Aiwangers Flugblatt-Affäre bei Anne Will

Die Politikwissenschaftlerin sieht die Demokratie gefährdet, in der deutschen Politik gebe es kein Miteinander auf Augenhöhe mehr. Bei Anne Will erklärt sie, wie politische Gegner zu Feinden werden und sich gegenseitig fertigmachen. In der Sendung gibt es einige Beispiele dafür.

Screenprint: ARD / Anne Will

So oft wie bei Anne Will das Wort „Qualitätsmedien“ fiel, möge man meinen, nach Wills Sommerpause erwarte die Zuschauer eine qualitative Hochleistung. Na ja: Das Thema der Sendung rund um Hubert Aiwangers Flugblatt-Affäre ist eigentlich „abgehakt“, wie es Florian Streibl ausdrückt. Streibl ist der Vorsitzende der Freien-Wähler-Fraktion im Bayerischen Landtag. Mittlerweile hatte Markus Söder (CSU), der Ministerpräsident von Bayern, bereits entschieden, Aiwanger (Freie Wähler) nicht aus seinem Amt zu entlassen, weil die Beweislast gegen ihn zu gering sei.

Und trotzdem bietet das „Qualitätsmedium“ ARD Aiwangers politischen Gegnern nochmal den Boden, ihn mit Donald Trump und Rechtspopulisten zu vergleichen. Die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff kritisiert die „Qualitätsmedien“ dafür, seit einigen Jahren die Krisen beinahe „herauszuschreiben“, indem sie mehr aus den Krisen „herauskitzeln“, als in ihnen stecke. Darum findet sie, die „Qualitätsmedien“ sollten aufhören, ständig nach Extremen zu suchen. Außerdem findet Deitelhoff, Politiker sollten sich an ihre Verantwortung für die Demokratie erinnern. Immerhin seien die deutschen Bürger unzufrieden damit, dass die Demokratie derzeit nicht funktioniere. Laut Deitelhoff blicken weniger als 20 Prozent der Deutschen positiv in die Zukunft. Ihrer Meinung nach müssten die Politiker wieder ehrlich mit ihren Bürgern sprechen und sie in ihren Prozessen mehr „mitnehmen“. So wie es aktuell laufe, sehe sie die Demokratie gefährdet.

Gefährdet ist die Demokratie laut Deitelhoff vor allem, weil es in der politischen Kultur kein Miteinander auf Augenhöhe mehr gibt: Politische Gegner werden zu Feinden, die dann denunziert werden. So ginge das nicht, findet sie. Dann sagt sie, Aiwanger habe die klassische Strategie der „Rechtspopulisten” in seinem Umgang mit den Vorwürfen gegen ihn genutzt: Er habe die Vorwürfe heruntergespielt und zeitgleich seine politischen Gegner angeklagt, sie würden ihn politisch vernichten wollen und sich somit in die Opferrolle begeben.

Der Journalist Roman Deininger: Er meint, Aiwanger habe im Prozess seine „demokratische Reife missen lassen“. Die Publizistin und Kolumnistin Marina Weisband sieht es ebenfalls so: Aiwangers Verhalten entspräche dem „Playbook von Donald Trump“. Was wäre ein „Qualitätsmedium“ wie Anne Will, ohne dass Themen emotionalisiert werden? Also fragt Weisband dann noch mit großen Augen, ob Streibl verstehe, wie schmerzhaft dies für „tatsächliche Opfer“ sei. Der stellt zunächst klar, er selbst sei kein Antisemit. Und dann stellt er klar, dass Aiwanger, den er seit 15 Jahren kennt, auch keiner sei: Nie habe er etwas Antisemitisches oder Fremdenfeindliches von Aiwanger gehört. Als „16-jähriger Bub“ war Aiwanger „fehlgeleitet“, findet Streibl. Das sei zwar „scheußlich“, doch er glaube an den Aiwanger, den er heute kennt.

