Das schreckliche Monster aus Misery mit dem Hammer in der Hand

Kathy Bates wird an diesem Mittwoch 75 Jahre alt. In die Köpfe der Zuschauer hat sie sich als Krankenschwester in Misery gespielt. Trotz der einprägsamen Rolle gelang es der Schauspielerin immer wieder, sich zu wandeln.

IMAGO/Cinema Publishers Collection, ABACAPRESS

Es gibt Szenen in Filmen, die keiner vergisst, der sie je gesehen hat. Etwa die: Paul Sheldon (James Caan) schläft ein. Wird wach. Seine Arme und Beine sind ans Bett gefesselt. Er ist wehrlos. Da steht sie. Sein Albtraum: die Krankenschwester Annie Wilkes. Sie erklärt ihm, was man früher mit Minenarbeitern gemacht hat, um sie gefügig zu halten. Sheldon und dem Zuschauer dämmert, was nun kommt. Das hat sie nicht wirklich vor. Nein, bitte nicht. Dann nimmt sie den Hammer, nimmt Schwung, zielt auf seine Beine und – wer jetzt noch die Augen auf hat, hat Schneid. Respekt.

Die Szene stammt aus dem Film Misery von 1990. Eine Verfilmung des Romans „Sie“ von Stephen King. Kathy Bates hat Annie Wilkes ihr Gesicht gegeben. Ein Gesicht, das man nie wieder vergisst. Für ihre Leistung als Hauptdarstellerin erhält sie den Oscar. Völlig zurecht. Das Kammerspiel lebt vom intensiven Spiel zwischen Bates und Caan. Viele andere Darsteller hatten die Rolle abgelehnt, weil sie dafür nahezu während des ganzen Drehs im Bett hätten liegen müssen. Caan hatte ob seiner Drogengeschichte kaum eine andere Wahl.

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Auch Bates kann sich ihre Rollen nicht aussuchen. Anfangs. Zwar ist sie bereits in den 70er-Jahren eine gefragte Schauspielerin. Auf dem Theater. Ihre Erfolge werden oft verfilmt. Doch nicht mit ihr. Kathy Bates sieht einfach nicht so aus, wie sich Hollywood in den 70er-Jahren eine Schauspielerin vorstellt. Ein Rebell wie Milos Forman verpflichtet sie für eine Komödie wie Taking Off. Doch das bleibt die Ausnahme – und Bates auf den Brettern des Broadways.

In den 80er Jahren kämpft sich Bates zunehmend vor die Kamera. Bis dann 1990 der Film ihres Lebens kommt: Misery. Solch eine Rolle ist ein Segen, weil eine Schauspielerin durch sie für immer in der Erinnerung der Menschen bleiben wird. Sie kann aber auch zum Fluch werden, weil es dann schwer wird, noch in eine neue Rolle schlüpfen zu können. Etwa Bruno Ganz. Der bot im Untergang eine Jahrhundert-Leistung. Doch als er später zum Beispiel die BKA-Legende Horst Herold verkörperte, dachten viele Zuschauer: lustig, da sitzt Hitler.

Bates hat es geschafft. Sie ist seit Misery nahezu ununterbrochen im harten Geschäft Hollywoods geblieben. Trotz dieser prägenden Rolle. Sie schaffte es, in ganz andere Rollen zu schlüpfen. Kurz nach der so irren wie dominaten Annie Wilkes gab sie die viel zu schüchterne Hausfrau Evelyn Couch in „Grüne Tomaten“. Sie prägt damit die Rahmenhandlung für eine (prüde verfilmte) lesbische Liebesgeschichte, die in Rückblenden in den 20er- und 30er-Jahren der amerikanischen Südstaaten spielt. Auch Bates ist Südstaatlerin, geboren in Memphis Tennessee. War sie in Misery ein Monster, über dessen Tod das Kino jubelte, verstand sie es, in Grüne Tomaten die Zuschauer zu rühren.

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Bates hält sich im Geschäft. Sieht selbst in überschaubaren Komödien wie „Angus – voll cool“ oder „Zum Ausziehen verführt“ nie schlecht aus. Zwischendrin schafft sie es immer wieder ins ganz große Kino. Etwa dem Jahrhundert-Blockbuster Titanic. In dem Kassenschlager gibt sie die taffe Molly, die auch im wackligen Rettungsboot die Menschlichkeit nicht vergisst. Drei mal wird Bates noch für den Oscar nominiert, für: „Mit aller Macht“, „About Schmidt“ und „Der Fall Richard Jewell“.

Rollen wie die Molly aus der Titanic, die auch in den größten Katastrophen nicht aufgeben, sind Bates auf den Leib geschneidert. Nicht nur, weil sie es mit eben diesem Leib in der Schauspielerei nicht leicht hatte. Sie erkrankt an Brutskrebs, lässt sich die Brüste entfernen. Sie bekommt Lymphödeme in beiden Armen. Sie gründet das Lymphatic Education + Research Network.

Nur wenige Frauen haben sich so lange in Hollywood gehalten, nur wenige in so vielen anspruchsvollen und trotzdem oder gerade deswegen erfolgreichen Filmen gespielt. Warum das so ist, zeigt sie in Auftritten wie in der Sitcom The Big Bang Theory. Dort spielt sie die ebenso warmherzige wie harte Meemaw (Oma) von Sheldon – ein Rollenname, der für Bates zum Schicksal wird. Die Meemaw ist eine Kombination, die Bates ausmacht: taff und gefühlvoll zugleich. Wenn sie nicht gerade einen Hammer in der Hand hat.

An diesem Mittwoch wird Bates 75 Jahre alt. Sie ist immer noch aktiv. Zuletzt spielte sie an der Seite von Maggie Smith und Laura Linney im „Miracle Club“. Bates gibt eine streng gläubige Katholikin, die aus der Enge Irlands nach Frankreich aufbricht, um sich selbst zu entdecken. Wobei auch der Zuschauer immer noch viel an ihr zu entdecken hat – 33 Jahre nach diesem schrecklichen, unvergesslichen Monster mit dem Hammer in der Hand. Das so herrlich mit der Kastrationsangst spielt.

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Kommentare ( 3 )

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Ralf Poehling
1 Jahr her

Fantastischer Streifen. Es gab Zeiten, da haben zwei Hauptdarsteller in einem Schlafzimmer 100 Minuten Film getragen. Nahezu ohne Spezialeffekte, einfach durch ihre unglaublichen individuellen Fähigkeiten. Ich bin bei Filmen eigentlich eher Anhänger der ganz harten Gruselstoffe, aber „Misery“ hat mich damals total aus den Socken gehauen. Das harte, psychologisch wunderbar ausgearbeitete Spiel zwischen den beiden Hauptakteuren und die daraus entstehende Spannung, ist von selten gesehener Qualität. Früher hatten die Darsteller das noch drauf, allein durch ihr Acting den ganzen Film zu tragen. Und die Regisseure haben das unterstützt. Heute ist das nicht mehr der Fall. Da setzt man auf Spezialeffekte… Mehr

Herr von Welt
1 Jahr her

Kathy Bates hat nie Sheldons Oma gespielt. Sie spielte in Big Bang Theory Mrs. Fowler, die Mutter von Amy Farrah Fowler.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Eine Kämpferin und starke Frau vor dem Herrn. Respekt und herzlichen Glückwunsch und weiterhin gute Filme.