In der DB-Bord-Gastronomie soll es bald nur noch schales Flaschenbier geben. Ist das eine bloße Sparmaßnahme oder steckt mehr dahinter? Von aufgegessen.info
Man muss nicht gleich in die glorreichen Zeiten der luxuriösen Pullmann-Speise- und Salonwagen des Orientexpress zurückblicken, wenn man den Abgrund ermessen möchte, der sich zwischen dieser ungemein kultivierten Form mobiler Verköstigung und den Abfütterungseinheiten heutiger DB-„Bord-Bistros“ auftut. Es reicht ein Blick in die sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die TEE-Expresszüge „Rheingold“ und „Rheinpfeil“ stolz durchs Wirtschaftswunderland rauschten, die Flaggschiffe der Deutschen Bahn, die damals noch Bundesbahn hieß.
Unvergessen die „Buckelspeisewagen“ der Baureihe WR4üm-62, bei denen Küche und Spülküche voneinander getrennt auf zwei Ebenen angeordnet waren. Das Interieur holzgetäfelt, die Sitzpolster in Schwarz-Rot-Gold, die Tische weiß eingedeckt. Dazu elegante Tischleuchten in jedem Fenster. Außerdem gab es einen spektakulären „Aussichtswagen“, aus dem heraus man die damals von Windrädern und anderen Hässlichkeiten noch unbeeinträchtigten deutschen Landschaften genießen konnte. Reisen war damals noch so etwas wie eine kulturelle Errungenschaft.
Die Qualität der Speisen von damals vermag ich nicht mehr zu erinnern. Aber es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass sie besser war als das, was heute überforderte Bahnmitarbeiter aus Convenience-Gebinden auf den Teller kippen, sei es nun „Currywurst mit Tortilla-Crunch“, „Chili sin carne“ mit Bio-Brötchen, oder „Wiener Kalbsrahmgulasch mit Knöpfle und Almdudler Kräuterlimonade“. Wobei man immer hoffen muss, dass die Aufwärmstation funktioniert und in ausreichender Zahl Personal zur Verfügung steht, weil man sonst seine Mahlzeit vielleicht erst am Ankunftsort vorgesetzt bekommt. Oder lauwarm. Oder gar nicht.
Trotzdem hat das Bord-Bistro auch seine guten Seiten. In Corona-Zeiten war es gewissermaßen maskenfreie Zone, weil man Almdudler nicht gut durch den Melittafilter hindurch trinken konnte. Und wenn der Zug mal wieder Verspätung hat wegen „Triebwerksschaden“, „Oberleitungsschaden“, „Weichenstörung“, „Signalstörung“, „Personen im Gleis“, wenn der Lokführer krank geworden oder ein vorausfahrender Zug liegen geblieben ist oder es aus einem nicht bekannten Grund nicht mehr weiter ging, konnte man sich hier bei einem Glas frisch gezapften Bieres das erhitzte Gemüt kühlen und mit anderen Fahrgästen auf die Deutsche Bahn schimpfen, wobei manchmal sogar der Schankwirt fraternisierte.
„Konnte“ deshalb, weil es mit der Herrlichkeit frisch gezapften Bieres bald ein Ende hat. Die Deutsche Bahn nämlich verlautbarte jüngst, ab dem kommenden Jahr nur noch Flaschenbier auszuschenken und zwar „in einer größeren Auswahl“. Während Fassbier 2010 noch einen Anteil von 50 Prozent am Verkauf ausgemacht habe, seien es mittlerweile nur noch 15 Prozent. Der Geschmack der Kunden werde vielfältiger, erklärte das Unternehmen, und die Bahn wolle sich daran anpassen.
Wer’s glaubt, wird selig. Denn wer trinkt schon freiwillig schales Flaschenbier, wenn er ein frisch Gezapftes bekommen kann? Fassbier schmeckt nachweislich besser als Flaschenbier, weil es rund fünf Prozent mehr Kohlensäure aufweist, dadurch spritziger wirkt und zudem eine schönere Schaumkrone ausbildet. Außerdem schützt das lichtundurchlässige Fass das Bier zuverlässig vor einem ranzigen „Lichtgeschmack“. Ganz abgesehen von der schönen Geste des Zapfens. Wie prosaisch wirkt es dagegen, wenn der DB-Servicemensch nur eine Flasche auf die Ausgabetheke knallt.
Ich vermute, dass dahinter wieder mal eine Sparmaßnahme steckt. „Ein gutes Pils braucht sieben Minuten“, das ist fürwahr schrecklich ineffizient. Da lässt sich gewiss noch Personal einsparen. Oder will man mit der spektakulären „Fass leer“-Botschaft nur verschleiern, dass die Bahn in der Bord-Gastronomie ab Februar 2025 schrittweise das Bargeld abschaffen möchte. Zunächst soll das Ganze nur ein „Pilotprojekt“ und auf gewisse ICE-Strecken beschränkt sein. Aber alles hat mal ganz harmlos angefangen. Und wenn die Bahn nach und nach nur noch elektronische Zahlungen akzeptiert, auch im Ticketverkauf, ist das eine schöne Bresche für die Bargeld-Hasser und Überwachungsfanatiker.
Darauf schnell noch ein kühles Blondes, aber frisch gezapft bitte!
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Wer mit der Deutschen Bahn reist, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Da macht Bier vom Fass den Kohl auch nicht fett.
Alkohol und die moderne Klientel der Bahn vertragen sich einfach nicht gut.
Viel Rauch um nichts. Ich bin Flaschenkind – daher ist mir das egal. Muss man sich nicht eher Sorgen um die Hygiene beim Zapfbier in den Bahnen machen?
Schlimmer finde ich die zeitgleiche Abwendung vom Bargeld.
Bei der Flüssigkeitsaufnahme ist ohnehin Zurückhaltung geboten, da häufig nur ein Bruchteil der Bordtoiletten in Betrieb ist.
Rein von der ökonomischen Theorie her könnte der Markt bereitet werden für die Qualitätsoffensive eines Wettbewerbers… Tjaaaa… Man kann sich streiten, ob die Schiene für Wettbewerb prädestiniert ist… Ganz sicher nicht wegen der Kosten, wohl aber bzgl. Funktionalität und Komfort war die vormalige Staatsbahn in der Tat haushoch überlegen… Leider führen die bisherigen teilweisen Marktöffnungen nur zu einem Wettbewerb im qualitäts-, definitiv: komfortfernen Billigsegment… Der Flixzug ist kaum besser als die engen Flixbusse… Die diversen Regiobahnen lassen sich eher von der Schwerkraft/Erdumdrehung ziehen/beschleunigen als zügig, wie zu Staatsbahnzeiten die S-Bahnen, die Stationen abzuklappern… Und die Klientel (gemeint eher: deren Benehmen)…… Mehr