Im Alpen-Adria-Raum verknüpft Edelgreißler Herwig Ertl als Dachmarke andere Spezial-Lieferanten in Österreich, Italien, Slowenien und Kroatien zu einem Netzwerk der Genüsse.
Eine Greißlerei ist in Österreich, was in Deutschland der Tante-Emma-Laden war. Das Geschäft seiner Eltern hat Herwig Ertl genial und unermüdlich zur Edelgreißlerei „umgebaut“. Sein Sortiment kann sich mit Delikatessenläden messen. Doch das wäre dem Turbotyp an der Kärntner Grenze zum Friaul viel zu wenig. Im Alpen-Adria-Raum hat Edelgreißler Herwig seine regelrechte Dachmarke gebaut, die andere Spezial-Lieferanten in Österreich, Italien, Slowenien und Kroatien miteinander zu einem Netzwerk der Genüsse verknüpft.
Tankstellen für Gaumen, Geist & Seele
Sein neuestes Projekt startet demnächst: 21 Wege weist er von seinem “Basislager, dem Köstlichsten Eck Kärntens, grenz:geniale:wege“. Auf ihnen führt der Querdenker und Vordenker Ertl zu den „Tankstellen für Gaumen, Geist & Seele“. Die Genuss-Reisen brauchen zwischen null Minuten am Ort, einer Stunde an den Großglockner, zwei Stunden nach San Daniele und drei Stunden an die slowenische Küste, wo unser Edelgreißler im Naturschutzgebiet gezogene Branzinos regelmäßig selbst abholt.
Kötschach auf der einen Seite des Flusses Gail und Mauthen auf der anderen sind samt umliegenden Dörfern viel zu bevölkerungsarm für Ertls Edelgreißlerei. Das gilt auch für die Partner im Netzwerk an ihren Standorten. Doch im Verbund haben sie sich überregional einen Namen gemacht, können sie mit lokalen Produkten in höchst anspruchsvoller Qualität wirtschaftlich erfolgreich sein. Der Motor des Genuss-Netzes ist Herwig Ertl. Schon während er noch sein eigenes Geschäft aufbaute, fand er seine heutigen Partner, zeigte ihnen neue Wege und zog sie alle durch seine nie erlahmende Begeisterung mit.
Kunden von seinen Produkten zu überzeugen, das lernte Ertl im Geschäft seiner Eltern und entwickelte es zu seinem zweiten Ich. Waren, die dem Aufdruck nach abgelaufen, aber völlig in Ordnung waren, wurden in der elterlichen Küche verwertet, erzählt Herwig, Respekt vor dem Produkt habe er da gelernt. „Geiz ist geil“ gab es in Ertls Familienphilosophie nie. Qualität hatte immer Vorrang vor Quantität. Um Kunden, die deshalb kamen, ging es schon in der traditionellen Greißlerei Ertl. Beim Edelgreissler – wie es im Internet heißen muss – steht Qualität ganz oben.
Nach Handelsschule und Wehrdienst ging Jung-Herwig nach Venetien, um Italienisch zu lernen. Wieder daheim machte er auf Italienisch Werbung für Touristen. Unkonventionell weckte er über Kinder Aufmerksamkeit für die Bedeutung guter Produkte, arbeitete zeitweise im Schulsekretariat. 1999 kreierte unser Tausendsassa mit einem anderen Kreativen zusammen ein neues Produkt, die Kötschach-Mauthner Käseschokolade. „Chocolatier, Bio-Landwirt und Andersmacher“ Josef Zotter und Herwig Ertl sind Seelenverwandte, stets für Überraschungen gut.
Austria dolce: Käseschokolade
Newcomer Ertl besuchte mit Zotter, der einen neuen Anlauf machte, die Slowfood Messe in Torino zur Salone del Gusto. Dort posaunte er für die Käseschokolade mit Fontina Käse aus dem Aostatal. Spontan und unüberhörbar besang er die Käseschokolade in Italienisch. Radio- und Kamera-Teams zeichneten Herwigs Lobgesang auf und einen Tag später berichtete die große italienische Tageszeitung La Stampa, dass es seit Neuestem Käseschokolade gibt. „Austria dolce Austria in der Welt gibt es eine Käseschokolade“ war zu lesen: Genussbotschafter Ertl im Zotter-Schokomacher-G‘wand, Schoko-Zotter und Produkt im Bild. Von da an kam Zotters Schoko-Imperium ans Laufen, wie Herwig Ertl sagt und lacht: „Nur weil ein kleiner Freund des ‚großen Zotter‘ laut schrie, dass es Käseschokolade gibt.“ Nun war Ertl auch kein Unbekannter mehr. Er sah sich nach anderen Produzenten um in Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien und Deutschland. Und fand solche, die – wie er – wussten, „wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen, schaffen wir es nicht weiterzukommen.“ Wertschätzung der Produzenten steht bei Ertl an erster Stelle.
