Die Feinkostabteilung des berühmten Kaufhaus des Westens war einmal legendär. Doch statt feinster und exklusiver Marken macht sich auch hier das Gewöhnliche breit. Ein trauriger, steter Niedergang. Von Georg Etscheit und aufgegessen.info
Wo ist denn Lenôtre? Zumindest ein Hinweisschild weist noch den Weg, doch den legendären Stand der legendären Pariser Konditorei sucht man vergebens in der Feinschmeckeretage im sechsten Stock des KaDeWe am Berliner Wittenbergplatz. Kurz vor dem 50-jährigen Jubiläum der ersten ausländischen Filiale von Lenôtre fiel die Entscheidung, die Dependance zu schließen. Ein Kapitel kulinarischer Geschichte in Deutschland ist nun selbst Geschichte.
Über die Gründe lässt sich spekulieren. Offiziell heißt es von Seiten einer KaDeWe-Sprecherin, dass man die eigene Marke stärken wolle. „Bereits seit einigen Jahren umfasste das Sortiment der Patisserie-Theke zu neunzig Prozent Eigenkreationen der hauseigenen KaDeWe-Konditorei, lediglich zehn Prozent wurden nach Rezepten von Lenôtre hergestellt.“ In diesem Kontext sei die Entscheidung zur Loslösung von Lenôtre ein „logischer Schritt“.
Vielleicht waren es aber auch die wirtschaftlichen Turbulenzen der vergangenen Jahre mit diversen Besitzerwechseln und Insolvenzen, die das Haus Lenôtre aus eigenem Antrieb dazu brachten, sein Berliner Engagement zu beenden. Von Seiten eines Lieferanten der KaDeWe-Feinschmeckeretage ist zu hören, dass wiederholt Rechnungen nicht bezahlt worden seien und man im Insolvenzverfahren keine Chance hatte, an sein Geld zu kommen.
In diesem Zusammenhang macht auch die zumindest vorübergehende Schließung der Wurstabteilung stutzig. Viele Fleischwaren im KaDeWe werden aktuell vom Münchner Großmetzger Vinzenz Murr geliefert, keine Marke, die dem Premium-Image des KaDeWe gerecht wird.
In welche Richtung der neue Eigentümer des KaDeWe und der beiden Premiumkaufhäuser Oberpollinger (München) und Alsterhaus (Hamburg), die thailändische Central Group, das Gourmetangebot im KaDeWe entwickeln möchte, ist ungewiss. Einiges spricht dafür, dass das Shop-in-shop-Prinzip noch weiter ausgebaut wird als bislang schon, und das eigene Sortiment weiter schrumpft. Das spart Personalkosten, geht aber zu Lasten einer eigenen, unverwechselbaren Identität. Die „Sechste“ als klassische Feinkostabteilung mit spezifischem KaDeWe-Angebot, dürfte mittelfristig ausgedient haben.
Immerhin gibt es einstweilen noch eine sehr ansehnliche Fisch- und Käsetheke und auch das Wein-, Sekt- und Spirituosenangebot wird noch dem enzyklopädischen Anspruch gerecht, mehr oder weniger alles bieten zu können, was Rang und Namen hat. Doch vielerorts in der „Sechsten“ begegnet einem mittlerweile nur noch das ewig Gleiche. Warum Lindt mit seinen Massenprodukten eine so große Fläche in der Süßwarenabteilung beanspruchen darf, ist ein Rätsel – wahrscheinlich verbinden Touris aus Nahost damit immer noch „Schweizer“ Qualität. Und warum Aachener Gewürzprinten neben Elisenlebkuchen aus Langenzenn bei Nürnberg kommen, bleibt das Geheimnis der KaDeWe-Einkäufer.
Immer häufiger sieht man allerlei kulinarische Mitbringsel auf Sonderverkaufsflächen, die vor allem Ansprüche von touristischen Gelegenheitskäufern befriedigen sollen. Die bevölkern das KaDeWe fast den ganzen Tag über und sorgen für Remmidemmi an den zahlreichen Fress-Ständen, den mehr als dreißig Restaurants, Bars und „Food-Countern“. Am besten, man besucht das KaDeWe am frühen Vormittag oder kurz vor Ladenschluss
Mein persönlicher Favorit seit Jahrzehnten: Schweizer Raclette vom halben Laib an der Käsetheke. Mit festen Kartöffelchen und Mixed Pickles. Das tröstet ein wenig über den Abschied von Lenôtre hinweg mit den offenbar nur dort erhältlichen, mit grobem Zucker bestreuten Chouquettes aus wunderbar luftigem Brandteig. War wohl einfach zu französisch. Ach ja, die Galeries Lafayettes in Mitte gibt’s auch nicht mehr. So geht’s bergab mit Deutschland und dem Genuss.
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Das KaDeWe wäre in der DDR ein Fremdkörper („Kein Lenôtre gibt es in der 6. Etage.“). Es ist daher nur konsequent, den Laden abzuräumen. Ich schlage vor, einen Konsum auf Teilen der Fläche im Erdgeschoss einzurichten und den Rest in ein Asylantenheim sowie Denunziantenberatungszentrum samt Anlaufstelle umzuwandeln.