Apropos „Qualitätsmedien“: Dass Weisband ein Mitglied bei den Grünen – also dem politischen Gegner der Freien Wähler – ist, erwähnt Anne Will nicht. Stattdessen erzählt Deininger mit breitem Grinsen, dass „die allermeisten Qualitätsmedien, alle Qualitätsmedien“ ohne politische Agenda arbeiten würden. Er ist Chefreporter der Süddeutschen Zeitung, also derjenigen, die, wie Streibl es ausdrückt, „den ersten Stein auf Aiwanger geworfen hat“. Deininger ist überzeugt, seine Kollegen und er haben in dieser Sache sauber recherchiert und die Bedingungen einer „Verdachtsberichterstattung“ seien erfüllt gewesen. „In einem Artikel“ habe die Süddeutsche im Ton daneben gelegen, räumt er ein. Das sei Aiwanger gegenüber unfair gewesen.

Dann meint Deininger, Aiwanger inszeniere sich als ein „Ein-Mann-Bollwerk“ gegen jeglichen Wandel. Das entspräche dem „Spielbuch der Populisten“. Also das mit der Fairness könnte Deininger nochmal üben. Aber zunächst möchte er sich mit der Gesprächsrunde über eines einigen: „Eine lang geplante Kampagne gegen Aiwanger ist ein großer Schwan“. Man achte auf das Wörtchen „lang“.

Nachdem Anne Will und ihre Gäste also ausgiebig – und ganz objektiv natürlich – analysiert haben: Aiwanger sei kein Antisemit oder Faschist, aber er handele wie aus dem „Playbook von Donald Trump“, dem „Spielbuch der Populisten“ und nach der „klassischen Strategie der Rechtspopulisten“, erklärt die Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff: Die Demokratie ist gefährdet. Aber nicht, weil Mitglieder politischer Parteien, ohne sich als diese zu bekennen, ihren politischen Gegnern in den „Qualitätsmedien“ vor Millionen von Zuschauern vorwerfen, aus dem „Playbook von Donald Trump“ zu handeln. Nein, laut der Politikwissenschaftlerin bei der ARD ist die deutsche Demokratie gefährdet, weil Politiker wie Aiwanger ihre politischen Gegner als Feinde sehen. Der ehemalige Ministerpräsident und ehemalige Innenminister von Bayern Günther Beckstein (CSU) bringt es auf den Punkt: Er hoffe, dass bald alle wieder ihren Verstand einschalten.

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Kommentare ( 76 )

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Fossilmagd
1 Jahr her

In obigem Artikel lesen wir:

Nein, laut der Politikwissenschaftlerin bei der ARD ist die deutsche Demokratie gefährdet, weil Politiker wie Aiwanger ihre politischen Gegner als Feinde sehen.

Als was sollen „Politiker wie Aiwanger“ ihre „politischen Gegner“ denn sonst sehen, wenn nicht als Feinde? Als herzallerliebste, begehrenswerte Bettgenossen?

Die SZ hat diese Serie einzig und allein zu dem Zweck begonnen, Aiwanger politisch zu zerstören, weil die SZ die Grünen anstelle der Freien Wähler nach der nächsten Wahl an Söders Seite sehen wollte. Einen anderen Grund hatte die SZ nicht.

Last edited 1 Jahr her by Fossilmagd
Kassandra
1 Jahr her

Dabei wäre so was doch ein Thema für die Bayern vor der Wahl. Insbesondere deshalb, weil sie das mit dem Länderfinanzausgleich an vorderster Front zu finanzieren haben: https://www.bz-berlin.de/berlin/das-verdienen-die-berlin-bosse
Stattdessen tatsächlich immer noch „Aiwanger“ – in der Betrachtung am Pranger wäre mir einer wie Scholz lieber, was vom Themenbereich hinsichtlich der Verfehlungen wohl auch mehr hergeben könnte.

Michael W.
1 Jahr her

Tja, Herr Beckstein, da können Sie lange warten. Verstand werden Sie bei den meisten Politiker heute keinen mehr finden.