Setzt sich Ertl etwas in den Kopf, macht er es, so wie 2010 sein erstes Buch: „Einfach Genuss!“ – Ansichten eines kulinarischen Querdenkers. „Die Adressen“, sagt er, „sind noch immer aktuell und die Produzenten meine Wegbegleiter.“ Diese Produzenten sind die Pioniere, der Hausverstand der Nation, verkündet er unüberhörbar in seiner Edelgreißlerei, um den Menschen eine Perspektive zu geben. Sein Credo: „Wer das erkennt, kann einer wertvollen Zukunft entgegen gehen, muss die Lösung eines wertvollen Miteinanders nicht mehr erfinden, sondern bekommt sie schon serviert und vorgelebt. Solche Produzenten spüren, was die Menschen wollen und brauchen, während Politiker und Wirtschaftsbosse sich leider viel zu weit von der Realität entfernt haben. Es geht nicht mehr nur um Kulturerhalt, wir verlieren immer mehr an Kultur. Bald dürfen wir keine LEBENSmittel mehr produzieren, sondern nur noch Nahrungsmittel. So radiert man viel Wertvolles am Leben aus.“
Im Edelgreißler steckt ein politischer Philosoph
Und so „predigt“ Herwig Ertl unverdrossen weiter auf seiner Bühne des Genusses, auf der er sich seinen ganz speziellen Genuss leistet: „ich-sein-dürfen“ Was versteht man heute unter „nachhaltig“, fragt er? Und antwortet: Das ist nur noch eine trendige Redeweise, die wahre Bedeutung ist längst verloren, wird nicht nachvollzogen. Überproduktion, Ausnützen der wertvollen Produzenten, der Bauern und anderer, menschenverachtender Umgang mit noch lange essbaren Produkten, Produkteverschwendung, Gesetzes-Irr- und „Warn“sinn. Neue Sichtweisen der Jugend werden nicht akzeptiert, Gesetze, die einfach nicht mehr in unsere Zeit passen, verstellen den Blick.
O-Ton Ertl: „Wir ver-altern nachhaltig, werden hoffnungslos, ideenlos und kraftlos – weil Politik und Industrie und Wirtschaft zusammen den Menschen nicht mehr als Mensch sehen, sondern nur noch als Nummer, die man als Roboter einsetzt und durch Roboter austauscht. Politik-, Industrie- und Wirtschafts-Bosse erreichen den Menschen nicht mehr. Der kleine Bauer wird überhaupt nicht mehr gehört und übergangen. Er ist der einzige, der sagen kann, wie die Situation aussieht. Aber die Wahrheit will niemand hören, solange die Brieftaschen für ‚Nichtsverstehen‘ gefüllt bleiben. Umsatz und Umsatzsteigerung ist alles. Wachstum und immer noch mehr! Nur dieses Wort ‚Umsatz‘ ist so seelenlos wie kein anderes. Was da noch an Wertschöpfung herausschaut, wird meistens falsch eingesetzt. Nicht in Menschlichkeit, denn das Geld hat keinen Wert, aber das Wort. Vernunft und Weitblick bleiben auf der Strecke, wo der Hausverstand aussetzt, weil das Geld einem näher ist als der Nachbar.“
Und weiter: „Pioniere die zeigen, wie ein Überleben funktionieren kann, werden brüskiert, ja fast abgeführt, dem Richter vorgeführt. Dabei sind diese Pioniere der Hausverstand der Nation, sind jene, die unser ‚Leben‘ in seiner Qualität noch retten können, die LEBENSmittel herstellen und nicht bloß Nahrungsmittel zum Sattwerden, die kämpfen, um diese LEBENSmittel zu bewahren gegen Gesetze, die weder nachvollziehbar sind, noch den selbst proklamierten Zielen entsprechen. Diese Pioniere sind die einzigen Kultur-Erhalter, die Geschichte, Handwerk und Tradition an die Kinder weiter geben können. Aber oft habe ich den Eindruck die Zukunft der Menschen ist vielen egal, Hauptsache noch ein Gesetz, noch mehr Bürokratie – den Stillstand, in den das irgendwann führt, sehen sie nicht.“ Ja, im Edelgreißler Ertl steckt ein politischer Philosoph.
Seine Genussfestspiele gestaltet er schon seit 15 Jahren an den verschiedensten Orten, um auf sich, das Köstlichste Eck Kärntens und den Alpen Adria Raum aufmerksam zu machen. Hierfür sind Genussbotschafter unterwegs. Ertl selbst trat im Auftrag vom „Roten Hahn“ – Urlaub am Bauernhof in Südtirol mit Bergsteiger-Legende Reinhold Messner auf – was er in Kärnten noch nicht wirklich schaffte. Warum? „Bin Daheim wahrscheinlich nur ein kleiner Greißler und peinlich“, sagt Ertl und lacht.
