Freddy Schenk und Max Ballauf im Reigen mit einer ganzen Schar potenziell mordgieriger Weihnachtsmänner – und Frauen.
Auf die öffentlich-rechtliche Kriminalindustrie scheint die karminrot bemäntelte, graubärtige Großvaterfigur eine hypnotische Faszination auszuüben. Wieder einmal darf er als Aufhänger für einen Mords-spaßigen Start in den Advent und natürlich diverse politische Anliegen herhalten, wie man schon dem biblischen Titel nach ahnen, und der Website der ARD entnehmen kann. Besser als der „Weser Kurier“ kann man es nicht zusammenfassen: Der Film schildere „den enormen Druck des Kapitalismus auf seine ‚Mitspieler‘… kaum ein Job steht so sehr für moderne Ausbeutung wie der des Paketzustellers. Karl Marx hätte wahrscheinlich seine Freude an der Analyse des Berufsbildes gehabt.“
Nicht nur Nikolaus fährt alte Schlitten und bringt Päckchen
Nachdem der liebe gute Weihnachtsmann (nicht Marx) im letzten Jahr bei „Nord Nord Mord“ den Deckmantel für gleich eine ganze Bande organisierter Täter abgeben musste und man ihn in „Nord bei Nordwest“ auf dem Deich am helllichten Tage erschoss, tragen 2023 in Köln Täter, Opfer und Verdächtige in Köln allesamt die rote Bischoffsrobe mit dem putzigen Pelzbesatz.
Drehbuchautor Salisbury: Ja, der Titel sei natürlich bewusst gewählt, „…Paketboten tragen ja unsere online erworbenen Dinge zu uns, wir entledigen uns der Last des selbst Tragens – dieser Dienst wird gewissermaßen aus unserem Leben ‚outgesourcet‘ auf die Kuriere.“ Mit der Solidarität auch in der Vorweihnachtszeit sei es „nicht so gut bestellt, wie man beim nahenden Fest der Liebe eigentlich annehmen möchte“.
In Subunternehmen, so Salisbury weiter, „liefen einige suspekte Dinge ab … Paketboten seien aus Angst vor Jobverlust nicht sehr auskunftsfreudig … und haben kurz vor Weihnachten Hochsaison und arbeiten am Limit … der viel zitierte Dauerstress und das Lohndumping in der Branche spielen für diesen Tatort … eine sehr zentrale Rolle. In unserem Fall führen diese Zustände auf allen Ebenen – von der Chefin bis zu den Fahrern – zu Grenzüberschreitungen, die letztendlich in einer Tragödie enden.“
Im Kommissariat in Köln geht es wesentlich ruhiger zu; Man surft im Dienstcomputer durch die Online-Shoppingseiten (Schenk), gönnt der Ehefrau die sündhaft teure Handtasche dann doch nicht („so viel habe ich für meinen ersten Wagen bezahlt!“) und beschäftigt sich im schummrigen Büro mit dem Kaffeebecher und beim Ziehen der „Wichtel-Lose“. Was zunächst für Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) aussieht wie ein brutaler Raubmord am Paketboten Milan Strasser (Dennis Svensson) entpuppt sich nach der Obduktion aufgrund der Verletzungen als persönlich motivierter Angriff.
Bis die Hintergründe klar werden, mäandert der Film endlos durch die Abgründe der prekären Beschäftigung im Zustellergewerbe. Die Chefin der kleinen Truppe ist die knickerige Sybille Jäger (Susanne Bredehöft), die Zigarillos schmauchend in ihrem Büro per GPS-Peilung jeden Schritt ihrer Paketboten überwacht und von ihnen im Akkord pro Tag mindestens 200 zugestellte Pakete fordert. Die Armen müssen in asiatischen Billig-Weihnachtsmann-Kostümen (10 Stück für 90 Euro inkl. Versand) treppauf, treppab und im strömenden Regen ihre Pakete abliefern und sich außerdem von zudringlichen Kunden auch noch dumm anmachen lassen.
Der WDR meint wohl für den Frevel an der Person des Weihnachtsmanns sühnen zu müssen und überkompensiert bei der Dekoration: Eine ganze Containerladung billiger Weihnachtsutensilien muss man in Fernost geordert haben, denn in fast jeder Szene blinkt, glitzert und weihnachtet es heftig. Fast alle, auch die Kölner Kripo, werden opulent mit Weihnachtsbäumen und allerlei elektrisch beleuchteten Spielzeugen ausgestattet. Und ausgerechnet der greise Nachbar der verdächtigen Paketbotin Jenny Wegner (Paula Kober) darf mit brennenden Kerzen am Weihnachtskranz hantieren (alle vier gleichzeitig – hier offenbart sich die verschwenderische Opulenz der Kulisse) obwohl er schon beim Öffnen der Türchen seines Kalenders feinmotorische Probleme hat.
Paketbotendienste: Schlimmer als Galeerenstrafe im alten Rom
Kommissarskollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) heuert undercover bei Sibylle als Ersatz für den erdolchten Milan an, da Norbert Jütte (Roland Riebeling) es am Herzen habe und deshalb keine Pakete schleppen könne. Sie findet heraus, dass die Chefin geklaute Lieferwagen der osteuropäischen Konkurrenz benutzt. Weitere Abgründe tun sich auf. Der Bote mit dem schönen Spitznamen „Sandalen-Klaus“ (Hans-Martin Stier), zu allem Überfluss auch noch pensionierter Postbeamter und wohnhaft über einem stillgelegten Postamt, muss nun für die ruinöse Konkurrenz seines alten gelben Postarbeitgebers schuften, weil er seine durch einen Unfall arbeitsunfähig gewordene Tochter (Sandra Brettschneider, gespielt von Stefanie Philipps) unterstützen muss.