Milton Friedman
1 Jahr her

Jeder weiß, dass der Fall Aiwanger ein skandalöser Versuch von Wahlmanipulation war. Die gestrige Inszenierung bei Anne Will zeigt, auf welcher Seite Will, ihr Medienhaus und die „Qualitätsmedien“ stehen. Sollte irgendwer denken, die „Qualitätsmedien“ würden jemals umschwenken, war dieser Abend mal wieder hilfreich, sich von all diesen Hoffnungen zu entschlacken. Im Gegenteil: Wenn diese Redaktionen jemals wieder Meinungsvielfalt simulieren, weiß der selbstsdenkende Bürger: Es ist was im Busch. Entweder muss man die FDP wieder rechts blinken lassen um sie sich als rückgratlosen Mehrheitsbeschaffer zu sichern. Oder die Presse will einen mediengeilen Söder nach oben pushen um ihn dann später die… Mehr

Tubus
1 Jahr her

Dabei hatten es die linken Büchsenspanner bei der SZ doch eigentlich so raffiniert geplant. Weil die Grünen und die SPD in Bayern chancenlos sind, galt es die Freien Wähler aus der Koalition zu schießen, um Söder zur Koalition mit den Grünen zu zwingen. Als Mittel hatte man dafür ein schon länger kursierendes uraltes Flugblatt ausgegraben, um den prominentesten Vertreter der FW im Wahlkampf nachhaltig zu beschädigen. Aiwanger sollte mit dem wirksamsten Mittel in Deutschland, der Nazi-Keule erschlagen werden. Was sonst so gut funktioniert, hat diesmal nicht geklappt. Warum? Die Menschen sind den Medien gegenüber misstrauischer geworden, zumal sich das Corpus… Mehr

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Ja, das mit der einheitlichen „nonverbalen“ Kommunikation oder „Körpersprache“ hat mich schon vor Zeiten fragen lassen, wo werden die eigentlich geschult: das kommt nicht von sich und von allein!

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Die Nudging-Abteilung im Kanzleramt, installiert 2014 von Merkel, könnte Hinweise geben. Aber sind nicht viele, die im ÖRR beschäftigt werden wie in den MSM schreiben selbst als Coaches wie Auftrittsberater teuer für solche angeheuert worden?

Judith Panther
1 Jahr her

Deshalb: Unbedingt weiter zwanghaft GEZ zahlen und zwanghaft über die Zwangsgebühr jammern. ODER wenigstens EIN MAL im Leben den „Mut“ haben, nichts, wirklich GARNICHTS zu riskieren – allenfalls eine Nachzahlung, falls man in ein paar Jahren vor dem BVG oder gar dem Internationalen Strafgerichtshof das Verfahren verlieren sollte, indem man den Dauerauftrag kündigt und einen Härtefallantrag zwecks Beitragsbefreiung stellt, weil man es nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren kann, die medialen Menschheitsverbrechen „Psychologische Kriegsführung“ und „Weiße Folter“ finanziell zu unterstützen, deren sich die Öffi-Terrororganisation mit ihrer Dauer-Panikmache schon während der Fake-Pandemie schuldig gemacht haben und mit der Fake-Klimawandelpanik weiterhin schuldig… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Judith Panther
Haedenkamp
1 Jahr her

Die ganze Debatte ist von allen Seiten völlig dilettantisch geführt worden. Waren alle Kreide holen, als #Textanalyse# auf der Tagesordnung stand? Bei einer Textanalyse verbietet sich der direkte inhaltliche Zugriff, und genau das ist hier gemacht worden. Hätten die vermeintlichen Interpreten die formal-ästhetischen Mittel herausgearbeitet, dann wäre ihnen eine (mißglückte) Satire aufgefallen. Die Satire ist der Versuch, einen Mißstand indirekt darzustellen – hier #unsere ewige Schuld# als Dauerthema. Im Umkehrschluss: auf welche Frage antwortet der Text? – „Wie kann ich mich gegen einen permanenten Einschüchterungsversuch wehren?“ Der damals 16-jährige hat es mit seinen Mitteln versucht. Einer Entschuldigung heute (wie damals)… Mehr

imapact
1 Jahr her

Der politmediale Komplex inszeniert eine Kampagne nach der anderen, um bestimmte Personen gesellschaftlich und/oder ökonomisch zu ruinieren. Sobald das Opfer solcher Kampagnen sich wehrt, heißt es, der Angegriffene würde sich “ als Opfer sehen“. Alles wie früher bei den Hexenprozessen.

H. Krueger
1 Jahr her

Diskreditieren, Manipulieren, Nachtreten.
Mehr haben die gegenwärtigen „ÖR-Qualitätsmedien“ nicht zu bieten.