Das Buch „Herzkraft“ – Das Köstlichste Eck Kärntens erzählt … folgte ein Jahr später, „die sympathische Visitenkarte einer kreativen Region voller Dickköpfe, „Überraschendes gibt´s zu entdecken“: „Wer ahnt schon, dass im Kärntner Gailtal Wein angebaut wird? Dass der beste italienische Espresso womöglich aus Kötschach kommt und auch dort zu verkosten ist? Und gebraut wird noch etwas anderes: Bier nämlich, in der experimentierfreudigen Privatbrauerei zweier Freunde. Von Genusswerkstatt bis Biohotel, vom Stammtisch bis zur Kirchenkanzel, dem Museum bis zum Sportclub, vom Theaterprinzipal bis zum Chorleiter, von der Almwirtin bis zum Bienenzüchter, werden hier Menschen vor den Vorhang geholt, die mit ‚Herzkraft‘ und Leidenschaft besondere Orte und Produkte geschaffen haben.“ Schokolade-Pionier Josef Zotter im Vorwort über Herwig Ertl: „Regionalität ist das Herzblut der Region, das neue Bio.“
Bin in Ordnung – BiO
Das Modewort Bio hat Herwig Ertl in sein Lebens-Motto verwandelt, das er allen empfiehlt: „Bin in Ordnung – BiO“ zu sein. Das einzige Qualitätssiegel, das nichts kostet, das kein äußeres Abzeichen, kein Qualitätsband braucht – österreichisch: kein Mascherl -, aber die Zukunft nachhaltig verändern kann. Ertls zentrale Botschaft: Nur wer beginnt BiO-BIN IN ORDNUNG zu sein, ist fit für die Zukunft.
Ein Kartenspiel – „Herzkraft, das Genuss-Spiel“ – setzt er erfolgreich als Transport-Mittel ein: „Es ist höchste Zeit für ein neues Schlaraffenland. Ein köstlicher Ort, wo der Produzent dem Feinschmecker in die Augen schaut, wo man sich bei Tisch das pure Leben auf der Zunge zergehen lässt, wo über ehrlichen Genuss gesprochen wird und Lust auf kulinarische Entdeckungen aufkommt. Für diese Reisen von der Alpe-Adria-Region in die weite Welt, diese Expeditionen ins Schlaraffenland gibt es dieses Kartenspiel das zum nachhaltigsten Reiseführer und zum kreativsten Kochbuch wurde, so Ertl.
Mit dem Österreichischen Fernsehen inszenierte Ertl 2013 in einem Film – „Ein Dickkopf kommt selten allein“ – seine Heimat als Gallisches Dorf voller Dickköpfe.
Nach 15 Jahren Genussfestspiele hat er Spuren im ganzen Alpen-Adria-Raum und darüber hinaus hinterlassen. „grenz:geniale:wege“ legt Ertl nicht als Buch, Magazin oder Folder auf, sondern als Geschenk für Menschen, die es als wertvoll erachten, bei Menschen anzukommen.
Über Herwig Ertl zu schreiben, ist gut anfangen, aber schlecht aufhören, es gibt immer noch etwas Erstaunliches zu berichten. Lassen wir zum guten Schluss Herwig Ertl über sich selbst zu Wort kommen:
„Ich hatte nie Vorbilder, weil ich nie der Zweite sein wollte. Ich habe immer gemacht, was ich wollte, geschrieben und verkündet, was aus meinem Herzen kam. Ich bin kein Teamplayer, aber ein Macher. Ich bin ein Zwangsbeglücker solange, bis man meine Projekte versteht. Ich feilsche nie mit meinen Produzenten, verhandle auch die Preise nicht. Wer nicht spürt, wie wertvoll ich sein kann, soll selbst entscheiden, was für einen Preis ich bekommen soll. Zahlen tut immer der Kunde. Ich gebe weder Rabatt noch Skonto, denn ich kalkuliere fair. Ich biete ein Einkaufserlebnis und überrede niemanden, mehr zu nehmen, weil es billiger ist, um es dann weg zu schmeißen, weil das Datum abgelaufen ist. Wenn ein Produkt kurz abgelaufen ist, Olivenöl zum Beispiel, dann verkoste ich es mit den Kunden, und sage: Wenn Sie Geschmack beweisen, nicht das Datum kaufen, sondern den Inhalt, der köstlich ist, beglücke ich sie mit einem Sackerl bestem Salz. Und ich sage Ihnen: es funktioniert.“
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