Sein Enkel Vincent (Linus Moog), prekär quasi in derselben Branche, aber beim Pizzalieferdienst beschäftigt, ist ein Früchtchen: Weil er Geld braucht und „aus dem engen Dachstübchen“ raus will, überfällt er schon mal den Paketlieferwagen des eigenen „fetten“ (er über ihn wegen der Einladung zum gemeinschaftlichen Abendessen) Opas und klaut die Pakete, was ja nichts mache, denn die bezahle „ja eh die Versicherung“.
Nebenbei kann man beobachten, dass Hauptkommissar Ballauf den Kölner Dom als Bildschirmschoner auf seinem Handy hat und die Dienstpistole gerne mal wie Wyatt Earp frei schaukelnd am Oberschenkelgürtel trägt.
Das alles ist sehr bedenklich, aber eben noch kein Mordmotiv…
Dieses findet sich schließlich bei Jenny Wegener, die in einer Unterführung zusammen mit ihrem Lover vom Fahrrad gefahren und schwer verletzt wurde. Ihr Freund starb. Die Ehefrau von Milan Strasser (Lena, gespielt von Zoe Valks) saß dabei am Steuer seines Lieferwagens, da er wegen einer Überarbeitungs-Migräne nicht fahrtauglich war. Jenny hatte sich nur als Paketbotin verdungen, um Jagd auf den Unfallverursacher zu machen. Um seine Frau zu schützen, denunziert Milan im Sterben seinen Kumpel Boris Riedle (Nils Hohenhövel) als den wirklichen Fahrer des Todeslieferwagens, den Jenny nun ebenfalls in der Weihnachtsmannverkleidung angreift und umbringt.
Ballauf und Schenk kommen grade noch rechtzeitig, um Frau Strasser davon abzuhalten, ihrerseits Blutrache an Jenny wegen der beiden Morde zu nehmen und der Film bekommt so endlich noch die Kurve um zum abschließenden fröhlichen winterlichen Treiben am Heumarkt einzulaufen.
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Endlich mal wieder ein „normaler“ Tatort. Ohne Rächts, Klima, LBTQ usw. Eigentlich kaum zu glauben. Die Story war wie immer mittelmäßig, aber Max und Freddy seh ich gern.
Das bestätigt mal wieder, dass ich zu Recht seit Jahren auf den Tatort (und nicht nur auf den) „verzichte“! Meine Eltern haben mich erzogen und jetzt bin ich groß und brauche keine Erziehung mehr! Nicht von Politikern und schon gar nicht vom ÖRR. Ach was waren die schön, die Tatorte mit Trimmel, Haferkamp oder dem schnodderigen Schimanski! Unterhaltung ohne „Erziehungsauftrag“!
Zu mehr reicht es halt nicht. Die GEZ-Gebühren müssen umgehend angehoben werden, dann können wir wieder hochwertiges Fernsehprogramm erwarten.
Wer Ironie und Sarkasmus findet, kann beides behalten?.
Ich sehe da ein Problem im Drehbuch.
Wo bleibt der erzieherische Auftrag des ÖRR?
Man hätte doch die böse Chefin irgendwie in AfD-Nähe bringen können. Warum lässt man sie nicht als totale Abschreckung einen Müller-Milch-Joghurt essen?
Aus Nichts ist mehr Verlass…
Es gibt keinen Grund sich einen Tatort anzusehen. Man kennt ja die Schauspieler und deren Verhalten zur aktuellen Volkserziehung.
Das Ergebnis von: Wer mehrfach lügt dem glaubt man nicht.
Meine Hochachtung für den Autor. Es ist eine Leistung sich so einen Quatsch komplett anzusehen ?
Ich kann den Weihnachtsmarkt aus 500 Meter Entfernung sehen. Da würde ich heute nicht mehr hingehen. Nicht nur, weil mir die Bratwurst zu 4 Euro zu teuer ist. Da würde ich zu 12 Euro Mindestlohn auch nicht arbeiten wollen. Ich feiere Weihnachten lieber zu Hause.
Einer der wenigen von vielen dieser täglichen Aleman-Krimis, wo keine verdeckte oder offene Zuschauererziehung stattfand. Prädikat sonntagabendtauglich, mäßige Spannung, kein LGBTQ-Gedöns und kein „staatsrepräsentativer“ schwarzer Darsteller aus Erziehungsgründen.
Wenn ich da an die täglichen Seifenopern der Soko-Inflation oder besser Soko- Infantilen denke, dann war der Krimi überzeugend in Schauspiel, Regie und Drehbuch.
Nun ja, es kamen diesmal erstaunlicherweise keine schwarzen Kinder, keine grundgütigen Muslime und keine geschlechtsumgewandelten Typen vor, lediglich der notorisch rotzfreche Jüngling, der seine Familie hasst, durfte rumstänkern, ansonsten waren nur weiße, ausgebeutete Kartoffeln am Start. Noch nicht mal eine wolke Moralpredigt von dem ollen Ballauf war für die Gebührenzahler drin. Ich habe dabei gebügelt und mich sehr über die völlig abwesende WDR-Erziehungswut gewundert, zumal ich bei den Kölner Krimis immer schon im voraus den Winkel berechne, bei dem das Bügeleisen den Bildschirm am besten trifft, um dem Elend ein Ende zu setzen. Da muss wohl ein altes Drehbuch auf… Mehr
Man hätte lieber einen Tatort drehen müssen, der zeigt, daß die unterbezahlten Paketboten zusätzlich noch mit den Zwangsgebühren für solchen ARD-Mist ausgebeutet werden. Die Intendanten bekommen mehr als die miese Chefin der Paketboten.