russen zu verbringen . Dann sollten sie zurück kommen und von ihnen Kriegsmut berichten . Ach ja ,freilich , diese Schlipsträger sind doch nur Schreibtischhelden . Wie eigentlich alle die die Waffenlieferungen an die Ukraine uferlos erfüllen wollen . Keiner von denen hält seinen A…. hin . Aber unglaublich große Klappe . Kleine Nachfrage an diese Herrschaften : und wie war das mit Afghanistan ,wo wir unsere Freiheit am Hindukusch ach so stolz verteidigt haben und dann nicht schnell genug mit… Mehr

Haeretiker
1 Jahr her
Antworten an  Riffelblech

Die würden ja gerne an die Front, aber der eine hat ein zu kurzes Bein, die anderen haben in der Etappe ihre Zeit verdödelt oder Klo im Altenheim geputzt. Aber wenn sie gewollt hätten, ja dann …. Nun sind sie zu alt und bauen auf eine Generation, die sich zur letzten erklärt und sich vor allem fürchtet.
Bei solchem Personal fürchte ich mich auch vor Putin und Selenski.