Hießen die Dinger mit Exclusivware dort nicht „Intershops“?
Und waren die nicht dort nur für wenige zugänglich?
Der erste Sargnagel für das Kaufhaus an sich, war besagtes „Shop-in-Shop“ System. Wenn ich für einen bestimmten Artikel eine Prozession, vorbei an den diversen „Shops“, veranstalten muss, „hab ich bereits fertig“. Wie herrlich waren doch die Zeiten, wo einem die Verkäuferin aus einer Hand Produkte diverser Anbieter, zeitnah und im direkten Vergleich, offerieren konnte. Dies war Vorteil und Stärke des Kaufhauses.
Den Oberprollinger finde ich inzwischen furchtbar. Es ist kein Kaufhaus, sondern ein Markt – jeder Firma ist mit einem eigenen Stand vertreten.
Will man etwas spezielles – sagen wir, ein Hemd oder Buluse – so muss man bei mehreren Marken vorbei schauen. Eine Blusen oder Hosenabteilung habe ich nicht gefunden. Dafür musste ich bei mehreren Brands vorbei schauen und jeder Verkäuferin mein Anliegen erklären… Nein, haben wir leider nicht… Nächster Stand…
So viel Zeit hat kein Kunde, der Geld ausgeben will…
Da brauche ich nicht in die Feinschmeckerabteilung des KDW nach Berlin zu reisen, obwohl dies natürlich sehr gut dokumentiert, dass der Wohlstandsverlust inzwischen auch beim Mittelstand angekommen ist.
Wie sehr die Schieflage in Deutschland beim breiten Volk angekommen ist, dafür reicht dann ein Blick nach Netto, Edeka, REWE & Co. in der Provinz. Bei ALDI sind nicht nur die Fililalen außerhalb der Stoßzeiten leer, sondern inzwischen auch die Regale. Das mit den „günstigen Preisen“ – das war einmal.
Ganz so ist es in der Provinz noch nicht. Man muss eben wissen ,was es wo gibt. Sollte für E-fahrer kein Problem sein…..
Woher soll die Wertschätzung auch kommen? Man muss sich doch nur einmal ansehen, wie die Leute sich kleiden.
Leider fing der Niedergang schon vor einiger Zeit an, sogar vor dem COVID Unsinn. Damals wurde die Weinbar, die etwas versteckt aber dafür, den köstlichen und kostbaren Weinen die dort ausgeschenkt wurden, würdig ruhig gelegen, umgebaut und in den lauten Bussi Bussi Teil verlegt, möglichst nahe an die Champagner Bar mit dann entsprechend lautem Publikum. Dazu gab es anfangs diesen kulturlosen Zapfautomaten, der mit allerlei Tech Gemurkse, Gepiepse und Gebrumn einen Lafitte oder einen Amarone in ein Glas gepumpt hat. Die Begründung für diesen Frevel war, dass asiatische Besucher diesen Automaten lieben würden. Nun das Stammpublikum wie wir sah es… Mehr
Gucci bei Amazon Wenn man früher in das KaDeWe gegangen ist, dann bekam auch noch der Normalverdiener etwas besonderes zu einem zugegeben höheren Preis. Aber da stimmte eben auch noch die Qualität. Ich habe dort Pullover, Polo-Shirts, Hemden und Jacken gekauft, die man nur dort bekam und sie haben ewig gehalten. Geht man heute in das KaDeWe, dann ist das gesamte Geschäft zugestellt mit den Verkaufsabteilungen der Luxusgüterkonzerne, die längst keinen Luxus mehr anbieten. Luxus hatte immer zwei Merkmale: Qualität und Exklusivität. Das, was ich dort heute kaufen kann, ist Massenware, die auf Produktivität bei Massenherstellung, immerwährender Verfügbarkeit, günstigen Einkaufspreisen… Mehr
So viel gibt es da nicht, was da bröckeln könnte. Verglichen mit anderen Shopping Malls ist das KaDeWe sowieso eher mau. Ich würde einmal frech behaupten daß das immer schon so war – es fiel halt nur nicht so auf. Ein Feinschmeckerparadies ist Berlin sowieso nicht – nie gewesen – will es auch gar nicht sein. Unsere Spezialitäten sind Bulletten, Currywurst und Döner. Das ist wenigstens ehrlich. Zum Piekfein- Essen fährt man halt woanders hin.
KaDeWe und Alsterhaus waren doch schon immer nur edlere Kaufhoffilialen.
Karstadt de luxe 🙂 Das war einmal ein Unterschied. Aber gut ein Ferrari ist auch ein Luxus Fiat – ein Jaguar ein Tata. So ist das.
KaDeWe und Alsterhaus (und Oberpollinger) waren Karstadt-Filialen.
Nein, alle drei waren Flaggschiffe des HERTIE-Konzerns, bevor andere Konzerne und Investoren zugriffen und aus ihnen Wühltische machten.
Ich würde mal gerne wissen, wo es richtig guten schwarzen Tee zu kaufen oder bestellen gibt – denn um mich herum scheint mir alles, was ich die letzte Zeit probiert habe, recht unbefriedigend geschmacklos.